Kompaktkamera mit großem Sensor, Kompaktkamera

Testbericht: Leica X1

2010-04-21 Was für eine Kamera! Angelehnt an das traditionelle M-Design aus den 30er Jahren, mit fest eingebautem Reportage-Weitwinkelobjektiv, 12 Megapixeln Auflösung, Programm-, Zeit- und Blendenautomatik, manuelle Einstellmöglichkeit und ein roter Punkt. Und sonst? Nichts! Das Ganze für stolze 1.500 Euro! Bei dieser im Vergleich zur Konkurrenz minimalistischen Ausstattung stellt sich die Frage, ob ein Modell eines anderen Herstellers nicht die bessere Wahl ist. Warum und ob überhaupt zur X1 gegriffen werden sollte oder für wen diese Ausnahmekamera geeignet ist, klärt dieser Test.  (Stefan Meißner)

Leica X1 [Foto: MediaNord]Ergonomie und Verarbeitung Die Leica X1 wird in einem schreinähnlichen schwarzen Kubus geliefert, der die Kamera mit dem Zubehör und den Handbüchern (!) erhaben präsentiert. "Gediegen" ist das richtige Wort dafür, schon die Verpackung lässt Solidität und Qualität erahnen. "Gediegen" soll demnach auch der erste Eindruck sein, den die Kamera schon beim Auspacken vermittelt. Aber auch danach bleibt dieser Eindruck erhalten: Das Ganzmetallgehäuse ist äußerst solide verarbeitet und liegt mit sattem, aber nicht unangenehmem Gewicht gut in der Hand. Die Belederung ist exakt verarbeitet und griffig, alle Schalter und Tasten sind präzise und lassen sich tadellos bedienen. Kurz, die Haptik ist einfach prima. Hat man die X1 erst einmal in der Hand, mag man sie nicht mehr ablegen. Die kleine Leica ist ein echter Handschmeichler.

Das fest verbaute Objektiv mit einer kleinbildäquivalenten Brennweite von 36 mm sitzt etwas dezentral im Gehäuse, so dass auch die große (rechte) Hand ausreichend Platz findet, ohne dass ein Finger vor das Objektiv gerät. Der Auslöser ist gut zu erreichen und hat den perfekten Druckpunkt: nicht zu leicht, so dass Schärfe und Belichtung mit leichtem Andruck gespeichert werden können, Leica X1 [Foto: MediaNord]und nicht zu fest, so dass verwacklungsfreie Aufnahmen gelingen. Der Verschluss geht dabei so sanft und leise zu Werke, dass unbemerkt in jeder Situation fotografiert werden kann. Zu analogen Zeiten war das ein gutes Argument für die Messsucher-Leicas, die ohne lauten Spiegelschlag selbst im Theater eingesetzt werden konnten. Außer dem Objektiv prangt auf der Vorderseite der rote Leica-Punkt, was für den Besitzer der X1 durchaus Bedeutung haben mag.

Die Rückseite wird dominiert vom großen 2,7-Zoll-Display, das zwar hell und kontrastreich ist, aber mit nur 230.000 Bildpunkten mäßig auflöst. Schade, denn ein 900.000-Bildpunkte-Display würde der Leica gut zu Gesicht stehen. So wäre auch die manuelle Fokussierung mit der Bildschirmlupe viel einfacher möglich. Schwenken und klappen kann man das Display nicht, Leica X1 [Foto: MediaNord]was Aufnahmen aus ungewöhnlichen Perspektiven erschwert. Einen analogen Sucher hat die X1 nicht, dieser kann aber gesondert erworben (ca. 300 Euro) und in den Zubehör- bzw. Blitzschuh eingesteckt werden. Der Aufstecksucher ist von hervorragender Qualität, groß und hell, die X1 verliert dabei aber ihre Jackentaschentauglichkeit.

