Spiegellose Systemkamera, Systemkamera
Testbericht: Nikon 1 S1
2013-02-25 Mit der 1 S1 baut Nikon seine spiegellosen Systemkameras zu einer Drei-Klassen-Gesellschaft aus. Dabei spaltet sich die S-Serie von der J-Serie ab und bildet die neue Einsteigerklasse. Ein noch kompakteres Gehäuse und noch weniger Bedienelemente – nun fehlt auch das in der 1er-Klasse ohnehin magere Programmwählrad – sollen die Portabilität und Bedienung weiter verbessern. Ob dieser Ansatz aufgeht und wie es dabei um die Bildqualität bestellt ist, soll der digitalkamera.de-Test im Labor und in der Praxis zeigen. (Benjamin Kirchheim)
Ergonomie und Verarbeitung Die Nikon 1 S1 besitzt ein sehr kompaktes und schlankes Gehäuse mit einem ausgesprochen edlen Design. Da fällt erst auf den zweiten Blick auf, dass Nikon beim Gehäuse komplett auf Kunststoff setzt. Beim beherzten Zupacken gibt die Vorderseite leicht nach, der hochwertige Kunststoff macht sich dabei aber nicht durch Knarzen bemerkbar. Die Verarbeitung ist tadellos, wobei jedoch die Schnittstellenklappen, die im Inneren aus Gummi und äußerlich aus hartem Plastik bestehen, dann doch etwas billig wirken. Lediglich einen Mini-USB-Anschluss sowie eine HDMI-Schnittstelle besitzt die Nikon 1 S1, Fernauslöseanschluss, Mikrofoneingang oder AV-Ausgang sucht man vergeblich, Nikon setzt auf Einfachheit. An der Unterseite befindet sich das Metallstativgewinde ordnungsgemäß in der optischen Achse, die kompakten Abmessungen jedoch sorgen dafür, dass der Zugang zum benachbarten Akku- und Speicherkartenfach auf dem Stativ blockiert wird. Der Lithium-Ionen-Energiespender wird extern geladen, fällt jedoch recht mickrig aus und macht schon nach 220 Aufnahmen gemäß CIPA-Standard schlapp, ein magerer Wert. Immerhin kann statt des Akkus auch ein Dummy mit Netzkabelanschluss eingelegt werden. Das Speicherkartenfach schluckt klaglos SD-, SDHC- und SDXC-Speicherkarten, so dass der Speicherplatz auch bei längeren Videos nicht auszugehen droht.
Durch ihr glattes Gehäuse bietet die Nikon 1 S1 der Hand auf der Vorderseite wenig festen Halt, auf der Rückseite hingegen findet der Daumen in einer gummierten Mulde Platz. Dem geringen Gewicht, auch des Objektivs, sei es gedankt, dass man die 1 S1 dennoch längere Zeit unverkrampft halten kann, ohne dass sie einem aus der Hand gleitet. Zum Lieferumfang gehört das äußerst kompakte Standardobjektiv 11-27,5 mm, bei dem der Anwender leider auf einen Bildstabilisator verzichten muss. Auch der Brennweitenbereich von auf Kleinbild umgerechnet 30 bis 74 Millimeter ruft keine Begeisterungsstürme hervor, im Gegenzug wird man jedoch mit einer äußerst gleichmäßigen Auflösung und damit einer für ein Setobjektiv ungewöhnlich guten Bildqualität belohnt (siehe Abschnitt Bildqualität). Das Objektiv besitzt eine "Parkposition" und muss zum Aufnehmen erst durch das Drücken einer Knopfes und einen leichten Dreh am Zoomring ausgefahren werden. Dabei schaltet sich die Kamera automatisch ein. Auf gleiche Weise kann die Kamera ausgeschaltet werden, so dass man den eigentlichen Einschaltknopf nur bei Objektiven benötigt, die keinen solchen Mechanismus besitzen. Auf einen Fokusring verzichtet das Objektiv gänzlich.
