Spiegelreflexkamera, Systemkamera

Testbericht: Nikon D70

2004-06-22 Digitale Spiegelreflexkameras lösen bei vielen Enthusiasten einen regelrechten (Kauf-)Rausch aus. Spätestens seitdem Nikon seinem Erzrivalen Canon den Kampf angesagt hat und mit der D70 seine Version einer Einsteigerkamera mit Spiegelreflexsucher und Wechselobjektiv-Kompatibilität angekündigt hat, müssen auch Leute, die Affinitäten zur Marke Nikon besitzen bzw. schon mit Nikon-Produkten aus dem SLR-Bereich eingedeckt sind, nicht mehr neidisch auf EOS 300D-Besitzer schielen oder gar einen Systemwechsel in Betracht ziehen. Und da die Entscheidung für das eine oder andere System oft zum Glaubenskrieg ausartet, wollen wir an dieser Stelle einmal päpstlicher als der Papst sein und sehen, ob wir der D70 unseren Segen geben können.  (Yvan Boeres)

   Nikon D70 [Foto: MediaNord]
 

Mit der Nikon D70 ist in mehr als einer Hinsicht eine ganze Philosophie verbunden und wie bei vielen philosophischen Fragen kann man stundenlang debattieren, ob die D70 nun "die Richtige" für jemanden ist oder nicht. Wir haben versucht, die Kamera von einem möglichst objektiven Standpunkt aus zu betrachten und haben unsere Eindrücke und Beobachtungen zur "Volks-DSLR" von Nikon sowohl im nachfolgenden Text als auch im nebenstehenden Steckbrief, in der Tabelle "Messwerte" am Ende des Tests und in einer aktualisierten Version unseres digitalkamera.de-Datenblattes zu dieser Kamera festgehalten. Ergänzend dazu bieten wir das DCTau-Testprotokoll, das diesem Test bei der Beurteilung der Bildqualität zugrunde lag, zum kostenpflichtigen Abruf (bzw. im Abo) an.

Ergonomie/Verarbeitung  680 Gramm (ohne Objektiv) bringt die D70 bei Außenmaßen von 140 x 111 x 78 mm auf die Waage und ist somit weder die leichteste noch die zierlichste Einsteiger-DSLR auf dem Markt. Dafür macht sie trotz Kunststoff-Kleid einen sehr robusten und hochwertigen Eindruck; an den wichtigen Stellen (Bajonett, Blitzschuh, Stativgewinde) findet man statt Polykarbonat echtes Metall. Allgemein ist das verwendete Gehäusematerial um Klassen edler als bei der direkten Rivalin Canon EOS 300D; an das "Look & Feel" der D100 kommt die D70 aber nicht ganz heran. Obwohl es (leider) keinen optionalen Batterie- bzw. Hochformatgriff für die D70 gibt, liegt die Kamera gut und fest in der Hand – zumindest solange man beim Querformat bleibt. Für eine Nikon-Kamera gibt sich die D70 in Sachen Bedienung angenehm zurückhaltend und einsteigerfreundlich: Die sonst bei Nikon typische Manie, nahezu jedes Bedienelement (Schalter, Kränze, Knöpfe) durch eine Entriegelungstaste vor versehentlichem Verstellen zu bewahren und gefährliche Funktionen (Belichtungskorrektur, Formatierungsbefehl, Löschen o. ä.) nur per Tastenkombination zugänglich zu machen, hält sich bei der D70 in Grenzen. Lediglich die Rückstellung auf die Werkseinstellungen (Reset), die Formatierungsfunktion und die manuelle Wahl des AF-Feldes über das Navigations-Feld sind mit solchen Sicherheitsmechanismen versehen; für alles andere gibt es entweder freien Zugang über die entsprechenden Tasten oder muss man einen Ausflug ins Menüsystem der Kamera machen. Nikon D70 - Rückseite [Foto: MediaNord]Nikon hat es jedenfalls geschafft, bei der D70 ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Bedienelementen und Menüsteuerung zu schaffen und so die Steuerung der Kamera so intuitiv wie möglich zu gestalten.

