Superzoom-Kamera, Kompaktkamera
Testbericht: Nikon Coolpix P100
2010-05-17 Welcher Fotograf wünscht sich das nicht: Ein Fotoapparat mit Vollausstattung und großem Zoombereich, dazu die Möglichkeit, FullHD-Videos aufzunehmen – das Ganze verpackt in einem kompakten und gut zu bedienenden Gehäuse. Kurz, das perfekte "All in One"-Aufnahmegerät. Nikon hat nun ein solches Multitalent für knapp 350 Euro auf den Markt gebracht. Ob die P100 diese "eierlegende Wollmilchsau" ist und welche Kompromisse der Besitzer eingehen muss, klärt dieser Test. (Stefan Meißner)
Ergonomie und Verarbeitung
Der erste Eindruck, den die Nikon P100 nach dem Auspacken macht, ist etwas zwiespältig. Die Kamera fühlt sich solide an, hat für die Größe das richtige Gewicht, ist sehr kompakt und liegt gut in der Hand. Aber irgend etwas klappert nicht gerade Vertrauen erweckend. Wahrscheinlich liegt das an dem mächtigen Objektiv, das in ausgeschaltetem Zustand locker in einen Tubus eingehängt ist und dort Spiel hat. Das stört den an sich soliden Eindruck, den das vollständig aus Kunststoff bestehende Gehäuse macht. Die Schalter und Hebeleien sind wiederum von guter Qualität, lassen sich mit gerade richtigem Druck bedienen und rasten exakt ein. Die beiden Anschlüsse (HDMI und USB/AV) liegen hinreichend geschützt hinter einer Gummiabdeckung, das Batteriefach an der Unterseite ist mit einer anscharnierten Kunststoffkappe abgedeckt und nimmt auch die SD-Karte auf. Das Stativgewinde aus Metall sitzt direkt daneben, leider ca. 2 cm von der optischen Achse entfernt. Zudem ist mit angesetzter Schnellwechselplatte der Zugang zu Speicherkarte und Akku versperrt.
Die P100 ist eine typische Bridge-Kamera und liegt dank des bei dieser Kameragattung obligaten Griffbuckels sehr gut in der Hand. Die Gummierung ist so griffig, dass man die Kamera sicher an drei Fingern der rechten Hand baumeln lassen kann. Auf der Rückseite gibt es ein entsprechend gummiertes Widerlager für den Daumen, so dass die P100 äußerst sicher und selbst für große Hände bequem mit einer Hand bedient werden kann. Der Auslöser ist gut zu erreichen, die
Druckpunkte für Schärfespeicher und Auslösung sind gut abgestimmt, und das Einstellrädchen für Änderungen der Zeit-Blendenkombination ist mit dem Daumen komfortabel zu bedienen. Mit dem Zoomhebel lässt sich einigermaßen feinfühlig in zwei Geschwindigkeitsstufen die Brennweite verstellen.
Auf der Oberseite befindet sich der gegen versehentliches Einschalten versenkte Hauptschalter. Nach sanftem Druck ist die Kamera binnen einer Sekunde aufnahmebereit. Ebenfalls auf der Oberseite platziert ist der griffige Betriebsartenwähler, mit dem in übersichtlicher Ordnung die vier Hauptfunktionen (Programm-, Zeit-, Blendenautomatik und Manuell), ein paar Motivprogramme oder benutzerdefinierte Einstellungen abgerufen werden können. Der integrierte Blitz ist auf dem Suchergehäuse platziert und muss bei Bedarf per Hand ausgeklappt werden. Durch seine relativ hohe Position über dem Objektiv (ca. 7 cm) hat er jederzeit freies "Schussfeld", so dass eine Abdeckung durch Finger ausgeschlossen ist.
Fasst man alle bisher genannten Aspekte des Kameragehäuses zusammen, so ist die Verarbeitung und die Bedienung der Nikon P100 gehobene Normalkost. Besonders gut aber gefällt das schwenkbare 3-Zoll-Display: Aus fast jeder Lage und ungewöhnlicher Perspektive kann fotografiert werden, ohne dass jemals die Bildkontrolle verlorengeht. Hell und klar selbst bei sehr flachem Seiteneinblick zeigt es brillante und – dank der 460.000 Bildpunkte – gestochen scharfe Bilder. Nur beim Einblick von unten dunkelt es etwas ab. Da lässt es sich verschmerzen, dass der Sucher eher grobkörnig und trübe wirkt und per Hand aktiviert werden muss. Immerhin gibt es einen Dioptrienausgleich, aber nicht nur Brillenträger werden sich lieber mit dem wunderbaren Vorzeigebildschirm vergnügen.
