Spiegellose Systemkamera, Systemkamera

Testbericht: Sony Alpha 7R II

2015-09-29 Die Alpha 7R II stellt das neue Topmodell in Sonys Vollformat-Systemkamera-Line-Up dar. Sie verbindet dank neuester Sensortechnologie eine hohe Auflösung mit hohen ISO-Empfindlichkeiten und bietet zudem eine 4K-Videofunktion mit allerlei Einstellmöglichkeiten. Allerdings verlangt Sony für die Systemkamera auch einen stolzen Preis. Ob dafür die Versprechen auf eine hohe Bildqualität bei niedrigen wie hohen ISO-Empfindlichkeiten eingehalten werden und wie sich die spiegellose Systemkamera in der Praxis schlägt, verrät der ausführliche Test.  (Benjamin Kirchheim)

Ergonomie und Verarbeitung

Wie die Alpha 7 II besitzt auch die Alpha 7R II das verbesserte Gehäusedesign mit vergrößertem, ergonomischerem Handgriff. Trotzdem fällt sie für eine Vollformatkamera recht kompakt aus. Leicht ist sie mit ihren knapp 625 Gramm aber keineswegs, was angesichts der geringen Gehäuseabmessungen sogar zu einem gefühlt noch robusteren Gehäuse führt. Einen echten Schutz mittels Dichtungen gegen Spritzwasser und Staub besitzt die Alpha 7R II indes nicht, was sie in ihrer Preisklasse im negativen Sinne einzigartig macht. Lediglich ein nicht näher beschriebener Feuchtigkeitsschutz soll verbaut sein. Ob des kleinen Gehäuses kommt leider auch nur ein recht kleiner Lithium-Ionen-Akku zum Einsatz, der für nicht einmal 300 Aufnahmen ausreichend Saft liefert. Optional lässt sich die Alpha jedoch mit einem zweiten Akku bestücken, wenn der optional erhältliche Vertikalgriff angeschraubt wird. Sony macht aus der Not eine Tugend und legt gleich einen zweiten Wechselakku bei. Es lassen sich sogar beide Akkus gleichzeitig laden, da sowohl eine externe Ladeschale beiliegt als auch der Micro-USB-Anschluss eine Aufladung in der Kamera ermöglicht. Apropos Anschlüsse: Die beiden Kunststoffklappen mit Gummischarnier wirken nicht gerade hochwertig. Auch auf eine Beschriftung hat Sony verzichtet. Hinter der vorderen verbergen sich zwei 3,5-mm-Stereoklinken-Anschlüsse in Form eines Mikrofonein- und eines Kopfhörerausgangs. Hinter der zweiten Klappe ist neben dem Micro-USB-Anschluss auch die Micro-HDMI-Schnittstelle zu finden, die auch eine Livebildausgabe beherrscht und im Videomodus eine externe Bildaufzeichnung ohne Einblendungen erlaubt. Die Micro-USB-Schnittstelle erlaubt nicht nur die Ladung des eingelegten Akkus, sondern auch die Datenübertragung sowie die Fernauslösung der Alpha 7R II.

Mit Drehrädern und Knöpfen geizt Sony trotz der kleinen Gehäuseabmessungen nicht, sie lassen sich zudem gut bedienen. Ausgerechnet der Auslöser besitzt jedoch einen viel zu schwammigen ersten Druckpunkt, sodass man im Eifer des Gefechts schonmal versehentlich auslöst, statt nur zu fokussieren und den Fokus bis zum richtigen Auslösemoment zu halten. Die Gummierung des Griffs wirkt indes etwas billig, doch gut festhalten und bedienen lässt sich die spiegellose Systemkamera allemal. Neben dem vorderen Einstellrad gibt es auch ein hinteres. Zusätzlich ist die Vierwegewippe mit einem griffigen dritten Wählrad versehen, das sich individuell belegen lässt. Des Weiteren befindet sich in Reichweite des Daumens das Belichtungskorrekturrad, das, obwohl es recht schwergängig ist, im Testbetrieb zuweilen unbeabsichtigt eine Belichtungskorrektur vornahm. Das fünfte Rad am Wagen, Pardon, der Kamera, ist das Programmwählrad, auf dem sich, trotz des "professionellen" Preises von knapp 3.500 Euro, auch ein Automatikmodus sowie Motivprogramme befinden (dazu später mehr). Dazu gesellen sich zwei individuelle Speicherplätze auf dem Programmwählrad und vier offensichtlich programmierbare Tasten. Zusätzlich lassen sich aber auch weitere Bedienelemente den eigenen Bedürfnissen anpassen.