Die Belichtungswerte werden bei der D70 DSLR-typisch über zwei Einstellräder (eins vorne am Handgriff und eins in Daumenreichweite an der Kamerarückwand) eingegeben und sowohl im Sucher als auch auf der monochromen Flüssigkristallanzeige (die per Tastendruck auch z. B. bei Nachtaufnahmen beleuchtbar ist) an der Kameraoberseite angezeigt. Systembedingt ist – wie allen DSLRs mit Schwingspiegel – keine visuelle Kontrolle der Belichtung im Sucher oder auf dem LC-Farbbildschirm möglich; letzterer ist allgemein im Aufnahmemodus nicht im Betrieb und dient ausschließlich der Bildwiedergabe und der Funktionseinstellung über vier Menüebenen (mit Erinnerung des zuletzt angewählten Eintrags. Die Bildschirmgröße (1,8") und -auflösung (130.000 Bildpunkte) ist zwar mehr als genug für die Anzeige der Menüs, aber um im Wiedergabemodus per Lupenfunktion die Schärfe der aufgenommenen Bilder zu prüfen, ist der Bildschirm etwas klein und die Auflösung etwas zu knapp geraten. Etwas gespart hat Nikon auch am optischen Sucher. Der bietet zwar den gewohnten Komfort eines SLR-Suchers bei der Schärfekontrolle, aber auch unter SLR-Suchern gibt es Qualitätsunterschiede. Der Sucher der D70 ist nicht nur enger und dunkler als der "Guckkasten" der D100, sondern ist auch bei den Dioptrieneinstellungen (nur noch -1,6 bis +0,5 dpt.) und beim Augenabstand (18 mm) nicht so komfortabel wie der Sucher der großen Schwester.

Objektiv  Die D70 kann auf einen riesigen Park von Hunderten von Objektiven zurückgreifen. Dazu gehören auch Fremdfabrikate (z. B. von Sigma, Tamron oder Tokina) und selbst ältere Nikkors. Gröberen Inkompatibilitäten wie z. B. beim Betrieb mancher Fremdobjektive an (D)SLR-Kameras von Canon gibt es bei Nikon zumindest bei Objektiven neuerer Bauart nicht bzw. weniger. Ältere Objektive wie die Ai- und Ai-S-Linsen sowie die AF-Objektive erster Generation von Nikon sind zwar mechanisch kompatibel, führen aber mangels Distanz-Chip (mehr dazu im Abschnitt "Bildqualität") und/oder elektronischer Blendenübertragung zu mehr oder weniger starken Funktionsverlusten (3D-Messung, Matrixmessung, Programmautomatik, Zeitenautomatik). Auch ist die Bildqualität bei der D70 – wie bei den meisten DSLRs – stärker an das Objektiv gebunden als bei Kleinbild-Spiegelreflexkameras, so dass man ohnehin nicht jedes Objektiv, das man eventuell Zuhause liegen hat, uneingeschränkt weiterverwenden kann. Die optimale Objektiv/Kamera-Kombination will schon richtig gewählt sein, wenn man das volle Leistungspotential der D70 ausschöpfen will und da kommt man unter Umständen doch nicht um einen Neukauf herum. Dabei ist es natürlich schwer, den Überblick über den ganzen Bezeichnungswirrwarr bei den Nikon-Objektiven zu behalten. So kennzeichnet zum Beispiel das Kürzel AF-S Objektive mit so genannter "Silent Wave"-Technik (das Nikon-Pendant zu den USM-Objektiven von Canon); VR steht für "Vibration Reduction" und verrät, das ein optischer Bildstabilisator im Objektiv eingebaut ist. Nikon D70 - linke Kameraseite [Foto: MediaNord]Weiterhin sollte man sich noch die Begriffe DX (DSLR-"optimierte" Objektivserie von Nikon), ED (Objektive mit besonders niedrigem Brechungsindex) und G (Objektive ohne Blendenring, die nicht mit mechanischen Nikon-Kameras zusammen funktionieren) merken; die Lektüre unserer DCTau-Testprotokolle hilft auch, das passende Objektiv zur D70 zu finden. Alles, was man dann noch berücksichtigen muss, ist der Brennweitenverlängerungsfaktor bzw. die Bildwinkelverkürzung; dank der einheitlichen Sensorgröße bei den Kameras der D-Serie von Nikon braucht man die Brennweitenangabe am Objektiv nur mit 1,5 zu multiplizieren, um das Kleinbild-Äquivalent zu errechnen.

