Mittelformat zum Kleinbildpreis
Testbericht: Fujifilm GFX100S
2021-05-20 Die Fujifilm GFX100S greift als Mittelformatkamera ernsthaft das Kleinbildformat an (früher war es bei hochauflösenden Kleinbildkameras eher umgekehrt), indem sie preisgünstiger, kompakter und leichter ist als so mancher Kleinbildbolide. Dabei bietet die 6000-Euro-Kamera ein robustes Gehäuse, über 100 Megapixel Auflösung auf einem zur Bildstabilisierung beweglich gelagerten Bildsensor sowie ein reichhaltiges Ausstattungspaket. Wie sich die erste von digitalkamera.de getestete Mittelformatkamera bei der Bildqualität schlägt und ob sie es tatsächlich mit dem Kleinbildformat aufnehmen kann, klären wir in diesem ausführlichen Testbericht. (Benjamin Kirchheim)
Diesen Kameratest gibt es nur als Premium-Test mit erweitertem Informationsumfang.
Er enthält gegenüber unserer Standard-Online-Version zusätzlich eine Tabelle mit detaillierten
Einzelbewertungen sowie Diagramme, in denen die Stärken und Schwächen der Kamera gut vergleichbar
dargestellt werden. Zudem stellen wir drei andere Kameras als mögliche Alternativen vor und erklären,
welche Vor- und Nachteile diese gegenüber der Fujifilm GFX100S haben. Der sehr ausführliche Test kann
direkt online gelesen oder als 37-seitiges PDF-E-Book heruntergeladen werden. Der Test ist in
digitalkamera.de-Premium enthalten und einzeln für 1,99 € erhältlich (bzw.
1,79 € bei Bezahlung mit digitalkamera.de-Guthaben).
Mit ihrer hohen Auflösung zum relativ kleinen Preis, verpackt in einem recht kompakten, etwa 900 Gramm schweren, robusten Gehäuse kann die Fujifilm GFX100S mit mancher Kleinbildkamera konkurrieren. [Foto: MediaNord]
Ergonomie und Verarbeitung
Im Vergleich zu heutigen spiegellosen Kleinbildkameras von Sony, Canon oder Nikon ist die Fujifilm durchaus ein "Trümmer" von Kamera. Hatte man aber schonmal eine Kamera der S1-Serie von Panasonic in der Hand, ist die Fujifilm nicht besonders groß, sie ist sogar minimal kompakter. Leichter als die über ein Kilogramm schweren Panasonic-Kameras ist sie allemal, denn betriebsbereit ohne Objektiv aber mit Akku und zwei Speicherkarten bestückt wiegt sie 908 Gramm. In unserer Konfiguration mit 63mm-Objektiv und Gegenlichtblende sind es 1,34 Kilogramm. Die leichteste Kombination entsteht mit dem GF 50 mm, sie liegt bei 1,25 Kilogramm. Die schwerste Kombination, die wir zur Verfügung hatten, war mit dem F1,7 lichtstarken 80mm-Objektiv, das Gewicht liegt bei 1,8 Kilogramm.
Bei der Fujifilm GFX100S schlagen also die Objektive aufgrund des großen Bildsensors nochmal ordentlich ins Kontor (auch preislich), aber dennoch bleibt die Kamera durchaus reisetauglich. Auch wenn die GFX100S über 100 Gramm leichter ist als eine Panasonic S1, ist sie nicht minder robust. Das recht kantige, dicke Gehäuse wirkt wie aus einem Block gefräst und ist nicht nur gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet, sondern auch frostsicher bis -10 Grad Celsius. An allen Klappen (Schnittstellen, Speicherkartenfach und Akkufach) befinden sich entsprechende Dichtungen.
Im Verhältnis zum dicken Gehäuse wölbt sich der Handgriff nicht besonders weit nach vorne, so dass man im Gegensatz zur Panasonic S1 keine riesigen Pranken benötigt, um die Kamera sicher halten und die Knöpfe noch bequem erreichen zu können. Eine Mulde für den Mittelfinger sowie eine ausgeprägte Daumenmulde auf der Rückseite mit genügend freier Ablagefläche und die großzügige Belederung mit fein genarbtem Gummi sorgen für eine sehr gute Ergonomie und ordentliche Griffigkeit.
Mit kleineren Objektiven kann die Kamera sogar problemlos mit einer Hand gehalten werden. Zwar gibt es zur GFX100S keinen passenden Hochformat-Multifunktionsgriff, aber eine Grifferweiterung, damit insbesondere bei größeren Händen der kleine Finger besseren Halt findet. Der ansonsten funktionslose Griff bietet übrigens einen Arca-Swiss-kompatiblen Stativanschluss, so dass man sich dann eine separate Stativplatte sparen kann.
Über das Gehäuse verteilt sitzen zahlreiche Tasten und Bedienräder, die alle vorbelegt und teilweise bedruckt sind, viele lassen sich aber auch frei mit bevorzugten Funktionen belegen. Insgesamt lassen sich im Menü 60 Funktionen auf vier Funktionstasten (die am Bajonett und die beiden oben auf dem Gehäuse sind unbeschriftet) und vier Wischgesten auf dem Touchscreen legen. Außerdem können die AF-On-, die AE-L- und die Q-Menü-Taste sowie die Druckfunktion des hinteren Einstellrads mit einer dieser Funktionen belegt werden.
