Spiegelreflexkamera, Systemkamera

Testbericht: Nikon D4

2012-05-25 Knapp 6.000 Euro möchte Nikon für das neue Flaggschiff D4 haben. Dafür verspricht der Hersteller eine Kamera, die sich durch "kompromisslose Bildqualität" und "herausragende Geschwindigkeit" auszeichnet – auch beim Filmen. Genau das Richtige also für den Fotoprofi, aber auch den ambitionierten Videographen will die D4 etwa mit FullHD überzeugen. Herzstück dafür ist ein Kleinbild-Vollformat-Sensor mit 16 Megapixeln Auflösung und maximal ISO 204.800. Das alles in einem Gehäuse, das wie für die sprichwörtliche Ewigkeit gebaut zu sein scheint. Im Testlabor von digitalkamera.de sowie mehreren harten Praxiseinsätzen musste die D4 beweisen, ob sie die von Nikon gesetzten Erwartungen erfüllen kann.  (Martin Vieten)

Nikon D4 [Foto: MediaNord]Ergonomie und Verarbeitung Schon das Äußere der Nikon D4 macht unmissverständlich klar: Diese Kamera ist ein Fotoapparat im klassischen Sinne des Wortes. Ein Arbeitsgerät, das bereits ohne Objektiv fast 1,5 Kilogramm auf die Waage drückt. Wird die D4 dann mit einem Standardzoom wie dem AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8G ED bestückt, zerren und ziehen mehr als zwei Kilo am Bizeps des Fotografen. Wie schon bei früheren Profikameras hat Nikon auch bei der D4 den Hochformatgriff fest ins Gehäuse integriert. Er nimmt den recht voluminösen Akku vom Typ EN-EL18 auf, dessen Kapazität von 2.000 mAh für rund 2.500 Aufnahmen reicht. Im Lieferumfang der Kamera befindet sich ein Ladegerät, das gleich zwei dieser monströsen Energiespender auflädt. Trotz ihres Umfangs und des wahrlich beachtlichen Gewichts liegt die D4 hervorragend in der Hand. Das galt auch schon für die D3S, die wir vor rund zwei Jahren getestet haben (siehe weiterführende Links am Ende dieses Testberichts).

Im Detail hat Nikon das Gehäuse der D4 jedoch nochmals überarbeitet. So rückt nun das vordere Einstellrad näher an den Auslöser heran und ist dadurch einfacher für den Zeigefinger zu erreichen. Geblieben ist es bei einem Hauptschalter, der sich als Ring um den Auslöser legt. Da auch dessen Abstand zum vorderen Einstellrad verkürzt wurde, läuft man jetzt Nikon D4 [Foto: MediaNord]allerdings leichter Gefahr, die Kamera versehentlich auszuschalten. Pfiffiges Detail des Hauptschalters: Wird er über die "ON"-Stellung hinausgedreht, illuminiert die D4 nicht nur Display und Top-LCD, zusätzliche werden die beschrifteten Schalter und Knöpfe hintergrundbeleuchtet. Eine clevere Idee für eine Kamera, die dank ihrer herausragenden Available-Light-Eigenschaften gut und gerne auch noch unter widrigsten Lichtbedingungen eingesetzt werden kann (mehr dazu im Abschnitt "Bildqualität").

Typisch für die Profi-Kameras von Nikon setzt auch die D4 auf ein "Zwei-Hände-Bedienkonzept". So ist das Haupteinstellrad links oben auf der Kamera mit einer Sperre versehen. Sie muss gedrückt gehalten werden, um die Konfiguration zu ändern. Was sich zunächst umständlich anhört, erweist sich im Gedränge eines Fotografenpulks schnell als unschätzbarer Vorteil: Kaum etwas kann versehentlich verstellt werden, sogar das gewählte AF-Feld lässt sich mit einem eigenständigen Schalter fixieren. Für die Wahl des AF-Feldes stellt die D4 gleich zwei kleine Joysticks bereit, so dass sich jetzt auch bei Hochformataufnahmen der Fokuspunkt bequem auf die gewünschte Motivpartien legen lässt.