Das AF-Modul Multi-CAM 900, das in der D70 ihren Dienst versieht, kennen DSLR-Jünger bereits von der D100 und F80. So wundert es auch nicht, dass der Autofokus der D70 die gleichen Leistungsmerkmale besitzt. Der Empfindlichkeitsbereich des Autofokus-Systems reicht von IL -1 bis IL 19 bei ISO 100, was bedeutet, dass der AF selbst bei hellerem Kerzenlicht noch anspricht. Reichen das Licht bzw. die Motivkontraste doch einmal nicht aus, kann der Autofokus auf das eingebaute grell-weiße Hilfslicht der Kamera oder eines aufgesteckten Blitzgerätes zurückgreifen; eine einwandfreie Funktion des Autofokus ist erst ab einer Objektivlichtstärke von F5,6 gewährleistet. Wo die Kamera scharf gestellt hat, lässt sich anhand der entsprechenden Markierungen im Sucher feststellen. Fünf kreuzförmig angelegte AF-Felder stehen zur Verfügung; ausgewählt werden sie entweder manuell über das Steuerfeld oder automatisch. Dabei lässt sich einstellen, ob die Kamera die Position des Hauptmotivs selbstständig herausfinden soll oder ob das Messfeld ausgewählt werden soll, das sich mit dem nächstgelegenen Bildteil deckt. Ebenfalls im Einstellungsmenü verborgen ist die Aktivierung der Schärfenachführung. Bequemer und schneller wäre eine Umstellung per Schalter gewesen (wie z. B. bei der D100); hier hat Nikon am falschen Ende gespart. Bei der D70 hat man es übrigens mit einer prädikativen Schärfenachführung zu tun; es wird also nicht nur die Schärfe ständig nachgestellt, sondern es wird auch die Richtung und Geschwindigkeit bewegter Motive berücksichtigt, um die Fokussierung aufgrund der vorausberechneten Bewegung zu korrigieren. Unterm Strich ist der Autofokus der D70 DSLR-typisch "sauschnell" (siehe Messwert-Tabelle). Wer trotzdem lieber selbst Hand anlegt, Nikon D70 - rechte Kameraseite [Foto: MediaNord]braucht bei AF-S-Objektiven nicht mal den AF-Schalter von AF auf M umzulegen und kann direkt am Fokussierring drehen – und das sowohl im Einzelbild-Modus als auch bei eingeschalteter Schärfenachführung.

Blitz  Wie es sich für eine Einsteigerkamera (was die D70 in ihrer Klasse ist) gehört, verfügt die D70 über einen eingebauten Miniaturblitz. Der im Sucherkasten verborgene "Lichtspender" springt entweder automatisch oder per Knopfdruck aus der Ruhestellung heraus und nimmt genügend Abstand von der optischen Achse, um auch ohne das Zutun des nicht gerade diskreten "Scheinwerfers" (Lampe zwischen Objektiv und Handgriff), der als Rote-Augen-Verminderungsvorrichtung dient, rote "Kaninchenaugen" ziemlich effektiv zu vermeiden. Durch die verhältnismäßig hohe Anfangsempfindlichkeit der Kamera von ISO 200 sieht sich der "Zwergblitz" leicht "gedopt"; die von uns ermittelte Leistung von Leitzahl 16,5 ist aber auch auf ISO 100 herunter gerechnet noch beachtlich. Allgemein zeigt der interne Blitz keine Schwächen: Abschattungseffekte gibt es nur bei Objektiven größeren Durchmessers, die Blitzabdeckung ist sonst sehr gut und die Farbtemperatur des Blitzlichtes ist absolut neutral. Auch an Funktionen und Einstellungen fehlt es nicht. Neben der erwähnten Rote-Augen-Korrekturfunktion gibt noch eine Blitzbelichtungskorrektureinstellung und eine Langzeitsynchronisationsfunktion – letztere natürlich wahlweise mit Synchronisation auf dem 1. oder 2. Verschlussvorhang.