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Sogar das Schnellmenü, das den einen oder anderen Gang ins üppige Kameramenü erspart, kann individuell angepasst werden. Letztlich bedient sich dadurch aber auch jede Alpha 7R II anders und es ist schwer, den Überblick zu behalten. Das etwas chaotisch sortierte Menü trägt seinen Teil dazu bei. So sind etwa die Einstellungen für den Fokus auf diverse Menüseiten weit verstreut. Der Fokusmodus wird im Aufnahmemenü 3 gewählt, die Fokushilfe hingegen im Einstellungsmenü 1 und die Farbe der Kantenanhebungsstufe wiederum im Einstellungsmenü 2. Ob mit dem Auslöser oder einer gesonderten Taste fokussiert werden soll, wird dann wieder im Einstellungsmenü 5 festgelegt, wobei sich im Einstellungsmenü 7 wählen lässt, welche Taste diese Funktion übernimmt. Es gibt aber noch zahlreiche weitere Einstellungen den Fokus betreffend, die sich auf noch anderen Menüseiten befinden. Und das ist nur ein Beispiel. Immerhin muss in den Menüs nicht auch noch vertikal gescrollt werden, die sechs Hauptkategorien unterweilen sich in jeweils bis zu neun einseitige, nummerierte Registerkarten.

Bei aller Kritik an der Bedienung: Hat man sich die Kamera erstmal auf die eigenen fotografischen Vorzüge maßgeschneidert, lässt sie sich schnell und ergonomisch bedienen, das Hauptmenü wird man dann auch kaum noch benötigen. Der Bildschirm ist nach oben und unten klappbar, er bleibt dabei hinter der Kamera. Nur für das Querformat oder Selfies wäre ein Schwenk-Drehbildschirm noch besser geeignet. Der Monitor kann aber auch als reines Info-Display dienen. Eine Touchfunktion fehlt hingegen. Nimmt man den Sucher ans Auge, so aktiviert sich dieser dank Näherungssensor automatisch, der Bildschirm wird ausgestellt. Wie es sich für eine Kamera mit Kleinbildsensor gehört, ist der OLED-Sucher mit einem 0,78-fachen Vergrößerungsfaktor ordentlich groß – und das obwohl die absolute Suchergröße beim elektronischen Sucher nicht mehr abhängig vom Sensorformat ist. Mit knapp 2,4 Millionen Bildpunkten löst das OLED sehr fein auf und bietet einen hohen Kontrastumfang und gute Dynamik. Allerdings können empfindliche Naturen in hellen Bildbereichen ein leichtes Flimmern wahrnehmen. Brillenträger, denen die große Dioptrienkorrektur nicht ausreicht und daher mit Brille in den Sucher blicken, müssen mit leichten Abschattungen in den Ecken leben.

Ausstattung

Obschon die Sony Alpha 7R II mit 3.500 Euro einen sportlich-professionellen Preis besitzt, bietet sie auch absoluten Einsteigern die nötigen Automatikfunktionen. Wer sich mit Aufnahmeparametern nicht beschäftigen möchte, bekommt auf Knopfdruck in der Vollautomatik oder den Motivprogrammen trotzdem eine technisch hohe Bildqualität. Doch auch für Profis kann das praktisch sein, falls es einmal schnell gehen muss und die Kamera gerade etwas verkonfiguriert ist. Selbst das Belichtungskorrekturrad ist in der Vollautomatik wirkungslos. Zudem verfügt die A7R II über den bekannten Schwenkpanoramamodus von Sony. Man sollte die Kamera dabei nicht zu langsam bewegen. Anhand des "Radaus" ist dieser Modus unüberhörbar. Es wird der Serienbildmodus mit seinen rund fünf Bildern pro Sekunde verwendet – und das obwohl die Alpha 7R II einen elektronischen Verschluss bietet, nur lässt er sich im Schwenkpanoramamodus nicht aktivieren. Der mechanische Verschluss arbeitet wie der elektronische mit bis zu 1/8.000 Sekunde kurzen Verschlusszeiten. Auch beim mechanischen Verschluss, der zur Verhinderung des Rolling-Shutter-Effekts unabdingbar ist, lässt sich ein elektronischer erster Verschlussvorhang aktivieren. Dieser ist auch empfehlenswert, verhindert er doch Erschütterungen durch den Verschluss schon vor der Auslösung. Gab es beim Vorgängermodell Alpha 7R dadurch noch Mikrounschärfen im Bild, so wird dies jetzt recht effektiv verhindert. Etwas leiser wird die Auslösung dadurch obendrein.

Versierte Fotografen haben in den Kreativprogrammen vollen Zugriff auf die Einstellung aller Kameraparameter. Dazu gehört beispielsweise auch die Anpassung der automatischen ISO-Empfindlichkeit nicht nur im Regelbereich, sondern auch die minimale Verschlusszeit lässt sich anpassen, um beispielweise längere oder kürzere Belichtungszeiten zu erreichen, bevor die Empfindlichkeit raufschaltet. Auch bei manueller Belichtung steht die ISO-Automatik zur Verfügung, sogar das Belichtungskorrekturrad behält seine Funktion. Ein echtes Plus der Sony Alpha 7R II ist ihr beweglich gelagerter Bildsensor. Dank Fünf-Achsen-Messung arbeitet der Bildstabilisator mit jedem angesetzten Objektiv äußerst effektiv. Zusätzlich lassen sich ein optischer Bildstabilisator und die interne Stabilisierung kombinieren, was vor allem bei langen Telebrennweiten zu Vorteilen führt. Das Sucherbild indes wird selbst bei stabilisierten Objektiven erst bei halb gedrücktem Auslöser stabilisiert.

