2017-04-21 Bis zur vergangenen Photokina im September 2016 bestand das spiegellose Canon-EOS-M-System, obwohl bereits vier Jahre alt, aus lediglich drei Kameras und sechs Objektiven, was man sicher mit Recht als "stiefmütterlich" bezeichnen kann. Doch mit der Vorstellung der EOS M5, der ersten ernsthaften EOS-M-Kamera für ambitionierte Fotografen, änderte sich das auf der vergangenen Photokina. Mit dem EF-M 18-150 hatte Canon auch ein neues Objektiv im Gepäck und schob kürzlich die EOS M6 nach, quasi eine M5 ohne festen Sucher. Ob die EOS M5 tatsächlich ein "Game Changer" für das System ist und was die Kamera mit dem neuen Objektiv leistet, klärt unser Test. (Benjamin Kirchheim)
Ergonomie und Verarbeitung
Einerseits kompakt und doch mit einem großen Bildschirm, vielen Bedienelementen (16 Tasten und fünf Räder zuzüglich Auslöser und Einschalthebel) und einem Handgriff ausgestattet macht die EOS M5 Hoffnung auf eine gut zu bedienende und dennoch verhältnismäßig kleinformatige Kamera, die nicht zu viel Platz in der Tasche raubt und zu schwer am Schultergurt zerrt. Das Gewicht von knapp über 400 Gramm ist für das nackte Gehäuse aber durchaus stolz, zusammen mit dem EF-M 18-150 mm 1:3,5-5,6 IS STM sind es sogar über 700 Gramm. Angesichts dessen wundert man sich doch etwas über das recht billig wirkende Kunststoffgehäuse, das an jeder Ecke ächzt und knarzt, vor allem auf der Handgriffseite. Auch das Objektiv bietet, wo man nur hinschaut, "Plaste und Elaste" – selbst am Bajonett. Und während die Tasten auf der Ober- und Rückseite noch einen halbwegs ordentlichen Druckpunkt bieten, sieht es bei der seitlich am Handgriff eingelassenen WLAN-Taste und erst Recht an der nahe dem Bajonett gelegenen Funktionstaste ganz anders aus. Erstere bietet immerhin noch einen gewissen Hub, letztere besitzt nicht einmal den. Auch das Daumen-Funktionsrad auf der Kameraoberseite wirkt für einen mitteleuropäischen Daumen doch etwas zu sehr zwischen Sucher und Belichtungskorrekturrad eingeengt, sodass man es kaum zwei Rastungen weit drehen kann, bevor der Daumen anstößt.
Die EOS M5 ist die erste ernstzunehmende spiegellose Systemkamera von Canon mit Handgriff und Sucher. Das billig wirkende Gehäuse wird dem aufgerufenen Preis von knapp 1.100 Euro (ohne Objektiv) jedoch überhaupt nicht gerecht. [Foto: MediaNord]
Der Handgriff der kompakten Canon EOS M5 wirkt nicht besonders groß, bietet aber dennoch guten Halt. Vor allem dank der vielen Räder und Tasten lässt sich die M5 gut bedienen, wobei das hintere Daumenrad allerdings etwas eingeengt wirkt. [Foto: MediaNord]
Der Handgriff selbst ist für so eine kompakte Kamera jedoch gut gelungen und bietet knapp sogar dem kleinen Finger noch etwas Platz. Die genarbte Gummierung ist zudem ausreichend rutschfest und der Auslöser lässt sich gut erreichen. Der Druckpunkt des Auslösers wiederum ist jedoch auch grenzwertig. Der erste Druckpunkt ist etwas schwammig und der Widerstand zum zweiten Druckpunkt etwas zu gering, sodass man gerne mal auslöst, obwohl man nur den Fokus halten wollte oder aber in der Vorsicht, nicht versehentlich auszulösen, den ersten Druckpunkt und damit den Fokusspeicher wieder verliert.