Nikon D4 [Foto: MediaNord]Der optische Sucher der D4 bietet eine Bildfeldabdeckung von 100 Prozent bei 0,7-facher Vergrößerung und zählt damit zum Besten, was derzeit für Geld und gute Worte zu haben ist. Die eingeblendete Informationsfülle ist beachtlich, der Fotograf ist beim Blick durch den Sucher stets bestens im Bilde, welche Aufnahmeparameter er beziehungsweise die Kamera gewählt hat. Noch detaillierter informieren das großflächige Top-LCD rechts oben auf der Kamera oder das rückwärtige Display. Die Auflösung des Monitors beträgt nach wie vor 921.000 Bildpunkte, seine Diagonale wuchs leicht auf 3,2 Zoll an. Bei der direkten Aufsicht zeigt das Display ein tadelloses Bild, seien es Aufnahmen im Wiedergabemodus oder der aktuelle Bildausschnitt im Live-View-Betrieb. Das gilt leider nicht mehr, wenn man schräg auf den Monitor blickt. Obgleich Nikon einen Einblick von 170 Grad für das starr verbaute Display angibt, war es in der Praxis bei Überkopfaufnahmen selten zu gebrauchen. In heller Umgebung reicht die Displayhelligkeit kaum aus, zudem spiegelt es recht stark. Hätte Nikon die D4 mit einem klappbaren Display ausgestattet, wäre das stark verbesserte Live-View noch nützlicher.

Wenngleich sich die Nikon D4 grundsätzlich mit den dedizierten Knöpfen und Schaltern bedienen lässt, eröffnet sie ihren ganzen Funktionsreichtum erst nach Aufruf des Hauptmenüs. Es ist Nikon-typisch gegliedert, die meisten Optionen finden sich im Menü "Individualfunktionen". Obwohl die Kamera auf Knopfdruck zu vielen Einstellmöglichkeiten einen kurzen Hilfetext einblendet, bleibt angesichts der schon fast überbordenden Optionen ein Blick in das 450 Seiten Nikon D4 [Foto: MediaNord]starke Handbuch oft unerlässlich. Wie bei allen Profi-Modellen von Nikon erlaubt auch die D4, sich ein persönliches Menü mit bis zu 20 Befehlen zusammenzustellen. Eine sehr begrüßenswerte Option, über die man von Haus aus tief vergrabene Funktionen blitzschnell aufrufen kann. Zudem bietet die D4 die Möglichkeit, bis zu vier verschiedene Kamerakonfigurationen zu speichern, die sich dann rasch via Info-Taste abrufen lassen.

Obwohl Nikon die D4 im Vergleich zur Vorgängerin mit ein paar Schaltern und Knöpfen mehr versehen hat, sowie einem größeren Display, drängeln sich die Bedienelemente keineswegs auf dem voluminösen Kameragehäuse. Alles ist bequem zu erreichen, auch im hektischen Alltag eines Fotoreporters. Nicht nur er wird zudem schätzen, dass die D4 für die Ewigkeit gebaut zu sein scheint. Das gilt nicht nur für das eigentliche Gehäuse, das eine unerschütterliche Robustheit ausstrahlt. Auch den Abdeckung der zahlreichen Schnittstellen, dem Deckel für das Speicherkartenfach oder dem Akku-Einschub traut man zweifelsfrei zu, auch noch nach Jahren im harten Profialltag so wie am ersten Tage zuverlässig zu schließen. An der Unterseite der Kamera befindet sich lediglich ein Stativgewinde, das aus Edelstahl gefertigt ist und ordentlich in der optischen Achse sitzt. Die Speicherkartenschächte sind von der Rückseite her zugänglich, der Akku wird seitwärts entnommen, so dass selbst eine überdimensionierte Stativplatte (die angesichts des Gewichts der Kamera sehr zu empfehlen ist) keine Bedienelemente oder Schächte blockiert.

