2020-06-24, aktualisiert 2020-09-17 Mit der Lumix DC-G110 erweitert Panasonic seine G-Serie, die sich bisher vornehmlich an ambitionierte Fotografen richtete, um eine besonders kompakte Kamera für Familien-, Reise- und Social-Media-Fotografie und -Videografie. Auch wenn sie deutlich unter 800 Euro angesiedelt ist, geizt sie nicht mit Ausstattung. Mit dem 20 Megapixel auflösenden Four-Thirds-Sensor soll außerdem die Bildqualität auf aktuellem Stand der Technik sein. Ob das zutrifft und wie sich die Kamera in der Praxis schlägt, verraten wir in unserem Testbericht. (Benjamin Kirchheim)
Die Panasonic Lumix DC-G110 ist eine sehr kompakte Vertreterin der G-Serie, bietet aber dennoch dank des kleinen Griffs eine gute Ergonomie, solange man größen- und gewichtstechnisch zur Kamera passende Objektive verwendet. [Foto: MediaNord]
Dieser Testbericht basierte ursprünglich auf einem seriennahen Modell mit nahezu finaler Firmware. Inzwischen haben wir unsere Kritikpunkte mit einem Serienmodell geprüft und den Test an den entsprechenden Stellen überarbeitet. Zudem haben wir an einigen Punkten noch kleinere Ergänzungen gemacht. Fortschritte sollte es laut Panasonic vor allem beim Autofokus geben. Dies betrifft aber eher das Verhalten bei der AF-Nachführung, die nun weniger nervös agiert, die eigentliche Geschwindigkeit hat sich nicht geändert, wie unser erneuter Labortest des Autofokus ergeben hat.
Ergonomie und Verarbeitung
Die Panasonic Lumix DC-G110 ist seit der DMC-G3 aus dem Jahr 2011 die kleinste und leichteste Kamera der Lumix-G-Serie. Sie ist gut 1,5 Zentimeter schmaler, einen Zentimeter niedriger und zwei Zentimeter weniger tief als das größere Schwestermodell DC-G91. Von der selbst im Vergleich zur G91 riesigen G9 ganz zu schweigen. Mit ihrem leichten Kunststoffgehäuse wiegt die G110 zudem betriebsbereit weniger als 350 Gramm, selbst mit 12-32mm-Setobjektiv und dem im Set erhältlichen Griffstativ SHGR1 sind es nur knapp über 500 Gramm.
Auch wenn das Gehäuse der G110 „nur“ aus Kunststoff besteht, wirkt dieser sehr hochwertig und die Verarbeitung ist exzellent, die Spaltmaße sind so klein und gleichmäßig, dass man die Gehäuseschalen für zusammengeklebt halten könnte, sie sind aber offensichtlich geschraubt. Das Gehäuse ist verwindungssteif, knarzt nicht und besitzt eine schöne Oberflächenstruktur.
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Von dieser Hochwertigkeit ist beim Griffstativ SHGR1, das zu unserem getesteten Set gehört, nichts zu spüren. Es wirkt wie billige Chinaware. Der Plastik-Kugelkopf, die schabende Fixierschraube, die in alle Richtungen flexiblen Beine, die sich beim Zupacken gegeneinander verwinden, machen einfach nicht den Eindruck eines Produkts, das 50 Euro zum Setpreis beiträgt. Vielleicht hätte Panasonic hier besser mit einem Hersteller wie Manfrotto zusammenarbeiten oder ein geringes Gewicht nicht über die Stabilität stellen sollen. Einzig positiv, wenn auch ebenfalls nicht hochwertig, sind die praktischen drei Tasten: ein zweistufiger Fotoauslöser, ein Videoauslöser und eine Sleep-Taste zum Energiesparen. Kommen wir lieber zurück zur Kamera, denn die macht viel mehr Spaß.
