Spiegelreflexkamera, Systemkamera
Testbericht: Nikon D4S
2014-04-14 Die Revolution bleibt aus, Nikon hat die D4S, das Flaggschiff für Action- und Reportagefotos, auf den ersten Blick nur moderat weiter entwickelt. Doch die Neuerungen haben es durchaus in sich: Den Autofokus hat Nikon nochmals beschleunigt, die ISO-Empfindlichkeit lässt sich auf aberwitzige ISO 409.600 hochschrauben, die verbesserte Bildverarbeitungs-Engine EXPEED 4 soll neue Maßstäbe in Sachen Bildqualität und Gesamtperformance setzen. Geblieben ist es beim schier unverwüstlichen Gehäuse und einem Vollformat-Sensor, der mit rund 16 Megapixeln nicht sonderlich hoch auflöst. Bestückt mit einem adäquaten Objektiv kostet die Nikon D4S schnell so viel wie ein Kleinwagen. Welchen Gegenwert ambitionierten Fotografen dafür erwarten dürfen, klärt unser ausführlicher Praxis- und Labortest. (Martin Vieten)
Ergonomie und Verarbeitung Die Nikon D4S ist nicht nur eine Kamera, sie ist ein Foto-Apparat! Das macht sie schon beim Auspacken klar, wenn man das Vollmetallgehäuse mit rund 1100 Gramm Leergewicht aus dem Karton befreit. Kommen dann noch der gigantische Akku EN-EL18a (CIPA-Reichweite: über 3.000 Aufnahmen), eine Speicherkarte sowie das Objektiv AF-S Nikkor 24–70 mm 1:2,8G ED hinzu, drückt die betriebsbereite D4S über 2,2 Kilogramm auf die Waage. Doch trotz dieser gehörigen Masse nimmt man die D4S überaus gerne in die Hand. Das Gehäuse aus einer Magnesium-Aluminium-Legierung wirkt derart robust und solide, als ob man damit notfalls auch einen Nagel in die Wand hämmern könnte. Selbstredend, dass bei dieser Kamera für den harten Außeneinsatz alle Klappen, Schalter und Knöpfe sorgfältig gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet sind. Dass die D4S trotz ihrer hohen Gewichts alle andere als „untragbar“ ist, liegt sicherlich auch an ihrem perfekt ausbalancierten Gehäuse. Wenn das Standardzoom aus unserem Test angesetzt ist, kann man sie problemlos mit nur zwei Fingern am Handgriff hochheben. Zugute kommt dem Handling auch, dass Nikon wie schon bei den Vorgängermodellen den Hochformatgriff fest ins Gehäuse integriert. Er fällt allerdings deutlich schmaler und weniger tief aus als der Griff auf der Frontseite.
Wie bei den Profi-Modellen von Nikon seit je her üblich, setzt auch die D4S konsequent auf zweihändige Bedienung. Viele Regler sind mit einer Sperre gesichert, Knöpfe müssen gedrückt gehalten werden, um die entsprechenden Parameter mit den stramm laufenden Rädern zu ändern. Da kann sich nichts von selbst verstellen! Nur die Vierwegewippe fällt etwas aus dem Rahmen, sie reagiert deutlich schwammiger und dürfte gerne noch klarer definierte Druckpunkte aufweisen. Wenngleich die D4S mit einer schon fast überbordenden Anzahl an Bedienelementen versehen ist, geht es auf dem voluminösen Gehäuse keineswegs eng zu. Die Knöpfe und Räder sind logisch angeordnet und auch im hektischen Alltag eines Fotoreporters schnell und sicher zu erreichen.
Keine Blöße gibt sich die D4S bei der Information über den aktuellen Betriebszustand sowie der gewählten Aufnahmeparameter. Dazu gibt es ein wirklich üppiges Statusdisplay auf der Oberseite, ein zweites, kleineres fand noch auf der Rückseite unter dem Hauptdisplay Platz. Das Display ist mit einer Diagonalen von 3,2 Zoll wirklich groß, die Auflösung von rund 921.000 Punkten geht in Ordnung. Ausreichend hell ist das Display auch, es dürfte aber gerne noch besser entspiegelt sein.