Links neben dem Display sind alle wichtigen Funktionen übersichtlich per Tipptasten direkt anwählbar, auf dem Display erscheinen jeweils weitere Optionen. Rechts vom Display befindet sich der übliche Mehrwegetaster mit Drehring, über den weitere Funktionen und das Menü erreichbar sind. Dieses stellt alle Funktionen in einer einzigen langen, aber übersichtlich strukturierten Liste zur Verfügung. Soweit ist die Leica X1 ordentlich zu bedienen, aber nicht außergewöhnlich. Das Besondere sind die beiden Einstellräder auf der Oberseite: Mit dem Größeren werden die Belichtungszeiten von der Leica X1 mit Handgriff und Aufstecksucher [Foto: MediaNord]zweitausendstel Sekunde bis zu einer Sekunde (erweiterbar auf bis zu 30 Sekunden) und Zeitautomatik eingestellt, mit dem Kleineren die Blende in Drittelstufen von 2,8 bis 16 und Blendenautomatik. Stehen beide Schalter auf "A", arbeitet die Leica als Programmautomat. Ist Zeit- oder Blendevorwahl oder manueller Betrieb gewünscht, werden einfach die entsprechenden Werte an den Einstellrädern gewählt. Einfacher geht es nicht, und so wird auch die etwas umständlich über den rückseitigen Ring zu bedienende Programmshift-Funktion überflüssig. Der Fotograf hat jederzeit die Belichtung im Griff. Ein Wermutstropfen ist leider dabei, denn die Drehschalter verstellen sich nur allzu leicht von selbst, so dass der Fotograf immer deren Stellung kontrollieren sollte. Hier wäre zumindest für die A-Positionen eine Arretierung wünschenswert.

Das Batteriefach auf der Unterseite der Kamera, das auch die SD-Karte aufnimmt, ist genau wie die Abdeckung des USB- und HDMI-Anschlusses aus Kunststoff. Beide machen dennoch einen soliden und langlebigen Eindruck, spritzwasserdicht sind sie aber nicht. Das Stativgewinde aus Metall sitzt neben der optischen Achse, und mit angesetzter Schnellwechselplatte ist das Batteriefach nicht mehr zugänglich. Sollte der als Zubehör erhältliche Handgriff unter die Kamera geschraubt werden, rückt der Stativanschluss auf die andere Seite des Objektivs, aber auch nicht unter die optische Achse. Der ansonsten funktionslose Handgriff lässt die Kamera sicherer in der Hand liegen, bedeutet aber eine Investition von zusätzlich 100 Euro.

Ausstattung Wie eingangs schon erwähnt, bietet die Leica X1 nicht das Übermaß an Ausstattung und Funktionen, das man sonst von Digitalkameras gewohnt ist. Es gibt weder ein Zoom noch Wechselobjektive. Die sonst übliche Programmvielfalt beschränkt sich bei der X1 auf eine Programmautomatik, Zeit- oder Blendenvorwahl und manuelle Belichtungssteuerung. Noch nicht einmal Videos Leica X1 [Foto: MediaNord]kann man mit der Leica aufnehmen. Was also kann man mit dieser Kamera anfangen? Fotografieren pur! Mit der Beschränkung auf das Wesentliche geht Leica sicherlich ein Wagnis ein, trotzdem wird die X1 Freunde finden. Das fest verbaute Objektiv ist ein moderates Weitwinkel und eignet sich idealerweise sowohl für Landschaft und Architektur als auch für Reportage- und Gesellschaftsfotografie. Für manche Fotos wünscht man sich ein "echtes" Weitwinkel, das aber dann nur selten brauchbar wäre. Insofern ist das 36er als Festbrennweite voll in Ordnung. Mehr Kritik muss sich die X1 aber bei der Lichtstärke gefallen lassen: Eine größte relative Öffnung von F2,8 ist für solch eine Kamera einfach zu wenig, Blende F2,0 müsste es wenigstens sein, super wäre Blende F1,4!

Auch der Autofokus lässt einiges zu wünschen übrig. Öfter als gut ist, sucht er die Schärfe zu lange. Bei Landschaftsaufnahmen kein Problem, für Schnappschüsse ist das aber lästig. Diese Trägheit hat wohl auch Leica erkannt und daher den Nahbereich des Autofokus abschaltbar gemacht. In dieser Betriebsart wird der Bereich bis 60 cm fokussiert und ist einen Tick schneller. Der sogenannte "AF Makro" stellt bis 30 cm scharf, was aber nicht wirklich als Makro bezeichnet werden kann. Hier wünscht sich der Fotograf einen richtigen Makromodus bis mindestens 10 cm. Außerdem findet der 11-Punkt-Modus manchmal andere Objekte wichtig als der Fotograf, daher sollte der Ein-Punkt-Modus in Verbindung mit dem Schärfespeicher bevorzugt eingesetzt werden.

