Spiegellose Systemkamera, Systemkamera
Testbericht: Nikon 1 J1
2011-11-03, aktualisiert 2014-07-18 Das spiegellose Kamerasystem von Nikon wurde von vielen erwartet, und doch kam es mit den beiden Kameras 1 J1 und 1 V1 anders, als viele es für möglich gehalten hatten. Aber dieses von Grund auf neu konzipierte und konstruierte System wirft Altlasten über Bord, die Planung begann sozusagen mit einem weißen Blatt Papier. Herausgekommen ist keine Konkurrenz zur typischen DSLR, sondern etwas Neues, das die Brücke zwischen Edelkompaktkameras und DSLRs schlagen könnte. Die Nikon 1 J1 ist das günstigere Modell des neuen Nikon-1-Systems, sie richtete sich eher an Einsteiger oder Auf- und Umsteiger von Kompaktkameras. Wie sich die J1 im Testlabor und der Praxis schlägt, klärt der digitalkamera.de-Test. (Benjamin Kirchheim)
Ergonomie und Verarbeitung Schnuckelig und edel sind die ersten Attribute, die uns zu der Nikon 1 J1 einfallen. Nikon 1 (sprich englisch: one) ist das neue spiegellose System von Nikon, das mit einem 13,2 x 8,8 Millimeter messenden Sensor daher kommt. Wie für eine Systemkamera mit Wechselobjektiven üblich, liegt dieser Sensor bei abgenommenem Objektiv offen. Eine Antihaftbeschichtung soll aber den Dreck fern halten, die Ultraschallreinigung eventuell dennoch anhaftende Schmutzpartikel entfernen. Die J1 ist hochwertig verarbeitet, die Gehäusefront besteht aus Metall. Zum Test stand der Redaktion eine schwarze J1 zur Verfügung, es gibt sie aber auch in anderen Farben wie Silber, Weiß, Rot oder Pink. Säße vorne an der Kamera nicht ein recht dickes, ebenfalls gut verarbeitetes Objektiv, könnte man sie glatt für eine normale Edelkompaktkamera halten. Das Design ist schlicht, vor allem die Gehäusefront sowie die Oberseite wirken aufgeräumt. Oben auf dem Kameragehäuse befinden sich lediglich der Einschaltknopf sowie zwei Auslöser – einer für Video-, der andere für Fotoaufnahmen.
Auf der Kameraunterseite hat Nikon ein Stativgewinde aus Metall untergebracht, professionell in der optischen Achse angeordnet. Daneben befindet sich das Akku- und Speicherkartenfach, das im Stativbetrieb blockiert wird. Über einen Akku-Dummy ist aber auch eine Stromversorgung per Netzteil möglich. Der kleine Lithium-Ionen-Akku ist etwas schwach auf der Brust, nach 230 Aufnahmen, die Hälfte davon mit Blitz, geht ihm gemäß CIPA-Standardmessverfahren die Puste aus. Das SD-Kartenfach hingegen nimmt auch SDHC- und SDXC-Karten auf – Kapazität genug für ausdauernde Foto- und Videosessions. Rechts verdeckt ein Hartgummistück den USB- sowie den Mini-HDMI-Anschluss. An einen alten analogen Fernseher lässt sich die 1 J1 nicht anschließen. Einen Fernauslöseanschluss sucht man ebenfalls vergeblich, dafür besitzt die Kamera aber einen Infrarotsensor an der Vorderseite, so dass sie mit der optionalen Fernbedienung drahtlos ausgelöst werden kann.
Auf der Kamerarückseite tummeln sich allerlei Bedienelemente, deren Aufmachung eher an eine Kompaktkamera erinnert. Etwa die Vierwegewippe mit zentralem Bestätigungsknopf, die von einem Bedienrad eingeschlossen ist. Flankiert wird sie von vier weiteren Tasten. Somit hat der Daumen auf engstem Raum problemlos Zugriff auf acht Funktionen. Das Moduswahlrad befindet sich ebenfalls auf der Rückseite und nimmt der Daumenauflage bedrohlich viel Platz weg – auch das kennt man von Kompaktkameras. Leider verfügt dieses Rad nur über vier Positionen. Das lässt die Kamera einfacher wirken, sorgt aber andererseits für eine menülastigere Bedienung. Oberhalb des Rads sind noch eine Wippe und ein Funktionsknopf zu finden.