Die D4S beherrscht zwar Live-View, doch in der Regel wird man bei dieser Kamera durch den Sucher blicken. Er deckt 100 Prozent des Bildfelds ab, bei 0,7-facher Vergrößerung. Besonders eindrucksvoll ist, wie hell das Sucherbild der D4S ist. Auch das trägt mit dazu bei, dass die D4S die Nachteule unter den DSLRs ist. Und natürlich, dass sich mit einem kleinen Dreh am Hauptschalter ein Hintergrundlicht für Display und Tastenbeschriftung einschalten lässt. Verbessert hat Nikon bei der D4S den Spiegelantrieb, sodass jetzt eine noch höhere Serienbildrate als bei der Vorgängerin mit Autofokus möglich ist (dazu gleich noch mehr). Der Spiegelschlag ist zwar deutlich vernehmbar, überträgt aber praktisch keine Erschütterungen aufs Gehäuse. Wenn ein besonders leises Auslösegeräusch gefordert ist, hilft ein spezieller „Quiet“-Modus weiter, der seinem Namen alle Ehre macht.
Etwas kompliziert wird’s, wenn man in die Tiefen des Hauptmenüs abtaucht. Hier folgt Nikon einer ganz eigenen Logik, die zwar in sich schlüssig ist, aber Umsteiger von so manch anderem Kamera-System bisweilen etwas orientierungslos macht. Dazu gehört etwa, dass sich die vielen Befehle und Optionen auf nur sechs Register verteilen, die dann manchmal sehr lange Listen enthalten. Immerhin blendet die D4S zu vielen Menüposten auf Tastendruck ausführliche Erläuterungen zu vielen Befehlen ein. Und natürlich bietet auch die D4S die Möglichkeit, dass der Fotograf seine ganz individuelle Kamerakonfiguration auf einer Speicherkarte ablegt und diese dann auf eine andere Kamera überträgt. Zur hervorragenden Ergonomie der Kamera trägt zudem bei, dass der Zugang zum Speicherkarten- sowie zum Akkufach bei einer angesetzten Stativplatte nicht behindert wird – Speicherkarten und Akku werden jeweils seitlich eingeschoben.
Ausstattung Es ist wohl kein Wunder: Bei der Nikon D4S ist die Ausstattungsliste um ein Vielfaches länger als die Liste dessen, was fehlt. Mit dem festen Blick auf den Profi-Fotografen verzichtet die D4S zum Beispiel auf eine Vollautomatik oder Motivprogramme. Das geht hier völlig in Ordnung, denn diese Kamera wird wohl kaum ein unbedarfter Knipser in die Hand bekommen. So darf man der D4S auch nicht ankreiden, dass sie sich Effektprogramme ebenfalls verkneift. Auch auf einen internen Blitz verzichtet die D4S und damit auch auf einen Klappmechanismus, der im harten Einsatz allzu leicht Schaden nehmen könnte. So es aber Automatiken gibt, die auch für einen Fotoreporter nützlich sein können, hat sie die D4S an Bord. Etwa eine HDR-Automatik, die zwei unterschiedlich belichtete Aufnahmen zu einem Bild mit perfekt durchgezeichneten Tiefen und Lichtern vereint. Dank der rasanten Serienbildgeschwindigkeit geht das derart flott, dass man kaum merkt, wie die D4S zweimal auslöst.