Nikon D4 – Aufnahmemenü [Foto: MediaNord]
Nikon D4 – Infobildschirm [Foto: MediaNord]
Nikon D4 – ISO-Empfindlichkeits-EInstellung [Foto: MediaNord]
Nikon D4 – Schnelleinstellung im Infobildschirm [Foto: MediaNord]
Nikon D4 – Individualfunktionen [Foto: MediaNord]
Nikon D4 – LiveView [Foto: MediaNord]
Nikon D4 – Bildbearbeitungsmenü [Foto: MediaNord]
Ausstattung Dass die Nikon D4 ein professionelles Arbeitsgerät ist, unterstreicht sie eindrucksvoll auch mit ihrem Ausstattungsumfang. Motivprogramme oder gar die derzeit so modischen Effektprogramme sucht man bei dieser Kamera vergebens. Ganz verschließt sich Nikon aber dem Zeitgeist nicht und hat der D4 die Möglichkeit zu HDR-Aufnahmen mit auf den Weg gegeben. Dabei nimmt sie mindestens zwei Fotos mit unterschiedlicher Belichtung auf und kombiniert sie automatisch zu einem Bild, das selbst sehr kontrastreiche Szenen von den dunkelsten Tiefen bis zu den hellsten Lichtern perfekt durchzeichnet. Zudem bietet der Autofokus eine Option zur Gesichtserkennung und -verfolgung – dieser Portrait-AF funktioniert jedoch nur im Live-View-Modus. Nur Hausmannskost scheint auf den ersten Blick die Belichtungssteuerung zu bieten, lediglich die klassischen Modi P, A, S und M stehen zur Verfügung. Doch bei der Belichtungsmessung erweist sich die D4 als mit allen Wassern gewaschen. Ihr neues Messsystem "3D Color Matrix Metering III" basiert auf einem RGB-Sensor mit 91.000 Bildpunkten – genug, um sogar eine Gesichtserkennung in den Belichtungssensor zu implementieren. Und bei der mittenbetonten Integralmessung lässt sich vorgeben, ob sich die Gewichtung auf einen zentralen Ausschnitt von rund 20, 30, 40 oder 50 Prozent des Bildfeldes beziehen soll. Die kürzeste Verschlusszeit beträgt 1/8.000 Sekunde, die kürzeste Blitzsynchronzeit gibt Nikon mit 1/250 Sekunde an. Die D4 bietet sehr weitreichende Optionen für Belichtungsreihen, beherrscht Intervallaufnahmen und bietet die Möglichkeit zur "Bulb"-Langzeitbelichtung.

Im Vergleich zur Vorgängerin macht die D4 mit ihren Video-Funktionen einen gewaltigen Sprung nach vorn. Sie filmt jetzt in FullHD, also mit 1.920 x 1.080 Pixel Auflösung, die maximale Bildrate beträgt dabei 30 Einzelbilder pro Sekunde (25 fps bei Aufnahmen im PAL-Format). Filmton nimmt das integrierte Mikrofon nur in Mono auf. Das ist indes kein Beinbruch, denn die D4 bietet eine herkömmliche Klinkenbuchse zum Anschluss eines externen Stereomikrofons. Dessen Pegel lässt sich wahlweise sogar manuell aussteuern. Professionelle Videographen wird zudem freuen, dass die Kamera auf Wunsch den unkomprimierten Videostream via HDMI-Buchse ausgibt. Während der Video-Aufnahme können Verschlussgeschwindigkeit, Blende und ISO-Empfindlichkeit geändert werden. Mittels Kontrast-Autofokus via Bildsensor führt die Kamera auf Wunsch zudem die Schärfe nach.

Überragend ist die Vielfalt an Anschlussmöglichkeiten, mit der Nikon die D4 ausgestattet hat. Hier ragt vor allem eine RJ-45-Schnittstelle heraus, über die sich die Kamera an ein Netzwerk anbinden lässt. So können die Aufnahmen sofort auf einen FTP-Server übertragen werden. Oder die D4 wird via Ethernet-Anschluss mithilfe der optionalen Software "Camera Control Pro 2" komplett ferngesteuert. Die Netzwerkanbindung funktioniert sogar drahtlos, dazu bietet Nikon den neuen Wireless-LAN-Adapter WT-5, der direkt an die D4 gekoppelt wird. Aber auch der ältere WT-4 lässt sich weiterhin an der D4 verwenden. Ungewöhnlich ist ferner der Kopfhöherausgang der D4, über den sich die Filmtonaufnahme mitverfolgen lässt. Ebenfalls an Bord sind eine USB-Schnittstelle, ein HDMI-Ausgang sowie eine Systembuchse etwa zum Anschluss des optionalen GPS-Empfängers GP-1. Die D4 verfügt über zwei Speicherkarteneinschübe. Einer nimmt herkömmliche CompactFflash-Karten auf, während der andere für die noch raren aber sehr schnellen XQD-Karten dient.

Einen integrierten Blitz hat Nikon allerdings bei der D4 eingespart. Wer trotz der High-ISO-Fähigkeiten der Kamera nicht auf einen Lichtspender verzichten kann oder will, muss also zu einem optionalen Blitzgerät greifen. Das ist etwas schade, denn auch ein leistungsschwacher Bordblitz leistet als Aufheller unter schwierigen Lichtbedingungen oftmals sehr gute Dienste. Ein Systemblitz wird zudem nötig, wenn unter widrigen Lichtbedingungen der Autofokus versagt. Die D4 verfügt nämlich nicht über ein AF-Hilfslicht, der Autofokus ist also im Fall der Fälle auf die Assistenz durch einen Systemblitz angewiesen. Von diesen kleinen Mankos einmal abgesehen, erfüllt das Blitzsystem von Nikon an der D4 so ziemlich jeden Wunsch, den ein Fotograf nur hegen kann.

