2020-03-16 Die Nikon D780 ist nicht mehr nur eine reine Mittelklasse-DSLR mit Kleinbildsensor, sondern auch eine spiegellose Systemkamera mit schnellem Hybrid-Autofokus samt Gesichts- und Augenerkennung. Mit 24 Megapixeln bietet sie zwar "nur" eine moderate Auflösung, verspricht dafür aber eine hohe Bildqualität mit niedrigem Rauschen auch bei höheren Empfindlichkeiten. Was die Hybrid-DSLR noch zu bieten hat und wie es um ihre Bildqualität bestellt ist, verrät unser Test. (Benjamin Kirchheim)
Für 2.500 Euro (ohne Objektiv) bekommt man mit der Nikon D780 eine Mittelklasse-DSLR, die auch mit Spiegellos-Qualitäten zu überzeugen weiß. [Foto: MediaNord]
Ergonomie und Verarbeitung
Von außen könnte man meinen, die Nikon D780 wäre nur eine ganz leichte Weiterentwicklung der immerhin fünfeinhalb Jahre alten D750. Von vorne sind die Unterschiede marginal, von hinten kann man sehen, dass einige Bedienelemente an neue Plätze gewandert sind. Gleiches gilt für die Oberseite, wo vor allem das Programmwählrad der D780 aufgeräumter wirkt. Am augenscheinlichsten ist vielleicht noch der weggefallene Pop-Up-Blitz und der damit etwas anders gestaltete Sucherbuckel.
Das Gehäuse der Nikon D780 besteht aus einer Mischung von Kunststoff und einer Leichtmetalllegierung. Zahlreiche Dichtungen halten dabei Spritzwasser und Staub von der empfindlichen Technik fern. Die Rückseite und die Oberseite bilden dabei den Metallteil, die linke Seite, die Unterseite und auch die Vorderseite bestehen dagegen aus einem hochwertigen Kunststoff. Dies trifft auch auf den Handgriff zu, wobei hier die großflächige, griffige genarbte Gummierung ohnehin das Gehäusematerial kaschiert. Die D780 liegt richtig satt in der Hand. Der Griff ist gut ausgeprägt, besitzt eine Einkerbung für den Mittelfinger und sogar der kleine Finger einer mittelgroßen Männerhand findet problemlos Platz am Griff. Einen optionalen Multifunktions-Hochformatgriff gibt es allerdings bei der D780 nicht mehr.
Mit ihren betriebsbereiten 835 Gramm ist die Nikon D780 wahrlich kein Leichtgewicht. Zusammen mit unserem Testobjektiv, dem AF-S 24-70 mm F2.8E ED bleibt die Waage erst bei knapp unter 1,9 Kilogramm stehen. Im Set wird die 2.500 Euro teure D780 allerdings nicht mit diesem, ebenfalls 2.500 Euro teuren Objektiv angeboten, sondern "nur" mit dem AF-S 24-120 mm für 500 Euro Aufpreis. Die Straßenpreise liegen aber teilweise bereits deutlich darunter. Wir haben uns im Test ausnahmsweise gegen das "Setobjektiv" entschieden, um die D780 besser mit anderen Vollformat-DSLRs von Nikon vergleichen zu können. Bei der Verwendung des 24-70mm-Zooms ist dann auch schnell klar: Die D780 liegt auch mit größeren und schwereren Objektiven hervorragend in der Hand.
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Das Bedienkonzept der D780 gibt vor allem eingefleischten Nikon-Fotografen kaum Rätsel auf, ist aber auch für Ein-, Um- und Aufsteiger gut erlernbar. Dass es sich allerdings um keine einfache Einsteigerkamera handelt, sollte jedem klar sein. Mit einer solch umfangreich ausgestatteten DSLR muss man sich schon auseinandersetzen, um ihr Potential überhaupt annähernd ausschöpfen zu können.
Die Tasten der Nikon D780 sind allesamt gut erreichbar und bieten einen ordentlichen Druckpunkt. Einige sind allerdings etwas kleiner und versteckter, so sitzen links und rechts vom Bajonett insgesamt fünf Tasten und ein Schalter, die man im Alltag schnell übersehen oder vergessen kann, wenn man sie nicht regelmäßig nutzt. Einige der Tasten lassen sich zudem individuell mit Funktionen belegen.
