2016-03-25 Die Fujifilm X70 will mehr sein, als eine kleine Schwester der X100er-Serie. Sie bietet nicht nur mit 28 Millimetern das weitwinkligere Objektiv, sondern auch ein deutlich kompakteres, dafür aber auch sucherloses Gehäuse. Dennoch misst der 16 Megapixel auflösende CMOS-Sensor APS-C-Größe. Mit ihrem modernen Design und dennoch klassischer Bedienung sowie dem klappbaren Touchscreen wagt die X70 zudem den Spagat aus Moderne und Klassik. Was der Konkurrent der Ricoh GR noch zu bieten hat und wie es um ihre Bildqualität bestellt ist, verrät unser ausführlicher Test. (Benjamin Kirchheim)
Ergonomie und Verarbeitung
Mit 113 mal 64 Millimetern fällt die Fujifilm X70 zwar recht klein, mit einer Gehäusetiefe von 44 Millimetern aber nicht ganz so kompakt aus. Sie ist damit fast einen Zentimeter dicker als die vergleichbare Ricoh GR. Auch vom Gewicht her fällt die Fujifilm mit 340 Gramm gut 90 Gramm schwerer aus als ihre direkte Konkurrentin. Dafür besitzt die X70 ein (in unseren Augen) gefälligeres Design und bietet mit ihrem Metallgehäuse eine sehr hochwertige Verarbeitung. Mit gut 700 Euro ist sie obendrein 100 Euro billiger als die GR. Mit dem klobigen Gehäuse im Retrodesign der größeren Schwester X100T hat die X70 jedoch nicht viel gemein, im Vergleich wirkt die X70 geradezu zierlich. Auch wenn das Objektiv mit fünf Zentimetern einen großen Durchmesser besitzt, wirkt die 15 Millimeter kleine Frontlinse darin geradezu verloren.
In ihrem äußerst kompakten Gehäuse bietet die Fujifilm X70 einen großen APS-C-Sensor, der nur 16 Megapixel auflöst und damit eine gute Performance bei höheren ISO-Empfindlichkeiten verspricht. [Foto: MediaNord]
Die Fujifilm X70 besitzt keinen Sucher, aber der 7,5 Zentimeter große Bildschirm löst 1,04 Millionen Bildpunkte auf und lässt sich um 45 Grad nach unten sowie um 180 Grad nach oben klappen. [Foto: MediaNord]
Belichtungszeit und Belichtungskorrektur werden bei der Fujifilm X70 klassisch über Räder eingestellt. Auf Wunsch versetzt ein kleiner Hebel die Kamera in einem Vollautomatikmodus mit Motiverkennung. [Foto: MediaNord]
Das Metallgehäuse der Fujifilm X70 ist hochwertig lackiert und besitzt große Gummiapplikationen als Daumenmulde sowie Handgriff, womit sie sicher in der Hand liegt. Angesichts des 15 Millimeter aus dem Gehäuse ragenden Objektivs hätte der Handgriff aber ruhig noch etwas voluminöser ausfallen dürfen. Das Objektiv besitzt gleich zwei Einstellringe, einen universellen elektronischen in der Mitte und dahinter einen mechanisch rastenden Blendenring mit zwei "Flügeln" zum besseren Greifen, die bis über den davor liegenden Einstellring reichen. Tatsächlich wird die Blende jedoch rein elektronisch verstellt und folgt mit minimaler Verzögerung den Änderungen am Blendenring. Von F2,8 bis F16 lässt sich die Blende regeln, auch eine Automatikstellung fehlt nicht. Fujifilm-typisch verfügt diese allerdings über keinerlei Verriegelung. Letzteres trifft auch auf das Belichtungszeitenrad sowie das Belichtungskorrekturrad zu, die sich auf der Kameraoberseite befinden. Das klassische Bedienkonzept erinnert sehr an analoge Kamera beziehungsweise die X-Systemkameras von Fujifilm. Die oberen Einstellräder rasten schön fest, auch wenn die Mechanik (Rastung) des Belichtungszeitenrads, das aus Metall besteht, dabei nicht ganz so hochwertig wirkt. Ganz vorne am Objektiv befindet sich noch ein Zierring. Schraubt man diesen ab, so lässt sich wahlweise die optionale Sonnenblende LH-X70 samt 49mm-Filtergewinde oder aber der Weitwinkelkonverter WCL-X70 montieren, der die kleinbildäquivalente Brennweite auf 21 Millimeter reduziert und ein 62mm-Filtergewinde mitbringt.