Dass Nikon die D4 auch unter der Haube mit aktuellster Elektronik ausgestattet hat, merkt man der Kamera im Praxiseinsatz sofort an. So dauert nur rund eine viertel Sekunde, bis die D4 nach dem Einschalten betriebsbereit ist. Überhaupt reagiert die Kamera äußerst flüssig auf Eingaben, lediglich beim Aufruf des Hauptmenüs erscheint für einen Wimpernschlag eine Sanduhr auf dem Display. Wenn es dann aber um schnelle Aufnahmeserien geht, ist die D4 ganz in ihrem Element. Im Test sprintete die Kamera mit einer fast schon atemberaubenden Bildrate von 10,9 JPEG-Aufnahmen beziehungsweise 10,4 RAW-Fotos in der Sekunde los. Abgesehen von diesem extrem hohen Tempo ist noch bemerkenswerter, welch langen Atem die D4 bei diesen rasanten Spurt zeigt: Bestückt mit einer Transcend 600x CompactFlash Card hielt die Kamera deutlich über 100 JPEG-Fotos beziehungsweise 71 RAW-Aufnahmen durch, bis sie in den gemächlicheren Dauerlauf fiel. Aber auch dabei war die D4 mit rund vier JPEG- beziehungsweise zwei RAW-Fotos je Sekunde immer noch recht flott unterwegs. Es liegt auf der Hand, dass bei derart hohen Serienbildraten innerhalb kürzester Zeit eine immense Datenflut entsteht, die die D4 erst einmal wegschreiben muss. Das Speichern kann durchaus ein paar Minuten in Anspruch nehmen. Während dieser Zeit ist die Kamera jedoch – anders als üblich – weiterhin uneingeschränkt aufnahmebereit. Die Zahl der Aufnahmen für einen Serienbildlauf lässt sich übrigens begrenzen, maximal sind 200 Fotos je Serie möglich. Verschluss und Spiegelmechanismus der D4 werden durch die hohe Serienbildrate naturgemäß stark belastet. Laut Nikon ist der Verschluss auf 400.000 Auslösungen ausgelegt. Er lässt sich zudem schonen, indem die D4 nicht ständig unter Volldampf betrieben wird – die Serienbildrate kann zwischen einem und zehn Bildern je Sekunde vorgeben werden.

Die Möglichkeiten der Bildbearbeitung mit der D4 sind derart üppig, dass sie "on location" durchaus einen Rechner mit entsprechender Software ersetzen können. So ist es zum Beispiel möglich, mit der D4 aufgezeichnete RAW-Aufnahmen direkt in der Kamera zu JPEG-Bildern zu entwickeln. Diesen lassen sich diverse vorgegebene oder selbst konfigurierte "Picture Control"-Einstellungen (Bildstile) zuweisen. Auch die nachträgliche Korrektur von Abbildungsfehlern wie Verzeichnungen und Vignettierungen, die aufs Konto des verwendeten Objektivs gehen, erlaubt die D4. Sogar die Montage zweier RAW-Aufnahmen zu einem Bild ist direkt in der Kamera möglich.

Nikon D4 [Foto: MediaNord]Objektiv Von Haus aus wird die D4 gar nicht erst mit einem Set-Objektiv angeboten, es gibt sie nur "Body only". Wir hatten die Kamera mit dem Standardzoom AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8G ED sowie dem Telezoom AF-S Nikkor 70-200 mm 1:2,8G ED VR II im Testlabor von digitalkamera.de sowie im Praxiseinsatz. Bei letzterem gesellte sich noch ein AF-S Nikkor 14-24 mm 1:2,8G ED hinzu. Wie bei Nikon üblich, gibt es einen Bildstabilisator nur, wenn das Objektiv damit ausgestattet ist. Dass dem 24-70/2.8 das entsprechende Kürzel VR in der Typenbezeichnung fehlt, hat sich bei einem nächtlichen Einsatz schmerzlich bemerkbar gemacht. Trotz hoher ISO 12.800 steuerte hier die D4 zu oft Verschlusszeiten, die keine verwacklungsfreien Aufnahmen zuließen. Ein optischer Bildstabilisator wie im 70-200/2.8 VR II ermöglicht um mindestens zwei Lichtwertstufen längere Belichtungszeiten oder entsprechend niedrigere ISO-Empfindlichkeiten. Dann entspricht zum Beispiel eine Belichtungszeit von 1/125 Sekunde bei einem stabilisierten Objektiv der von 1/30 Sekunde bei einem nicht-stabilisierten – ein Unterschied, der bei 70 Millimeter Brennweite sichtbar über verwacklungsfreie Aufnahmen entscheidet. Oder über Rauscharmut. Denn um mit einem nicht-stabilisierten Objektiv auf dieselben verwacklungsfreien Belichtungszeiten zu kommen wie bei einem stabilisierten, muss die ISO-Zahl zweimal verdoppelt werden – zum Beispiel von ISO 12.800 auf ISO 51.200 – ein durchaus beachtlicher Unterschied!

