Spiegellose Systemkamera, Systemkamera

Testbericht: Panasonic Lumix DMC-G1

2008-12-11 Mit der Vorstellung der Lumix DMC-G1 sorgte Panasonic für viel Aufsehen, begründet sie als "EVIL-Kamera" doch ein völlig neues Systemkonzept. EVIL steht für Electronic Viewfinder interchangeable Lens, was auf Deutsch elektronische Sucherkamera mit Wechselobjektiven bedeutet. Die aktuelle Technik macht endlich möglich, wovon viele Anwender schon lange geträumt haben: eine kompakte Kamera, Flexibilität durch Wechselobjektive, eine genaue und schnelle Fokussierung direkt auf dem Sensor und ein hoch auflösender, elektronischer Sucher, der wirklich zeigt, was man aufnimmt – und nicht nur den Bildausschnitt wie ein klassischer Spiegelreflexsucher. Wir haben uns die Kamera im Test sehr genau daraufhin angesehen, ob sie technisch, bei der Bedienung, Geschwindigkeit und Bildqualität überzeugen kann.  (Benjamin Kirchheim)

Inhaltsverzeichnis

  1. Technische Daten

Ergonomie und Verarbeitung Die Lumix G1 orientiert sich weitgehend am klassischen und praktischen Design einer Systemkamera mit Handgriff und "Blitzbuckel". Panasonic setzt dabei wohl proportionierte und moderne Akzente. Die Kamera kommt sehr geradlinig mit einigen Rundungen und gekonnter Schlichtheit daher. Sie ist gerade so breit (124 mm) und hoch (83,6 mm), dass der 3" (7,7 cm) große Klapp- und Schwenkmonitor, der elektronische Sucher, die Bedienknöpfe und die Daumenauflage genügend Platz auf der Rückseite finden. Das Gehäuse selbst fällt aufgrund des geringen Auflagemaßes des Objektivbajonetts von 20 mm relativ flach aus (45,2 mm). Nach vorne stehen nur der Handgriff und der Blitz hervor – das jedoch nur so weit, wie es unbedingt nötig ist. Flache Pancake-Objektive – von einem zeigte Panasonic auf der vergangenen Photokina bereits einen Prototypen – würden hervorragend zur Kamera passen. Durch das flache Grundgehäuse ist der Handgriff auch ausreichend groß, um die Kamera sicher zu halten – nur wer äußerst große Pranken hat, wird vielleicht kein Freund der mit Kitobjektiv 620 g leichten G1 (Gehäusegewicht: 430 g).

Als Gehäusematerial setzt Panasonic hochwertigen Kunststoff ein. Er fühlt sich solide und zugleich geschmeidig an, als sei das Gehäuse mit einer Art angerautem Silikon oder Gummi behandelt. Die Daumenauflage ist zusätzlich mit einem Gummi abgesetzt, das keine genarbte Struktur aufweist und sich damit gut in das restliche, schnörkellose Kameradesign einfügt. Neben Schwarz gibt es die Kamera auch in dunklem Rot oder Blau. Besonders bei den farbigen Varianten fällt allerdings auf, dass die Schutzkappen der Anschlüsse aus einem anderen Kunststoff gefertigt sind. Der ist nicht nur leicht anders gefärbt, sondern im Gegensatz zum Material der Kamera auch äußerst kratzempfindlich. Das stört leider den sonst hochwertigen Eindruck. Mit den Farben wie mit dem Kamerakonzept generell spricht Panasonic ein neues Zielpublikum an: Umsteiger von Kompakt- und Bridgekameras, die sich vor einer großen und schweren DSLR scheuen, aber auch Frauen, die sonst eher Kompaktkameras bevorzugen. Aber auch der eine oder andere Besitzer einer DSLR wird sicher einen interessierten Blick auf die "schnuckelige" G1 werfen.