Auch bei Videoaufnahmen ist der mechanische Bildstabilisator aktiv und verhindert so einen Bildbeschnitt eines elektronischen Stabilisators. Die Videoaufnahmetaste erlaubt jederzeit Bewegtbildaufnahmen mit Ton. Auch wenn die Alpha 7R II einen Mikrofonanschluss besitzt, verfügt sie zusätzlich über ein integriertes Stereomikrofon. Dreht man das Programmwählrad auf den Videomodus, so erlaubt die Alpha 7R II deutlich mehr Einstellmöglichkeiten inklusive manueller Tonpegelaussteuerung und manueller Belichtung. Als Speicherformat stehen AVCHD (bis Full-HD mit 50p und 24 Mbit/s), MP4 (bis Full-HD mit 50p und 28 Mbit/s), XAVC S HD (bis Full-HD mit 100p und 50 Mbit/s) sowie XAVC S 4K (bis 4K mit 25 p und 100 Mbit/s) zur Verfügung. Bei der Einstellung PAL statt NTCS lassen sich sogar noch etwas höhere Bildraten aktivieren. Die Videobildqualität macht einen sehr scharfen und hochauflösenden Eindruck, auch die Fokusnachführung funktioniert dank der Phasen-AF-Sensoren auf dem Bildsensor gut. Überhaupt: Gegenüber dem Vorgängermodell fokussiert die Alpha 7R II dank ihrer 399 Phasen-AF-Sensoren recht schnell und vor allem zielsicher. Obschon mit 0,45 Sekunden vom Drücken des Auslösers bis zum aufgenommenen Foto bei der Alpha 7R II immer noch mehr als doppelt so viel Zeit vergeht wie bei den schnellsten spiegellosen Systemkameras. Im Vollformat müssen jedoch größere Glasmassen bewegt werden – und das bei 42 Megapixeln Auflösung auch noch sehr präzise.

Ganz professionell gibt sich die Sony Alpha 7R II auch beim Blitz – im positiven wie im negativen Sinne. Einen eingebauten Blitz besitzt sie nicht, auch ein kleiner Aufsteckblitz gehört nicht zum Lieferumfang. Dank des Multi-Interface-Zubehörschuhs lassen sich aber externe TTL-Systemblitze anschließen. Diese erlauben dann sogar die Drahtlosblitzsteuerung. Schade, mit einem Bordblitz hätte man diese ohne "schweren Klotz" auf der Kamera mit Bordmitteln steuern können. Die kürzeste Synchronzeit liegt bei 1/250 Sekunde, aber auch eine Highspeed-Synchronisation ist mit entsprechenden Blitzen möglich. Blitzbelichtungskorrektur, Blitzen am Ende der Belichtung und eine Langzeit-Synchronisation sind selbstverständlich ebenfalls vorhanden.

Im Serienbildmodus ist es interessanterweise egal, ob man in Raw oder in bester JPEG-Qualität fotografiert. Im Raw-Modus ist die Sony Alpha 7R II sogar minimal leistungsfähiger. Es kann ein Bild mehr in der "schnellen" Serie mit fünf Bildern pro Sekunde aufgenommen werden und im folgenden, behäbigen Dauerlauf ist die 7R II bei Raw auch minimal schneller als in JPEG. Sehr wahrscheinlich dürfte sich das aber beim unkomprimierten Raw, das demnächst per Firmwareupdate nachgeliefert werden soll, umkehren. Denn momentan komprimiert die Sony trotz Rohdatenformat verlustbehaftet. So oder so braucht die Kamera nach Ende der Aufnahmeserie eine längere Schreibpause, bis die Datenmengen auf der Speicherkarte gelandet sind. Vorher kann man sich die Bilder nicht anschauen. In der Wiedergabe gibt es übrigens keine Bearbeitungsmöglichkeiten. Nur eine Bildvergrößerung sowie das Anzeigen überbelichteter Bildpartien ist möglich.

Dank eingebautem WLAN können Bilder direkt an Smartphones oder Tablets mit iOS oder Android gesendet werden. Durch den verbauten NFC-Chip kann die Verbindung mit Android-Geräten besonders einfach hergestellt werden. Die passende App von Sony erlaubt auch die Fernsteuerung der Kamera inklusive Livebildübertragung. Für professionelle Aufnahmen ist allerdings eher die USB-Fernsteuermöglichkeit vom Computer aus gedacht. Apropos Apps: Auch die Kamera selbst kann mittels Apps erweitert werden, auch wenn teilweise der Eindruck entsteht, dass man hier für Funktionen extra zahlen muss, die andere Kamerahersteller bereits im Standardmenü bieten. Einige der Apps von Sony sind jedoch auch kostenlos. Wer Spezialfunktionen in der Kamera vermisst, sollte also unbedingt einen Blick auf die Apps werfen.

Fortsetzung auf Seite 2

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