Als äußerst zuverlässig und gedankenschnell zeigte sich der Autofokus der D4 sowohl im Labor wie in der Praxis. Die Kamera hatte im Labor stets nach rund 0,25 Sekunden scharf gestellt und ausgelöst. Aber nicht nur unter klinischen Laborbedingungen, auch im harten Praxisalltag weiß der Autofokus der D4 meist zu überzeugen. Das gilt vor allem auch für den Nachführ-AF bei Nikon D4 mit 24-70 2.8 [Foto: MediaNord]Serienaufnahmen. Er packt ein auf die Kamera zufahrendes Auto souverän und verliert es praktisch nicht mehr, bei allen Aufnahmen der Serie sitzt der Fokus perfekt. Ebenso sicher hält er ein startendes Flugzeug fest, selbst wenn sich beim Mitziehen ein Lampenmast oder ein Vorfeldfahrzeug in den Vordergrund schiebt. Diese Souveränität geht dem Autofokus allerdings verloren, wenn das Licht schwindet. In der Praxis hat sich als Faustregel erweisen: Reichen ISO 12.800 zur Belichtung, kommt auch der AF der D4 gerade noch so mit dem Licht klar. Werden höhere ISO-Werte nötig, verlangt der AF nach einer kontrastreichen Bildpartie, andernfalls findet er sein Ziel nicht mehr. So war es im Schummerlicht einer Gartenlaterne nicht mehr möglich, eine Krötenhochzeit zuverlässig scharf zu stellen. Hier hat sich das Fehlen eines AF-Hilfslichts schmerzlich bemerkbar gemacht.

Technisch hat das AF-System der D4 ebenfalls einiges zu bieten. Ihr neues Autofokusmodul Multi-CAM 3500FX weist 51 Sensoren auf, 15 davon sind als Kreuzsensoren ausgeführt. Und immerhin neun dieser Kreuzsensoren funktionieren auch noch bei Objektiven mit einer maximalen Lichtstärke von F8, wie sie sich zum Beispiel bei Verwendung eines Telekonverters ergibt. Deutlich verbessert hat Nikon den Kontrast-AF im Live-View-Betrieb – hier vergeht knapp eine Sekunde, bis die D4 fokussiert und ausgelöst hat. Entfallen ist der optionale Phasen-AF im Nikon D4 mit 24-70 2.8 [Foto: MediaNord]Live-View-Betrieb und damit dessen langwierige Spiegelklapp-Orgien. 

Bildqualität Wo andere Vollformatkameras heute eine Auflösung von mindestens 21 Megapixeln bieten, gibt sich die D4 mit konservativen 16 Megapixeln zufrieden. Laut Nikon wird so ein "hohes Signal-Rausch-Verhältnis und großer Dynamikumfang" möglich. Ob die D4 diese Versprechungen einhalten kann und wie es des Weiteren um ihre Bildqualität bestellt ist, musste sie im Testlabor von digitalkamera.de sowie im Praxiseinsatz unter Beweis stellen. Wie stets kann das detaillierte und ausführlich kommentierte Laborprotokoll gegen ein kleines Entgelt online abgerufen werden (siehe weiterführende Links am Ende des Beitrags).

Erwartungsgemäß kommt die moderate Auflösung dem Rauschverhalten der D4 durchaus zugute. Allerdings vielleicht nicht in dem Maße, wie man es von dem doch recht üppigen Pixelabstand auf dem Sensor erwarten würde. So erreicht der Signal-Rauschabstand des wichtigen Luminanzkanals bereits bei ISO 6400 die kritische Marke von 35 dB. Für sich genommen ist das sicherlich kein schlechter Wert – andere aktuelle Vollformatkameras mit höherer Auflösung können da indes durchaus mithalten. Allerdings ist das Rauschen der Nikon D4 bis etwa ISO 25.600 recht gutmütig, da die Nikon D4 [Foto: MediaNord]Helligkeitsabweichungen vom Sollwert nicht sehr ausgeprägt sind. Das ändert sich jedoch mit weiter zunehmender ISO-Empfindlichkeit: Jetzt werden die Helligkeitsabweichungen immer größer, das Rauschen nimmt einen aggressiven Charakter an. Viel schwerer wiegt indes, dass jenseits der ISO 25.600 auch das Farbrauschen sprunghaft ansteigt. Man muss Nikon dabei jedoch zugutehalten, dass die D4 sehr zurückhaltend abgestimmt ist und in den Standardeinstellungen (in der die Labortests erfolgen) nur recht moderat entrauscht und nachschärft. Der Laborbefund deckt sich übrigens durchaus mit dem visuellen Eindruck der Aufnahmen: Bis ISO 12.800 lässt sich die D4 zwar nicht gerade für das Shooting eines Hochglanz-Magazintitels verwenden, aber sicher ohne Wenn und Aber für Pressefotos. Soll nicht das volle Auflösungspotenzial ausgeschöpft werden, liefert die Kamera auch noch bis ISO 51.200 brauchbare Ergebnisse.