Ergänzt wird die Bedienung vom Fokusmodusschalter an der Kamerafront, dem Funktionsknopf an der linken Gehäuseseite, die defaultmäßig die Funktion des vorderen Objektivrings einstellt, dem Auto-Hebel sowie der Video- und Funktionstaste, der Drive-Taste auf der Kameraoberseite sowie neun weiteren Tasten und einer Wippe mit Bestätigungsfunktion auf der Kamerarückseite. Auch einige dieser Tasten lassen sich frei mit Funktionen belegen, wie auch das Quick-Menü anpassbar ist. Fujifilm legt also viel Wert auf Individualisierbarkeit der X70, dabei bleibt fast kein Wunsch offen.
Der rückwärtige Bildschirm kann mitsamt der Play- sowie der Löschen-Taste um 45 Grad nach unten und um 180 Grad nach oben geklappt werden. Damit gelingen nicht nur Über-Kopf- und bodennahe Aufnahmen, sondern sogar auch Selfies. Dank der 28-Millimeter-Festbrennweite sehen diese von der Perspektive Smartphone-Selfies ähnlich, bieten aber eine weitaus höhere Bildqualität. Beim Monitor handelt es sich um einen Touchscreen, bei dem nicht nur mittels Fingertipper auf ein Motivdetail fokussiert werden kann, sondern auf Wunsch löst die X70 auch gleich aus. Der Bildschirm fällt mit einer Diagonale von 7,5 Zentimetern angenehm groß aus und er löst mit 1,04 Millionen Bildpunkten auch fein genug auf.
Das Livebild bietet sowohl eine Belichtungs- als auch eine Schärfentiefe-Vorschau. Weißabgleich, Livehistogramm, Gitternetz und Wasserwaage gehören zu den weiteren nützlichen Einblendungen. Dank der vielen Tasten und des Schnellmenüs befinden sich die meisten Funktionen im Direktzugriff. Trotzdem bietet das Menü noch zahlreiche weitere Einstellungen. Es werden maximal sieben Einträge auf einer Menüseite angezeigt, wobei die Menüseiten in Registern seitlich angezeigt werden. Damit bleibt das Menü trotz zahlreicher Einstellmöglichkeiten einigermaßen Übersichtlich.
Einen elektronischen Sucher gibt es bei der X70 hingegen weder eingebaut noch optional. Wer möchte, kann aber den rein optischen Sucher VF-X21 in den Blitzschuh stecken, der in der Achse des Objektivs sitzt. Der Sucher deckt sowohl den 21- als auch den 28-mm-Bildwinkel ab. Das Stativgewinde hat Fujifilm hingegen ungünstig platziert. Es sitzt nicht nur außerhalb der optischen Achse, sondern auch direkt neben dem Akku- und Speicherkartenfach. Damit wird dieses bei Verwendung eines Stativs und selbst mit der kleinsten Schnellwechselplatte blockiert. Der mitgelieferte Lithium-Ionen-Akku verbleibt zum Laden in der Kamera. Geladen wird er per USB, wobei auch jedes Handyladegerät statt des von Fujifilm mitgelieferten verwendet werden kann. Für 330 Bilder soll eine Ladung nach CIPA-Standard reichen. Die SD-Speicherkarte wird im selben Fach wie der Akku eingelegt, wobei die X70 auch SDHC- und SDXC-Karten schluckt und den UHS-I-Standard unterstützt.
