Spiegelreflexkamera, Systemkamera
Testbericht: Sony Alpha 55V
2010-11-22, aktualisiert 2010-11-24 Am Markt scheint der Versuchsballon "SLT" von Sony zu zünden. Das behauptet jedenfalls Sony selbst. Aktuelles Spitzenmodell ist die Alpha 55V, die gegenüber der bereits von uns getesteten Alpha 33 zwei Megapixel mehr Auflösung, zehn statt sieben Serienbilder/s sowie ein eingebautes GPS mitbringt. Ob die SLTs zu Recht von Sony hochgejubelt werden, soll der Test der Alpha 55V zeigen. Dabei wurde die Kamera sowohl im Labor als auch in der Praxis unter die Lupe genommen. (Benjamin Kirchheim)
Ergonomie und Verarbeitung Wirkten schon Modelle wie die Sony Alpha 330 oder 380 recht pummelig bzw. bullig, so setzt die SLT Alpha 55V noch eins oben drauf. Sie ist zwar in Breite und Höhe etwas geschrumpft, nicht aber in der Tiefe. Das Design mag Geschmackssache sein, das trifft aber auch auf Material und Griffigkeit zu. Der verwendete Kunststoff ist durchaus hochwertig und tadellos verarbeitet, kann aber mit der kühlen Stabilität eines Magnesiumgehäuses nicht mithalten. Der Handgriff ist eher "niedlich", einer ausgewachsenen Männerhand fehlt ein wenig das "Volumen"; dennoch ist die Kamera durch den Einsatz von viel genarbtem Gummi einigermaßen sicher zu halten. Über den um den Auslöser angeordneten Drehring ist die 55V im Nu einsatzbereit. Die Knöpfe für Filmaufnahmen, die Belichtungskorrektur und die Blendeneinstellung bei manueller Belichtung sowie die AEL-Taste sind jedoch auf dem abgeschrägten Stück eher ungünstig platziert. Man erreicht sie nur krampfhaft, will man gleichzeitig das Einstellrad bedienen. Gut gelungen ist dagegen das Programmwahlrad links neben dem Sucher-/Blitzbuckel, es ist sehr griffig und rastet gut ein.
Beim SLT-Konzept arbeitet die Kamera dauerhaft im LiveView-Betrieb. Sie besitzt zwar ein normales DSLR-Bajonett für die Objektive und hat einen ca. 0,3-0,4 s schnellen Phasen-Autofokus sowie einen Spiegel. Der steht aber fest und ist teildurchlässig. Etwa 30 % des Lichts werden auf den Phasen-Autofokussensor gelenkt, die restlichen 70 % sind für den 16,1 Megapixel auflösenden CMOS-Sensor gedacht. Das LiveView-Konzept setzt Sony mit dem dreh- und schwenkbaren Bildschirm gut um. Mechanisch ist das allerdings nicht gut gelungen und damit der vielleicht größte Kritikpunkt am Gehäuse. Einerseits sitzt der Bildschirm angeklappt zu lose, d. h. er hat keine Rastposition, wie man es von anderen Klapp- und Schwenkbildschirmen gewohnt ist. Andererseits sorgt das unten angeordnete Gelenk dafür, dass man das Display im Stativbetrieb oder abgelegt auf einem festen Gegenstand fast nicht benutzen kann. Vorteil ist aber, dass der Bildschirm bei Boden- und Über-Kopf-Aufnahmen nicht neben der Kamera ist. An der eigentlichen Qualität des 3" (7,5 cm) großen Displays gibt es nichts auszusetzen. Es ist kontrastreich, stellt die Farben kräftig dar, löst mit 921.600 Bildpunkten äußerst fein auf und ist für Außeneinsätze ausreichend hell. Wem das nicht hell genug ist, der kann auf den noch feiner auflösenden Sucher zurück greifen, auf den sogar automatisch umgeschaltet wird. Von den schönen 1,44 Mio. Bildpunkten werden aufgrund des 3:2-Seitenverhältnisses allerdings nur 1,15 Mio. effektiv genutzt. Man sieht deutlich den "Trauerrand", auch wenn dieser wenigstens teilweise für Sucherinformationen verwendet wird. Von der Größe und Helligkeit her ist der Sucher vor allem in dieser Kameraklasse, d. h. verglichen etwa mit einer Canon EOS 550D oder Nikon D5000, ein wahrer Traum. Auch wenn man die Pixel noch sieht, ist manuelles Fokussieren danke Lupe sehr viel genauer möglich. In dunklen Umgebungen und beim Abblenden wird das Sucherbild aufgehellt. Es ist dann zwar verrauscht, aber man erkennt das Motiv besser als im dunklen SLR-Sucher.
