Spiegelreflexkamera, Systemkamera
Testbericht: Sony Alpha 850
2010-01-06 Sonys Alpha 850 ist unverkennbar die kleine Schwester der Alpha 900 – und die derzeit günstigste Vollformatkamera. Dabei hat Sony den Rotstift bei eher unwesentlichen Ausstattungsmerkmalen angesetzt. Geblieben ist es bei einem Sensor mit knapp 25 Megapixeln Auflösung, auch das kantige, gleichwohl sehr gut handhabbare Gehäuse hat sich nicht geändert – zumindest auf den ersten Blick. Wir haben genauer hingesehen und decken in unserem Kompakttest auf, welche Abmagerungskur die Alpha 850 über sich ergehen lassen musste. Dabei sind wir auch der Frage nachgegangen, ob eventuell die Bildqualität unter dem Sparzwang gelitten hat. Oder ob Sony vielmehr der Alpha 850 die Fähigkeit mitgegeben hat, noch bessere Bilder zu liefern als ihre große Schwester. (Martin Vieten)
Ergonomie und Verarbeitung Stellt man die Alpha 850 neben die ältere Alpha 900 (die weiterhin im Programm bleibt – ausführlicher Test siehe weiterführende Links), so gleichen sich beide Kameras wie zwei eineiige Zwillinge. Ihr Design wird bestimmt von einem kantigen Prismendom, mit dem die Alpha 850 wie ein unverwüstliches Werkzeug wirkt. Ein Eindruck, der sich noch verstärkt, sobald man die Kamera in die Hand nimmt: Rund ein Kilo drückt sie auf die Wage – ohne Objektiv. Zusammen mit dem hier getesteten Zeiss Vario Sonnar 24-70/2.8 SSM sind es dann zwei Kilo, die an der Hand beziehungsweise der Schulter des Fotografen zerren. Das Gehäusematerial der Alpha 850 ist dasselbe wie bei der rund 500 Euro teureren Alpha 900 (bezogen auf den "Straßenpreis"). Allerdings verzichtet Sony bei der Alpha 850 darauf, der Aluminium-Magnesium-Legierung einen letzten Schliff zu geben, so wirkt ihr Gehäuse rauer und eher noch robuster als der edle, glatte Look der Alpha 900. Ein weiterer Unterschied zu Sonys Topmodell: Bei der Alpha 850 ist die Beschriftung des Moduswahlrads aufgedruckt und nicht aufwändig geprägt.
Trotz ihres ordentlichen Gewichts liegt die Alpha 850 hervorragend in der Hand. Der Handgriff ist stark ausgeformt mit einer ausgeprägten Mulde für den Mittelfinger. Ein gummiartiger Überzug sorgt zusätzlich für Rutschsicherheit. Schnellen Zugriff auf eine Reihe von Einstellmöglichkeiten (etwa Belichtungskorrektur, ISO-Empfindlichkeit oder Weißabgleich) geben dedizierte Knöpfe auf Oberseite. Dort findet sich – exklusiv bei den Vollformat-Kameras von Sony – auch ein kleines Statusdisplay, das allerdings nur die allernötigsten Informationen liefert. Sony-typisch schweigt es sich, übrigens ebenso wie die Anzeige im Sucher, über die gewählte ISO-Zahl aus – schade! Dafür verwöhnt der große und sehr helle Sucher mit einer Bildfeldabdeckung von 98 Prozent. Damit ist er zwar nicht ganz so großzügig wie der 100-Prozent-Sucher der Alpha 900, doch die zwei Prozentpunkte Abzug bei der Alpha 850 sind in der fotografischen Praxis ohne Belang. Nicht gespart hat Sony am Monitor: Das drei-Zoll-Display liefert volle VGA-Auflösung mit 920.000 Bildpunkten. Da ist es eine wahre Freude, die Aufnahmen zu begutachten. Der Monitor zeigt eine Fülle von Informationen – und mehr noch: Mit dem kleinen Steuerknüppel steuert man die meisten der Info-Felder auf dem Display direkt an und ändert dort die angezeigten Werte (etwa für ISO-Zahl, AF-Messmethode oder Bildqualität) dann mit einem Dreh am Daumen- oder Zeigefingerrad. So lässt sich die Kamera äußerst bequem und zudem noch sehr schnell auf die jeweilige Aufnahmebedingung einstellen. Nicht ganz so konsequent hat Sony dagegen den Wetterschutz umgesetzt. Zwar sind die Abdeckungen für die diversen Schnittstellen (Kabelfernbedienung, HDMI-Ausgang, USB-Verbindung, PC-Blitzanschluss) und das Kartenfach gegen Spitzwasser geschützt, aber eben nicht wasserdicht. Das aus massivem Metall gefertigte Stativgewinde sitzt hingegen korrekt in der optischen Achse. Wie die Alpha 900 lässt sich auch die Alpha 850 per Infrarot fernsteuern, die entsprechende Fernsteuerung DSLR-RMT1 muss allerdings extra erworben werden.