Doch die eindruckvollste Funktion des D70-Blitzes ist die mit der D2H eingeführte i-TTL-Belichtungsmessung und -steuerung. Dadurch gewinnt die Blitzbelichtung vor allem an Präzision. Schon lange zieht Nikon die vom (AF-D-)Objektiv übermittelte Entfernungsinformation mit in die Berechnung der optimalen Belichtung mit ein, doch bisher war dem Blitz eine gesonderte Messzelle gewidmet. Bei der iTTL-Technologie bedient sich die Kamera ein- und derselben Messzelle für die Messung von noch vorhandenem Umgebungslicht und Blitzlicht. Das Resultat ist eine viel natürlichere Abstimmung zwischen den beiden Lichtquellen. Dazu sendet die Kamera unmittelbar vor dem Hauptblitz einen ultrakurzen (für das menschliche Auge unsichtbaren) Messblitz aus. Die eigentlich der Messung des Umgebungslichtes gewidmete 3D-Farbmatrix-Messzelle, die kurz zuvor noch das Umgebungslicht gemessen hat, misst dann das vom Motiv reflektierte Blitzlicht, ermittelt die richtige Blitzbelichtung und stimmt diese mit der Belichtung für das Umgebungslicht ab – und das alles noch bevor die eigentliche Belichtung beginnt. Das setzt natürlich eine perfekte Synchronisierung von Kamera und Blitz sowie einen entsprechend schnellen Prozessor voraus, der in der Lage ist, alle zusammenkommenden Informationen Millisekunden vor der Belichtung auszuwerten. Nikon D70 - oben [Foto: MediaNord]Das eröffnet sogar weitere Möglichkeiten und so erschließt die iTTL-Technologie der D70 auch noch die Blitz-Belichtungsmesswertspeicherung und die drahtlose TTL-Blitzsteuerung (im Vergleich zur SU-4-Technik mit Verteilung der Blitzkraft und Auslösung auf verschiedenen Kanälen). Ein ähnlich leistungsfähiges Blitzsystem gibt es nur von Canon in Form der E-TTL-II-Technologie; die wird aber zurzeit nur von einer einzigen DSLR (der EOS 1D Mark II) unterstützt. Im Gegensatz zu Canon funktioniert die drahtlose TTL-Blitzsteuerung bei der D70 sogar mit dem eingebauten Blitz als Steuerblitz – bei Canon ist man hingegen auf teures Zubehör (EX550-Systemblitz oder ST-E2-Transmitter als Steuergerät) angewiesen.

Der einzige Wermutstropfen bei der iTTL-Technologie ist, dass die Anforderungen an die Elektronik des Blitzgerätes ebenfalls sehr hoch sind und nur der integrierte Miniaturblitze sowie die neuen Aufsteckblitze SB-800 und SB-600 die technischen Voraussetzungen erfüllen. Im TTL-Modus verweigert sich die D70 beharrlich jeglichem Blitz, der kein SB-800 oder SB-600 ist. Wer ein anderes Systemblitzgerät aus der SB-Produktfamilie von Nikon oder ein Blitzgerät eines Fremdherstellers (z. B. Metz oder Sigma) bereits besitzt, muss den Blitz zwangsläufig in der Eigenautomatik betreiben – was zur Folge hat, dass man nicht nur gewisse Einstellungen per Hand vornehmen muss, sondern auch nicht mehr von der Präzision der iTTL-Technologie profitiert. Abschließend sei noch anzumerken, dass die Blitzsynchronzeit bei der D70 maximal 1/500 s beträgt; wofür nicht einmal eine (leistungssenkende) Highspeed-Blitzsynchronisationsfunktion nötig ist.