Nikon D4 [Foto: MediaNord]Dass die D4 mit Empfindlichkeiten jenseits der ISO 12.800 nur noch eine eingeschränkte Bildqualität liefert, lässt sich an weiteren Messwerten festmachen: Die bis dahin gute Eingangsdynamik von rund zehn Blendenstufen nimmt jetzt deutlich ab und sinkt bei ISO 25.600 auf den kritischen Wert von ca. acht Lichtwertstufen. Ähnlich ist das Bild bei der Texturschärfe, jenseits der ISO 12.800 kommt es zu sichtbaren Detailverlusten. Professionell abgestimmt ist die Tonwertkurve der D4, auf Effekthascherei mit kräftigen Kontrasten verzichtet die Kamera zugunsten fein differenzierter Tiefen. Geradezu exzellent ist der Ausgabe-Tonwertumfang: Der wichtige Luminanzkanal differenziert bis ISO 400 nahezu das theoretisch möglich Maximum von acht Bit, erst bei ISO 25.600 werden nur noch 128 Tonwertstufen unterschieden. Kleine Schwächen zeigt die D4 dagegen bei der Farbtreue, Cyan- und Rottöne gibt sie etwas stark gesättigt wieder. Aufnahmen mit der D4 zeigen die typischen Nikon-Farben: Insgesamt ist die Farbwiedergabe ist recht neutral, vielleicht einen Hauch unterkühlt aber niemals knallig bunt – das bietet viel Potential für die nachträgliche Bearbeitung, auch der JPEG-Dateien. Noch mehr Nachbearbeitungspotenzial hält  naturgemäß das RAW-Format bereit, in welchem die D4 auf Wunsch ebenfalls aufzeichnet. Abgesehen von besonders schwierigen Lichtsituationen, etwa bei starken Kontrasten oder Mischlicht, lohnt sich die Aufnahme in RAW indes selten. Nikon hat die JPEG-Verarbeitung wirklich gut abgestimmt, so dass sich mit Photoshop CS6 und Camera Raw 7.1 Beta kaum bessere Ergebnisse bei der RAW-Entwicklung erzielen ließen, als die Kamera nicht schon mit ihren fertig gegarten JPEG-Dateien lieferte.

Nikon D4 [Foto: MediaNord]Während es an der Aufzeichnungsqualität der D4 kaum etwas zu kritisieren gibt, leistet sich das Standardzoom AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8G ED die eine oder andere Abbildungsschwäche. So können bei kurzen und mittleren Brennweiten ausgeprägte chromatische Aberrationen von fast drei Pixeln Umfang auftreten – im Mittel sind die CAs jedoch unauffällig. Ungewöhnlich hoch für ein Objektiv dieser Preisklasse ist die tonnenförmige Verzeichnung in Weitwinkelstellung. Auch könnte das Auflösungsvermögen des Standardzooms noch besser sein. Im Zentrum löst es lediglich durchschnittlich hoch auf, insbesondere im Weitwinkelbereich sinkt die Auflösung zu den Bildrändern hin deutlich. Ein ausgewogeneres Bild gibt AF-S Nikkor 70-200 mm 1:2,8G ED VR II ab. Zwar liegt das Auflösungsvermögen des Telezooms nur um 40 Linienpaaren pro Millimeter, es zeigt aber deutlich geringere Auflösungsverluste an den Bildrändern, hat keine Probleme mit CAs und verzeichnet nur bei Maximalbrennweite etwas stark kissenförmig.