Insgesamt ist die Arbeitsgeschwindigkeit der Leica X1 etwas träge. Die Einschaltzeit ist noch akzeptabel, das Speichern der Aufnahmen können andere schneller. Auch die Serienbildgeschwindigkeit ist mit 3 Bildern/s an sich Leica X1 [Foto: MediaNord]gut, allerdings schießt die Leica nur 6 Aufnahmen in schneller Folge und benötigt danach etwa 15 Sekunden, um DNG und JPG zu speichern. Verzichtet man auf das Rohformat, ist die Kamera nur für knapp 4 Sekunden blockiert.

Der Blitz der X1 ist im Gehäuse der Kamera versenkt und schaltet sich nicht automatisch bei Bedarf ein. Das ist aber eher ein Vorteil, denn so kann der Fotograf sehr einfach bestimmen, ob und wann geblitzt wird. Mit einem Druck auf den Blitz fährt dieser aus dem Gehäuse. Je nach Einstellung im Menü wird entweder nach Bedarf oder bei jeder Aufnahme der Blitz ausgelöst. Über das Menü ist jedes sinnvolle Blitzprogramm einstellbar, hier gibt es keine offenen Wünsche. Die Ausleuchtung ist perfekt bis zum Rand, und wenn die Blitzleistung nicht ausreicht, gibt es den Zubehörschuh für externe Blitzgeräte. Hier könnte einer der TTL-Systemblitze, aber auch jeder andere Mittenkontakt-Blitz aufgesteckt werden.

Um das Objektiv herum besitzt die X1 ein Gewinde, das im Normalzustand von einer Gewindekappe geschützt wird. Welches Zubehör Leica hier vorgesehen hat, kann nur vermutet werden. Denkbar wären Brennweitenkonverter oder ein Anschluss an Mikroskope oder Teleskope. Vielleicht hält Leica in Zukunft noch ein paar Erweiterungsmöglichkeiten für die X1 bereit.

Leica X1 [Foto: MediaNord]Trotz oder gerade wegen der minimalistischen Ausstattung ist die Leica X1 sehr einfach zu bedienen. Anfänger kommen mit ihr genau so gut zurecht, wie mit einem überautomatisierten "Multiprogramm-Wunder". Vielleicht ist der Mangel an Spielereien sogar förderlich: Der Fotograf ist wegen der Festbrennweite gezwungen, den richtigen Bildausschnitt zu erwandern statt das Zoom zu bemühen. Auch an die richtige Blenden-Zeit-Kombination können ein paar Gedanken ver(sch)wendet werden, was mit etwas Übung sicherlich zu besseren Bildern und mehr Zufriedenheit beim Fotografen führt.

Bildqualität Die Kernfrage bei einer solch spartanisch ausgestatteten 1.500-Euro-Kamera muss sich um die Bildqualität drehen. Um diesen Preis zu rechtfertigen, muss sie außergewöhnlich hoch sein. Die Verarbeitung der X1 jedenfalls verspricht hier viel. Der Bildqualitätstest erfolgte im DCTau-Testlabor, dessen Ergebnisse im Detail für 1,40 EUR abgerufen werden können. Inhaber einer Labortest-Flatrate (ab 4,16 EUR im Monat) zahlen nichts extra.

Leica X1 [Foto: MediaNord]Die Abbildungsleistung des Objektivs ist erwartungsgemäß in allen Belangen gut. Die Schärfe ist über das gesamte Bildfeld auch bei offener Blende prima, um eine Stufe abgeblendet noch etwas besser. Dank des für eine Kompaktkamera großen Sensors und damit längerer Brennweite führt die Blendenöffnung selbst in geschlossenem Zustand nicht zu sichtbarer Beugungsunschärfe. Das Auflösungsvermögen der X1 ist also untadelig über den gesamten Bereich und bei jeder Blende, aber eben nicht überragend.

Genauso das Rauschen: Auch hier bringt wieder der große Sensor Vorteile. Bis zur höchsten ISO-Einstellung bleibt es akzeptabel und so unauffällig, wie man es von dieser Sensorgröße erwartet. Verzeichnung und Randabdunklung sind so gering, wie es sich für eine Festbrennweite gehört. Einzig die Auslöseverzögerung lässt zu wünschen übrig, allerdings wird das den Fotografen bei dieser Kamera nicht sehr stören, denn die X1 ist für sorgfältiges Komponieren konstruiert. Toll ist die hervorragende Eingangsdynamik von 9 Blendenstufen. Dieser hohe bewältigte Kontrastumfang empfiehlt die Leica auch für die Schwarzweiß-Fotografie, zumal es die Leicatechniker gut verstanden haben, die 9 Blenden in feinste Tonwertabstufungen umzusetzen. Insgesamt ist die Bildqualität auf dem Niveau einer guten DSLR.

