2015-11-10 Mit der EOS 750D und der EOS 760D hält Canon gleich zwei nahezu identische Modelle im Hobby-DSLR-Bereich bereit, die sich aber im Bedieninterface voneinander unterscheiden. Auch vom 18-Megapixel-Sensor verabschiedet Canon sich und zieht mit einem eigenen 24-Megapixel-Sensor mit der Konkurrenz gleich. Zudem soll dank neuen Phasen-AF-Sensoren auf dem Sensor der Live-View-Autofokus endlich schneller werden. Die beiden DSLRs versprechen also viel, ob sie es halten können, zeigt der Test. (Benjamin Kirchheim)
Ergonomie und Verarbeitung
So gleich und doch so verschieden geben sich die beiden Hobby-DSLRs Canon EOS 750D und 760D. Die Gehäuse bestehen aus gut verarbeitetem Kunststoff, der einen ordentlichen, aber nicht ausgesprochen hochwertigen Eindruck macht. Großzügige Gummierungen an der Daumenmulde, dem Handgriff sowie der linken Gehäuseseite sorgen für den nötigen Halt in einer oder zwei Händen. Wobei Handgriff und Daumenmulde für mitteleuropäische Hände gerne besser ausgeprägt sein dürften. SD-Speicherkarte und Lithium-Ionen-Akku werden in getrennten Fächern entnommen, was vor allem bei Verwendung eines Stativs einen leichten Zugriff auf die Speicherkarte bedeutet. Das Metallstativgewinde sitzt ohnehin ordnungsgemäß in der optischen Achse, nicht allzu große Stativwechselplatten gewähren sogar den Zugriff auf den Akku, der für 440 Bilder nach CIPA-Standard reicht. Wieder ein solider Wert, der aber von Rekorden weit entfernt liegt. Dank einer herausnehmbaren Aussparung am Akkufach lässt sich ein Dummy mit Kabelstromversorgung betreiben. Zudem bietet das Akkufach, die Plastikklappe lässt sich einfach entfernen, Anschlüsse für einen Multifunktionsgriff.
Die Canon EOS 750D und EOS 760D sind aus gut verarbeitetem, aber nicht überbordend hochwertig wirkendem Kunststoff gefertigt. [Foto: MediaNord]
Auf der Rückseite verfügen die Canon EOS 750D und 760D über einen dreh- und schwenkbaren Touchscreen. Dieser misst 7,5 Zentimeter in der Diagonalen und löst knapp eine Million Bildpunkte auf. [Foto: MediaNord]
Im Gegensatz zur 750D verfügt die Canon EOS 760D auf der Rückseite über ein zweites Einstellrad sowie einen Näherungssensor am Sucher, der das Display aber nur ohne aktiviertes Live-View abschaltet. [Foto: MediaNord]
Apropos Anschlüsse: Diese liegen allesamt auf der linken Gehäuseseite. Neben einem Kabelfernauslöser lässt sich ein externes Stereomikrofon anstöpseln, die Mini-HDMI-Buchse sowie der USB-Anschluss sind fast schon obligatorisch. Auch dass sich der rückwärtige Bildschirm zur Seite schwenken und um 270 Grad drehen lässt, ist man von Canons dreistelliger DSLR-Serie bereits längst gewohnt. Es handelt sich um den üblichen 7,5 Zentimeter großen Touchscreen mit rund einer Million Bildpunkten Auflösung. Bis auf die Ablesbarkeit in extrem grellen Lichtsituationen macht der Bildschirm einen hervorragenden Eindruck. Dank der Beweglichkeit lässt er sich zudem verkehrt herum an die Kamera anklappen. Bei der 750D ist dies jedoch weniger zu empfehlen, wird der Bildschirm doch als Info-Display benötigt. Die 760D indes besitzt ein zusätzliches Info-Display auf der Oberseite, das sogar im Dunkeln über die wichtigsten Aufnahmeeinstellungen sowie den Akkuladestand informiert, da es per Taste beleuchtbar ist.