Fazit Die unerschütterliche Gehäusequalität, der überragende Ausstattungsumfang, die reichhaltigen Anschluss- und Ausbaumöglichkeiten sowie der hohe Preis der Nikon D4 machen unmissverständlich klar: Diese Kamera ist für Fotoprofis gemacht, die täglich vor Ort ein zuverlässiges Arbeitsgerät benötigen. Im Vergleich zur Vorgängerin hat Nikon vor allem Live-View und Videofähigkeiten der D4 deutlich verbessert, die Auflösung des Vollformatsensors steigt nur moderat auf 16 Megapixel. Ihr schneller, zuverlässiger Autofokus sowie die sehr hohe Serienbildrate prädestinieren die D4 für alle Arten von Sport- und Actionfotos. Die Bildqualität der D4 ist unterm Strich ohne Fehl und Tadel, vor allem ihre High-ISO-Fähigkeiten begeistern und verleihen der Kamera sehr gute Available-Light-Eigenschaften. Erst Empfindlichkeitseinstellungen ab sehr hohen ISO 25.600 führen zu deutlich sichtbaren Einbußen bei Dynamik, Detailwiedergabe und Farbdifferenzierung. Handling und Ergonomie der D4 sind sehr gut, die Kamera liegt trotz ihres hohen Gewichts hervorragend in der Hand. Im Detail muss sich die Kamera jedoch den einen oder anderen Kritikpunkt gefallen lassen: Der sehr brauchbare Live-View wäre noch praktischer, ließe sich das Display wenigstens nach oben und unten klappen. Und von den High-ISO-Fähigkeiten der D4 könnte man noch stärker profitieren, wenn ein Hilfslicht dem Autofokus bei widrigen Lichtbedingungen unter die die Arme greifen würde. Größtes Manko in der Praxis ist allerdings, dass das Standardzoom AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8G ED nicht mit einem Bildstabilisator ausgestattet ist – so benötigt man mindestens um zwei Stufen höhere ISO-Einstellungen als bei einem stabilisierten Objektiv.

Kurzbewertung

  • Gutes Rauschverhalten
  • Äußerst robustes, ergonomisch geformtes Gehäuse mit integriertem Hochformatgriff
  • Sehr hohe Serienbildrate
  • Live-View mit akzeptabler AF-Geschwindigkeit
  • Professionelle Videofunktionen
  • Display weder klapp- noch schwenkbar
  • Standard-Zoom 2.8 24-70 nicht stabilisiert (macht Vorteil hoher Rauscharmut zum Teil zunichte)
  • Kein AF-Hilfslicht

Technische Daten

Modell Nikon D4
Sensor CMOS Kleinbild 36,0 x 24,0 mm (Cropfaktor 1,0)
16,6 Megapixel (physikalisch), 16,2 Megapixel (effektiv)
Auflösung (max.) 4.928 x 3.280 (3:2)
Video (max.) 1.920 x 1.080 30p
Objektivanschluss
Nikon F
Spiegelreflex-Sucher Prismensucher, 100 % Abdeckung, 18 mm Augenabstand, Dioptrienausgleich -3,0 - 1,0 dpt, wechselbare Mattscheibe
Monitor 3,2", 0,921 Mio. Bildpunkte
Belichtungsmessung Integral-, Spot- und Matrix-/Mehrfeld-Messung (1.000 Felder)
Belichtungsreihe automatisch, ohne interne HDR-Verarbeitung
Bildstabilisator nein
eingebauter Blitz nein
Blitzanschuh Nikon, Standard-Mittenkontakt
Konnektivität WLAN
AV-Anschlüsse AV-Ausgang: HDMI-Ausgang Micro (Typ D)
GPS extern
Serienbildfunktion max. 11,0 Bilder/s
kürzeste Verschlusszeit 1/8.000 s
Autofokus Phasenvergleich
Speicher
Speicherkartenfach 1: CF (Type I)
Speicherkartenfach 2: XQD
Empfindlichkeit automatisch ISO 100 bis 12.800, manuell ISO 100 bis 12.800
Abmessungen 160 x 157 x 91 mm (B x H x T)
Gewicht 1.340 g (betriebsbereit, ohne Objektiv)
Online-Datenblatt https://www.digitalkamera.de/T5O5W (mit Preisvergleich)
Kommentare

8 Kommentare aus dem alten Forum anzeigen

Digic V 2012-05-25

Die D4 ist für die Ewigkeit gebaut, und Klappdisplays sind zu sensibel für so eine Kamera. Deshalb wird auch kein Profimodell mit so einem Display ausgestattet sein. Wer ein Klappdisplay, zum Filmen will kann den HDMI Ausgang Nutzen. Im Grunde genommen ist die D4 eine perfekte und geniale Kamera, an der es von meiner Seite nichts auszusetzen gibt, bis auf den hohen Preis ;-)

odin 2012-05-25

Es gibt immer wieder Dinge, die mich "vom Hocker hauen"  :

>>> Wir hatten die Kamera mit dem Standardzoom AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8G ED sowie dem Telezoom AF-S Nikkor 70-200 mm 1:2,8G ED VR II im Testlabor.