Leica X1 [Foto: MediaNord]Die Belichtung ist in nahezu jeder Situation sicher und korrekt, der Weißabgleich stimmig, so dass selten eine Nachbearbeitung nötig wird. Wer das trotzdem möchte, kann das Bild aus der DNG-Datei entwickeln. Leica liefert zu diesem Zweck eine Registrierungsnummer für das Herunterladen von Adobe Lightroom mit. Im Preis ist also eine ca. 250 Euro teure, professionelle Software enthalten.

Fazit Die Leica X1 macht riesigen Spaß. Die Verarbeitungsqualität und die Haptik sind Spitzenklasse, so dass man sie nicht wieder aus der Hand geben möchte. Die Bildqualität ist sehr in Ordnung, aber nicht besser als bei vielen anderen guten Kameras auch. Das Besondere an der X1 ist also nicht unbedingt die Bildqualität, sondern die spartanische Ausstattung. Und das ist nicht als Kritik gemeint, denn die Beschränkung auf das Wesentliche kommt der Befreiung von übermäßigem Ballast gleich. Schade nur, dass Leica hier nicht konsequenter zu Ende gedacht hat: Eine höhere Lichtstärke, ein schnellerer und treffsicherer Autofokus und ein echter Makrobereich stehen ganz oben auf dem Wunschzettel. Dennoch, die Leica X1 ist sowohl für standesbewusste Anfänger als auch für Fotopuristen mit viel Erfahrung geeignet und wird dem Besitzer viele Jahre Freude und gute Fotos bescheren.

Kurzbewertung

  • Einfache Bedienung
  • Bildqualität auf DSLR-Niveau
  • Hohe Eingangsdynamik
  • Exzellente Verarbeitung
  • Hoher Kamerapreis und teures Zubehör
  • Keine Videofunktion
  • Langsamer Autofokus
  • Für eine Festbrennweite relativ lichtschwaches Objektiv

Technische Daten

Modell Leica X1
Sensor CMOS-Sensor APS-C 23,6 x 15,8 mm (Cropfaktor 1,5)
12,9 Megapixel (physikalisch), 12,2 Megapixel (effektiv)
Auflösung (max.) 4.272 x 2.586 (16:9)
Objektiv 36 mm / F2,8 (feste Brennweite)
Monitor 2,7", 0,230 Mio. Bildpunkte, nicht beweglich
Belichtungsmessung Mittenbetonte Integralmessung, Matrix/Mehrfeld-Messung, Spotmessung
Belichtungsreihe automatisch, max. 3 Aufnahmen (1/3-3 EV Schrittweite), ohne interne HDR-Verarbeitung
Bildstabilisator nein
Eingebauter Blitz ja
Blitzschuh Leica (M- und X-Serie), Standard-Mittenkontakt Blitzschuh
AV-Anschlüsse AV-Ausgang: ja
Serienaufnahmen max. 3 Bilder/s und max. 6 Aufnahmen in bester Qualität
kürzeste Verschlusszeit 1/2.000 s
Autofokus Kontrast
Akkulaufzeit keine Angabe
Speicher
SD
Empfindlichkeit Automatik, manuell ISO 100 bis 3.200
Abmessungen 124 x 60 x 32 mm (B x H x T)
Gewicht 316 g (betriebsbereit)
Online-Datenblatt https://www.digitalkamera.de/K1WRF (mit Preisvergleich)
Kommentare

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Danielsan79 2010-07-19

Bei dem Satz "Die Bildqualität ist sehr in Ordnung, aber nicht besser als bei vielen anderen guten Kameras auch" muß man aber erwähnen dass mit anderen Kameras gute DSLRs gemeint sind denn die Qualität der Bilder ist eindeutig besser als jede andere P&S oder Bridge und 4/3 zur Zeit. Sogar die NEX5 mit ihren Linsen kommt da nicht ran, man müßte die NEX5 schon mit einem Adapter versehen und große hochwertige DSLR Linsen montieren, dann ist sie jedoch wieder deutlich größer und schwerer als die X1 und nur besitzt keinen AF mehr.

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