Die Bedienung der Kamera geht einfach und weitgehend selbsterklärend von der Hand. Neben vielen Direkttasten für etwa ISO oder Weißabgleich könnte man allenfalls eine direkte Wahlmöglichkeit der Blitzfunktion vermissen, denn die Blitztaste dient ausschließlich dem manuellen Aufklappen. Wichtige Funktionen, die nicht auf Direktwahltasten liegen, wie beispielsweise die Blitzfunktion, sind ins Fn-Menü gewandert, wo man sie übersichtlich einstellen kann. Auch das Menü wirkt nicht überfrachtet und gut strukturiert, dank ausreichend horizontaler Reiter braucht man niemals vertikal zu scrollen.
Ausstattung Die Alpha 55V ist ein wahrer Tausendsassa. An dieser Stelle sei unbedingt die Lektüre des ausführlichen Tests der Alpha 33 empfohlen, denn viele der wichtigen Funktionen werden dort ausführlich erklärt. Die Ausstattung umfasst etwa eine Serienbildfunktion, die zehn Fotos pro Sekunde aufnehmen kann, wobei selbst der Autofokus ständig nachgeführt wird. Einzig die Speicherkarte stellt dann den Flaschenhals dar, denn selbst bei JPEG fallen über sieben Megabytes pro Bild an, und 70 Megabytes pro Sekunde schafft keine aktuelle SD- bzw. SDHC-Speicherkarte. Mit einer SDXC-Karte wären solche Schreibraten durchaus denkbar, sofern die Bildverarbeitung und das Speicherinterface der Kamera dabei mitkommen. Auch der Videofunktion kommt der schnelle Phasenautofokus gelegen. Man sollte aber aufpassen, dass man entweder ein leises Objektiv oder ein externes, akustisch entkoppeltes Mikrofon verwendet – den nötigen Stereoklinken-Anschluss jedenfalls besitzt die Alpha 55V. An dieser Stelle sollte aber nicht verschwiegen werden, dass die Blende bei Benutzung des Nachführ-Autofokus nur bis F3,5 geschlossen werden kann, lichtschwächere Objektive sind auf Offenblende beschränkt.
Genutzt wird die hohe Serienbildgeschwindigkeit auch bei Belichtungsreihen oder bei HDR-Aufnahmen, die die Kamera automatisch anfertigen kann. Hier werden in einstellbarer Stärke oder automatisch drei unterschiedlich belichtete Bilder aufgenommen und verrechnet, so dass der Dynamikumfang deutlich steigt. Das eignet sich allerdings nur für einigermaßen bewegungslose Motive, leichte Bewegungen fallen durch die schnelle Bildfolge jedoch nicht ins Gewicht.