Der Einschalthebel sitzt am idealen Platz: er ist rund um den Auslöser angeordnet, so dass man die Kamera dort anschaltet, wo man auch ein Foto aufnehmen kann. Der Auslöser selbst besitzt weiche, aber sehr gut unterscheidbare Druckpunkte. Der erste ist recht leichtgängig, so dass sich damit beispielsweise der Autofokus und die Belichtungsmessung gut aktivieren und halten lassen. Danach bietet er deutlich mehr Widerstand, so dass man nicht versehentlich ein Foto aufnimmt. Gut erreichbar sitzen zudem auf der Oberseite die ISO-Taste, die Belichtungskorrektur-Taste sowie der Videoauslöser. Auch ein umfangreiches, über den Einschalthebel beleuchtbares Statusdisplay fehlt nicht, das Auskunft über die wichtigsten Aufnahmeparameter gibt. Die beiden Bedienräder sind ebenfalls ergonomisch sehr gut erreichbar, schön griffig, satt rastend und nicht zu leichtgängig.
Links vom Sucher sitzen das Programmwählrad sowie das Aufnahmebetriebsart-Einstellrad direkt übereinander, beide können nur während der Betätigung eines jeweiligen Entriegelungsknopfes verstellt werden. Das Programmwählrad besitzt nun nur noch acht statt zehn Positionen, weggefallen sind das Kein-Blitz-Programm sowie die Motivprogramme, Nikon scheint sich also etwas mehr auf eine ambitioniertere Zielgruppe zu fokussieren. Auf einen Vollautomatikmodus sowie Effektprogramme wollte Nikon dann aber doch nicht verzichten.
Der acht Zentimeter große, mit 2,36 Millionen Bildpunkten sehr hochauflösende Touchscreen der Nikon D780 lässt sich zwar nach oben und unten neigen, eignet sich aber nicht für Selfies. [Foto: MediaNord]
Auf der Rückseite wird der Bildschirm an drei Seiten von Tasten quasi eingerahmt. Die linke Hand dient damit nicht nur dem Festhalten der Kamera beziehungsweise Stützen des Objektivs, sondern arbeitet auch aktiv bei der Kamerabedienung mit. Die wichtigste Neuerung dürfte sein, dass es auf der Rückseite nun eine AF-On-Taste gibt, die unabhängig von der weiterhin vorhandenen AE-L/AF-L-Taste arbeitet. Auf einen Fokusjoystick müssen D780-Fotografen hingegen verzichten, im Grunde erfüllt aber der Vierwegewähler denselben Zweck, man könnte ihn auch als großen Joystick bezeichnen.
Zwar misst der rückwärtige Bildschirm – wie schon beim Vorgängermodell – acht Zentimeter in der Diagonale, löst mit 2,36 Millionen Bildpunkten aber doppelt so hoch auf. Auch die Leuchtdichte von maximal fast 960 cd/m² kann sich sehen lassen und sorgt für eine gute Sichtbarkeit selbst bei hellem Sonnenlicht. Der Bildschirm lässt sich für Über-Kopf-Aufnahmen um fast 90 Grad nach unten klappen sowie für bodennahe Aufnahmen sogar um deutlich mehr als 90 Grad nach oben. Nur Selfies sind damit nicht möglich, was auch Vlogger trotz guter Videofunktion quasi von vornherein als Zielgruppe ausschließt.
Beim Bildschirm handelt es sich um einen Touchscreen, der sehr konsequent ins Bedienkonzept der D780 einbezogen wird. Zwar kann der Autofokuspunkt nur im Live-View über den Bildschirm verschoben werden, aber hier gibt es dann zusätzlich sogar Touch-Bedienelemente und auch die Menüs können über Bildschirmberührungen bedient werden. Das alles ist aber stets "nur" eine zusätzliche Möglichkeit zur Bedienung mit den Tasten, dem Navigationspad und den Bedienrädern. Die D780 passt sich also quasi flexibel dem Fotografen an beziehungsweise lässt ihm alle Möglichkeiten offen.
Über einen Pentaprismensucher verfügt die Nikon D780 selbstverständlich ebenfalls, sonst wäre sie ja keine DSLR. Mit einer 0,7-fachen Vergrößerung ist er allerdings nur guter Durchschnitt, hier liegen inzwischen viele Kameras, vor allem im spiegellosen Bereich, teilweise deutlich drüber. Die Vergrößerung ist jedoch völlig ausreichend und selbstverständlich werden 100 Prozent des Bildfelds abgedeckt. Etwas problematischer ist der Sucher für Brillenträger, da die Austrittspupille ebenfalls nicht sonderlich üppig ausfällt. Während man den Sucher ohne Brille so gerade noch ohne Abschattungen überblicken kann, hat man mit Brille auf der Nase keine Chance. Wohl dem, der mit der Dioptrienkorrektur von -3 bis +1 dpt. klarkommt.