Ausstattung
Die Nikon P100 hat nahezu "Vollausstattung", das heißt alle nur denkbaren Motiv- und Automatikprogramme inklusive Gesichts-, Blinzel- und Lächelerkennung, auch Serien-, Sport- und Intervallaufnahmefunktion sind vorhanden. Das Objektiv ermöglicht vom echten Weitwinkel mit 26 mm (KB) bis zum Supertele (676 mm KB) mehr, als normalerweise benötigt wird. Dabei sorgt der optische Bildstabilisator selbst am langen Ende des 26fach-Zooms für erstaunliche Beruhigung des Suchers. Wer schon mal ein 10fach vergrößerndes Fernglas in der Hand hatte, weiß, wie stark das Bild zittert. Nicht so bei der P100, und die vergrößert sogar mehr als 13fach! Aber nicht nur die Fans von fernen Motiven kommen auf ihre Kosten. Die Nikon erreicht im Makromodus einen Abstand im Zentimeterbereich, wodurch eine Ein-Euro-Münze nahezu Format füllend abgebildet werden kann.
Der Clou aber sind die Videofunktionen. Per Daumendruck auf den rückseitig angebrachten Videoauslöser nimmt die Coolpix Filme in FullHD (1.920 x 1.080 Pixel) mit Stereoton auf. Dabei ist das Zoomobjektiv voll einsetzbar. Auch der High-Speed-Videomodus macht viel Spaß,
denn in der Auflösung von 320 x 240 Pixeln sind Zeitlupenvideos mit 240 Bildern pro Sekunde (fps, frames per second) möglich, was beim Abspielen mit Normaltempo zu einer 8fachen Zeitdehnung führt. Kann auf die Höchstgeschwindigkeit verzichtet werden, steigt auch die Auflösung proportional an, bei 60 fps sind das 1.280 x 720 Pixel. Zeitlupensequenzen werden ohne Ton aufgenommen und können in der höchsten Geschwindigkeit nur ca. 10 Sekunden lang werden, was aber 80 Sekunden Abspielzeit bedeutet.
Etwas problematisch ist bei Videoaufnahmen die Anzeige auf dem Display: Da dieses ein Seitenverhältnis von 4:3 hat, bei FullHD aber im Format 16:9 aufgezeichnet wird, entstehen oben und unten die bekannten "Breitbild-Balken". Leider wird der Kameramann (oder die Kamerafrau) davon überrascht, denn nichts weist im Sucher auf diese Dinge hin. Bis man sich daran gewöhnt hat, kann es also in der Anfangszeit häufiger zu abgeschnittenen Köpfen kommen. Schön wäre hier ein Hinweis in Form von kleinen Formatmarken auf dem Display.
Ein weiteres Problem ist schon von anderen Foto-Video-Kameras bekannt: Das Geräusch des Motorzooms überträgt sich deutlich auf das Mikrofon, und auch der AF-Motor gibt seinen unerwünschten Kommentar in Form eines "Tackerns" ab. Leider benötigt der Autofokus besonders im Telebereich für die Nachführung der Schärfe recht lange, sodass nahezu permanent der AF-Motor zu hören ist. Bei der Nikon sind diese Störungen zwar geringer als bei einigen anderen Kameras, aber immer noch sehr lästig. Eine reinrassige Videokamera ersetzt die Nikon nicht. Trotzdem kann die P100 mit Einschränkungen als "familienfilmtauglich" bezeichnet werden, denn der Vorteil, Filme und Fotos schießen zu können, überwiegt deutlich die Kompromisse, die bei der Tonqualität in Kauf genommen werden müssen. Leider kann der beliebte VLC-Player die FullHD-Videos nicht problemlos abspielen. Und auch die mitgelieferte Software benötigt für ruckelfreies Filmvergnügen einen potenten Rechner. Wem die 720p-Auflösung genügt (1.280 x 720), hat aber damit keine Probleme.
Bildqualität
Was kann man von einem Objektiv erwarten, das vier oder fünf Festbrennweiten und ein Makroobjektiv ersetzt? Bei diesem gigantischen Zoombereich müssen Kompromisse eingegangen werden. Die Frage ist nur, an welcher Stelle sie am besten zu verschmerzen sind. Der Labortest, der für 1,40 EUR im Detail angesehen werden kann, gibt darüber Aufschluss.
Die Auflösung ist in der langen Brennweite mäßig, was sich auch durch etwas weiche Kanten und farbige Säume in den Fotos sichtbar niederschlägt. Allerdings sind z. B. Aufnahmen des Mondes, die in dieser Größe und Nähe nur selten so problemlos möglich sind, trotzdem enorm beeindruckend (siehe Bild). Da relativiert sich die Kritik an der Detailschärfe, denn die Alternative wäre, auf solche Fotos zu verzichten. Nutzt man hauptsächlich den kürzeren Brennweitenbereich, ist die Auflösung kein Problem, und die Bilder wirken scharf und brillant.