Die weitaus größte Fläche auf der Rückseite nimmt der 7,5 Zentimeter große Bildschirm ein. Seine Brillanz wirkt ähnlich edel wie die Kamera, die Auflösung indes ist mit 460.000 Bildpunkten nur Mittelmaß. Ruft man das Menü auf, so wird man als Nikon-Kenner überrascht. Nikon hat es neu gestaltet, es wirkt modern und edel – passt also perfekt zur Kamera. Das aufgeräumte Menü verfügt über erstaunlich große Schrift, halb angeschnittene Zeilen verdeutlichen, wo gescrollt werden kann. In der normalen Bildschirmansicht sind allerdings weiterhin recht kleine Symbole zu finden, die für Menschen mit Sehschwäche schlechter zu entziffern sein dürften als das Menü. Was der Nikon J1 fehlt, sind Individualisierungsmöglichkeiten in Form programmierbarer Tasten. Zwar ist die Kamera dadurch puristischer und einfacher zu bedienen, lässt sich aber nicht an persönliche Vorlieben und Bedürfnisse anpassen.
Ausstattung Ein spartanisches Menü muss nicht gleichbedeutend mit einem mageren Ausstattungsumfang sein. Und doch bricht Nikon mit einigen gewohnten Standards und spart an vielen Kleinigkeiten, wodurch die Kamera etwas abgespeckt wirkt. Andererseits erleichtert das die Bedienung. So muss der Fotograf nicht überlegen, welches Motivprogramm er wählt, weil ihm eine Wahlmöglichkeit gar nicht erst angeboten wird. Wer der Motivautomatik nicht vertrauen möchte, weicht einfach auf die klassische Programm-, Blenden- oder Zeitautomatik aus. Aber auch einen manueller Modus inklusive Bulb-Langzeitbelichtung bietet die J1. Um aber entsprechend umzuschalten, muss man einen Menüpunkt aufrufen. Wer die Motivautomatik nicht möchte, die klassischen Belichtungsprogramme jedoch abschrecken, kann den Modus "bewegter Schnappschuss" auf dem Moduswahlrad aktivieren. Hier hat er die Auswahl zwischen "Schönheit", "Wellen", "Entspannung" und "Zärtlichkeit" – die Nikon 1 J1 kann also auch esoterisch Aufgenommen wird dabei eine kurze Videosequenz und anschließend ein 16:9-Foto.
Obwohl die Kamera recht kompakt ist, konnte Nikon einen Blitz im Gehäuse unterbringen, der allerdings von Hand aktiviert werden muss. Er springt recht hoch auf und leuchtet dadurch recht gut aus, mit einer reduzierten Neigung zu roten Augen. Zudem lässt sich ein Vorblitz aktivieren, der die Gefahr rot geblitzter Augen weiter minimiert. Außerdem kann der Bordblitz mit längeren Belichtungszeiten synchronisiert werden, wahlweise am Anfang oder am Ende der Belichtung. Auch andere wichtige Parameter wie Weißabgleich, Belichtungsmessung, ISO-Empfindlichkeit, sogar mit begrenzbarer Automatik, Fokussierart und einiges anderes lässt sich wunschgemäß einstellen – mal per Menü, mal über eine dedizierte Taste. Selbst eine Intervallfunktion hat Nikon der J1 spendiert.
Für besonders kompakte Transportmaße sorgt das Objektiv, das eingefaltet werden kann. Fährt man es aus, geht die Kamera automatisch an. Wird das Objektiv eingefahren, schaltet sich die Kamera aber nicht automatisch aus, sondern zeigt einen Hinweis auf dem Bildschirm. Einen entsprechenden Mechanismus besitzen das 10-30 mm und das 30-110 mm. Durch den gegenüber einem Kleinbildsensor in der Diagonale um den Faktor 2,7 kleineren Bildsensor entsprechen die Objektive einem 27-81 mm beziehungsweise 81-297 mm. Wer es besonders kompakt mag, kann auf ein 10-mm-Pancake zurückgreifen, das allerdings mit F2,8 nicht viel lichtstärker ist als das 10-30-mm-Standardzoom, das bei 10 Millimeter Brennweite eine Blendenöffnung von F3,5 aufweist. Die J1 stellt nicht nur schnell und lautlos scharf, sondern auch sehr zielsicher. Ein Pumpen des Autofokus ist praktisch nicht zu beobachten. Ebenfalls flüsterleise ist das Auslösen, denn die Nikon 1 J1 weist als erste spiegellose Systemkamera keinen mechanischen Verschluss auf. Lediglich das leise Klackern der Blende ist in ruhigen Umgebungen noch vernehmbar. Hier ist die 1 J1 auf Kompaktkameraniveau.