Den weitaus größten Teil der Rückseite nimmt der drei Zoll (etwa 7,5 Zentimeter) große Bildschirm ein, dessen Auflösung im Gegensatz zu den anderen Kameras im 1er-System nur 460.000 Bildpunkt beträgt. Das sieht man dem ansonsten tadellosen Display leider auch an. Mit Bedienelementen ist die 1 S1 äußerst sparsam ausgestattet. Neben dem Einschaltknopf befinden sich auf der Kameraoberseite nur noch der Fotoauslöser sowie die Videoaufnahmetaste. Auf der Kamerarückseite sind neben der obligatorischen Vierwegewippe mit zentralem Bestätigungsknopf und umrahmendem Drehrad nur noch drei weitere Tasten zu finden, auf der linken Gehäuseseite gibt es einen Blitzentriegelungsknopf. Der kleine Pop-Up-Blitz springt bei Bedarf je nach Aufnahmeprogramm auch automatisch auf, seine Reichweite ist bei der schwachbrüstigen Leitzahl von fünf jedoch arg begrenzt. Ein externes Blitzgerät lässt sich nicht anschließen.
Die wenigen Tasten sollen eigentlich für eine vereinfachte Bedienung sorgen. Sie versehen allesamt fest vorgelegte Funktionen, lassen sich nicht umprogrammieren und sind auch nicht doppelt belegt. Das führt jedoch zu einer sehr menülastigen Bedienung, nicht einmal ein Schnellmenü für wichtige Kameraparameter gibt es. Zusammen mit einem Touchscreen könnte die Bedienphilosophie mit den wenigen Tasten aufgehen, jedoch verzichtet Nikon auf diese praktische Technologie. Die Menüs sind optisch sehr ansprechend gestaltet, deren Aufteilung gibt indes teilweise Rätsel auf. Im Menü "Bildverarbeitung" etwa sind die Einstellungen für ISO-Empfindlichkeit und Weißabgleich versteckt, sie wären im Menü "Fotografieren" sicher besser aufgehoben. Auch das zweistufige virtuelle Aufnahmewahlrad finden wir eher verwirrend als übersichtlich.
Ausstattung Automatikfunktionen stehen im Vordergrund bei der Nikon 1 S1, und zwar konsequent. Wer automatisch fotografieren möchte, darf nicht einmal mehr das Motivprogramm auswählen. Die Kamera entscheidet selbstständig, welches Aufnahmeprogramm passt und so muss man neben dem Zoomring eigentlich nur noch den Auslöser betätigen. In der Praxis als nützlich erweist sich insbesondere der "Smart Photo Selector", der dabei hilft, den besten Moment einzufangen. Statt eines Fotos werden mehrere aufgenommen, auch schon bevor man den Auslöser durchgedrückt hat. Die 1 S1 geht dabei äußerst schnell vor. Jedes Bild der Aufnahmeserie wird auf Qualität analysiert, etwa ob der Bildausschnitt gut ist, die Schärfe stimmt und der Gesichtsausdruck gut ist, also die Person die Augen offen hat und gegebenenfalls lächelt. Nur die besten Fotos landen überhaupt auf der Speicherkarte und das allerbeste wird automatisch markiert und hervorgehoben. Eine Symbiose auf Foto und Video stellt dagegen der bewegte Schnappschuss dar, der eine kurze Videosequenz und ein Foto simultan aufnimmt. Die vorgesehene gemeinsame Wiedergabe funktioniert jedoch nur in der Kamera und mit der beigefügten Software.
Wer selber kreativ werden möchte, das heißt Einfluss auf Kameraparameter wie Blende und Belichtungszeit nehmen möchte, kann dies zum Glück auch: Die 1 S1 bietet die klassischem Aufnahmeprogramme P, A, S und M. Einzig die Einstellung kann dabei etwas lästig werden, denn immer wieder muss man ins Menü gehen, beispielsweise wenn die Empfindlichkeit oder der Weißabgleich verstellt werden sollen. Von der hohen Geschwindigkeit profitiert der Anwender aber auch hier, etwa von der hohen Serienbildrate oder dem rasanten Autofokus, innerhalb von 0,15 bis 0,19 Sekunden hat man sein scharfes Foto im Kasten. Der Hybridfokus, der auf dem Sensor integrierte Phasensensoren mit einer Kontrastmessung kombiniert, arbeitet sehr zuverlässig, in dunklen Umgebungen leuchtet ein grünes Hilfslicht zumindest nahe Objekte zur Fokussierung gut aus. Die 1 S1 gehört zu den schnellsten Kameras am Markt und steckt sämtliche Einsteiger-DSLR mit Leichtigkeit in die Tasche, solche Kameras, die einst als die schnelleren galten, brauchen gerne doppelt so lange bis zum Foto und bieten dabei kein gleichzeitiges Livebild.