Umgekehrt verhält es sich bei der Verzeichnung. Der Weitwinkelbereich zeigt starke tonnenförmige Verzeichnung (-3,2 %), die sich in der Mitte und im Telebereich in eine mäßige Kissenform wandelt. Für Landschaftsaufnahmen ist das noch in Ordnung, für Architektur aber eher ungeeignet. Bei der Randabdunkelung gibt es kaum Kritik, lediglich bei Fotos von homogenen Flächen dürfte in den Ecken eine leichte Vignettierung auffallen. Deutlicher zeigt sich ein Randabfall bei Aufnahmen mit dem eingebauten Blitz. Dieser schafft es nicht, das 26er Weitwinkel bis in die Ecken auszuleuchten. Leicht oberhalb der Mitte ergibt sich sogar ein leichter "Hotspot". Aber auch hier gilt: In der Alltagsfotografie wird das nicht sichtbar sein.
Auf der Habenseite der Nikon P100 ist vor allem die hohe Eingangsdynamik von knapp 9 Blendenstufen zu nennen, die auch bei höheren ISO-Werten nie unter 8 Blenden absinkt. Das Rauschen ist in allen Empfindlichkeiten gering, was wohl auch daran liegt, dass dem recht kleinen Sensor "nur" 10 Megapixel abgerungen werden. Hier zeigt sich wieder einmal, dass ein Verzicht auf hohe Renommierauflösungen Vorteile hat. Bei der Scharfzeichnung haben die Nikon-Techniker etwas zuviel des Guten gewagt. Das kann an dunklen Bildstellen als Farbsäume an Kanten wahrgenommen werden. Besonders störend ist das aber nicht.
Die Auslöseverzögerung ist wiederum gut, besonders mit Vorfokussierung ist die Auslösung nahezu verzögerungsfrei.
Abschließend kann man sagen, dass die P100 den Spagat zwischen großem Zoombereich und vertretbarer Bildqualität recht ordentlich beherrscht. Den Technikern ist sicherlich gute Arbeit zu bescheinigen.
Fazit
Eierlegende Wollmilchsau oder eher gerupftes Huhn? Weder noch, denn die Nikon Coolpix P100 ist ein gelungener Kompromiss. Zwar zeigt sie nicht unbedingt in jeder Einzeldisziplin Spitzenwerte, aber die Summe aller Möglichkeiten, in einem so kompakten Gerät vereint, wird viele Freunde finden. Die meisten Wünsche richten sich an den Videomodus: Auf jeden Fall verbesserungsbedürftig ist die Treffsicherheit des Autofokus. Das Mikrofon sollte besser von den Nebengeräuschen des Zoom- und AF-Antriebs entkoppelt werden. Und die Zoomverstellung sollte für Videoaufnahmen etwas feinfühliger vonstatten gehen. Auf der anderen Seite gibt es Pluspunkte für den prima Bildstabilisator, die hohe Eingangsdynamik, das geringe Rauschen und die kurze Auslöseverzögerung. Die Nikon Coolpix P100 ist etwas für Menschen, die alles wollen außer einem riesigen Gerätepark, und die bereit sind, dafür Kompromisse einzugehen.
Kurzbewertung
- High-Speed-Videos
- FullHD-Videos
- Hoher Dynamikumfang
- Tolles Display
- Ungünstige Platzierung des Stativgewindes
- Schwache Auflösung im Telebereich
- Träge Schärfenachführung bei Videos (besonders im Telebereich)
- Nebengeräusche bei Filmaufnahmen
Technische Daten
Modell |
Nikon Coolpix P100 |
Sensor |
CMOS-Sensor 1/2,3" 6,2 x 4,6 mm (Cropfaktor 5,6) 10,6 Megapixel (physikalisch), 10,3 Megapixel (effektiv) |
Auflösung (max.) |
3.648 x 2.736 (4:3) |
Video (max.) |
1.920 x 1.080 30p |
Objektiv |
26-678 mm / F2,8-5,0 (26,1-fach Zoom) |
Sucher |
elektronischer Sucher |
Monitor |
3,0", 0,460 Mio. Bildpunkte |
Belichtungsmessung |
Mittenbetonte Integralmessung, Matrix/Mehrfeld-Messung über 256 Felder, Spotmessung |
Belichtungsreihe |
automatisch, mit interner HDR-Verarbeitung |
Bildstabilisator |
Sensor-Shift (optisch) |
Eingebauter Blitz |
ja |
Blitzschuh |
– |
AV-Anschlüsse |
AV-Ausgang: ja |
Serienaufnahmen |
max. 10 Bilder/s |
kürzeste Verschlusszeit |
1/8.000 s |
Akkulaufzeit |
keine Angabe |
Speicher |
SD |
Empfindlichkeit |
Automatisch ISO 160 bis 800, manuell ISO 160 bis 3.200 |
Abmessungen |
114 x 83 x 99 mm (B x H x T) |
Gewicht |
481 g (betriebsbereit) |
Online-Datenblatt |
https://www.digitalkamera.de/VXOTL (mit Preisvergleich) |