Geschwindigkeit ist beim neuen Nikonsystem Trumpf. Nicht nur der Autofokus und die Kamerareaktionszeiten geben keinen Anlass zur Klage, auch die Serienbildgeschwindigkeit ist äußerst hoch. Das gilt erst Recht für Videos, die im Zeitlupenmodus wahlweise 400 oder 1.200 Bilder pro Sekunde erreichen. Wer lieber auf Auflösung setzt, bekommt mit FullHD den aktuellen Stand der Technik. Die Bildwiederholrate liegt bei 30 Vollbildern pro Sekunde oder wahlweise bei 60 Halbbildern. Ein Stereomikrofon ist selbstverständlich verbaut, es liefert eine erstaunlich gute Tonqualität. Nur ein externer Mikrofonanschluss fehlt. Die Fokusnachführung arbeitet schnell, zielsicher und präzise, vor allem aber unhörbar. Leider können Videoaufnahmen mit dem Videoaufnahmeknopf nur im Modus Videoaufnahme gestartet werden. Eigentlich hätte Nikon sich den Videoauslöser damit sparen können. Auch wer kreativ mit der Schärfentiefe beim Filmen spielen möchte, wird enttäuscht.
Sparsam war Nikon zudem bei den Bildbearbeitungsmöglichkeiten direkt in der Kamera. Lediglich das Zuschneiden von Bildern sowie das Beschneiden von Filmen sind möglich. Als Bildoptimierung hat es einzig die Active-D-Lighting-Funktion in die Kamera geschafft. Immerhin lassen sich alternativ oder zusätzlich zu JPEG auch RAW-Dateien speichern, so dass einer professionellen Bearbeitung der Fotoaufnahmen am PC nichts im Wege steht.
Bildqualität Wie jede andere Systemkamera auch musste sich die Nikon 1 J1 in unserem Testlabor umfangreichen Messungen stellen. Alle Details sind dem kostenpflichtigen Labortest zu entnehmen (siehe weiterführende Links). Neben dem Standardzoom, das als Grundlage für die Bewertung in diesem Test diente, liegen auch Labortests des 30-110-Millimeter-Telezooms und des 10-Millimeter-Pancakes vor. Wahlweise im Einzelkauf oder für eine Flatrate mit kompletten Archivzugriff auf über 1.200 Labortests können alle Messdiagramme mit erklärenden Texten eingesehen werden.
Oftmals ist für die Gesamtheit der Bildqualität weniger ein Spitzenwert in einer einzelnen Messung entscheidend, sondern viel mehr die Summe aller Parameter. Vor allem, wenn es keine eklatanten Ausreißer gibt, die die Bildqualität sichtbar schmälern. So stellt die Nikon 1 J1 mit ihren 10 Megapixeln keine Rekorde bei der Auflösungsmessung auf. Andererseits wird der Sensor selbst vom Standardzoom voll ausgereizt, was bedeutet, dass das Objektiv auch für höhere Auflösungen taugen würde. Vor allen zeigt sich nur ein schwacher Randabfall der Auflösung, am ehesten könnte man behaupten, das Zoom sei am Teleende minimal schwächer als im Weitwinkel und bei mittlerer Brennweite. Die Randabdunklung ist allenfalls messbar, aber nicht sichtbar, hier greift eine ausgewogene elektronische Korrektur ein. Die Verzeichnung ist nicht ganz so gut korrigiert. Im Weitwinkel gibt es eine 2,5 Prozent starke tonnenförmige Verzeichnung, bei mittlerer Brennweite eine minimale und im Telebereich praktisch keine Verzeichnung. Am ehesten könnte man noch die Farbsäume kritisieren, die zumindest in ihren extremsten Ausprägungen Richtung Bildrand leicht sichtbar werden, aber das Gesamtbild nicht entscheidend stören. Ein gutes Standardzoom also, das man in der Form bei Kameras mit größerem Sensor eher selten findet.
Gespannt waren wir auf das Rauschverhalten der 1 J1. Der im Verhältnis zur DSLR kleine Sensor lässt nichts Gutes erahnen, andererseits ist die Auflösung eher moderat gewählt, und die neueste Bildaufbereitungstechnologie ist in der Lage, einiges an Qualität heraus zu holen. Der Signal-Rauschabstand zeigt dann doch, dass die Pixel nicht so groß sind. Das Verhältnis vom Bildsignal zum Rauschsignal schlittert bei allen Empfindlichkeiten an der Grenze von akzeptabel zu schlecht, ist erwartungsgemäß bei ISO 100 am besten, zeigt aber einen erstaunlich flach abfallenden Verlauf. Bei ISO 800 ist an den Messwerten deutlich zu sehen, dass hier eine stärkere Korrektur eingreift, da sich hier der abfallende Trend der Werte kurz ins Gegenteil verkehrt oder gestoppt wird. Damit schiebt Nikon die ISO 800 gerade noch auf die brauchbare Seite, ab ISO 1.600 nehmen die Messwerte dann aber wieder ab. So sind feine Texturen bis ISO 400 scharf, bei ISO 800 gerade noch scharf genug, ab ISO 1.600 werden die Bilder aber durch die Rauschunterdrückung spürbar weicher.