Die eigentliche Bedienung bezüglich der Funktionsaufteilung auf die Knöpfe, den Vorbelegungen und Möglichkeiten ist jedoch wiederum gut gelungen. So bietet die M5 etwa zwei Benutzerprogramme direkt auf dem Programmwählrad, auch die wichtige ISO-Taste sowie eine Taste zum Umschalten auf manuellen Fokus fehlen nicht. Richtig eingestellt lassen sich dank der drei Funktionsräder sogar Blende, Belichtungszeit und ISO-Empfindlichkeit unabhängig von einander mit jeweils einem anderen Rad regeln, was sehr bequem ist. Das Belichtungskorrekturrad läuft ausreichend stramm, um nicht allzu leicht versehentlich verstellt zu werden. Übrigens lässt sich aufgrund eben dieser vielen Räder auch die Belichtungskorrektur im manuellen Modus mit der ISO-Automatik kombinieren.
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Die Schnittstellenauswahl ist ebenfalls gut gelungen. Neben einem Micro-HDMI-Anschluss gibt es eine Micro-USB-Buchse, einen 3,5mm Stereo Mikrofonanschluss sowie einen 2,5 mm Kabelfernauslöseanschluss. Auch eine Infrarotfernbedienung und alternativ WLAN können zum (Fern-) Auslösen verwendet werden. Der Micro-USB-Buchse fehlt jedoch eine Ladefunktion für den wechselbaren Lithium-Ionen-Akku, er kann nur extern in der mitgelieferten Ladeschale mit Energie versorgt werden. Modern ist das nicht, beide Optionen wären einer solchen, immerhin gut 1.100 Euro teuren, Kamera angemessen. Angesichts der nur mäßigen Akkulaufzeit von knapp unter 300 Bildern nach CIPA-Standard ist zudem die Anschaffung eines Zweitakkus anzuraten. Das SD-Kartenfach, das unter dem Akkufachdeckel auf der Kameraunterseite sitzt, ist übrigens maximal zu UHS-I kompatibel, UHS-II-Karten laufen also nur mit dem älteren, langsameren Interface. Mit gut 51 Megabyte pro Sekunde ist die Schreibrate ordentlich, nutzt die möglichen knapp über 90 MB/s, die UHS-I erlaubt, jedoch ebenfalls nicht aus (mehr dazu im Abschnitt Ausstattung).
Sehr schön ist der um 85 Grad nach oben und sogar um 180 Grad nach unten (für die obligatorischen Selfies) klappbare, acht Zentimeter große Touchscreen, der mit 1,6 Millionen Bildpunkten äußerst fein auflöst. Trotz dieser Größe nimmt er nicht die gesamte Fläche des Klappelements ein, da wäre also sogar noch etwas Luft nach oben. Der Touchscreen kann nicht nur zum Setzen des Fokuspunkts oder optional zum Auslösen verwendet werden, sondern auch zur Bedienung der Kamera. Wer es lieber mag, kann sogar die Blende und Belichtungszeit mit einem Tipp und Wisch auf dem Bildschirm einstellen. So geht ein modernes Benutzerinterface, ohne das klassische zu vernachlässigen! Die Menüs geben vor allem Canon-Fotografen keine Rätsel auf. Auch Neulingen sollte die Einarbeitung je nach Kenntnisstand nicht allzu schwer fallen, zumal das Menü nicht überbordend viele Einstellmöglichkeiten bietet, wohl aber die wichtigsten. Das Live-View lässt mit einblendbarer Wasserwaage, Gitterlinien, Livehistogramm und Belichtungsvorschau sowie Fokuslupe samt Fokuspeaking übrigens keine Wünsche offen.
Sogar am Bajonett in Handgriffnähe hat Canon bei der EOS M5 noch eine Funktionstaste untergebracht, die sich aber im Gegensatz zu den anderen Tasten sehr billig anfühlt. [Foto: MediaNord]
Der mit acht Zentimetern angenehm große Touchscreen der Canon EOS M5 bietet mit 1,6 Millionen Bildpunkten eine feine Auflösung. Er kann um 85 Grad nach oben sowie um 180 Grad nach unten geklappt werden, taugt somit also auch für die beliebten Selfies. [Foto: MediaNord]
Als erste Kamera in Canons gar nicht mehr so jungem spiegellosen System besitzt die EOS M5 einen eingebauten elektronischen Sucher, sodass man diesen nicht mehr optional erwerben muss. Er löst mit 2,36 Millionen Bildpunkten fein auf und gibt ein brillantes und ausreichend großes Sucherbild wieder, auch wenn Canon selbst auf Nachfrage keinen Vergrößerungsfaktor mitteilt. Er entspricht unserem Eindruck nach etwa dem Faktor 0,5 bis 0,6 im Kleinbildäquivalent, ist also so groß wie von der überwiegenden APS-C-Konkurrenz gewohnt, kommt aber bei weitem nicht an die Spitzenmodelle der Konkurrenz heran, die teilweise Suchervergrößerungen wie Kleinbildkameras bieten.