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Die Menüs stellen Canon-Kenner vor keine Rätsel. Der japanische Hersteller arbeitet mit Registerkarten und verzichtet auf vertikales Scrollen, was das Durchblättern langer Menülisten erspart. Dafür ist das Individualmenü etwas versteckt, überhaupt arbeitet Canon bei einigen, weiterführenden Einstellungen mit Untermenüs, etwa bei der Blitzsteuerung. Gerade letztere ist durchaus nicht besonders übersichtlich geraten, was den zahlreichen Einstellmöglichkeiten geschuldet ist. In den Kreativprogrammen gibt es zudem ein Menü, das sich individuell mit bevorzugten Menüpunkten füllen lässt. Ein Quick-Menü gewährt den Zugang zu Einstellungen, die nicht über eine der zahlreichen Tasten erreichbar sind, das Hauptmenü muss also nur für tiefergreifende Grundeinstellungen herhalten. Wer mag, kann dieses alternativ zur Tastenbedienung auch über den Touchscreen aufrufen und bedienen.
Der optische Sucher ist bei einer DSLR nach wie vor das bevorzugte Instrument zur Bildkomposition, arbeitet er doch stromsparend, ist auch bei grellem Umgebungslicht verwendbar und bietet vor allem den schnelleren Autofokus. Im Gegensatz zur 750D verfügt die 760D über einen Näherungssensor am Sucher, der praktischerweise den Bildschirm abschaltet. Wenn man hingegen bei aktiviertem Live-View die 760D ans Auge nimmt, wird der Bildschirm nicht abgeschaltet, der Sucher bleibt durch den hochgeklappten Spiegel dunkel. Um einen "echten" automatischen Umschalter zwischen Live-View und Spiegelreflexsucher handelt es sich also leider nicht. Der einfach aufgebaute Sucher mit einer Spiegelkonstruktion anstelle eines Pentaprismas fällt leider recht klein aus, im Kleinbildäquivalent bietet er lediglich eine 0,5-fache Vergrößerung. Die mit 19 Millimetern kleine Austrittspupille stellt zudem Brillenträger vor das Problem, dass die Sucherecken deutlich abschatten, da man nicht nahe genug an den Sucher kommt. Die Dioptrinkorrektur fällt ebenfalls recht bescheiden aus. So richtig Freude kommt beim Blick durch den Sucher also nicht auf, aber man kann damit arbeiten.
Etwas unglücklich gelöst ist der Einschalthebel, der jeweils unter dem Programmwählrad sitzt. Die mittlere Einstellung ist zum Fotografieren, während der Ausschaltzustand und der Videomodus die Endanschläge darstellen. So schwer, wie der Schalter sich bewegt, aktiviert man im Eifer des Gefechts schonmal den Videomodus, statt in den Fotomodus zu gehen. Die Programmwahlräder der 750D und 760D unterscheiden sich übrigens leicht. Sie sitzen an verschiedenen Stellen, sind beide aber gut erreichbar. Die 760D bietet zudem eine Verriegelung gegen versehentliches Verstellen, obwohl dies auch bei der 750D dank der Schwergängigkeit und des ordentlichen Rastens gegeben ist. Bei der 750D kommt man fast komplett mit einer einhändigen Bedienung aus, nur der Menü- sowie der Infoknopf sorgen dafür, dass sich die linke Hand nicht überflüssig fühlt. Die 760D trumpft indes mit einem zweiten Einstellrad auf. Wer die kleine APS-C-DSLR als Zweitkamera zu einer größeren DSLR betriebt oder aber die 760D als alleinige Kamera und das fortgeschrittene Bedieninterface der 70D aufwärts bevorzugt, wird mit der 760D sicherlich mehr Freude haben als mit der 750D.