Die Bildqualität einer D4  mit Gummilinsen ...  äääähh ...  Zoomobjektiven zu testen gehört dazu.  Crying

 

Manfred

Benjamin Kirchheim 2012-05-25

Objektive mit Standardzoom zu testen gehört bei uns zum Programm. Immerhin dürfen die Profikameras dafür die besseren Standardzooms nutzen. Dazu wählen wir möglichst ein zweites Objektiv aus, das wir noch nicht im Labor hatten und das interessant und möglichst auch typisch für die Kamera ist. Und das sollte doch auf ein 2,8/70-200 zutreffen, oder? Vielleicht bekommen wir ja zur D800E neben dem 24-70 noch eine schöne Tele-Festbrennweite.

Vamp898 2012-05-26

Ich finde ehrlich gesagt nicht das klapp displays zu sensibel sind.

Ich kenne selbst Bridge Kameras wo man das Display ausklappen kann und dann die Kamera an dem Display rumschleudern ohne das es bricht.

Deswegen wird auch Sony an seine Vollformat Kamera ein Klappdisplay einbauen.

Es gibt im Jahre 2012 bei der heutigen Technik nichts was gegen ein Klapp Display spricht, schon garnichtb bei 6000 €, bei dem Geld kann man das Klapp Display so designen das es ebenfalls eine Ewigkeit hält.

Ein nicht-klapp-display wird außerdem viel schneller schmutzig und ist immer der Gefahr ausgesetzt verkratzt zuw erden.

Ein Klapp Display kann man einfach einklappen.

Ich wiederhole nochmal, bei dem Stand der Technik gibt es nicht einen einzigen Grund gegen ein klapp Display, ausser natürlich im Marketing. Eine Kamera ist keine Profi Kamera wenn sie ein klapp Display hat, selbst wenn sie perfekt ist und 10´000 € kostet.

Vamp898 2012-05-26

Das ist auch der Grund warum wir heute noch CF Karten haben obwohl es normale SD Karten in einem anderen Gehäuse sind und keinen einzigen Vorteil gegenüber SD Karten haben (kosten aber mehr, sind ja Profi ;) )

Wer heute noch meint das die Hersteller wie Lexar tatsächlich sich 2x die Mühe machen die Technik einer 100mb/s Speicherkarte zu entwickeln lebt in der Vergangenheit. Das wird 1x entwickelt und in mehrere Gehäuse gepackt.

Und die CF sind dabei weder schneller, noch größer als die SD-Karten (das war früher vielleicht mal so)

Profis werden ausgenommen weil sie Gewohnheitstiere sind, daran sind sie selber schuld, sie wollen es ja selber. Was sie nicht gewohnt sind ist nicht "Profi"

Jakker 2013-02-17

Nun, mir sind seit 2001 schon mehrere SD-Karten krepiert aber noch nie eine CF-Karte! Es hat schon einen Grund weshalb Profikameras auf diese Karte setzen!!

Jan-Markus Rupprecht 2013-02-19

Kaputte CF-Karten kennen wir aber leider auch. Ich persönlich habe nicht den Eindruck, dass die Quote generell besser ist. Hinzu kommt bei CF die Anfälligkeit der Speicherkartenschächte gegen Fehlbedienung. Ich kenne mehr als einen Anwender, der seine Digitalkamera durch nicht ganz gerade Hineinstecken der CF-Karte in einen wirtschaftlichen Totalschaden umgewandelt haben. Sind erstmal ein oder zwei Pins der Steckkontakte umgebogen, dann muss der ganze Kartenslot ausgetauscht werden. Sicherlich treffen da dann oft "nicht optimale Konstruktion der Speicherkartenführung" und "ungeschickter Benutzer" sowie "rohe Gewalt" aufeinander. Aber im Prinzip reicht schon ein Sandkorn in der Hosentasche, der sich in einem der vielen Löchlein der Steckkontakte einer dort schnell mal zwischengelagerten CF-Karte "einnistet", und schon hat man beim nächsten Einstecken der Karte in den Slot einen verbogenen Pin in der Kamera. CF-Karten müssen also eigentlich ordentlicher und sauberer behandelt werden als SD-Karten.

Digic V 2013-02-19

CF Karten leiden konstruktionsbedingt seltener unter mechanischen Problemen, mir sind schon mehrere SD zu Bruch gegangen, CF jedoch noch keine.

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