Das 18,5mm-Objektiv (28 mm entsprechend Kleinbild) der Fujifilm X70 besitzt einen großen Durchmesser, aber eine winzige Frontlinse. Die Blende sowie eine weitere, frei belegbare Funktion können mit den beiden Objektivringen eingestellt werden. [Foto: MediaNord]
Das Stativgewinde der Fujifilm X70 könnte unglücklicher nicht platziert sein. Es befindet sich nicht nur außerhalb der optischen Achse, sondern auch in direkter Nachbarschaft zum Akku- und Speicherkartenfach, so dass dieses bei Benutzung blockiert wird. [Foto: MediaNord]
Der Lithium-Ionen-Akku der Fujifilm X70 reicht für 330 Aufnahmen nach CIPA-Standard. Das SD-Kartenfach schluckt auch SDHC sowie SDXC-Karten und unterstützt den UHS-I-Standard. [Foto: MediaNord]
Die Micro-USB-Schnittstelle verbirgt sich neben zwei anderen Anschlüssen hinter einer Kunststoffklappe auf der rechten Kameraseite. Hier kann ein Micro-HDMI-Kabel zur Wiederhabe auf Flachbildfernseher angeschlossen werden, außerdem lässt sich die 2,5mm-Klinkenbuchse wahlweise zum Anschluss eines Fernauslösekabels oder eines Stereomikrofons verwenden.
Ausstattung
Zwar zielt die Fujifilm X70 vom Bedienkonzept her klar auf ambitionierte Anwender, dank des Auto-Hebels lässt sie sich jedoch jederzeit in einem Vollautomatikmodus versetzen, bei dem der Fotograf nur noch auf den Auslöser zu drücken braucht. Etwas Vorsicht ist dennoch geboten. Zwar schaltet die Kamera die meisten Funktionen unabhängig von der vorherigen Einstellung auf Automatik, beispielsweise die Fokussierung. Die Belichtungskorrektur oder z. B der Serienbildmodus bleiben jedoch weiterhin aktiv. Etwas tricky ist auch der nahezu lautlose Zentralverschluss, denn nicht bei jeder Blende stehen die kürzesten Belichtungszeiten zur Verfügung. Möchte man 1/4.000 Sekunde kurz belichten, so muss man mindestens auf F11 abblend.en, für 1/2.000 Sekunde braucht es mindestens F5,6, bei F2,8 lässt sich lediglich 1/1.000 Sekunde als kürzeste Verschlusszeit einstellen. Das stört ein wenig bei hellem Umgebungslicht, so dass man die Freistellmöglichkeiten unter Umständen nur eingeschränkt nutzen kann.
Abhilfe schafft hier zumindest bei nicht oder nur langsam bewegten Motiven der elektronische Verschluss, der bis zu 1/32.000 Sekunde kurze Belichtungszeiten erlaubt. Bei schnell bewegten Motiven stört dann allerdings der Rolling-Shutter-Effekt. Als weitere Einschränkungen ergeben sich, dass man den Blitz sowie die ISO-Erweiterung (100, 12.800, 25.600 und 51.200) nicht mit elektronischem Verschluss kombinieren kann. Auch die längste elektronische Verschlusszeit ist mit einer Sekunde beschränkt.
Apropos Blitz: Der kleine eingebaute Blitz soll eine Leitzahl von fünf besitzen. Er synchronisiert allerdings immer am Anfang der Belichtung und lässt sich nicht am Ende einsetzen, was die kreativen Möglichkeiten etwas einschränkt. Eine Blitzbelichtungskorrektur ist vorhanden, nicht jedoch eine rein manuelle Blitzregelung. Die X70 besitzt jedoch einen TTL-Systemblitzschuh, auf dem sich sowohl die TTL-Blitzgeräte von Fujifilm als auch Mittenkontaktblitze verwenden lassen. Serienbildaufnahmen sind nicht mit Blitz möglich. Ohne schafft die X70 stattliche acht Serienbilder pro Sekunde in Raw oder JPEG, allerdings nur für recht wenige Aufnahmen in Folge. Danach halbiert sich die Serienbildgeschwindigkeit in JPEG, in Raw fällt der Dauerlauf mit 1,6 Bildern pro Sekunde noch langsamer aus.