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Apropos Einstellräder: Davon gibt es ganz klassisch zwei Stück, deren Funktion sich ebenfalls per Menübefehl umprogrammieren lässt. Auch das vordere Einstellrad ist drückbar, wobei die Druckfunktion zwischen bis zu drei Radbelegungen umschaltet. So ist eine Bedienung der GFX100S ohne Umwege über das Menü möglich.
Die Individualisierbarkeit geht beim Programmwählrad weiter, denn neben den Belichtungsprogrammen P, A, S und M gibt es hier sechs Custom-Positionen, um Kameraeinstellungen darauf speichern und schnell abrufen zu können. Dank des mittleren Knopfes kann das Rad zudem gegen Verdrehen gesichert werden.
Reichen die Tasten einmal nicht aus, gibt es ein riesiges Quick-Menü mit 16 Positionen, die sich ebenfalls individuell belegen lassen. Bedient wird es wahlweise über den Joystick und die Drehräder oder per Touch. Apropos Joystick: dieser bietet eine griffige Oberfläche, ist bequem mit dem Daumen zu erreichen und reagiert auf acht Bewegungsrichtungen. Außerdem kann er zur Bestätigung gedrückt werden.
Aber Achtung: Es gibt manchmal Funktionen, die ausdrücklich mit der OK/Menü-Taste bestätigt werden müssen, beispielsweise das Formattieren der Speicherkarte. Zwar kann man mit dem Joystick ganz gut auch durch die Menüs navigieren, aber echte Tasten würden noch besser funktionieren.
Der Touchscreen hingegen funktioniert im Hauptmenü leider nicht, dafür wären die Menüeinträge auch etwas klein, denn immerhin acht Menüpunkte plus Titelzeile quetschen sich auf den 8,1 Zentimeter großen 4:3-Bildschirm. Die Menübedienbarkeit ist insgesamt auch nur so mittelmäßig, denn die Schriftarten sind je nach Länge der Menüeinträge manchmal sehr schmal zusammengequetscht, an anderen Positionen wiederum gibt es Abkürzungen.
Das Menü gliedert sich in fünf Hauptbereiche mit jeweils bis zu drei Seiten zum Durchscrollen, das Einrichtungsmenü hingegen setzt auf sieben Untermenüs. Ist man in diesen erstmal drin, kann man durch Blättern aber auch einfach in die anderen Untermenüs gelangen. Ein wenig Einarbeitungszeit sollte man also einplanen, sofern man noch nie mit einer Fujifilm gearbeitet hat. Wer hingegen von einer kleineren X-Kamera kommt, wird sich schnell zurechtfinden. Wer möchte, kann sich zudem ein My-Menü konfigurieren, wobei das Zusammenstellen des Menüs etwas Zeit in Anspruch nimmt.
Der helle, 8,1 Zentimeter große und hochauflösende Touchscreen der Fujifilm GFX100S lässt sich nicht nur nach oben und unten, sondern auch zur Seite klappen. [Foto: MediaNord]
Praktisch und einfach erreichbar liegt der Einschalthebel um den Auslöser herum angeordnet. Der Auslöser selbst ist überraschend leichtgängig und der erste Druckpunkt nicht besonders knackig. Ab diesem drückt sich der Auslöser etwas schwerer. Wer gerne länger den halb gedrückten Auslöser hält, wird das vielleicht nicht so sehr mögen, aber immerhin lässt sich der Auslöser so sehr sanft durchdrücken.
Weniger sanft geht dann jedoch die Auslösung vonstatten. Obwohl die GFX100S keinen Spiegel und somit keinen Spiegelschlag besitzt und Fujifilm die Schlitzverschlusseinheit gegenüber der GFX100 verkleinern konnte, rattert es gehörig im Kameragehäuse, wenn sich der Verschluss in Bewegung setzt. Das merkt man insbesondere bei Serienbildaufnahmen. Vielleicht sollte Fujifilm über einen elektromagnetischen Verschluss nachdenken, wie er bereits bei einigen anderen Herstellern zum Einsatz kommt. Damit wird nicht nur das Auslösegeräusch deutlich leiser, sondern auch die Vibrationen nehmen spürbar ab.
Beim bereits erwähnten rückwärtigen, 8,1 Zentimeter großen Bildschirm kommt ein mit 2,36 Millionen Bildpunkten hochauflösendes LCD zum Einsatz, das zudem mit einer Leuchtdichte von 750 cd/m² auch in hellen Umgebungen gut ablesbar bleibt. Es handelt sich um einen Touchscreen, wobei die Touchfunktionen nicht zwingend genutzt werden müssen, da die Kamera alle Funktionen auch über Tasten und Drehräder bereitstellt. Praktisch ist es dennoch, statt das Fokusfeld langwierig mit dem Joystick über den Bildschirm schubsen zu müssen einfach auf das Motivdetail tippen zu können. Nützlich sind zudem die vier Wischgesten zum Abruf weiterer Funktionen, wobei man sich daran vermutlich am meisten gewöhnen muss.