Der Wulst des Handgriffs ist zwar nur einen Zentimeter dick, aber das genügt zusammen mit dem genarbten Gummi, die kleine Kamera sicher und ergonomisch halten zu können. Die gummierte Daumenmulde auf der Rückseite trägt ihr Übriges dazu bei. Dass der Griff keine ausgewachsene Männerhand ausfüllt und der kleine Finger ins Leere greift, sollte bei so einer kleinen Kamera aber klar sein. Der Einschalter, das Programmwählrad, der Auslöser mit seinen angenehmen Druckpunkten samt ihn umschließendem Einstellrad sowie der prominent rote Videoauslöser und die Belichtungskorrekturtaste sind wunderbar erreichbar und lassen sich schön bedienen. Auch die beiden etwas willkürlich platziert wirkenden Funktionstasten links vom Sucherbuckel haben eine angenehme Größe.
Etwas anders sieht es mit den neun Bedienelementen aus, die sich rechts unten auf der Kamerarückseite drängeln. Sie sind recht klein geraten. Die drei Einzeltasten sind okay zu bedienen, das Steuerkreuz gefällt uns etwas besser, das Daumenrad dagegen weniger. Es ist sehr leichtgängig, beim Betätigen von Tasten verstellt es sich durchaus manchmal versehentlich um einen Schritt. Schade, denn zwischen Programmwählrad und Display wäre auf der Rückseite eigentlich noch ein schöner Platz für ein richtiges Drehrad gewesen.
Eine echte Wonne angesichts der kleinen Kamera sind der Touchscreen und der elektronische Sucher. Beide arbeiten wahlweise mit 30 oder 60 Bildern pro Sekunde und bieten eine feine Anpassbarkeit von Helligkeit, Kontrast und Farben. Tatsächlich wirkte bei unserem Modell der Sucher in Defaulteinstellung leicht cyanstichig, was wir bei Panasonic nicht zum ersten Mal sehen. Das war übrigens nicht nur beim frühen Serienmodell mit noch nicht ganz finaler Firmware (Version 0.5) der Fall, sondern auch bei einem Serienmodell, das wir inzwischen testen konnten. Der Bildschirm zeigte diesen Farbstich nicht.
Trotz ihrer Kompaktheit geizt die Panasonic Lumix DC-G110 nicht mit dem hellen, fein auflösenden, voll beweglichen Touchscreen sowie einem hochauflösenden, großen elektronischen Sucher. [Foto: MediaNord]
Der 7,5 Zentimeter große Touchscreen besitzt ein Seitenverhältnis von 3:2 und löst äußerst feine 1,8 Millionen Bildpunkte auf. Ein 3:2-Display mag bei einer Kamera mit 4:3-Sensor zunächst etwas ungewöhnlich klingen, aber es ist ein guter Kompromiss zwischen 4:3 (Foto) und 16:9 (Video), so dass sich die schwarzen Ränder jeweils in Grenzen halten. Äußerst positiv ist uns die Displayhelligkeit sowie die sehr gute automatische Regulierung ebendieser aufgefallen. Maximal 1.100 cd/m² konnten wir als Leuchtdichte messen, womit das Display zu den hellsten an einer Kamera gehört, die wir je gemessen haben. Damit lässt sich die Panasonic problemlos im hellen Sonnenlicht verwenden.
Zudem kann der Bildschirm um 180 Grad zur Seite geklappt und 270 Grad gedreht werden. Das erlaubt Aufnahmen aus allen möglichen Perspektiven bis hin zum Selfie und wer möchte, kann den Bildschirm zum Schutz verkehrt herum an die Rückseite der Kamera klappen. Auch die Einbindung der Touchfunktionalität ist vorbildlich. Neben dem Setzen des Autofokuspunkts können auch Bildschirm-Funktionstasten aufgerufen werden, selbst das Menü kann (muss aber nicht) per Touch bedient werden. Außerdem schaltet die Kamera beim Vorklappen des Bildschirms automatisch in einen speziellen Selfie-Modus.