Bildqualität  Erwartungsgemäß liefert die D70 erstklassige Bilder. Natürlich ist die Bildqualität, wie bei allen digitalen Spiegelreflexkameras mit Wechselobjektivsystem, stark vom verwendeten Objektiv abhängig, doch allgemein demonstriert sie ziemlich eindrucksvoll die Überlegenheit großflächiger Sensoren gegenüber den fingernagelgroßen Bildwandlern der besten Kompaktdigitalkameras – ganz besonders in Hinblick auf die Rauscharmut. Denn können die Kompaktdigitalkameramodelle aus der Prosumer-Liga dank 8-Megapixel-CCDs und verhältnismäßig hoch auflösenden Optiken in puncto Auflösung durchaus mit einer D70 mithalten, müssen sie das Handtuch werfen, sobald man an der Empfindlichkeits-Schraube dreht bzw. an der ISO-Einstellung spielt. Nikon D70 - unten [Foto: MediaNord]Selbst bei der ISO 1.600-Stufe produziert die D70 noch ohne Nachbearbeitung vorzeigefähige Bilder; allgemein findet das Rauschen auf einem niedrigen, sehr guten Niveau statt und macht sich vor allem als farbkanal-unabhängiges Helligkeitsrauschen bemerkbar.

Mit dem im D70-Kit enthaltenen Zoomobjektiv (AF-S Nikkor 18-70 mm 1:3,5-4,5G ED aus der DX-Serie) zeigt die D70 eine sehr hohe Auflösung und Detailschärfe. Die Auflösung ist sowohl in der Bildmitte als auch an den Bildecken gut bzw. der Randabfall ist nur minimal. Das gilt aber nicht unbedingt für jede Objektiv/Kamera-Kombination. Bei den Objektiven der DX-Serie hat Nikon den Bildkreis allerdings sehr sorgfältig an das einheitliche CCD/Bildwandler-Format der hauseigenen DSLR-Familie (D-Serie) angepasst und die optischen Abbildungsleistungen entsprechend optimiert. Das gelang sogar so gut, dass es das Canon-Kit (EOS 300D + EF-S 18-55mm 1:3,5-5,6) haushoch schlägt und z. T. sogar die Notwendigkeit von Objektiven mit telezentrischer Linsenarchitektur zur Theorie degradiert. Ein Teil des hohen Auflösungseindruckes und der Detailschärfe ist sicherlich auch auf die aggressive Scharfzeichnung der Bilder zurückzuführen. Hier hat aber Nikon offensichtlich zuviel des Guten getan. Um nämlich Moiré-Effekten (mehr dazu unter den weiterführenden Links) entgegenzuwirken, ist auch dem CCD-Sensor der D70 ein so genannter Tiefpass- bzw. Anti-Aliasing-Filter vorgesetzt. Ist dieser zu kräftig ausgelegt, werden zwar die Moiré-Effekte fast vollständig unterdrückt, aber dies hat dann leider auch einen drastischen Verfall der Bildschärfe zur Folge, der teilweise wieder durch die Scharfzeichnung der Bilder kompensiert werden kann. Schärft die Kamera aber die Bilder zu stark nach, verliert der Tiefpassfilter seine Wirkung und die Moiré-Effekte gewinnen wieder Überhand. Und genau das passiert bei der D70. Die hohe Detailschärfe bezahlt man bei der D70 mit ausgeprägtem Farb-Moiré – es sei denn man nimmt die Bilder im RAW/NEF-Format auf und verwendet die mitgelieferte Konvertiersoftware, die ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Moiré-Unterdrückung und Scharfzeichnung bietet. Weitere, mehr oder weniger sichtbare, Bildstörungen gibt es noch in Form von Helligkeitsartefakten. Farbsäume (Blooming und/oder chromatische Aberrationen) sowie Kompressionsartefakte sind dafür nicht zu erkennen.

