Spiegelloses Foto-Flaggschiff

Testbericht: Panasonic Lumix DC-G9

2018-02-12, aktualisiert 2018-03-07 Hatte Panasonic mit der Lumix DC-GH5 bisher nur ein eher auf Video spezialisiertes Flaggschiff im Programm, ändert sich das nun mit der Lumix DC-G9. Die G9 legt den Fokus mehr auf eine hohe Serienbildgeschwindigkeit und einen schnellen Autofokus für Action-Aufnahmen, verliert dabei aber die Videofähigkeiten durchaus nicht aus dem Augen, wie die in Fotokameras äußerst selten zu findende 4K-Videofunktion mit 60 Bildern pro Sekunde zeigt. Im digitalkamera.de-Test muss die Panasonic Lumix DC-G9 nun zeigen, was sie im Labor und in der Praxis taugt und wie es um die Bildqualität der Micro-Four-Thirds-DSLM bestellt ist.  (Benjamin Kirchheim)

Ergonomie und Verarbeitung

Zwar handelt es sich bei der Lumix DC-G9 um eine Micro-Four-Thirds-Kamera, aber Micro ist an der Kamera höchstens noch der Bildsensor. Die G9 ist nämlich nicht nur fast 1.700 Euro teuer, sondern auch ein amtlicher Klopper: Fast 14 Zentimeter breit, zehn Zentimeter hoch und neun Zentimeter tief. Damit übertrifft sie sogar die Vollformatkameras Sony Alpha 7R III und Alpha 9 mit ihrem in der Fläche viermal so großen Bildsensor um einen ganzen Zentimeter in der Breite, das Gewicht ist mit rund 660 Gramm ohne Objektiv nahezu gleichauf. Boden gutmachen im Sinne der Kompaktheit kann die Panasonic erst, sobald ein Objektiv angesetzt ist, denn aufgrund der halben Brennweite für denselben Bildausschnitt fallen diese natürlich viel kompakter aus als bei einer Vollformatkamera.

Dafür liegt die Panasonic G9 satt in der Hand und macht einen absolut robusten Eindruck. Das Gehäuse besteht nahezu komplett aus Metall und ist gegen das Eindringen von Staub und Spritzwasser mit Dichtungen versehen. Sie ist sogar besser abgedichtet als die Sony-Alpha-Kameras, was aber aufgrund der eher schlechten Abdichtung der Sony-Modelle kein Kunststück ist. Auch kräftige Regengüsse sind für die Panasonic kein Problem, Frost bis minus zehn Grad Celsius ebenso wenig. Voraussetzung ist selbstverständlich ein entsprechend abgedichtetes Objektiv, das mit dem Leica DG Vario-Elmarit 1:2.8-4.0/12-60 mm Asph. Power O.I.S. als Set mit der Kamera zu einem Gesamtpreis von knapp 2.300 Euro erhältlich ist. Es kam auch in unserem Test zum Einsatz und ist ein hervorragendes Standardobjektiv für die G9, denn es steht bei der perfekten Verarbeitung und dem modernen Design der Kamera in Nichts nach. Diese Kombination drückt übrigens, inklusive Speicherkarten, gut ein Kilogramm auf die Waage.

Der Griff der G9 ist wohlgeformt und schmiegt sich perfekt in die Hand. Er ist, wie auch die Kamera, ordentlich groß. Der großzügige und äußerst rutschfeste Gummiüberzug verbessert die Griffigkeit enorm, auch die deutliche Kerbe am oberen Ende trägt ihren Teil dazu bei, sodass die Kamera fest auf dem Mittelfinger aufliegt. Die G9 ist ein echter Handschmeichler, sogar der kleine Finger findet noch Platz. Auf der Rückseite gibt eine entsprechende, ebenfalls gummierte Daumenmulde Halt, auch die linke Gehäuseseite ist mit dem genarbten Gummi überzogen, selbst wenn die linke Hand besser unter dem Objektiv ruhen sollte.

