2014-10-08 Mit der Alpha 7S beschert Sony der A7-Familie ein drittes Modell, das mit zwölf Megapixeln äußerst zurückhaltend auflöst. Dafür lässt sich die ISO-Empfindlichkeit in schwindelerregende Höhen hochschrauben. Und damit nicht genug: die Alpha 7S wartet mit Ausstattungsmerkmalen auf, die bislang professionellen Videokameras vorbehalten waren. Damit könnte sich die spiegellose Vollformatkamera als eierlegende Wollmilchsau erweisen, wenn gleichermaßen Videos und Fotos aufgenommen werden sollen und eine hohe Auflösung nicht so wichtig ist. Ob die Alpha 7S tatsächlich derart flexibel ist und gar als Nachtsichtgerät taugt, haben wir in der Praxis ausprobiert sowie im Testlabor von digitalkamera.de geprüft. (Martin Vieten)
Für eine Vollformatkamera äußerst kompakt und dennoch ergonomisch griffig fällt Sony Alpha 7S aus. [Foto: MediaNord]
Die Sony Alpha 7S besitzt ein in der Front verstärktes Magnesium-Aluminium-Gehäuse, damit auch große und schwere Videoobjektive die Kamera nicht verformen. [Foto: MediaNord]
Die Sony Alpha 7S wartet mit einem drei Zoll großen Klappbildschirm auf. [Foto: MediaNord]
Auch wenn die Sony Alpha 7S vor allem für eine Vollformatkamera sehr kompakt ausfällt, ist sie aufgrund der klobigen Vollformatobjektive, hier das lichtschwache Standardzoom mit 28-70 mm, nicht wirklich jackentaschentauglich. [Foto: MediaNord]
Das Stativgewinde der Sony Alpha 7S ist aus Metall und sitzt ordnungsgemäß in der optischen Achse. [Foto: MediaNord]
Ergonomie und Verarbeitung Sony macht es sich leicht. Anstatt seinem jüngsten, spiegellosen Spross ein eigenständiges Gehäuse zu spendieren, packen die Ingenieure die neue Technik einfach in das Kleid der Alpha 7R – und fertig ist die Alpha 7S. Gut, etwas überarbeitet hat Sony das Gehäuse der Alpha 7S schon, es ist mit einem Leergewicht von 446 Gramm rund 40 Gramm schwerer als das der Alpha 7R. Verantwortlich für die Gewichtszunahme ist eine stärkere Frontpartie sowie ein stabileres Bajonett – beides soll dafür sorgen, dass ein schwergewichtiges (Video-) Objektiv das schlanke Gehäuse der Alpha 7S nicht aus der Form bringt. Dafür sorgt übrigens auch das Material, die Kamera ist weitgehend aus einer äußerst zähen aber leichten Magnesium-Aluminium-Legierung gefertigt.
Nichts Neues im Vergleich zur Alpha 7 und Alpha 7R gibt es dagegen von der Bedienung zu berichten. Sony setzt das bewährte Konzept bei der Alpha 7S konsequent fort. Dazu gehört ein Einstellrad nur für die Belichtungskorrektur ebenso wie ein Schnellmenü, das sich komplett an die eigenen Vorstellungen anpassen lässt. Ferner gibt es eine Reihe von Drehreglern und Knöpfen, die ebenfalls weitgehend frei konfigurierbar sind. Die Grundkonfiguration stellt man schnell über ein Moduswählrad ein. Hier finden sich auch zwei Speicherplätze für individuelle Kamerakonfigurationen. Hat man die vielen Knöpfe und Regler sowie die Slots im Schnellmenü erst einmal mit den besonders häufig benötigten Funktionen belegt, muss man das Hauptmenu der Kamera nur noch selten aufsuchen. Falls doch einmal, findet man sich darin schnell zurecht. Sony hat das Menü fein säuberlich in Register strukturiert, ellenlange Listen, in denen man sich verirren könnte, gibt es nicht.
Obwohl die Alpha 7S für eine Kleinbildkamera geradezu zierlich ist, liegt sie gut in der Hand. Dafür sorgen unter anderem eine breite, gut ausgeformte Griffwulst sowie eine griffige Daumenauflage auf der Rückseite – und natürlich das vergleichsweise geringe Gewicht der Kamera. Front- und Daumenrad sowie einige weitere Bedienelemente lassen sich gut vom Zeigefinger beziehungsweise Daumen erreichen, das Einstellrad auf dem Rücken hat Sony allerdings arg tief angeordnet. Für besonders groß geratene Fotografenhände mag die Alpha 7S vielleicht ein wenig zierlich sein – aber dann gibt es ja noch den Vertikalgriff VG-C1EM, er verleiht nicht nur zusätzlichen Halt sondern nimmt auch noch einen zweiten Akku auf.