   Nikon D70 - Menü 1 [Foto: MediaNord]
  Nikon D70 - Menü 2 [Foto: MediaNord]
  Nikon D70 - Menü 3 [Foto: MediaNord]
  Nikon D70 - Menü 4 [Foto: MediaNord]
  

Macht das Set-Objektiv hinsichtlich des Auflösungsvermögens einen guten Eindruck, verhält es sich anders bei der Verzeichnung und der Vignettierung. Die tonnenförmige Verzeichnung am Weitwinkel-Ende ist ähnlich stark ausgeprägt wie bei den integrierten Zooms der Kompaktdigitalkamera-Fraktion (DSC-F828, Dimage A1/A2, Pro1, C-8080 Wide Zoom etc.) und auch die Vignettierung hat manches Prosumerkamera-Festobjektiv besser im Griff. Doch das sind objektivspezifische Angelegenheiten und so kann das Resultat von Objektiv zu Objektiv mal besser, mal schlechter ausfallen. Kameraspezifischer sind da die Belichtung, der Dynamikumfang und die Farbwiedergabe. An der Belichtungspräzision gibt es am wenigsten etwas auszusetzen. Kein Wunder, setzt die D70 doch diegleiche Messzelle ein wie bei der professionellen Kleinbild-Spiegelreflexkamera F5 und zahlreichen anderen analogen und digitalen Profi-Bodies von Nikon. Der eigens für die Belichtungsmessung zuständige Mini-RGB-CCD besitzt dank 1.005 Pixeln nicht nur eine größere Anzahl an Mess-"Feldern" als gewöhnliche Mehrfeldmesszellen, sondern ist auch in der Lage, neben den üblichen Informationen (Lichtverteilung) grob die Farbe des Motivs bzw. Farbdominanten zu berücksichtigen. Zusammen mit der Entfernungsinformation, die ein Chip in den Objektiven der D-, G- und DX-Serie liefert, kann die "künstliche Intelligenz" der Kamera ein "Profil" des Motivs erstellen, welches mit den Informationen in einer Art "Motiv-Datenbank" verglichen wird. Diese Form der "Motiverkennung", die bei Nikon 3D-Farbmatrixmessung genannt wird, ist schon acht Jahre alt und kann mittlerweile als voll ausgereift bezeichnet werden. Die Qualität und Stabilität der Belichtung ist jedenfalls über jeden Zweifel erhaben und das Resultat sieht man auch den meist perfekt belichteten Bildern an. Selbst die leichte Unterbelichtung (ca. 1/3 Blende) ist absolut normal bzw. DSLR-typisch, da digitale Spiegelreflexkameras dazu neigen, etwas knapper zu belichten, um so das Risiko ausgefressener Lichter zu reduzieren. Der CCD der D70 verkraftet dabei einen Kontrastunterschied von ca. 8,6 Blendenstufen und ist auch durchaus in der Lage, diese auf den Bildern herüberzubringen. An der Farbwiedergabe bzw. an der Präzision des Weißabgleichs (die besten Ergebnisse liefert natürlich der manuelle Weißabgleich) gibt es prinzipiell ebenfalls nichts auszusetzen; etwas anderes hat man von einer digitalen Spiegelreflexkamera von Nikon auch nicht erwartet.