Immerhin stellt der Hybrid-Autofokus innerhalb von 0,21 Sekunden sehr schnell Scharf. Die Auslöseverzögerung nach erfolgter Fokussierung ist mit 0,01 Sekunden sogar ultrakurz. Auf Wunsch führt die X70 den Fokus zudem nach oder verfolgt sogar Motive. Dank des Hybrid-Autofokus als Kombination von auf dem Sensor integrierten Phasenmesssensoren sowie dem Kontrastautofokus zur Feinabstimmung und Fokussierung bei schlechtem Licht gelingt ihr das sogar ganz passabel. Bei manueller Fokussierung unterstützt die X70 den Fotografen nicht nur mit einer Schärfeskala samt Schärfentiefeanzeige, sondern auf Wunsch auch mit einer Fokuslupe sowie Fokuspeaking. Wer möchte, kann sogar einen digitalen Schnittbildindikator hinzuschalten, der die Phasenmesssensoren zur Hilfe nimmt. Auf Knopfdruck fokussiert die Fujifilm bei manueller Fokussierung dank der AE-L/AF-L-Taste automatisch.
Videos nimmt die X70 mit Full-HD-Auflösung und maximal 60 Bildern pro Sekunde in guter Qualität auf. Auch das Stereomikrofon kann sich, nicht zuletzt dank optionaler Pegeleinstellung, hören lassen. Zudem kann ein externes Mikrofon angeschlossen werden. Der Videoaufnahmeknopf hingegen liegt ungünstig und lässt sich dadurch nur schwer betätigen. Wer die gute Videoqualität allerdings nutzen möchte, sollte unbedingt ein Stativ verwenden, denn die X70 bietet weder einen optischen noch einen elektronischen Bildstabilisator. Freihandvideos werden damit zur unansehnlichen Zitterpartie. Den Fokus führt die X70 indes während der Aufnahme gezielt und leise nach.
Der kleine Knopf an der Seite der Fujifilm X70 lässt sich frei belegen. Werksseitig verstellt er die Funktion den frei belegbaren Objektivrings. [Foto: MediaNord]
Die Schnittstellen der Fujifilm X70 verbergen sich hinter einen Kunststoffklappe. Das kleine Handgriffgummi gibt den nötigen Halt beim Fotografieren. [Foto: MediaNord]
Über den Micro-USB-Anschluss lässt sich die Fujifilm X70 mit jedem USB-Ladegerät laden. Außerdem zeigt sie Bilder per HDMI auf Flachbildfernseher und erlaubt wahlweise den Anschluss eines Kabelfernauslösers oder eines Stereomikrofons (2,5 mm Klinke). [Foto: MediaNord]
Des Weiteren bietet die Fujifilm X70 zahlreiche Bracketing-Modi, etwa für Belichtungs- oder Weißabgleichs-Reihenaufnahmen. Sogar einen Schwenkpanoramamodus hat sie zu bieten. HDR ist hingegen ein Fremdwort für die X70, ein echter Ersatz ist die rein softwarebasierte Dynamikbereichserweiterung nicht. Wer hingegen gerne Intervallaufnahmen macht, kommt mit der X70 auf seine Kosten. Die Fujifilm-typischen Filmsimulationsmodi fehlen selbstverständlich nicht, zudem lassen sich diverse Filtereffekte aktivieren. Außer einer Reduktion roter Augen, dem Drehen, Beschneiden und Verkleinern gibt es keinerlei Bildbearbeitungsfunktionen. Instax-Drucker sowie eine Fotobuchbestellung unterstützt die X70 hingegen direkt. Raw-Bilder lassen sich indes dank integriertem Konverter etwas umfangreicher anpassen.
Das eingebaute WLAN bietet die Möglichkeit, Fotos automatisch über ein WLAN-Netzwerk auf einem dafür eingerichteten PC zu sichern. Außerdem erlaubt die Camera Remote App, die Fujifilm für Android und iOS anbietet, die Übertragung von Bildern sowie die Fernsteuerung der Kamera samt Livebildübertragung. Details dazu sind unserem Fototipp zu dem Thema zu entnehmen (siehe weiterführende Links).