Spätestens sobald man sich die zahlreichen Schnittstellen ansieht, dürfte wohl jeder Zweifel schwinden, für wen die D4S gedacht ist. So gibt es eine zehnpolige Peripheriebuchse, die zum Beispiel Kontakt zum GPS-Empfänger GP-1 oder dem Wireless-LAN-Adapter WT-5 aufnimmt. Aber auch eine Ethernet-Schnittstelle hält die D4S bereit. Über beide kann die Kamera Aufnahmen etwa direkt auf einen FTP-Server hochladen – da wählt der Bildredakteur bereits erste Fotos aus, während der Fotoreporter noch weitere Aufnahmen schießt. Für eine besonders fixe Datenübertragung offeriert die Nikon D4S mit der Vorgabe „RAW S“ ein Raw-Format mit auf maximal 2.664 x 1.640 Pixel reduzierter Auflösung. Bei Bedarf lässt sich die D4S über die Ethernet-Schnittstelle mithilfe der optionalen Software „Nikon Control“ komplett fernsteuern. Eine HDMI-Schnittstelle fehlt ebenfalls nicht, sie reicht auf Wunsch im Live-View-Betrieb das Sucherbild an ein externes Anzeige- oder Aufzeichnungsgerät weiter. Ferner lässt sich ein externes Mikrofon anschließen, ebenso ein Kopfhörer zur Tonkontrolle und sogar auf eine PC-Buchse zum Anschluss einer Studioblitzanlage muss man nicht verzichten. Einzigartig auch: Die Nikon D4S ist mit zwei Speicherkartenschächten ausgestattet, einer davon nimmt die ultra-schnellen aber auch sehr kostspieligen XQD-Karten auf. XQD-Karten erreichen eine etwa doppelt so hohe Schreibgeschwindigkeit wie die derzeit schnellsten CF-Karten, für die der zweite Kartenschacht der D4S vorgesehen ist.
Einen integrierten Blitz hat Nikon wie schon bei der Vorgängerin an der D4S eingespart. Wer trotz deren eindrucksvollen High-ISO-Fähigkeiten nicht auf einen Lichtspender verzichten kann oder will, muss also zu einem optionalen Blitzgerät greifen. Das ist etwas schade, denn auch ein leistungsschwacher Bordblitz leistet als Aufheller unter schwierigen Lichtbedingungen durchaus gute Dienste. Ein Systemblitz wird zudem nötig, wenn unter widrigen Lichtbedingungen der Autofokus versagt. Die D4S verfügt nämlich nicht über ein AF-Hilfslicht, der Autofokus ist also im Fall der Fälle auf die Assistenz durch einen Systemblitz angewiesen. Von diesen kleinen Mankos einmal abgesehen, erfüllt das Blitzsystem von Nikon an der D4S so ziemlich jeden Wunsch, den ein Fotograf nur hegen kann.
Mag Nikon bei der Ausstattungsliste der D4S hier und da etwas knauserig sein, an Elektronik unter Haube war dem Hersteller offenbar nur das Beste gut genug. Und so ist die Kamera vor allem eines: schnell. Es vergeht nur rund eine viertel Sekunde, bis die D4S nach dem Einschalten aufnahmebereit ist. Und wenn es um Aufnahmeserien geht, macht ihr kaum eine andere Kamera etwas vor. Im Test galoppierte die Kamera mit einer schier unglaublichen Bildrate von 11 Fotos pro Sekunde (fps) los, egal ob in Raw oder JPEG aufgezeichnet wird.
Doch damit nicht genug: Die D4S zeigt im Galopp ein beachtliches Durchhaltevermögen. Wird sie mit einer XQD-Karte bestückt, zieht sie die maximale Anzahl von 200 Aufnahmen pro Serie ohne Unterbrechung durch – allerdings nur bei JPEG-Dateien. Bei unkomprimierten Raw-Dateien ist nach rund fünf Sekunden (oder 57 Aufnahmen) Schluss mit dem irrwitzigen Tempo, die D4S trabt dann mit immer noch recht munteren 2,4 fps weiter. Hier profitiert die Kamera besonders von einer schnellen XQD-Karte, mit einer lahmen CF-Karte bricht sie im Raw-Dauerlauf auf rund 1 fps ein.