Von der Ausstattung mit Schnittstellen gibt sich die G1 fast wie eine DSLR: Das Stativgewinde auf der Kameraunterseite ist aus Metall und in der optischen Achse angeordnet. Allerdings muss die Stativplatte schon zu den kleineren gehören, um den Zugang zum Akkufach nicht zu verdecken. Hierin verbirgt sich ein recht klobiger Lithium-Ionen-Akku, der aber mit 7,2 V und 1.250 mAh immerhin über eine Leistung von 9 Wh verfügt. Das führt zu einer akzeptablen Laufzeit von 450 Bildern laut CIPA-Standardmessverfahren. Durch seine Bauform ist übrigens ein falsches Einlegen des Akkus ausgeschlossen; er rastet dann schlicht nicht ein. Für die Stativverwendung im Studio wurde kein Stromversorgungsanschluss vorgesehen, stattdessen gibt es einen optionalen Akkudummy. Auf der linken Kameraseite befinden gleich zwei Schnittstellenklappen: Hinter einer verbirgt sich ein Klinkenanschluss für eine (teure) Kabelfernbedienung, hinter der anderen sind die Anschlüsse für USB bzw. AV-Out und HDMI versteckt. Letzterer ist sehr praktisch für hoch auflösende Diashows, die FullHD-Auflösung von 1080p wird unterstützt. Auf der rechten Kameraseite befindet sich der SD-Karteneinschub, der selbstverständlich auch SDHC-Karten bis zu 32 GBytes Kapazität schluckt.

Die Bedienknöpfe sind ebenfalls denen einer DSLR ähnlich: Zahlreiche Rädchen und satt schmatzende, mechanische Schalter machen richtig Freude. Nicht ganz so gelungen ist dagegen das vordere Bedienrad am Handgriff. Es ist etwas schwergängig und wirkt ein wenig billig. Hinzu kommt, dass es zu glatt und damit für den Finger wenig griffig ist. Pfiffig ist die Möglichkeit, das Rad wie eine Taste auch drücken zu können. Durch Drehen am Rad wird beispielsweise die Verschlusszeit verstellt, drückt man einmal drauf, kann man anschließend die Blende verstellen. Die insgesamt zwölf Tasten auf der Kamerarück- und Oberseite sind sehr gut bedienbar.

Den meisten Platz auf der Kamerarückseite nimmt der 3" große Monitor ein, der ein Seitenverhältnis von 3:2 aufweist. Er ist sehr blickwinkelstabil, hell (mit automatischer Helligkeitsanpassung oder manueller Helligkeitswahl), löst mit 460.000 Bildpunkten ausreichend fein auf und zeigt ein brillantes Bild. Das Beste an dem Monitor ist aber sein Schwenk- und Klappmechanismus: Durch diesen spielt die Kamera ihre Vorteile des LiveViews erst so richtig aus. Bodennahe Aufnahmen oder Fotos über Menschenmengen hinweg sind so problemlos und ohne große Verrenkungen möglich. Zahlreiche Einblendungen informieren den Fotografen über wichtige Einstellungen, aber auch ein Histogramm oder verschiedene Gitter können eingeblendet werden und erleichtern die Bildkomposition. Zum Schutz vor Kratzern kann der Monitor mit der Innenseite zur Kamera hin angeklappt werden, was sich auch anbietet, wenn man den elektronischen Sucher bevorzugt.

Den Sucher der Panasonic Lumix DMC-G1 sollten auch Skeptiker des elektronischen Sucherprinzips einmal gesehen haben: Er löst 1,44 Millionen Bildpunkte auf – das ist die sechsfache Auflösung der sonst üblichen elektronischen Sucher. Umgerechnet entspricht das einer Auflösung von 800 x 600 Echtfarbpixeln. Und eigentlich handelt es sich auch um solche. Die G1 verwendet eine Suchertechnik aus dem Broadcastbereich (professionelle Fernsehkameras): Eine LED wechselt in schneller Folge die Farbe von Rot nach Blau nach Grün. Das erzeugte Licht wird an einer teildurchlässigen Scheibe auf einen LCD reflektiert. Die Reflexion jedes der 800 x 600 LCD-Pixel kann in seiner Stärke gesteuert werden. In genauso schneller Folge wie die Umschaltung der Lichtquellenfarbe wechselt auch das LCD sein Pixelmuster, wodurch nacheinander ein rotes, blaues und grünes Bild erzeugt und vom menschlichen Auge als Echtfarbbild wahrgenommen werden (siehe Illustration). Der Sucher kann dabei flüssige 60 Bilder pro Sekunde erzeugen und deckt den vollen NTSC-Farbraum ab. Ein weiterer Vorteil dieser Suchertechnik ist, dass man das übliche Gitter zwischen den Pixeln nicht mehr sieht.