Das Programmwählrad der Canon EOS 750D sitzt auf der rechten Schulter und kommt dank der festen Rastung ohne Arretierungsknopf aus. [Foto: MediaNord]
Bei der Canon EOS 760D musste das Programmwählrad dem beleuchtbaren Info-Display weichen. Zudem will sie mit der automatischen Blockierung gegen versehentlichen Aufnahmeprogrammwechsel mehr Professionalität versprühen. [Foto: MediaNord]
Ausstattung
Bei der Ausstattung geben sich die beiden Schwestern wieder nahezu identisch. Wir konnten nur einen Unterschied feststellen: Während die 760D immerhin über eine einfache Wasserwaage für die horizontale (nicht aber für die vertikale) Ausrichtung verfügt, fehlt diese bei der 750D. Ansonsten bieten beide Modelle für Einsteiger sowie diejenigen, die sich nicht mit der Technik auseinandersetzen mögen, entsprechende Automatikmodi von der Vollautomatik mit Motiverkennung bis hin zu wählbaren Motivprogrammen. Sogar im Live-View lassen sich die beiden DSLRs ganz gut verwenden, denn dem Autofokus hat Canon endlich auf die Sprünge geholfen. Die Auslöseverzögerung ist, egal ob im Live-View oder bei Verwendung des Spiegelsuchers, mit unter 0,1 Sekunden gleich schnell. Das liegt vor allem daran, dass der Spiegel im Gegensatz zu den meisten ersten DSLRs mit Live-View vor der Auslösung nicht noch einmal herunterklappt. Nebenbei sorgt das sogar für eine leisere Auslösung im Live-View verglichen mit dem klassischen Sucher, da der Spiegelschlag entfällt. Der mechanische Verschluss sorgt aber auch für eine hörbare Geräuschkulisse.
Kommt der Autofokus hinzu, spielt der Sucher wieder seine Vorteile aus. Nach maximal 0,4 Sekunden ist das Motiv fokussiert und aufgenommen, während im Live-View die doppelte Zeit vergeht. Verglichen mit den Vorgängermodellen, die sich im Live-View teilweise sekundenlang mit dem Fokussieren quälten, ist dies aber ein riesiger Schritt nach vorn. Auch die Fokusnachverfolgung während einer Videoaufnahme funktioniert nun besser, obschon spiegellose Kameras hier deutlich schneller sind. Die Domäne der DSLR ist und bleibt der verzögerungs- und pixelfreie Spiegelsucher.
Apropos Video: Die 750D und 760D nehmen maximal in Full-HD-Auflösung (1.920 x 1.080 Pixel) bei lediglich 25 Bildern pro Sekunde auf. Schaltet man auf HD-Auflösung (1.280 x 720 Pixel) herunter, sind wahlweise auch 50 Bilder pro Sekunde möglich. Mit einem kleinen Trick gelangt man jedoch an weitere Bildwechseleinstellungen: Schaltet man in den Einstellungen das Videosystem von PAL auf NTSC um, so stehen in Full-HD-Auflösung 30p und 24p zur Verfügung, bei HD 30p und 60p sowie bei VGA 30p. Der Tonpegel der Videos lässt sich auf Wunsch manuell aussteuern, auch einen zuschaltbaren Windfilter gibt es. Anstelle des internen Stereomikrofons kann zudem auch ein externes angeschlossen werden. Auch die Motiv- sowie Kreativprogramme P, A, S und M stehen zur Auswahl, sodass der Videograf, genauso wie der Fotograf, Einfluss auf Blende, Belichtungszeit und ISO-Empfindlichkeit nehmen kann. Bei manuellem Fokus steht allerdings lediglich eine Fokuslupe zur Verfügung, die moderne wie nützliche Funktion des Fokuspeakings fehlt.