Richtige Begeisterung lässt der enorm große und hochauflösende elektronische Sucher aufkommen. Er bietet eine 0,83-fache Vergrößerung im Kleinbildäquivalent – da kann weder eine ausgewachsene Vollformat-DSLR, noch eine spiegellose Vollformat-Systemkamera von Sony mithalten. Trotz der Größe bietet der Sucher mit 3,7 Millionen Bildpunkten eine sehr feine Auflösung. Die Bildwiederholrate beträgt wahlweise flüssige 60 oder äußerst flüssige 120 Bilder pro Sekunde, wobei letzteres natürlich mehr am Akku zehrt. Der Sucher ist zudem mit einer üppigen Augenmuschel versehen, die seitlich einfallendes Licht gut abdeckt. Der große Sucher lässt sich mit dem Auge nur so gerade eben komplett überblicken. Schaut man hingegen mit aufgesetzter Brille durch den Sucher, ist das Bild nicht mehr komplett zu sehen. Doch auch dafür hat Panasonic eine schlaue Lösung: Ein kleiner Knopf an der Seite des Suchers schaltet die genutzte Fläche in drei Stufen um. Auf kleinster Stufe ist das Sucherbild auch mit aufgesetzter Brille komplett zu sehen, allerdings natürlich insgesamt entsprechend kleiner und logischerweise auch niedriger auflösend. Der Kompromiss dürfte für Brillenträger dennoch der brauchbarste sein, sofern der Dioptrienausgleich nicht reicht.

Der rückseitige Monitor bietet mit seiner Diagonalen von 7,5 Zentimetern und einer Auflösung von 1,04 Millionen Bildpunkten hingegen nur Standardkost. Das 3:2-Seitenverhältnis ist ein guter Kompromiss zwischen dem 4:3-Sensorbild bei Fotos und 16:9 bei Videos. Dass die Helligkeit mit unter 700 cd/m² nicht gerade üppig ausfällt, sodass man bei Sonnenschein besser auf den brillanten Sucher zurückgreift, sei der Kamera verziehen. Praktischerweise handelt es sich um einen Touchscreen. Wie bei Panasonic üblich, lässt sich der Bildschirm seitlich schwenken und dann um 270 Grad drehen, was Aufnahmen aus allen möglichen Perspektiven erlaubt. Wer möchte, kann den Bildschirm zum Schutz auch verkehrt herum an die Kamera klappen, schließlich fungiert der Sucher auch als Menü- und Wiedergabeanzeige. Dank des LC-Status-Displays auf der Oberseite funktioniert das auch wunderbar, denn selbst, wenn man nicht durch den Sucher blickt, kann man die wichtigsten Parameter wie Belichtung, Empfindlichkeit, Weißabgleich etc. ablesen und verstellen.

Das einzige, was man mit dem verkehrt herum angeklappten Bildschirm verliert, sind die zusätzlichen Funktionstasten, die sich darauf einblenden lassen. Auch die Möglichkeit, den Autofokus mittels Fingertipper auf ein Motivdetail zu legen, was auch beim Blick durch den Sucher funktioniert, ist mit verkehrt herum angeklapptem Bildschirm natürlich nicht mehr möglich. Dafür bietet die G9 jedoch einen Joystick auf der Kamerarückseite. Außerdem gibt es einen Vierwegewähler mit griffigem umlaufendem Funktionsring, zwei Funktionsräder auf der Kameraoberseite, eines für den Daumen und eines für den Zeigefinger, sowie etliche weitere Schalter und Tasten, die sich teilweise frei mit Funktionen belegen lassen. Sehr praktisch ist auch der Funktionshebel auf der Kameravorderseite, neben dem Bajonett gut erreichbar für die linke Hand. Hier lässt sich eine Funktion durch Umschalten aktivieren, zum Beispiel der Nachtmodus mit Rotem Bildschirm und Sucherbild, der Selbstauslöser, die Stummschaltung, die Bracketingfunktion und vieles mehr.