Sonstiges/besondere Funktionen  Der Funktionsumfang der D70 beschränkt sich auf das Nötigste – da ist kein Platz für "Spielereien". Systembedingt gibt es keine Videofunktion (nur eine Wiedergabemöglichkeit der aufgenommenen Fotos über den Videoausgang); eine Sprachnotiz- oder Diktiergerätfunktion wie bei der D100 gibt es mangels Mikrofon auch nicht. Als Einsteigerkamera verfügt die D70 aber über eine Vollautomatik und über sechs Motivprogramme (Porträt, Landschaft, Nahaufnahmen, Sport/Action, Landschaft bei Nacht, Porträt bei Nacht) und erweiterte Aufnahmefunktionen u. a. in Form einer Belichtungsreihenfunktion, eines im Sucher einblendbaren Gitternetzes, wählbaren Messcharakteristika (Matrix/Mehrfeld, mittenbetont Integral, Spot), variablen Lichtempfindlichkeitsstufen (ISO 200-1.600), verschiedenen Weißabgleich-Einstellungen (Automatik, Voreinstellungen, manuell) und einer Fernauslösefunktion. Nikon D70 - Speicherplatz [Foto: MediaNord]Selbstverständlich besitzt die D70 einen Serienbildmodus (siehe Messwert-Tabelle); bei niedriger Auflösung verarbeitet die Kamera die Bilder so schnell, dass immer genügend Platz im – großzügigen und effizient verwalteten – Pufferspeicher für neue Bilder übrig bleibt und man so faktisch von einem "Endlos-Serienbildmodus" reden kann. Sehr nützlich sind die Sonderfunktionen zum Justieren und/oder Auswählen der Bildparameter (Scharfzeichnung, Bildkontrast, Bildhelligkeit, Farbsättigung, Farbbalance, Farbton, Farbraum), zur Erstellung eines JPEG-Abbildes bei der Aufnahme im RAW/NEF-Format, zur Personalisierung der Kamera über die 25 Individualfunktionen sowie zur Verknüpfung der Spotmessung mit dem aktiven AF-Feld und zum Einschalten der Rauschunterdrückung.

Da die technischen Möglichkeiten wegen der SLR-Architektur im Aufnahmemodus ziemlich eingeschränkt sind, findet man die meisten Funktionen im Wiedergabemodus vor. Ein nahezu stufenloses Wiedergabezoom ermöglicht die nähere Betrachtung bestimmter Bildpartien; die aufgenommenen Bilder lassen sich auch drehen (auf Wunsch auch automatisch), löschen, schützen, als Diaschau anzeigen, beschriften (über eine virtuelle Tastatur) und drucken bzw. für den Druck vormarkieren. Dabei unterstützt die D70 den USB-Direktdruckstandard PictBridge, so dass man die Kamera direkt an einen entsprechend kompatiblen Drucker anschließen und von der Kamera aus den Druck steuern kann. Weiterhin lassen sich im Wiedergabemodus noch diverse Bildinformationen (Aufnahmeparameter, Histogramm, Hervorhebung der Lichter/Schatten) auf dem LC-Bildschirm anzeigen und – ebenfalls über die virtuelle Tastatur – Ordner umbenennen. Abschließend sei noch erwähnt, dass die D70 die Dateisysteme FAT16 und FAT32 erkennt (und so auch mit Speicherkapazitäten von über 2 GByte klar kommt), die Write Acceleration-Technologie von Lexar unterstützt und dank PTP- und USB Mass Storage Class-Kompatibilität keine Treiberinstallation auf Rechnern mit halbwegs aktuellem Betriebssystem voraussetzt. Schade nur, dass bei der Verbindung zum Rechner nicht das volle Geschwindigkeitspotential Nikon D70 [Foto: MediaNord]der USB 2.0-Schnittstelle ausgeschöpft wird. Nichtsdestotrotz weist die D70 einen, für eine Einsteiger-DSLR  hohen Funktions- und Ausstattungsumfang auf und ganz besonders bei den Eingriffsmöglichkeiten macht sie einen deutlich weniger "kastrierten" Eindruck als die direkte Konkurrentin Canon EOS 300D.

Fazit  Die Nikon D70 bietet ein hohes Technologieniveau, eine exzellente Erweiterungsfähigkeit bzw. eine breite Palette an Systemzubehör, ein vor allem für Kleinbild-SLR-Umsteiger vertrautes Handling, die von DSLRs gewohnte Bildqualität und Leistung (z. B. hinsichtlich AF-Geschwindigkeit) sowie einen Preis, der den Traum einer digitalen Spiegelreflexkamera in greifbarere Nähe rücken lässt. Das sind viele Reize, die zum Kauf einer DSLR wie der D70 verführen können. Jedoch sollte man nicht vergessen zu erwähnen, dass Kompaktdigitalkameras und andere DSLR-Systeme auch so manche Tugend haben und dass der Preis, den man für den Eintritt in den DSLR-Himmel bezahlen muss, deutlich höher ausfallen kann als der Preis für die nackte Kamera. Wer das technologische Leistungspotential der D70 voll ausschöpfen will, muss unter Umständen teure Neuanschaffungen tätigen, da die D70 nicht mit jedem Objektiv und/oder Blitzgerät zu Höchstleistungen aufläuft bzw. die volle Funktionalität gewährleistet. Um also auf die Frage aus der Einleitung zu antworten: Ja, die Nikon D70 erhält unseren Segen! Aber wie so oft im Leben, sollte man der Angebeteten nur nach reiflicher Überlegung das Ja-Wort geben, um dann ohne Reue den Bund des Lebens (oder des Produktzyklus) einzugehen ...