Farb- und Luminanzrauschen sind bei allen Empfindlichkeiten leicht sichtbar, nehmen aber durch die immer stärker werdende Rauschunterdrückung nicht über Gebühr zu. Die Körnigkeit des Rauschens zeigt sich hingegen mit Ausnahme von ISO 800 recht hoch, so dass das Rauschen stets leicht sichtbar ist. Die Eingangsdynamik bewegt sich dank der elektronischen Tricks stets auf einem guten bis hohen Niveau zwischen 9,4 bis 9,8 Blendenstufen, so dass die J1 in der Lage ist, hohe Motivkontraste gut einzufangen. Die Tonwertkurve ist knackig abgestimmt - typische für eine Einsteigerkamera. Das trifft auch auf die Kantenschärfe zu, wodurch es teilweise zu leichten Schärfeartefakten kommt. Von den möglichen Tonwertabstufungen macht die Nikon zwar nicht im vollen Umfang Gebrauch, aber doch ausreichend. Farben gibt die J1 gut differenziert und im Mittel auch genau genug wieder, einige Farbtöne weichen leicht ab oder sind etwas stärker gesättigt. Insgesamt ist der Bildeindruck aber sehr natürlich beziehungsweise wirkt durch die leichte Tendenz zu einer etwas wärmeren Wiedergabe (etwa leicht gesättigtere Rottöne) angenehm geschönt. In der Summe hat Nikon die 1 J1 also gut auf die Zielgruppe abgestimmt und sie gehört zu den eingangs erwähnten Kameras, die sich gut ausgewogen ohne große Schwächen zeigen.
Fazit Wer den Anspruch hat, eine spiegellose Systemkamera als Alternative zur DSLR zu erwerben, ist mit der Nikon 1 J1 nicht unbedingt richtig beraten. Auch als Ergänzung zur DSLR eignet sie sich nur, wenn man teilweise altgewohnte Bedienphilosophien über Bord wirft. Wer aber eine einfache, kompakte Digitalkamera mit verhältnismäßig guter Bildqualität sucht, die die Möglichkeit zum Wechseln der Objektive bietet und zudem schnell wie eine DSLR ist, liegt mit der Nikon 1 J1 richtig. Sie ist hochwertig verarbeitet, edel gestaltet und bietet, mit Ausnahme der etwas knappen Akkulaufzeit, eine Performance, die sich nicht hinter einer DSLR zu verstecken braucht. Auch die Videoqualität kann sich sehen lassen, das gilt aber vor allem auch für die Bildqualität. Die J1 leistet sich keine eklatanten Schwächen und erstaunt mit einer guten Qualität bis ISO 800 – möglich machen dies die moderne Sensortechnologie und Bildaufbereitung.
Kurzbewertung
- Hohe Geschwindigkeit wie etwa Auslöseverzögerung, Serienbilder etc.
- Gute Bildqualität ohne eklatante Schwächen bis ISO 800
- Unauffällige Fotografie durch flüsterleises Auslösen und kompakte Größe (insbesondere mit Pancake)
- Hochwertige Verarbeitung mit edlem Design
- Kurze Akkulaufzeit
- Teilweise zu menülastige Bedienung mit fehlenden Individualisierungsmöglichkeiten
- Noch relativ kleines Objektivangebot vor allem kompakter und lichtstarker Objektive
- In Teilen etwas spartanische Ausstattung
Technische Daten
Modell |
Nikon 1 J1 |
Sensor |
CMOS 1" 13,2 x 8,8 mm (Cropfaktor 2,7) 10,1 Megapixel (effektiv) |
Auflösung (max.) |
3.872 x 2.592 (3:2) |
Video (max.) |
1.920 x 1.080 30p |
Objektivanschluss |
|
Monitor |
3,0", 0,460 Mio. Bildpunkte |
Belichtungsmessung |
Integral-, Spot- und Matrix-/Mehrfeld-Messung |
Belichtungsreihe |
automatisch, ohne interne HDR-Verarbeitung |
Bildstabilisator |
nein |
eingebauter Blitz |
ja |
Blitzanschuh |
nicht vorhanden |
AV-Anschlüsse |
AV-Ausgang: ja |
Serienbildfunktion |
max. 10,0 Bilder/s und max. 13 Aufnahmen in bester Qualität |
kürzeste Verschlusszeit |
1/16.000 s |
Autofokus |
ja |
Speicher |
Speicherkartenfach 1: SD |
Empfindlichkeit |
automatisch ISO 100 bis 3.200, manuell ISO 100 bis 6.400 |
Abmessungen |
106 x 61 x 30 mm (B x H x T) |
Gewicht |
227 g (betriebsbereit, ohne Objektiv) |
Online-Datenblatt |
https://www.digitalkamera.de/1KDFJ (mit Preisvergleich) |