Ausstattung Der Sony Alpha 850 fehlt nichts, was zum Fotografieren nötig wäre; aber doch so manche Möglichkeit, die inzwischen auch bei Vollformatkameras en vogue ist. LiveView etwa bietet die Alpha 850 nicht, ebenso wenig kann sie Videos aufnehmen. Auch einen Bordblitz hat Sony der Kamera nicht mitgegeben. So empfiehlt sich als kleiner Lichtspender für alle Fälle die Anschaffung des Blitzgeräts HVL-F20AM (ca. 120 Euro), das mit seiner Leitzahl 20 in vielen Aufnahmesituationen für ausreichende Beleuchtung sorgen kann und zudem als Steuergerät für drahtlos angebundene Systemblitze dient. Verzichten muss man bei der Alpha 850 außerdem auf Motivprogramme. Dafür bietet sie die Möglichkeit, drei persönliche Presets zu speichern, die sich bequem über das Moduswahlrad abrufen lassen. Auch eine Abblendtaste, mit der sich rasch die Schärfentiefe bei aktuell gewählter Arbeitsblende prüfen lässt, hat die Alpha 850 an Bord. Unglücklicherweise hat Sony sie werkseitig mit einer anderen Funktion belegt, dem "Intelligent Preview": Wird die Abblendtaste gedrückt, zeichnet die Kamera ein Bild auf, das nicht dauerhaft gespeichert wird. Es dient einzig dazu, die Auswirkung geänderter Einstellungen (etwa einer Belichtungskorrektur) auf die nachfolgende Aufnahme zu visualisieren. Ein Feature, das sich in der fotografischen Praxis meist als unnütz erweist. Ganz anders der Bildstabilisator per Sensor-Shift, der bei Sony "Steady Shot" heißt: Er funktioniert immer, ganz gleich, welches Objektiv angesetzt ist. Dabei wird – im Gegensatz zu einem objektiv-basierten "Stabi" – zwar nicht das Sucherbild stabilisiert, aber es gibt eben auch keine ungünstigen Auswirkungen auf die Bildqualität durch zusätzliche Linsenelemente. Sony ist weiterhin der einzige Hersteller, der eine Vollformat-Kamera mit dieser Art Bildstabilisator bietet, und er funktioniert wirklich gut.
Sony-typisch wartet auch die Alpha 850 mit einer brauchbaren Funktion zur Schattenaufhellung bei kontrastreichen Motiven auf. Die Stärke dieser DRO-Funktion lässt sich manuell in fünf Schritten wählen oder automatisch regeln. Zudem gibt es sechs Kreativmodi für unterschiedliche Bildausprägungen (etwa "Landschaft" oder "Portrait"), die sich alle in weiten Bereichen einstellen lassen. Auch bei der Einstellung des Weißabgleichs zeigt sich die Alpha 850 großzügig: Es gibt eine Reihe von Presets, die Farbtemperatur kann direkt in K eingegeben, natürlich auch manuell per Graukarte gemessen werden, und sogar die Aufnahmen von Weißabgleich-Reihen sind möglich. Standards wie Belichtungsreihen beherrscht die Alpha 850 sowieso. Allerdings geht sie bei klassischen Serienbildern mit drei Aufnahmen pro Sekunde recht gemächlich zu Werke – die Alpha 900 schafft immerhin halbwegs flotte fünf Bilder in der Sekunde. Professionell hingegen ist die echte Spiegelvorauslösung, die es bei Sony nur bei den beiden Vollformat-Schwestern gibt.