Wie schon ihre Schwestern Alpha 7 und Alpha 7R begeistert auch die Alpha 7S mit einem großen, klaren Sucherbild, bei dem man meist vergisst, dass es elektronisch erzeugt wird. Bei Tageslicht reagiert der elektronische Sucher schnell und unmittelbar, fast schon so direkt wie ein optischer Sucher, jedoch mit dem Vorteil, dass er Fehleinstellungen der Kamera sichtbar macht. Im Dunkeln ruckelt das Sucherbild zwar wahrnehmbar, verrauscht oder gar grieselig wirkt es jedoch nicht. Alternativ zeigt die Alpha 7S das Sucherbild auf dem rückwärtigen Display. Dabei schaltet sie automatisch vom EVF aufs Display um, sobald die Kamera vom Auge genommen wird. Der Monitor ist mit einer Diagonalen von drei Zoll angenehm groß und löst mit nahezu einer Million Bildpunkten zeitgemäß hoch auf. Er lässt sich nach oben und unten klappen, jedoch nicht zur Seite schwenken.
Die Anschlüsse für USB und HDMI sowie Mikrofon- und Kopfhörerbuchsen hat Sony links an der Kamera unter ordentlich schließenden Klappen verborgen. An der rechten Kameraseite, ebenfalls unter einer robusten Klappe, sitzt das Speicherkartenfach. Es nimmt wahlweise eine SD/SDHC/SDXC-Karte oder einen MemoryStick auf. Der Lithium-Ionen-Akku wird an der Unterseite eingelegt, seine Reichweite ist mit maximal 380 Aufnahmen etwas knapp. Immerhin legt Sony der Alpha 7S eine ordentliche Ladeschale bei. Mit der kann man – anders als bei einem USB-Netzteil – einen Akku laden, während ein zweiter bereits wieder in der Kamera seinen Dienst verrichtet. Schön auch, dass das Akkufach selbst bei angesetzter Schnellwechselplatte zugänglich bleibt und dass Sony das Stativgewinde sauber in der optischen Achse angeordnet hat.
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Ausstattung Das Äußere der Alpha 7S unterscheidet sich praktisch nicht von dem der Alpha 7R und der Alpha 7. Doch beim Funktionsumfang hat die Alpha 7S einiges mehr zu bieten – vor allem wenn es um Videoaufnahmen geht (dazu gleich mehr). Zunächst einmal bringt sie aber im Großen und Ganzen alle Funktionen mit, die ihre beiden älteren Schwestern auch zu bieten haben. Dazu zählt etwa eine intelligente Vollautomatik, die einem praktisch jegliche Einstellarbeit abnimmt. Man kann die Alpha 7S also ruhigen Gewissens auch einmal weniger versierten Fotografen in die Hand drücken. Hinzu kommen die inzwischen bei Sony üblichen Assistenten, mit deren Hilfe Panorama-Aufnahmen oder HDR-Fotos fast von alleine entstehen. Ebenfalls an Bord ist ein ganzer Strauß an Effektoptionen, ohne die heute offenbar selbst eine Kamera mit dem professionellen Anstrich einer Alpha 7S nicht auskommen kann.
Was die Alpha 7S mehr kann, verrät sie erst bei intensiver Erkundung des Hauptmenüs. Etwa bei der ISO-Einstellung: Die Empfindlichkeit lässt sich bei ihr auf eine schwindelerregende Höhe von ISO 409.600 hochschrauben. Ob eine derart hohe ISO-Empfindlichkeit noch brauchbare Ergebnisse liefert, steht auf einem anderen Blatt (mehr dazu im Abschnitt „Bildqualität“). Die ISO-Automatik erlaubt jedenfalls die Wahl der allerhöchsten Stufe, lässt jedoch auch auf einen Höchst- und Mindestwert begrenzen. Etwas schade ist da, dass sich nicht alternativ eine Verschlusszeit vorgegeben lässt, die die Kamera nicht unterschreiten darf – so mancher Sport- und Actionfotograf würde sich eine derartige Funktion vielleicht wünschen. Anderseits: Eine Actionkamera ist die Alpha 7S sowieso nicht. Trotz ihrer recht geringen Auflösung und der damit verbundenen überschaubaren Datenrate, schafft sie im Serienbildmodus gerade einmal rund 5 Bilder pro Sekunde (fps) – unabhängig davon, ob im Raw- oder im JPEG-Format aufgezeichnet wird. Wenigstens beschert die geringe Datenmenge der Alpha 7S einen langen Atem: Es bedarf schon 99 JPEG-Aufnahmen, bis sie vom schnellen Spurt in den Dauerlauf mit rund 3 fps fällt – bei Raw-Aufnahmen ist jedoch bereits nach 25 Serienbildern Schluss mit dem „Sprint“.