Eine Besonderheit der Alpha 55V ist das eingebaute GPS, was das im Namen angehängte "V" erklärt. Damit ist sie die erste solche Systemkamera. Allerdings hat ein GPS-Ortungssystem einen Haken: Es braucht nach dem Einschalten prinzipiell recht lange, um den Standort zu ermitteln. Daher gibt es allerlei Tricks, entweder die Berechnung zu beschleunigen oder das GPS dauerhaft laufen zu lassen. Letzteres kostet logischerweise viel wertvolle Energie, die die Alpha 55V nicht hat. Sony hat sich wie bei der Kompaktkamera Cyber-shot DSC-HX5V dazu entschlossen, die Berechnung des Standorts durch eine aus dem Internet herunter ladbare Hilfsdatei zu beschleunigen. Diese ist auch bitter nötig, denn ohne konnte die Testkamera überhaupt keinen Standort berechnen – jedenfalls nicht in akzeptabler Zeit. Die Hilfsdatei, die die Bahndaten der GPS-Satelliten der jeweils nächsten 30 Tage enthält, kann entweder vom Picture-Motion-Browser (der mitgelieferten Software von Sony) oder manuell auf die Speicherkarte kopiert werden. Letzteres geht recht einfach, indem man die Datei "assisme.dat" herunter lädt (siehe weiterführende Links) und in den Ordner "PRIVATE/SONY/GPS/" auf der Speicherkarte kopiert. Das Verzeichnis muss angelegt werden, falls es nicht vorhanden ist. Mit dieser Hilfsdatei hat die Alpha 55V den Standort im Freien meist in weniger als einer Minute berechnet, mindestens werden aber laut Handbuch zehn Sekunden benötigt. Wichtig ist, dass die Kamerauhr sehr genau eingestellt wird, sonst funktionieren die Unterstützungsdaten nicht. Im Übrigen kann die Kamerauhr automatisch auf die GPS-Seit eingestellt werden (wofür aber erst einmal ausreichend Empfang nötig ist). Nimmt man Fotos mit Aufnahmestandort auf, werden die Koordinaten gemäß Standard in den EXIF-Daten abgelegt, die jedes geeignete Programm auswerten kann. Einen elektronischen Kompass hat die Alpha 55V nicht.
Bildqualität Das SLT-Konzept "frisst" 30 % des Lichts, d. h. etwa 0,6 Blendenstufen kommen weniger am Sensor an. Ob sich das negativ auf die Bildqualität auswirkt, wie gut überhaupt der 16,1 Megapixel auflösende CMOS-Sensor ist und wie das 18-55mm-Setobjektiv, haben wir im DCTau-Testlabor genauer untersucht. Die Ergebnisse mit allen Einzelheiten und Diagrammen, auf denen dieser Test und die Bewertung basieren, sind gegen ein kleines Entgelt abrufbar (siehe weiterführende Links). Das Rauschen ist tatsächlich im gesamten ISO-Bereich von 100 bis 12.800 genauso gut wie bspw. bei der Alpha 580, die denselben Bildsensor nutzt. Die Bildaufbereitung ist hervorragend, denn die Auflösung ist bei der Alpha 55V sogar minimal besser als bei ihrer Schwester. Das Rauschen hat Sony derart gut im Griff, dass es erst ab ISO 1.600 leicht und ab ISO 3.200 etwas mehr sichtbar wird. Selbst ISO 12.800 ist gut verwendbar. Dass dabei auch einige Bilddetails verloren gehen, ist angesichts der hohen Gesamtauflösung verschmerzbar.
Vor allem bei geringen Empfindlichkeiten erreicht die Alpha 55V eine hervorragende Pixelschärfe, einzig die Farben und Kontraste könnten in der Praxis noch etwas besser sein. Hier steckt noch Potential in den JPEGs, auf denen der Test basiert. Bei RAW hat der Fotograf sowieso alle Eingriffsmöglichkeiten. Die Eingangsdynamik erreicht mit knapp 9 Blendenstufen sehr gute Werte, die fast über den gesamten ISO-Bereich erhalten bleiben. Erst bei ISO 6.400 nähert sich die Eingangsdynamik von oben den 8 Blendenstufen, unterschritten werden sie erst bei ISO 12.800. Auf der Wiedergabeseite steht eine Torwertkurve mit leicht steileren Kontrasten in den Mittentönen und weichen Lichtern. Das Schwarz ist dagegen etwas zu wenig gesättigt, wodurch ein paar Tonwertabstufungen verschenkt werden; nichts, was man in der Bildbearbeitung nicht gerade biegen könnte. Die Scharfzeichnung hingegen geht mittelmäßig zu Werke, d. h. stark genug für knackige Bilder und schwach genug, um nicht zu Störeffekten wie Geisterlinien und Schwarz- oder Weißclipping zu führen.