Ausstattung
Die Canon EOS M5 ist zwar für ambitionierte Fotografen konzipiert, die sich im DSLR-System von Canon vielleicht für eine EOS 80D, 800D oder 77D entscheiden würden, stellt aber auch Einsteiger vor kein unlösbares Problem. So erkennt die Motivautomatik 58 verschiedene Motive und stellt die Kamera automatisch darauf ein. Genauso kann der Fotograf aber auch eines von neun Motivprogrammen einstellen, darunter ein HDR-Programm zur Aufnahme bei Gegenlicht oder etwa die Selbstporträtfunktion. Wer jedoch gerne ein Panorama aufnehmen möchte, wird von der Canon leider allein gelassen. Weder eine Schwenkpanoramaautomatik, noch ein Panoramaassistent sind vorhanden. Fans "kreativer" Filtereffekte kommen hingegen auf ihre Kosten. Echte fotografische Kreativität entfaltet der versierte Fotograf freilich in den Halbautomatiken oder dem manuellen Modus mit Einstellung der Blende und/oder Belichtungszeit. Der Programmautomatik fehlt hingegen eine Shift-Funktion, um die Programmkurve bei Bedarf anzupassen. Die kürzeste Belichtungszeit liegt bei 1/4.000 Sekunde, ein elektronischer Verschluss, der eine lautlose und gegebenenfalls sogar kürzere Verschlusszeit bieten könnte, fehlt leider.
Der Autofokus arbeitet nach dem Dual-Pixel-CMOS-Prinzip, bei dem der Pixel in zwei Hälften aufgeteilt wird und quasi eine Phasenvergleichsmessung durchführt. Das funktioniert meistens ziemlich gut und vor allem auch bis weit an den Randbereich des Sensors. Jedoch scheint es kein reines Kontrastautofokus-Fallback zu geben, denn bei Motiven, die die Phasen-AF-Technologie nicht zügig erfassen kann, gibt der Autofokus nach kurzem Pumpen ganz auf. Zum Glück konnten wir dieses Phänomen im Wesentlichen nur im Labor beobachten, in der Praxis hingegen selten. Die reine Auslöseverzögerung von 80 bis 100 Millisekunden liegt eher im Bereich von DSLRs als in dem von schnellen spiegellosen Systemkameras, die drei bis zehnmal so schnell sein können. Mit einer Auslösegeschwindigkeit von 0,3 bis 0,5 Sekunden inklusive Fokussierung arbeitet die M5 zwar ausreichend flott, stellt aber auch hier keine Geschwindigkeitsrekorde auf. Kleine Fokusbewegungen liegen der Kamera mehr als die großen Sprünge, die bei unserer Labormessung (von unendlich auf zwei Meter) stattfinden.
So erklärt es sich auch, dass trotz des nicht allzu begeisternden Messergebnisses auch bei recht hohen Serienbildgeschwindigkeiten von sieben Bildern pro Sekunde noch eine Fokusverfolgung des Motivs möglich ist. Ohne diese kann die Canon sogar mit neun Bildern pro Sekunde fotografieren. Diese Geschwindigkeit hält sie für 15 Raw- oder 25 JPEG-Bilder aufrecht, bevor sie, vor allem bei Raw, deutlich langsamer wird. Der Puffer fällt also nicht allzu groß aus, reicht aber vor allem bei JPEG für fast drei Sekunden lange Aufnahmen mit voller Geschwindigkeit. Danach geht es, natürlich motivabhängig, mit etwas über fünf Bildern pro Sekunde bei JPEG oder nur einem Bild pro Sekunde bei Raw weiter. Begrenzend wirkt hier das SD-Karteninterface, das maximal 51 Megabyte pro Sekunde schnell ist. Ein verlustfrei komprimiertes Raw benötigt knapp über 50 Megabyte, was die langsame Serienbildgeschwindigkeit bei vollem Puffer erklärt.