Von der Größe entspricht der Sucher einem Vollformatsucher einer DSLR, der 0,7-fach vergrößert. Zwar kann der Sucher vom Schärfeeindruck nicht gegen einen Vollformat-DSLR-Sucher "anstinken", wohl aber gegen die recht kleinen Sucher diverser Einsteiger-DSLRs. Der Bildeindruck ist ein anderer, aber man sieht, was man gerade aufnimmt (Belichtungsvorschau, Histogramm, Gittereinblendung, Weißabgleich, 100 % Bildausschnitt auch im 3:2- oder 16:9-Format), muss das Auge auch zur Bedienung der Menüs nicht vom Sucher nehmen und kann sogar die aufgenommenen Bilder im Sucher betrachten. Auch die manuelle Scharfstellung ist pixelgenau möglich. Dabei hilft eine Lupe, deren Vergrößerung einstellbar ist. Etwas störend wirkt dabei allein das Bildrauschen bei dunkleren Lichtverhältnissen, die Verzögerung des Sucherbildes gegenüber dem Realbild beträgt nur rund 30 Millisekunden. Menschen mit einer Fehlsichtigkeit kommt der große Einstellbereich des Suchers von -4 bis +4 dpt entgegen. Sehr praktisch ist dabei der (abschaltbare) Augsensor, der den EVF bei Annäherung aktiviert.

Ausstattung Panasonic setzt eine neue Generation der Venus Engine ein, um den hohen Leistungsanforderungen aller Komponenten entsprechen zu können. Dabei handelt es sich um einen Dualprozessor, wie man ihn von Computern her schon länger kennt. Dadurch steht die nötige Rechenpower für Autofokus, hochauflösendes LiveView und selbstverständlich die vielen intelligenten Automatikfunktionen bereit, die eine moderne Lumix so bietet. Dazu gehören Gesichtserkennung, Motiverkennung, Bewegungserkennung, Kontrastoptimierung etc., so dass die Kamera alle Aufnahmeparameter optimal einstellen kann. Denn eine möglichst einfache Bedienung steht im Vordergrund dieser Kamera, die auch für qualitätsbewusste Käufer, die sich nicht mit der Technik auseinandersetzen wollen, vor keine Probleme stellen sollte. Dazu gehört auch der Orientierungssensor, der die Bilder automatisch dreht.

Dem Anwender stehen aber auch einige Motivprogramme zur Verfügung, falls er sich nicht auf die zuverlässige Automatik verlassen möchte. Neben der "Grobauswahl" auf dem Programmwählrad kann auch eine "Feinauswahl" im Menü erfolgen. Bei jedem der Programme Porträt, Landschaft, Makro, Sport und Nachtaufnahme kann man die Aufnahmesituation weiter spezifizieren, beispielsweise Porträt innen, Porträt außen, mit schöner Haut oder kreativ, bei Makro dagegen hat man die Auswahl zwischen Blumen, Speisen, Gegenständen oder einem Kreativmodus. Zwar scheint die Schachtelung auf den ersten Blick etwas übersichtlicher als 30 hintereinander aufgelistete Motivprogramme. Ob eine so feine Auswahl dem unbedarften Anwender aber eher hilft oder ihn verwirrt, sei dahin gestellt.

Der erfahrene Hobbyfotograf hat hingegen alle Einstellmöglichkeiten, die er auch von Spiegelreflexkameras gewohnt ist. Dazu gehört neben Halbautomatiken und manuellem Modus auch ein Zeigefingerrad am Handgriff, um wichtige Kameraparameter schnell verstellen zu können. Darüber hinaus bietet das Programmwählrad eine programmierbare Einstellung, mit der sich der Anwender seine bevorzugten Einstellungen speichern und jederzeit abrufen kann. Weitere Individualisierungsmöglichkeiten bietet die Kamera mittels der programmierbaren Fn-Taste auf der Kamerarückseite, einem Favoritenmenü, wo man seine bevorzugten Menüpunkte speichern und schneller abrufen kann, und generell den vielen Verstellmöglichkeiten im Menü. Der Benutzer kann beispielsweise wählen, wo die Informationsanzeigen im Sucher und auf dem Display dargestellt werden: nur unten oder oben und unten.