Messwerte
Einschaltzeit ca. 0,3 s
Brennweitenverstellung
  Anzahl Stufen
  Zeit Weitwinkel bis Tele
manuell am Objektiv

Autofokus-Geschwindigkeit min. 0,2 s / ca. 0,5 s / max. 1,2 s (abhängig von Motiv und Aufnahmebedingungen)
Auslöseverzögerung < 0,1 s
Blitz
  gemessene Leitzahl
 
16,5 (bei ISO 200)
Batterielaufzeit > 500 Aufnahmen
Speicherzeiten
  RAW
  JPEG
  TIFF

ca. 2,9 s (5,2 MByte)
ca. 1,8 s (2,3 MByte)

Auslösung während Speicherung möglich
Serienbilder
   Verwendete  Auflösung
   Geschwindigkeit
   Anzahl
   mit Blitz

3.008 x 2.000
ca. 3,1 Bilder/s
ca. 10 Bilder
mit externem Blitz

Kurzbewertung

  • drahtlose (i)TTL-Steuerung auch mit eingebautem Blitz
  • Wechselobjektiv-System
  • für Einsteigermodell exzellente Verarbeitungsqualität
  • kaum eingeschränkter Funktions- und Einstellungsumfang
  • DSLR-typische Bildqualität und Reaktionsfreudigkeit
  • "Spar"-Sucher (siehe unter "Ergonomie/Verarbeitung")
  • AA/Mignon-Zellen auch nicht optional verwendbar
  • USB 2.0 nicht High-Speed
  • z. T. eingeschränkte Rückwärtskompatibilität
  • ausgeprägte Farb-Moiré-Bildung

Technische Daten

Modell Nikon D70
Sensor CCD APS-C 23,6 x 15,8 mm (Cropfaktor 1,5)
6,3 Megapixel (physikalisch), 6,1 Megapixel (effektiv)
Auflösung (max.) 3.008 x 2.000 (3:2)
Objektivanschluss
Nikon F
Spiegelreflex-Sucher Prismensucher, 95 % Abdeckung, 18 mm Augenabstand, Dioptrienausgleich -1,6 - 0,5 dpt, wechselbare Mattscheibe
Monitor 1,8", 0,130 Mio. Bildpunkte
Belichtungsmessung Integral-, Spot- und Matrix-/Mehrfeld-Messung (1.005 Felder)
Belichtungsreihe automatisch, max. 2 Aufnahmen (1/3-1/2 EV Schrittweite), ohne interne HDR-Verarbeitung
Bildstabilisator nein
eingebauter Blitz ja
Blitzanschuh Nikon, Standard-Mittenkontakt
AV-Anschlüsse AV-Ausgang: ja
Serienbildfunktion max. 3,0 Bilder/s und max. 12 Aufnahmen in bester Qualität
kürzeste Verschlusszeit 1/8.000 s
Autofokus Phasenvergleich
Speicher
Speicherkartenfach 1: CF (Type I, Type II), Microdrive
Empfindlichkeit automatisch ISO 200 bis 1.600, manuell ISO 200 bis 1.600
Abmessungen 140 x 111 x 78 mm (B x H x T)
Gewicht 595 g (betriebsbereit, ohne Objektiv)
Online-Datenblatt https://www.digitalkamera.de/KOEVV (mit Preisvergleich)

Artikel-Vorschläge der Redaktion