Die D4S kann auch bei Serienbildern mit Höchsttempo den Autofokus nachführen, ein neu konstruierter Spiegelantrieb macht's möglich. Die durch den Schwingspiegel hervorgerufenen Dunkelphasen sind derart kurz, dass man sie kaum wahrnimmt. Das Sucherbild wirkt eher wie von einer dunklen Stroboskopscheibe abgedunkelt, als sichtbar unterbrochen. So hält man auch bei Mitziehern sein Motiv sicher im Sucher. Eindrucksvoll ist zudem, wie lässig die D4S mit der immensen Datenflut umgeht, die bei langen und schnellen Bildserien entsteht. Ganz gleich, wie lange die Kamera noch mit dem Wegschreiben der Daten benötigt – sie bleibt stets aufnahmebereit und blockiert nicht.
Schon die D4 glänzte mit professionellen Ausstattungsmerkmalen für Video-Aufnahmen, bei der D4S hat Nikon diese nochmals verbessert: Sie filmt jetzt mit einer maximalen Framerate von 60p, natürlich in Full-HD-Auflösung (1.980 x 1.080 Pixel). Leider zeichnet das interne Mikrofon weiterhin nur in Mono auf, aber es lässt sich ja ein hochwertiges Stereomikrofon anschließen. Die ISO-Empfindlichkeit kann während der Aufnahme geändert werden, auf Wunsch übernimmt das auch die ISO-Automatik. Professionelle Videofilmer werden es zudem begrüßen, dass die D4S den Videostream unkomprimiert via HDMI ausgeben kann, etwa um ihn auf einem externen Aufzeichnungsgerät zu speichern.
Obwohl die Nikon D4S darauf ausgelegt ist, Aufnahmen direkt in die Redaktion zu streamen, bietet sie auch eine Vielzahl an Bildbearbeitungsmöglichkeiten. Raw-Dateien lassen sich direkt in der Kamera zu JPEG-Bildern entwickeln, die Aufnahmen können zugeschnitten werden, die D4S korrigiert auf Wunsch vom Objektiv hervorgerufene Abbildungsfehler und vieles mehr.
Objektiv Mit einem Objektiv wird die Profi-Kamera D4S gar nicht erst angeboten. Wir hatten sie im Test mit dem Standardzoom AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8G ED, im Praxiseinsatz gesellten sich noch ein AF-S Nikkor 70-200 mm 1:2,8G ED VR sowie ein Sigma 120-300 mm F2,8 DG OS HSM hinzu. Während die beiden Telezooms mit einem optischen Bildstabilisator ausgestattet sind, fehlt dieser dem Standardzoom. Dadurch werden mit dem AF-S Nikkor 24-70 kürzere Belichtungszeiten und daraus resultierend unter Umständen höhere ISO-Werte nötig als mit einem stabilisiertem Objektiv – einen Stabilisator per Sensorshift gibt es bei Nikon nicht. Ansonsten gibt es an dem Standardzoom nichts auszusetzen. Es ist solide gebaut und wird so zu einem idealen Partner der D4S.
Gegenüber der Vorgängerin hat Nikon den Autofokus der D4S nochmals verbessert. Das spiegelt sich zwar nicht unbedingt bei den Messwerten wieder, macht sich aber in der Praxis durchaus bemerkbar. Die Kamera benötigte im Labor bei allen Brennweiten niemals länger als 0,25 Sekunden, um scharf zu stellen und auszulösen – hervorragend! Relativ zügig arbeitet auch der Kontrast-AF der D4S im Live-View-Modus, er genehmigt sich weniger als eine Sekunde, um aufs Motiv zu fokussieren. Die D4S verzichtet zwar auf ein AF-Hilfslicht, ein spürbarer Nachteil ist dies allerdings nicht. Selbst in fast stockdunkler Umgebung stellt sie noch sicher scharf – zwar deutlich langsamer als unter günstigen Bedingungen, aber eben zuverlässig.