Mit dem hoch auflösenden Sensor kommt das 18-55mm-Setobjektiv nicht ganz mit, schlägt sich aber immerhin im Bildzentrum wacker. Für den Einstieg ist es trotzdem nicht verkehrt. Die auflösungsschwächste Brennweite ist am langen Ende zu finden, dafür ist hier der Randabfall der Auflösung weniger stark ausgeprägt. Im Weitwinkel und bei mittlerer Brennweite hilft selbst Abblenden nur bedingt. Während sich die Randabdunklung in Grenzen hält und recht weich verläuft, ist die Verzeichnung zumindest im Weitwinkel sehr deutlich tonnenförmig. Das wirkt vor allem bei Architekturaufnahmen störend, da zum Bildrand parallel verlaufende Motivlinien sichtbar nach außen gekrümmt aufgezeichnet werden. Insgesamt kann man der Alpha 55V aber eine sehr gute Bildqualität attestieren, vor allem ein besseres Objektiv (wie bspw. das 50mm-Makro, von dem ebenfalls ein Labortest gegen geringe Gebühr vorliegt) kann auflösungstechnisch über das gesamte Bildfeld noch einiges aus dem Sensor herausholen.
Fazit Kurzbewertung
- Sehr gute Bildqualität (besseres Objektiv vorausgesetzt)
- Sehr großer, heller und detailreicher Sucher
- Herausragende Video- und Serienbildfunktion mit konkurrenzlosem Nachführ-Autofokus
- Vielseitige Ausstattung
- Stroboskop-Blitz als AF-Hilfslicht
- Pummeliges Erscheinungsbild
- Belichtungskorrekturtaste schlecht erreichbar (auch für Blendeneinstellung in "M")
- Schwacher GPS-Empfang
Technische Daten
Modell |
Sony Alpha SLT-A55V |
Sensor |
CMOS APS-C 23,6 x 15,8 mm (Cropfaktor 1,5) 16,7 Megapixel (physikalisch), 16,2 Megapixel (effektiv) |
Auflösung (max.) |
4.912 x 3.264 (3:2) |
Video (max.) |
1.920 x 1.080 50p |
Objektivanschluss |
|
Sucher |
vorhanden |
Monitor |
3,0", 0,922 Mio. Bildpunkte |
Belichtungsmessung |
Integral-, Spot- und Matrix-/Mehrfeld-Messung |
Belichtungsreihe |
automatisch, max. 3 Aufnahmen (0,3-0,7 EV Schrittweite), mit interner HDR-Verarbeitung |
Bildstabilisator |
Sensor-Shift (optisch) |
eingebauter Blitz |
ja |
Blitzanschuh |
Sony Alpha (auch Minolta) |
AV-Anschlüsse |
AV-Ausgang: ja |
GPS |
intern |
Serienbildfunktion |
max. 10,0 Bilder/s und max. 7 Aufnahmen in bester Qualität |
kürzeste Verschlusszeit |
1/4.000 s |
Autofokus |
Phasenvergleich |
Speicher |
Speicherkartenfach 1: SD |
Empfindlichkeit |
automatisch ISO 100 bis 1.600, manuell ISO 100 bis 12.800 |
Abmessungen |
124 x 92 x 85 mm (B x H x T) |
Gewicht |
500 g (betriebsbereit, ohne Objektiv) |
Online-Datenblatt |
https://www.digitalkamera.de/EAKOT (mit Preisvergleich) |