Bei Serienbildaufnahmen kann der Fotograf von Bildwiederholfrequenzen wie 25 oder gar 50 Bildern pro Sekunde freilich nur träumen. Fünf Serienbilder pro Sekunde verspricht Canon. Ein Versprechen, das die 750D und 760D in der Praxis nicht ganz einhalten können. Um die 4,6 Serienbilder pro Sekunde schaffen sie, wobei in Raw bereits nach wenigen Aufnahmen die Geschwindigkeit einbricht. Interessanterweise schafft die 750D ein Bild mehr mit hoher Geschwindigkeit in Raw (sieben statt sechs), während die 760D in JPEG drei Bilder mehr schafft (19 statt 16). Auch im anschließenden Dauerlauf ist die 750D bei Raws mit identischer Speicherkarte leicht schneller, die 760D hingegen bei JPEGs.
Zum Test fanden sich die Canon EOS 750D und die 760D mit dem EF-S 18-135 mm IS STM ein, das im Set mit der 750D erhältlich ist. Die 760D hingegen wird von Canon nur ohne Objektiv angeboten. [Foto: MediaNord]
Die zahlreichen Schnittstellen der Canon EOS 750D bzw. 760D sitzen auf der linken Gehäuseseite hinter Gummikappen. [Foto: MediaNord]
Die Canons besitzen einen integrierten Pop-Up-Blitz, der in den Motivprogrammen sogar automatisch aufspringen kann, sobald die Automatik meint, dass das Blitzlicht nützlich wäre. In den Kreativprogrammen muss der Fotograf den Blitz mittels Knopfdruck selbst ausklappen. Bei aktiviertem Blitz und geringem Umgebungslicht wird übrigens das Autofokus-Hilfslicht in Form sehr unschöner Blitzsalven aktiv, die verbaute LED an der Kameravorderseite hingegen dient nur als Indikator beispielsweise bei Selbstauslöseraufnahmen. Glücklicherweise lässt sich die Blitzsalve als Autofokushilfslicht in den Tiefen des Hauptmenüs deaktivieren. Wem frontal totgeblitzte Motive mit Schlagschatten und womöglich roten Augen zu langweilig sind, der kann auf dem TTL-Blitzschuh einen externen Blitz von Canon oder einen kompatiblen verwenden. Noch interessanter wird es, wenn der oder die externen Blitzgeräte drahtlos per TTL ferngesteuert werden – das funktioniert sogar mit dem internen Blitz als Steuergerät, ein zusätzliches Steuergerät wird also nicht auf der Kamera benötigt.
Je nach Programm erlaubt die Canon eine Anpassung der Bildparameter. Neben diversen Vorgaben, die sich allesamt individuell in Kontrast, Farbe etc. anpassen lassen, gibt es auch Speicherplätze für individuelle Einstellungen. Auch Filtereffekte wie Weichzeichner oder Fisheye fehlen nicht. Im Wiedergabemodus wiederum lassen sich JPEG-Bilder nachträglich mit Filtereffekten, etwa Spielzeugkamera oder körniges Schwarzweiß, versehen. Dies ist auch die einzige Möglichkeit, Raw-Bilder in der Kamera in ein JPEG zu wandeln, denn die Filter lassen sich auch bei Raw-Bildern verwenden, das Ergebnis wird als neues Foto gespeichert. Nützlich ist vor allem die Möglichkeit, Bilder noch in der Kamera zu bewerten und so eine Vorauswahl für die spätere Bildbearbeitung am PC zu treffen, ohne auf den ersten Blick weniger gut geratene Bilder löschen zu müssen.
Wer möchte, kann die Fotos auch per WLAN an kompatible Geräte versenden. Dies kann etwa ein Smartphone oder Tablet, das mit der passenden Canon-App ausgestattet ist, sein. Die App gibt es kostenlos für iOS und Android. Sie erlaubt auch die Fernsteuerung der Kamera inklusive Livebildübertragung und allerlei Einstellungen direkt auf dem Bildschirm des Smartgeräts. Wer seine Canon hingegen lieber an der Kamera selbst zur Aufnahme konfigurieren möchte, kann sie trotzdem fernauslösen, wenn das passende Kabel verwendet wird.