Die Nikon 1 S1 muss jedoch auch einiges an Kritik einstecken, denn bei der Ausstattung gibt sich Nikon knauserig. Eine Panoramafunktion gibt es nicht, Filtereffekte sind nur drei vorhanden: Weichzeichnung, Miniatur und selektive Farbe. Nach der Aufnahme gibt es keine Bearbeitungsmöglichkeiten, auch eine Belichtungsreihenfunktion bietet die S1 nicht. Beim manuellen Foklus gibt es zwar eine Lupenfunktion, jedoch beispielsweise kein Fokuspeaking, das scharfe Konturen besonders hervorheben und damit die Fokussierung deutlich vereinfachen würde. Immerhin kann der Fotograf auch während Videoaufnahmen seine Kreativität entfalten, denn Blende, ISO-Empfindlichkeit und Verschlusszeit lassen sich vorgeben. Den Autofokus führt die 1 S1 unhörbar automatisch nach, das interne Mikrofon nimmt den Ton in Stereo auf. In Full-HD-Auflösung kann mit 30 Voll- oder 60 Halbbildern pro Sekunde gefilmt werden, ein Highspeed-Modus erlaubt bei verringerter Auflösung 400 oder 1.200 Bilder pro Sekunde.
Bildqualität Das Nikon-1-System kämpft mit dem Manko des für Wechselobjektivkameras kleinen 1-Zoll-Sensors, der 13,2 x 8,8 mm misst. Durch den kleineren Bildausschnitt scheint sich die Brennweite gegenüber Kleinbild um den Faktor 2,7 zu verlängern. Als "Sparmaßnahme" setzt Nikon in der 1 S1 weiterhin einen 10 Megapixel auflösenden Bildsensor ein statt dem 14-Megapixel-Exemplar, der in der 1 J3 und 1 V2 Verwendung findet. Der Labortest (siehe weiterführende Links) offenbart jedoch, dass die Nikon-Ingenieure sich dennoch nicht auf die faule Haut gelegt haben. Das 11-27,5 mm bietet für ein Setobjektiv eine ungewöhnlich homogene und hohe Auflösung von durchgehend über 30 Linienpaaren pro Millimeter, sieht man einmal von beugungsbedingter Unschärfe ab, die bei F11 und F16 deutlich zu Tage tritt. Einzig die stark tonnenförmige Verzeichnung am Weitwinkelende trübt das Bild des ansonsten formidablen Setobjektivs.
Ein Blick auf die Bildaufbereitung zeigt, dass Nikon verglichen mit der 1 J2 dieselbe Auflösung mit geringeren Schärfeartefakten erreicht. Dass an den Parametern geschraubt wurde, offenbaren auch die Rauschmessungen. Der Signal-Rauschabstand der 1 S1 ist deutlich höher und damit besser als noch bei der 1 J2. Er startet mit guten über 40 dB bei ISO 100 und unterschreitet erst bei ISO 1.600 die kritische Grenze von 35 dB, wenn auch nur knapp. Das Niveau vom ab ISO 3.200 leicht sichtbaren Helligkeitsrauschen und praktisch unbedeutendem Farbrauschen ist geblieben. Die Körnigkeit des Rauschen fällt gleichmäßiger aus, ist aber mit rund drei Pixeln immer noch sehr grob, was auf die Rauschunterdrückung zurück zu führen sein dürfte. Trotz dieser zeigt die Nikon 1 S1 eine sehr gute Detailzeichnung, die deutlich über dem Niveau noch der 1 J2 liegt. Bis ISO 800 ist überhaupt kein Detailverlust auszumachen, bis ISO 3.200 ist der Detailverlust so gering, dass man ihn vernachlässigen kann. Nur bei der höchsten Empfindlichkeit von ISO 6.400 werden die Bilder weicher. Nikon hätte sich glatt trauen können, auch noch ISO 12.800 zuzulassen.