Im Action-Einsatz kommt der D4S zugute, dass sich nun bis zu fünf AF-Messfelder zu einer rautenförmige Gruppe zusammenfassen lassen. Vorteil dieser Neuerungen: Das bewährte Autofokus-Modul Multi-CAM 3500FX spart Rechenzeit bei der Bildanalyse und stellt einfach auf die Motivpartie scharf, die sich zu Beginn der Messung unter der Messfeldgruppe befand. Und so enttäuscht der Autofokus selbst hohe Erwartungen nicht. Rast etwa ein Hund auf die Kamera zu, packt der AF ihn bei höchster Serienbildrate von 11 fps mit stoischer Selbstverständlichkeit. Erst wenn die Fokusentfernung unter etwa fünf Meter sinkt und die Verstellwege entsprechend länger werden, sitzt der Fokus nicht mehr ganz exakt auf den Augen, sondern wandert nach hinten aus.
Bildqualität Obwohl der Kleinbildsensor der D4S (nach Nikon-eigener Bezeichnung „FX-Format“) auf dem Papier identisch mit dem der Vorgängerin zu sein scheint, hat Nikon den Bildwandler nach eigenen Angaben komplett runderneuert. Geblieben ist es bei einer sehr moderaten Auflösung von 16 Megapixeln, doch Nikon traut dem Sensor jetzt eine maximale Empfindlichkeit von immensen ISO 409.600 zu. Wobei die D4S Werte jenseits der ISO 25.600 als „erweiterten ISO-Bereich“ bezeichnet und damit klar macht: Die vier höchsten Stufen taugen nur bei reduzierten Ansprüchen an die Bildqualität.
Der Hersteller verspricht ferner, dass die Eingangsdynamik bei der D4S sichtbar verbessert wurde. Kann die D4S diese Versprechen einlösen? Und sind Aufnahmen mit extrem hohen ISO-Werten in der Praxis überhaupt zu gebrauchen? Diesen und weiteren Fragen ist digitalkamera.de im hauseigenen Testlabor nachgegangen. Wie immer gibt es das detaillierte und ausführlich kommentierte Laborprotokoll gegen ein kleines Entgelt zur Einsicht und zum Download (siehe weiterführende Links am Endes dieses Testberichts).
Bereits ein erster Blick in die Labordaten zeigt: Dass Nikon Empfindlichkeitseinstellungen über ISO 25.600 nur für den Notfall empfiehlt, ist berechtigt. Bis zu dieser ISO-Stufe hat die Rauschunterdrückung Störsignale halbwegs im Griff und liefert Aufnahmen mit einer gerade noch guten Texturschärfe. Der Signal-Rauschabstand ist indes nur bis ISO 3.200 akzeptabel, dann unterschreitet er die kritische Grenze von 35 dB. Und so ist das Luminanzrauschen bei ISO 25.600 messtechnisch bereits deutlich ausgeprägt, fällt aber visuell noch nicht auf. Was dagegen auffällt: Die Rauschunterdrückung der D4S geht recht forsch zu Werke, JPEG-Fotos wirken bei ISO 25.600 detailärmer als man es vielleicht bei einer Kamera mit dem Anspruch der D4S erwarten würde. Auf jeden Fall ließen sich parallel aufgezeichnete Raw-Dateien in Adobe Camera RAW 8.4 RC ausgewogener entwickeln: Lässt man etwas mehr des angenehm feinkörnigen Rauschens zu, wirken High-ISO-Aufnahmen insgesamt nuancierter und natürlicher. Aufnahmen mit Werten aus dem erweiterten ISO-Bereich lassen sich nur noch verwenden, wenn es nicht auf die vollen 16 Megapixel Auflösung ankommt. Das gilt indes nicht mehr für ISO 409.600 – sie zeigen massive Farbstörungen sowie einen extrem eingeschränkten Dynamikumfang (4,4 EV) und wirken damit fast wie von einem schlecht gewarteten Tintenstrahldrucker auf ungeeignetem Papier ausgegeben.