Der elektronische Sucher steht dem Bildschirm in nichts nach. Er löst hervorragende 3,7 Millionen Bildpunkte auf und vergrößert 0,73-fach im Kleinbildäquivalent. Damit ist er der größte und höchstauflösende Sucher, den wir bisher in einer derart kompakten Kamera gesehen haben. Normalerweise würde man sowas in einer Mittelklassekamera erwarten. Tatsächlich ist die G110 zwar preislich und auch von der Ausrichtung eher als (gehobene) Einsteiger- oder auch Hobby- beziehungsweise Familienkamera einzustufen, ihre Ausstattung wildert aber teilweise in der Mittelklasse, womit sie für ambitionierte Fotografen, die eine möglichst kompakte Kamera suchen, sehr attraktiv ist. Mit Brille schattet der Sucher trotz recht großer Austrittspupille von 20 mm an den Seiten leicht ab, aber das ist verschmerzbar. Zudem fehlt es nicht an einer Dioptrienkorrektur sowie einem (abschaltbaren) Näherungssensor für eine automatische Aktivierung des Suchers. Mit der Fn3-Taste links vom Sucher wird der entsprechende Sucher/Bildschirmmodus gewählt, solange man diese Taste nicht anderweitig belegt.
Sowohl im Sucher als auch auf dem Bildschirm lassen sich zahlreiche Aufnahmehilfen einblenden. Das reicht von der Anzeige der Aufnahmeparameter bis hin zu einer 3D-Wasserwaage, Gitterlinien, einem Livehistogramm und sogar einem Zebramuster sowie selbstverständlich einer Belichtungsvorschau. Ebenso lassen sich der angewendete Filtereffekt, der Weißabgleich und die Schärfentiefe (Abblendtaste) vor der Aufnahme beurteilen, sogar eine Verschlusszeitensimulation lässt sich aktivieren. Ebenfalls praktisch ist die Möglichkeit, die Menüs und die Wiedergabe auch im Sucher mit sehr hoher Auflösung anzeigen zu können. Die Menüs selbst sind sehr umfangreich und dadurch nicht ganz so übersichtlich, zumal man viel scrollen muss.
Der wenige Platz auf der Oberseits der Panasonic Lumix DC-G110 wird gut mit Einstellrädern, Auslösern und Tasten genutzt. Die drei Mikrofone, zwei links und eins rechts vom Suckerbuckel, kann man im Schatten nicht erkennen. [Foto: MediaNord]
Die Schnittstellenausstattung geht für eine Kamera der 700-Euro-Klasse in Ordnung. Neben Micro-HDMI gibt es auch eine Micro-USB-Schnittstelle (leider kein USB-C) sowie einen 3,5 mm Mikrofoneingang und als Drahtlosschnittstellen WLAN sowie Bluetooth 4.2 LE. Die USB-Schnittstelle dient auch zum Aufladen des recht kleinen Akkus BLG10E, der in vielen Panasonic-Kameras zum Einsatz kommt. Er reicht für 250 (mit Sucher) bis 270 (mit Monitor) Aufnahmen nach CIPA-Standard. Die USB-Ladung funktioniert zwar mit praktisch allen USB-Adaptern, aber sie ist dafür nicht allzu schnell und stoppt, sobald man die Kamera einschaltet. Eine Dauerstromversorgung ist darüber leider nicht möglich, dafür muss man schon einen Dummy-Akku von Panasonic mit Netzteil verwenden, den man optional kaufen kann. Die Abdeckungen der Schnittstellen bestehen aus Gummi und wirken der Kameraklasse zwar angemessen, fallen aber hinter dem gut verarbeiteten Gehäuse doch etwas zurück.
Die SD-Speicherkarte teilt sich mit dem Akku dieselbe Klappe an der Kameraunterseite, die etwas dicht am Stativgewinde sitzt, das sich dafür aber in der optischen Achse befindet. Die Lumix G110 ist kompatibel zu SDHC, SDXC und UHS I. Als maximale Speichergeschwindigkeit maßen wir etwas magere 38 MByte pro Sekunde, für die 4K-Videofunktion und die Serienbildfunktion der Kamera ist das aber völlig ausreichend. Eine Speicherkarte, die mindestens der Video-Geschwindigkeitsklasse V30 entspricht, ist aber Pflicht, wenn man die Kamera nicht unnötig ausbremsen möchte und Videoaufnahmen nicht unnötig früh abbrechen sollen.