Der Autofokus der Alpha 850 bezieht seine Informationen aus einem von neun frei wählbaren Messfeldern, die sich dank des kleinen "Joystick" äußerst schnell und präzise ansteuern lassen. Das mittlere Feld ist dabei als Doppelkreuzsensor ausgelegt, der bis Blende 2.8 besonders präzise fokussiert. Bedauerlichweise hat Sony die Chance verstreichen lassen, der Alpha 850 eine praxisgerechtere Anordnung der AF-Sensoren zu spendieren – die Messfelder tummeln sich alle im mittleren Drittel des Bildausschnitts, das Fokussieren auf ein Motiv am Bildrand wird so unnötig erschwert.
Bildqualität Mit 6.048 x 4.032 Pixeln zeichnet die Sony Alpha 850 eine Aufnahme auf. So darf sie sich zusammen mit der Alpha 900 und Nikons D3x die Auflösungskrone für Kleinbildkameras teilen. Mit diesen mehr als 24 Megapixeln hat allerdings selbst das vorzügliche Zeiss Vario Sonnar 24-70/2.8 SSM (mit dem wir die Alpha 850 getestet haben) seine liebe Not: Zum Rand hin bricht die Auflösung bei Offenblende kräftig ein, selbst Abblenden auf Blende 5,6 lindert den Auflösungsabfall nur wenig, und das gilt für alle Brennweiten! Das ist zwar bei den meisten Motiven unkritisch – wer aber das Auflösungspotenzial der Kamera bis in die Ecken ausschöpfen möchte, kommt um hochwertige Festbrennweiten nicht umhin. Auch in Sachen "Vignettierung" schwächelt das Zoom-Objektiv ein wenig, besonders aufgeblendet am "kurzen Ende" – hier beträgt der Randabfall der Bildhelligkeit gut zwei Blendenstufen. Abblenden auf Blende 5,6 hilft glücklicherweise bereits, die Vignettierung auf ein kaum noch wahrnehmbares Maß zu reduzieren.
Vorzüglich im Griff hat Sony das Bildrauschen der Alpha 850 – zumindest messtechnisch: Bis ISO 400 steigt die Rauschkurve kaum merklich an, zwischen ISO 400 und ISO 800 wird sie dann etwas steiler, um bei noch höherer Empfindlichkeit wieder abzufallen. Letzteres ist ein klares Indiz dafür, dass ab ISO 800 die Rauschunterdrückung eine Stufe höher schaltet. Der visuelle Eindruck des typischen "Sony-Rauschens" überzeugt nicht ganz so sehr: Störungen machen sich vor allem in recht großflächigen Helligkeitsschwankungen bemerkbar, und mit steigender Empfindlichkeit gesellen sich unschöne Farbflecken hinzu. Ab ISO 1.600 wirken die Aufnahmen "fleckig" und zudem recht weich. Dagegen hilft, bei hohen Empfindlichkeiten die "Hohe-ISO-Rauschminderung" abzuschalten und dem Rauschen dann am PC mit Tools wie NeatImage zu Leibe zu rücken. Hier hat Sony leider die Chance vertan, der Alpha 850 eine verbesserte Bildverarbeitungssoftware mit auf den Weg zu geben.