Schraubt man die ISO-Empfindlichkeit nur in moderate Höhen, glänzt die D4S mit einer hervorragenden Eingangsdynamik. Sie beträgt bis ISO 6.400 über 10 Lichtwertstufen (EV) und bleibt bis ISO 25.600 bei gerade noch guten 9 EV. Bei der Ausgangsdynamik macht die Nikon D4S dagegen keine ganz so gute Figur. Zwar differenziert sie bis ISO 800 Helligkeitswerte exzellent, schwächelt aber stark mit der Farbauflösung im Rot- und Blau-Kanal. So stark, dass dies das Messsystem im Labor von digitalkamera.de an seine Grenzen trieb. Bei der Masse der Aufnahmen wird dies indes keine Rolle spielen und in den Bildern unauffällig bleiben.
Ungewöhnlich steil fällt bei der D4S die Tonwertkurve ab. Die JPEG-Aufnahmen wirken somit knackig und kontrastreich verlieren aber im Vergleich zu Raw-Fotos sichtbar an Tiefenzeichnung. Eine derartige Abstimmung der Tonwertkurve ist eher typisch für Einsteiger-Kameras, deren Bildbearbeitungs-Engine für den Druck optimierte Ergebnisse liefert und sich weniger an Fotografen mit Bildbearbeitungskenntnissen wendet. Wie es scheint, hat Nikon die Bildaufbereitung bei der D4S standardmäßig für die Druckausgabe optimiert. Denn die Texturschärfe ist bis ISO 3.200 sehr hoch, die JPEGs zeigen ausgeprägte Schärfeartefakte – nicht nur messtechnisch sondern auch sichtbar. Bei der Farbwiedergabe zeigt sich die D4S ebenfalls eher von der groben Seite und legt mehr Wert auf eine kräftige Sättigung als auf eine nuancierte Farbwiedergabe.
Um es noch einmal zu betonen: Diese Abstimmung darf man der D4S nicht anlasten, zumal sich die Bildaufbereitung sehr weitgehend an die eigenen Vorstellungen anpassen lässt. Sie ist nur etwas ungewöhnlich und zielt klar darauf ab, auf Knopfdruck für den Druck aufbereitete Ergebnisse zu liefern – und nicht für den Studiofotografen, der stundenlang an seinen Bildern herumtüfteln möchte. Diese Möglichkeit bietet die D4S natürlich auch, falls man im Raw-Format aufzeichnet.
Wie sieht es aus, wenn ein Objektiv mit ins Spiel kommt? Getestet haben wir die Nikon D4S gepaart mit dem AF-S 24-70 mm 2.8 G IF ED, das ein ordentliches Bild abgibt. Sehr schön ist vor allem, dass das Zoomobjektiv abgeblendet auf F11 über den gesamten Brennweitenbereich keinen nennenswerten Randabfall der Auflösung zeigt. Und mit einer maximalen Auflösung von gut 45 Linienpaaren pro Millimeter bildet das Standard-Zoom recht detailliert ab. Allerdings neigt es aufgeblendet zu deutlichen Farbsäumen in den Randbereichen und verzeichnet in Weiwinkelstellung deutlich tonnenförmig. In der Praxis ist das kein Problem, zumal die D4S derartige Abbildungsfehler korrigieren kann.