Den mechanischen Verschluss hat die Alpha 7S offenbar von der 7R geerbt. Jedenfalls rumst es ordentlich, wenn man eine Aufnahme auslöst – das schlanke Gehäuse der Kamera hat dem Verschluss eben nur wenig dämpfende Masse entgegenzusetzen. Wen das stört, der findet jedoch bei der Alpha 7S eine Alternative zum Heavy Metal: Als erste Systemkamera von Sony bietet sie einen vollelektronischen Verschluss, der absolut erschütterungsfrei und lautlos auslöst. Das macht nicht nur sehr dezentes Fotografieren möglich, sondern lässt auch eventuell störende Schwingungen gar nicht erst aufkommen. Allerdings sperrt der „silent shutter“ einige Funktionen, so sind mit ihm keine Blitzlichtaufnahmen möglich, die Multiframe-Rauschminderung oder HDR-Automatik arbeiten ebenfalls nicht mit dem vollelektronischen Verschluss zusammen.
Sieht man einmal von der Panasonic GH4 ab, ist derzeit wohl kaum eine andere Digitalkamera derart auf die Aufnahme professioneller Videos ausgerichtet, wie die Sony Alpha 7S. Beide zeichnen sie Videos maximal in 4K-Auflösung auf, die Alpha 7S allerdings nur auf ein externes Aufnahmegerät. Den professionellen Videofilmer mag das nicht weiter stören, dem anspruchsvollen Fotografen nimmt diese Beschränkung allerdings eine wichtige Möglichkeit: einfach einen kurzen Clip aufzuzeichnen und daraus dann Standbilder mit gut acht Megapixel Auflösung zu extrahieren. Sony hat den Vollformat-Sensor der Alpha 7S so ausgelegt, dass bei Filmaufnahmen jede Zeile auf dem Bildwandler komplett ausgelesen wird. Dieses „full pixel red-out“ ohne „line skipping“ oder „pixel binning“ verbessert die Bilddarstellung und minimiert den „rolling shutter effect“. Video-Profis wird zudem freuen, dass die Alpha 7S Timecodes aufzeichnet, wahlweise im Modus „Record Run“ oder „Free Run“.
Dass Sony bei der Entwicklung der Alpha 7S vor allem den anspruchsvollen Videofilmer im Visier hatte, zeigt sich an einer ganzen Reihe weiterer Funktionen, die bei filmenden Digitalkameras bislang unüblich oder gar völlig unbekannt sind. So bringt die Alpha 7S sieben Speicherplätze für Bildprofile mit. Diese Bildprofile haben wenig mit den aus der Digitalfotografie bekannten „Bildstilen“ zu tun. Sie erlauben vielmehr sehr differenzierte Eingriffe in die Gammakurve, die Detailwiedergabe, die Bildsättigung etc. Pro Bildprofil lassen sich neun Parameter von Farbmodus über Gamma bis zum Schwarzpegel einstellen. Die Einstellungen gelten übrigens auch für Foto-Aufnahmen, sodass parallel zum Film aufgezeichnete Stills eine identische Farb- und Kontrastanmutung erhalten. Sony hat die sieben Speicherplätze mit verschiedenen Einstellungen vorkonfiguriert, das spart dem Videofilmer in der Regel einige Einstellzeit.
Der Vollformat-Bildsensor der Sony Alpha 7S löst lediglich 12 Megapixel auf. [Foto: MediaNord]
Schlank und rank: die Sony Alpha 7S. [Foto: MediaNord]
Das Speicherkartenfach der Sony Alpha 7S öffnet seitlich. Hier kann wahlweise eine SD/SDHC/SDXC-Karte oder ein MemoryStick eingesetzt werden. [Foto: MediaNord]
Der Lithium-Ionen-Akku der Sony Alpha 7S wird unten entnommen, er reicht lediglich für gut 380 Aufnahmen. [Foto: MediaNord]
Verzichten muss man bei der Alpha 7S auf ein integriertes Blitzlicht, einen Blitzschuh hat sie aber natürlich an Bord. Wird sie über ihn mit einem externen Blitzgerät ausgestattet, lässt das Blitzsystem kaum Wünsche offen. Die Alpha 7S versteht sich zum Beispiel auf Langzeit-Synchronisation und kann entfesselte Systemblitzgeräte drahtlos steuern. Die kürzest mögliche Synchronzeit beträgt 1/250 Sekunde, mit entsprechenden Blitzgeräten stellt Sony aber auch einen HSS-Modus mit wesentlich kürzerer Blitzsynchronzeit bereit. Wie bei Sony üblich ist auch die Alpha 7S nur sehr mager mit Bearbeitungsmöglichkeiten im Wiedergabemodus ausgestattet. Immerhin lässt sich der Funktionsumfang der Kamera im Wiedergabe- und Aufnahmemodus mit Kamera-Apps erweitern. Wifi hat die Alpha 7S ebenfalls an Bord, darüber lässt sie sich via Smartphone oder Tablet fernsteuern.