Die Eingangsdynamik liegt durchgehend zwischen knapp zehn und gut über neun Blendenstufen. Das ist ein solides, aber kein besonders hohes Niveau. Tonwerte steilt die 1 S1 sichtbar für eine knackigere, kontrastreichere Wiedergabe an. Der Ausgangs-Tonwertumfang startet bei ISO 100 auf hohem Niveau, fällt aber deutlich ab und unterschreitet bei ISO 1.600 die kritische Grenze von 160 von 256 möglichen Helligkeitsstufen, im Blau- und Rotkanal ist dies sogar schon bei ISO 400 der Fall. Farben werden hingegen bei ISO 1.600 noch gut differenziert, zwei Millionen Abstufungen sind es genau. Der manuelle Weißabgleich arbeitet hervorragend, die Farbwiedergabe ist im Mittel ebenfalls nicht zu bemängeln, bei einigen Farbtönen jedoch gibt es größere Abweichungen zugunsten einer subjektiv angenehmeren Wiedergabe, es betrifft vor allem warme Farbtöne wie Rot und Orange. Außerdem fiel im Labortest der Blitz noch negativ auf. Obwohl das Objektiv nur 30 Millimeter Weitwinkel bietet, schatten die Ecken bei Blitzbenutzung deutlich sichtbar auf 1/3 der Ursprungshelligkeit ab.
Fazit Die Nikon 1 S1 fällt vor allem durch ihr kompaktes, edel designtes Gehäuse auf, das durch die wenigen Bedienelemente sehr aufgeräumt wirkt. Ohne Touchscreen stößt das Bedienkonzept damit jedoch an seine Grenzen und wird arg menülastig, was durch die nicht in allen Punkten optimale Menüaufteilung zusätzlich erschwert wird, auch wenn die Menüs optisch gefallen. Außerdem geizt Nikon bei der Ausstattung, Belichtungsreihen, ein Panoramamodus oder Bildbearbeitungsfunktionen sollte eine moderne Kamera eigentlich bieten. Die größte Überraschung im Test war die hohe Bildqualität. Die Nikon-Ingenieure kitzeln aus dem 10-Megapixel-Sensor alles heraus und so kann man ohne große Einbußen auch mal auf ISO 1.600 schalten, was man im 1er-System bisher eher vermeiden musste. Vor allem wer einfache Automatikfunktionen sucht, ist bei der Nikon 1 S1 gut aufgehoben, fotografisch kreative Einstellungen hingegen geraten zum Geduldsspiel.
Kurzbewertung
- Ultraschneller Autofokus und kurze Reaktionszeiten sowie hohe Serienbildgeschwindigkeit
- Standardzoom mit sehr guter Bildqualität (abgesehen von der Verzeichnung)
- Äußerst kompaktes und gut verarbeitetes Gehäuse
- Gute Bildqualität bis ISO 1.600
- Recht kurze Akkulaufzeit
- Kein Bildstabilisator
- Etwas magere Ausstattung
- Unzulänglichkeiten bei der Bedienung mit unlogisch versteckten Menüoptionen
Technische Daten
Modell |
Nikon 1 S1 |
Sensor |
CMOS 1" 13,2 x 8,8 mm (Cropfaktor 2,7) 10,1 Megapixel (effektiv) |
Auflösung (max.) |
3.872 x 2.592 (3:2) |
Video (max.) |
1.920 x 1.080 30p |
Objektivanschluss |
|
Monitor |
3,0", 0,460 Mio. Bildpunkte |
Belichtungsmessung |
Integral-, Spot- und Matrix-/Mehrfeld-Messung |
Belichtungsreihe |
automatisch, ohne interne HDR-Verarbeitung |
Bildstabilisator |
nein |
eingebauter Blitz |
ja |
Blitzanschuh |
nicht vorhanden |
AV-Anschlüsse |
AV-Ausgang: HDMI-Ausgang Micro (Typ D) |
Serienbildfunktion |
max. 10,0 Bilder/s und max. 13 Aufnahmen in bester Qualität |
kürzeste Verschlusszeit |
1/16.000 s |
Autofokus |
ja |
Speicher |
Speicherkartenfach 1: SD |
Empfindlichkeit |
automatisch ISO 100 bis 6.400, manuell ISO 100 bis 6.400 |
Abmessungen |
102 x 60 x 30 mm (B x H x T) |
Gewicht |
240 g (betriebsbereit, ohne Objektiv) |
Online-Datenblatt |
https://www.digitalkamera.de/1D121 (mit Preisvergleich) |