Auf der linken Gehäuseseite der Canon EOS M5 können neben einem USB-Kabel auch ein Fernauslösekabel sowie ein Stereomikrofon angeschlossen werden. Der Akku lässt sich jedoch nicht per USB laden, sondern muss in die mitgelieferte Ladeschale. [Foto: MediaNord]
Auf der Handgriffseite der Canon EOS M5 sitzen der Micro-HDMI-Anschluss sowie die WLAN-Taste, die zwar genug Hub, aber einen schlechten Druckpunkt besitzt. [Foto: MediaNord]
Bei der Videofunktion gibt sich das Canon-EOS-M-System weiterhin konservativ bescheiden. Die Auflösung erreicht maximal Full-HD, aber bei immerhin knapp 60 Bildern pro Sekunde mit einer flüssigen Bildwiederholrate, die auf Wunsch auf bis zu 24 Bilder pro Sekunde heruntergeregelt werden kann. Die Autofokusverfolgung im Video funktioniert gut, vor allem aber der Bildstabilisator leistet einen wichtigen Beitrag zu gelungenen Videoaufnahmen. Hierbei kombiniert Canon nämlich den optischen Stabilisator des Objektivs mit einem digitalen Videostabilisator, der sogar Rotationsbewegungen ausgleichen kann. Somit arbeitet der Stabilisator auf fünf Achsen und kann selbst im Gehen noch für ein recht ruhiges Videobild sorgen. Die Belichtung lässt sich im Videomodus auf Wunsch genauso manuell einstellen wie der Fokus oder der Mikrofonpegel. Die Komprimierung erfolgt mit dem effektiven und mit vielen Geräten kompatiblen H.264-Codec.
Der eingebaute Pop-Up-Blitz der M5 fährt nur auf manuellen Knopfdruck aus und niemals automatisch, da es sich um einen mechanischen Riegel handelt. Der Blitz bietet lediglich eine (von uns gemessene) Leitzahl von sechs, was zwar zum Aufhellen naher Motive in Innenräumen taugt, jedoch draußen, vor allem auch aufgrund der Blitzsynchronzeit von lediglich 1/200 Sekunde, schnell an seine Grenzen stößt. Zum Glück besitzt die Canon einen Systemblitzschuh, womit sich das umfassende Blitzsystem des japanischen Herstellers vollumfänglich inklusive Drahtlossteuerung und Highspeed-Synchronisation nutzen lässt. Aber auch die Einstelloptionen des integrierten Blitzes können sich mit einer Synchronisation auf den zweiten Verschlussvorhang, einer Langzeitsynchronisation, einer Blitzbelichtungskorrektur und sogar einer manuellen Leistungsregelung, wenn auch nur in drei Stufen, sehen lassen. Als Drahtlosmaster taugt der integrierte Blitz hingegen leider nicht. Die Anti-rote-Augen-Funktion arbeitet übrigens mit Hilfe des orangen LED-AF-Hilfslichts, das vor der Aufnahme ausgesendet wird, damit sich die Pupillen der porträtierten Person etwas schließen und die Augenrückwand damit weniger Blitzlicht in roter Farbe reflektiert.
Die Canon EOS M5 bietet einige rudimentäre Bildverarbeitungsfunktionen, etwa den Beschnitt oder das Drehen der Aufnahmen, wobei letzteres dank des Orientierungssensors eigentlich nicht nötig ist. Interessant ist die Möglichkeit, die Bilder noch in der Kamera bewerten zu können, sodass man nach dem Überspielen auf den Computer seine Favoriten schneller finden kann. Ebenfalls lobenswert ist der eingebaute Raw-Konverter. Dank WLAN, Bluetooth und NFC bietet die Canon EOS M5 übrigens gute Vernetzungsfähigkeiten. So nimmt sie energiesparend eine dauerhafte Smartphoneverbindung auf, um etwa das GPS des Smartphones anzuzapfen. WLAN wird bei Bedarf zugeschaltet, etwa zum Übertragen großer Bilder oder zur Kamerafernsteuerung. Aber auch beispielsweise zur Canon Connect Station CS100 mit Bildspeicher nimmt die M5 Verbindung auf, sodass sich die Aufnahmen bequem im heimischen Netzwerk sichern und auf dem Fernseher wiedergeben lassen.