Das aus Metall und Kunststoff bestehende Gehäuse der Nikon D780 ist gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet. [Foto: MediaNord]
Die Schnittstellen tummeln sich bei der Nikon D780 alle auf der linken Gehäuseseite. Drei an der Kamera gesicherte Gummistöpsel decken die insgesamt fünf Schnittstellen ab, so dass immer ein Teil der nicht verwendeten Anschlüsse geschützt bleiben kann. Videografen dürften die getrennten 3,5mm-Klinkenbuchsen zum Anschluss eines Kopfhörers und Mikrofons freuen. Hinter dem Fernauslöseanschluss verbirgt sich die Nikon-typische, rechteckige Multifunktionsbuchse. Auch eine HDMI-Schnittstelle in Mini-Form samt Videosignalausgabe fehlt nicht und der TTL-Blitzschuh thront wie gewohnt auf dem Sucherbuckel.
Beim USB-Anschluss setzt Nikon auf den modernen Typ-C-Stecker, der keine Richtungsbindung mehr besitzt und neben einem hohen Datendurchsatz auch eine Spannungsversorgung erlaubt. So kann der Akku unterwegs zwischendurch direkt in der Kamera geladen werden. Das funktioniert zwar weiterhin nur bei ausgeschalteter Kamera, aber immerhin gibt sich die D780 nicht mehr so wählerisch wie andere Nikon-Modelle, was die USB-Stromquelle angeht. Es gibt keine Mindestvoraussetzungen mehr, unter denen die Kamera das Laden komplett verweigert. Zur Dauerstromversorgung muss indes noch immer ein Akku-Dummy eingesetzt werden, an den ein dazugehöriges Netzteil angeschlossen wird.
Apropos Akku: Hier macht Nikon keine Experimente und setzt auf den bewährten EN-EL15b mit 14 Wh Kapazität. Er reicht für üppige 2.260 Aufnahmen nach CIPA-Standardmessverfahren (bei Einsatz des Spiegelreflexsuchers) und kann dank des mitgelieferten Ladegeräts auch außerhalb der Kamera geladen werden. Das Akkufach sitzt auf der Kameraunterseite und ist ebenfalls mit Dichtungen versehen. Dank der großen Entfernung zum Stativgewinde bliebt es auch im Stativbetrieb zugänglich. Apropos Stativgewinde: Dieses sitzt nicht nur in der optischen Achse, sondern verfügt zudem seitlich über einen Verdrehsicherungspin (auch Videopin genannt).
Die Nikon D780 bietet ein beleuchtetes Info-Display auf der Oberseite, das über die wichtigsten Aufnahmeparameter informiert. [Foto: MediaNord]
Das Doppelspeicherkartenfach wird seitlich am Handgriff geöffnet und verfügt ebenfalls über Dichtungen. Hier können zwei SD-, SDHC- oder SDXC-Speicherkarten eingesetzt werden, wobei beide Einschübe sowohl UHS I als auch USH II unterstützen. In der Kamera kann konfiguriert werden, in welcher Reihenfolge und mit welchen Daten die beiden Karten beschrieben werden sollen. Schnelle UHS-II-Karten zahlen sich vor allem bei der Serienbildfunktion aus. Bei einer UHS-II-Karte mit mindestens 200 MB/s Schreibgeschwindigkeit ist die Kamera nach einer Aufnahmeserie praktisch sofort wieder einsatzbereit. Für die drahtlose Kommunikation steht Snapbridge mit Bluetooth und WLAN zur Verfügung, GPS-Daten können direkt vom Smartphone genutzt werden. Dank des Multifunktionsanschlusses (Fernauslösebuchse) kann aber auch ein leistungsfähigerer, externer WLAN-Adapter (WT-7) oder auch ein GPS angeschlossen werden.
Übrigens kann die Nikon D780 mit entsprechendem Zubehör sogar analoge Dias und Negative digitalisieren. Benötigt werden dazu ein Makro-Objektiv von Nikon sowie der Filmdigitalisierungsadapter ES-2. Weitere Details sind unserem Testbericht zum Nikon ES-2 zu entnehmen (siehe weiterführende Links).