Flexibel gestaltet sich die Einstellung der Empfindlichkeit über die dedizierte Taste. Neben der intelligenten Automatik, die sowohl Kameraverwackelungen als auch Motivbewegungen erkennt und berücksichtigt, kann man die Automatik auf einen Maximalwert begrenzen. Hier bietet sich ISO 800 an, denn darüber nimmt das Rauschen deutlich zu (siehe Abschnitt Bildqualität). Aber auch eine manuelle Wahl für die volle Empfindlichkeitskontrolle ist möglich. Hier steht die G1 anderen Kameras in nichts nach, sogar eine 1/3 EV feine Abstufung ist möglich.

Interessant ist die Taste "Film Mode" auf der Kameraoberseite. Dahinter verbirgt sich nicht etwa eine Funktion zur Aufnahme von Bewegtbildern (die G1 hat keine Videofunktion), sondern die Möglichkeit, die Kamera auf verschiedene Filmprofile wie Natürlich, Farbenfroh, Schwarzweiß, Sepia etc. einzustellen. Wer gerne in dieser Richtung kreativ wird, findet vielfältige Einstellungsmöglichkeiten bis hin zur Definition eigener Filmprofile. Jeder Modus ist dabei individuell parametrisierbar. Konservative Naturen werden diese Taste vielleicht für überflüssig halten, aber das Q.Menü, das ebenfalls über eine Taste auf der Kameraoberseite aufgerufen werden kann, wird sicher jeder Anwender nützlich finden. Drückt man diese, kann man mittels der Pfeiltaste durch alle auf dem Bildschirm eingeblendeten Parameter wechseln und diese ohne Ausflüge ins Menü verstellen – selbst das Histogramm, sofern es aktiviert ist, lässt sich frei auf dem Bildschirm platzieren.

Auf diese Weise kommt man auch am schnellsten zu den Blitzeinstellungen. Hier bleiben kaum Wünsche offen. Damit der Blitz (mit einer von uns gemessenen Leitzahl 11,2) überhaupt zünden kann, muss er allerdings zuerst per Hand entriegelt werden – automatisch poppt er nicht auf. Neben einer Automatik kann man einen Aufhellblitz zuschalten oder eine Langzeitsynchronisation aktivieren. Darüber hinaus gibt es einen Vorblitz gegen rote Augen; besser wirkt allerdings die digitale Entfernung, die die Kamera ebenfalls beherrscht. Kreative Blitzer werden sich nicht nur über die Blitzbelichtungskorrektur freuen, sondern auch über die Möglichkeit, auf den zweiten Verschlussvorhang, also zum Ende der Belichtung, zu blitzen. Selbstverständlich gehört zu einer Systemkamera auch ein Systemblitzschuh, der sowohl Olympus- als auch Panasonic-TTL-Blitze (FL220, FL360 und FL500) aufnimmt. Die kürzeste Blitzsynchronzeit liegt generell bei 1/160 Sekunde. Das ist etwas schade, liegt aber daran, dass die Kamera noch über einen mechanischen Verschluss verfügt (näheres siehe Abschnitt Objektiv).

Die Serienbildfunktion ist hauptsächlich aufgrund der schnellen Schreibgeschwindigkeit auf die SD-Speicherkarte recht leistungsfähig – eine entsprechend schnelle SD-Karte vorausgesetzt. Im JPEG-Modus nimmt die Kamera locker 170 Aufnahmen am Stück bei 3,2 Bildern pro Sekunde auf – danach bricht die Geschwindigkeit auf immer noch respektable 1,8 Bilder pro Sekunde ein. Bei RAW-Aufnahmen ist hingegen schon nach fünf Bildern Schluss mit der "Geschwindigkeitsorgie" – danach bleiben nur noch klägliche 0,6 Bilder pro Sekunde, bis die Speicherkarte voll ist. Wer noch mehr Bilder mit konstanter Geschwindigkeit aufnehmen möchte, aber weniger als drei Bilder pro Sekunde braucht, kann die Geschwindigkeit im Menü drosseln.

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