Nahezu perfekt ist dagegen der Schärfungsalgorithmus der Alpha 850 ausgelegt, lediglich auf der "hellen Seite" von Kontrastkanten kommt es zu leichten Überschwingern. Die Eingangsdynamik ist ebenfalls vorzüglich, bis ISO 1.600 verarbeitet die Alpha 850 8,5 Blendenstufen, bei ISO 6.400 sind es immer noch hervorragende 7,3 Blendenstufen. Wie viele Kameras hat allerdings auch die Alpha 850 Probleme bei der Ausgabedynamik, ihr Schwarzwert liegt meist nahe 10 anstelle 0. Die Tonwertkurve zeigt einen invers-S-förmigen Verlauf, die Alpha 850 liefert also eher "knackig" abgestimmte Bilder. Das ist ideal, wenn die Aufnahmen ohne weitere Nachbearbeitung gedruckt werden sollen – wer seine Aufnahmen dagegen lieber am PC optimiert, sollte die Aufzeichnung im RAW-Format bzw. den Kreativstil "Neutral" statt "Standard" wählen. Insgesamt überzeugen die Fotos, die mit der Alpha 850 aufgenommen wurden, mit einer recht lebhaften Farbwiedergabe, schönen Kontrasten und einem bei niedrigen ISO-Zahlen beeindruckenden Detailreichtum.
Fazit: Vollformat und schiere Auflösung waren noch nie so günstig zu bekommen wie mit der Alpha 850. Dabei geht man keineswegs Kompromisse bei der Gehäusequalität ein und bekommt eine Kamera mit einem formidablen Sucher. Auch bei der Bildqualität kann die Alpha 850 überzeugen – solange sie mit wirklich gutem Glas bestückt wird und man ihr keine extrem hohen ISO-Empfindlichkeiten abverlangt. Im Vergleich zum Schwestermodell Alpha 900 hat Sony die Alpha 850 nur moderat abgespeckt – am meisten schmerzt die auf die drei Bilder pro Sekunde reduzierte Serienbildgeschwindigkeit. Verzichten muss man bei der Alpha 850 zudem auf Live-View und die Möglichkeiten zur Video-Aufzeichnung sowie auf Motiv-Programme. Als reine Schnappschuss- oder Reporter-Kamera ist die Alpha 850 klar überdimensioniert und zu schwer. Wer dagegen eine hoch auflösende Kamera insbesondere für die Studio- oder Landschaftsfotografie sucht, findet derzeit keine günstigere Alternative.
Kurzbewertung
- Weitgehende Individualisierungsmöglichkeiten
- Robustes, ergonomisches Gehäuse
- Großer, heller Sucher
- Sehr hohe Auflösung zum günstigen Preis
- Ab ISO 800 nur mäßiges Rauschverhalten
- Lahme Serienbildgeschwindigkeit
- Kein Bordblitz, keine Motivprogramme, kein LiveView
- Wenige und nur zentral angeordnete Autofokusmessfelder
Technische Daten
Modell |
Sony Alpha 850 |
Sensor |
CMOS Kleinbild 36,0 x 24,0 mm (Cropfaktor 1,0) 25,7 Megapixel (physikalisch), 24,6 Megapixel (effektiv) |
Auflösung (max.) |
6.048 x 4.032 (3:2) |
Objektivanschluss |
|
Spiegelreflex-Sucher |
Prismensucher, 98 % Abdeckung, 20 mm Augenabstand, Dioptrienausgleich -3,0 - 1,0 dpt, wechselbare Mattscheibe |
Monitor |
3,0", 0,922 Mio. Bildpunkte |
Belichtungsmessung |
Integral-, Spot- und Matrix-/Mehrfeld-Messung |
Belichtungsreihe |
automatisch, ohne interne HDR-Verarbeitung |
Bildstabilisator |
Sensor-Shift (optisch) |
eingebauter Blitz |
nein |
Blitzanschuh |
Sony Alpha (auch Minolta) |
AV-Anschlüsse |
AV-Ausgang: ja |
Serienbildfunktion |
max. 3,0 Bilder/s |
kürzeste Verschlusszeit |
1/8.000 s |
Autofokus |
Phasenvergleich |
Speicher |
Speicherkartenfach 1: Memory Stick Speicherkartenfach 2: CF (Type I, Type II), Microdrive |
Empfindlichkeit |
automatisch ISO 200 bis 3.200, manuell ISO 100 bis 6.400 |
Gehäuse |
Spritzwasserschutz |
Abmessungen |
156 x 117 x 82 mm (B x H x T) |
Gewicht |
935 g (betriebsbereit, ohne Objektiv) |
Online-Datenblatt |
https://www.digitalkamera.de/1AUBQ (mit Preisvergleich) |