Fazit Die Nikon D4S ist eine faszinierende aber auch eine ungewöhnliche Profi-DSLR. Faszinierend ist die Fertigungs- und die Anfassqualität des Gehäuses, das zudem dank integriertem Hochformatgriff eine gute Ergonomie aufweist. Geradewegs begeistern können die Serienbildrate von über 11 fps sowie der verbesserte Autofokus, der auch bei rasanten Bildserien mühelos mithält. Ungewöhnlich ist dagegen die Abstimmung der Bildaufbereitung, die man so von einer einfachen Kompaktkamera erwarten würde, jedoch nicht unbedingt von einem 6.000-Euro-Boliden. Doch Nikon ist hier einfach nur konsequent: Die D4S richtet sich klar an Berufsfotografen, die Events oder Sportveranstaltungen begleiten oder eine hochwertige Reportagekamera benötigen. Sie profitieren nicht nur von den „druckreifen“ Bildergebnissen, sondern auch von den immensen Anschlussmöglichkeiten, die die D4S bietet. Kritik muss sich die D4S allenfalls im Detail gefallen lassen: So mutet ihr Nikon mit ISO 409.600 eine Höchstempfindlichkeit zu, die einfach zu viel des Guten ist. Auch dürfte das starr verbaute Display gerne noch besser entspiegelt sein. Naturgemäß kann der 16-Megapixel-Sensor der D4S nicht mit höchsten Auflösungswerten glänzen, doch mit rund 45 lp/mm bei allen Brennweiten zeigte sich das Standardzoom Nikkor AF-S 24-70 mm 2.8 G IF ED keineswegs auflösungsschwach. Obwohl die D4S angesichts des Gebotenen sicherlich keinen Cent zu viel kostet, gibt es für den Allround-Einsatz bessere und vor allem preiswertere Kameras. Ein faszinierendes Stück Technik bleibt die Nikon D4S davon abgesehen allemal.
Kurzbewertung
- Gutes Rauschverhalten und hoher Dynamikumfang (bis ISO 25.600)
- Üppige Ausstattung mit Schnittstellen
- Schneller Schwingspiegel mit äußerst kurzer Dunkelphase
- Extrem hohe Serienbildraten mit Nachführ-Autofokus
- Sehr solides, ergonomisches Gehäuse inklusive Hochformatgriff
- Kein integriertes Blitzgerät
- Höchste ISO-Stufen nicht sinnvoll nutzbar
- Standardmäßig etwas forsche Bildaufbereitung
Technische Daten
Modell |
Nikon D4S |
Sensor |
CMOS Kleinbild 36,0 x 24,0 mm (Cropfaktor 1,0) 16,6 Megapixel (physikalisch), 16,2 Megapixel (effektiv) |
Auflösung (max.) |
4.928 x 3.280 (3:2) |
Video (max.) |
1.920 x 1.080 60p |
Objektivanschluss |
|
Spiegelreflex-Sucher |
Prismensucher, 100 % Abdeckung, 18 mm Augenabstand, Dioptrienausgleich -3,0 - 1,0 dpt, wechselbare Mattscheibe |
Monitor |
3,2", 0,921 Mio. Bildpunkte, nicht beweglich, kein Touchscreen |
Belichtungsmessung |
Integral-, Spot- und Matrix-/Mehrfeld-Messung (1.000 Felder) |
Belichtungsreihe |
automatisch, ohne interne HDR-Verarbeitung |
Bildstabilisator |
nein |
eingebauter Blitz |
nein |
Blitzanschuh |
Nikon, Standard-Mittenkontakt |
AV-Anschlüsse |
AV-Ausgang: HDMI-Ausgang Mini (Typ C) Mikrofoneingang, Audioausgang |
GPS |
extern |
Serienbildfunktion |
max. 11,0 Bilder/s |
kürzeste Verschlusszeit |
1/8.000 s |
Autofokus |
Phasenvergleich (15 Kreuzsensor(en), 36 Liniensensor(en)), Kontrast |
Speicher |
Speicherkartenfach 1: XQD Speicherkartenfach 2: CF (Type II) |
Empfindlichkeit |
automatisch ISO 100 bis 25.600, manuell ISO 50 bis 409.600 |
Gehäuse |
Spritzwasserschutz |
Abmessungen |
160 x 157 x 91 mm (B x H x T) |
Gewicht |
1.350 g (betriebsbereit, ohne Objektiv) |
Online-Datenblatt |
https://www.digitalkamera.de/OPUC1 (mit Preisvergleich) |