Das Menü, über das man diese und viele andere Funktionen einstellen kann, ist jedoch durch die Funktionsvielfalt nicht gerade übersichtlicher geworden. Panasonic bemüht sich zwar um eine sinnvolle Gruppierung, aber viele Funktionen und Konfigurationsmöglichkeiten machen nun mal viele Menüpunkte erforderlich. So sind die Menüs auf mehrere übereinander angeordnete Kategorien und Seiten aufgeteilt, durch die sich scrollen lässt. Ein bisschen hilft das neue "Mein Menü" dabei, bevorzugte Menüpunkte schneller aufrufen zu können, da die sich hier speichern lassen.

Auf dem Monitor sowie im Sucher lassen sich diverse Informationen einblenden. Das sind nicht nur die Aufnahmeeinstellungen, sondern auch eine elektronische 3D-Wasserwaage, verschiedene Gitterlinienmuster und ein Live-Histogramm. Während die Belichtungsvorschau im Livebild in den Modi P, A und S direkt auf die Belichtungskorrektur reagiert, muss man in M dafür den Auslöser halb drücken. (In einer früher Version stand an dieser Stelle, dass die G9 keine vernünftige Belichtungsvorschau in M hätte, das lag aber offensichtlich an der nicht ganz finalen Firmwareversion unseres Testgeräts, denn bei einer weiteren G9, die wir inzwischen ausprobieren konnten, funktionierte die Belichtungsvorschau wie beschrieben mit halb gedrücktem Auslöser.)

Äußerst üppig ist die G9 mit Schnittstellen versehen. Auf der linken Seite gibt es einen Mikrofon- sowie einen Kopfhöreranschluss, die HDMI-Schnittstelle ist sogar gleich im A-Standard mit voller Größe ausgeführt. Warum Panasonic hingegen bei der USB-3.1-Schnittstelle auf den USB-C-Standard verzichtet und stattdessen die erweiterte Micro-USB-Buchse verwendet, erschließt sich uns nicht. Die ältere GH5 zeigt doch, dass Panasonic durchaus USB-C kennt. Immerhin lassen sich dadurch auch ganz normale Micro-USB-Stecker verwenden, um beispielsweise den Akku nachzuladen oder die Kamera mit Strom zu versorgen.

Der Lithium-Ionen-Akku wird auf der Kameraunterseite entnommen, wo das entsprechende Fach weit genug vom in der optischen Achse angeordneten Stativgewinde entfernt liegt. Mit seinen 14 Wattstunden liefert er Energie für immerhin 400 Aufnahmen nach CIPA-Standard, bei Verwendung des Suchers statt des Bildschirm sind es fünf Prozent weniger. Der Akku hält tatsächlich entsprechend lange durch und die Akkuanzeige ist ausreichend genau, auch wenn Prozentangaben statt vier Balken praktischer wären. Ein externes Ladegerät liegt der G9 bei, wobei auch dieses einen Micro-USB-Anschluss für die Stromversorgung verwendet. So lässt sich der Akku selbst extern ohne Steckdose, beispielsweise aus einer USB-Powerbank, nachladen. Das mitgelieferte USB-Netzgerät hat 1,8 Ampere.

Das Speicherkartenfach befindet sich genauso wie der Fernauslöseanschluss an der Griffseite der Kamera. Das Fach bietet zwei SD-Karten Platz und ist zu SDHC und SDXC sowie UHS I und UHS II kompatibel, wobei die maximale Schreibgeschwindigkeit von 106 MByte/s kaum über das Maß von UHS I hinauskommt. UHS II jedenfalls wird bei weitem nicht ausgeschöpft, hier ist noch deutlich Luft nach oben. Übrigens erlaubt die G9 auch den Anschluss eines Hochformatgriffs inklusive Akku. Damit lässt sich die Laufzeit der Kamera verdoppeln, auch die Handhabung für Hochformataufnahmen verbessert sich. Aufgrund des ohnehin schon großen Griffs und hohen Gewichts der Kamera bietet der Griff im Querformat außer der verlängerten Laufzeit jedoch keine Vorteile.

Fortsetzung auf Seite 2

Passende Meldungen zu diesem Thema

Artikel-Vorschläge der Redaktion