Winzige Kamera für spezielle Anwendungen

Testbericht: Sony DSC-RX0

2017-11-01 Die Sony RX0 ähnelt auf den ersten Blick einer Actioncam: Sie ist klein, robust und wasserdicht. Aber eine Actioncam ist sie nicht. Sie ist auch keine Outdoor-Fotokamera und keine Premium-Kompaktkamera. Was ist sie dann? In unserem Test im Labor und in der Praxis haben wir versucht das herauszufinden.  (Jan-Markus Rupprecht)

Die Sony RX0 einzuordnen ist schwer. Sie ist irgendwie eine Mischung aus Actioncam, Outdoor-Fotokamera, Premium-Kompaktkamera und Smartphone-Zusatzkamera. Aber irgendwie auch nichts von allem.

  • Die Sony RX0 ist eine Actioncam, weil sie superklein und leicht und robust und wasserdicht ist und eigentlich eher so konstruiert ist, dass man sie irgendwo montiert und nicht aus der Hand bedient. Sie ist aber auch keine Actioncam, weil ihr der Actioncam-typische extrem weite Bildwinkel fehlt und zudem die Bedienung in "Action-Situationen" nahezu unmöglich ist. Zudem ist sie eher eine Fotokamera als eine Videokamera und kann hinsichtlich ihrer Video-Leistung nicht mit aktuellen Spitzen-Actioncams mithalten.
  • Die Sony RX0 ist eine Outdoor-Fotokamera, weil sie robust und wasserdicht ist und weil sie vor allem eine Fotokamera ist. Sony selbst bezeichnet sie als "Digitale Fotokamera" bzw. englisch "Digital Still Camera". So steht es deutlich auf der Bedienungsanleitung und daher stammt auch das "DSC" aus der vollen Typenbezeichnung DSC-RX0. Aber sie besitzt nicht das für fast alle Outdoor-Kameras typische innenliegende Zoombjektiv. Zudem ist der Monitor so winzig klein, dass man diesen kaum ernsthaft als Sucher verwenden kann.
  • Die Sony RX0 ist eine Premium-Kompaktkamera, weil sie einen großen 1 Zoll Sensor enthält und sich damit eigentlich bei uns für diese Kameraklasse qualifiziert. Zudem ist sie wirklich toll verarbeitet. "Edelkompaktkamera" würde deshalb eigentlich auch zutreffen. Sie ist aber auch keine Premium-Kompaktkamera, weil sie mit ihrem winzigen Monitor und der nicht darauf abgestimmten Menüführung kaum bedienbar ist, zumal mangels ausreichender Anzahl an Bedienelementen praktisch jede Funktion irgendwie aus den Tiefen des Menüs hervorgeholt werden muss. Ernsthaftes Fotografieren aus der Hand ist somit kaum möglich. Zudem nutzt sie die Fläche des 1-Zoll-Sensors nicht aus, sondern nur rund 75 Prozent davon, wodurch sie unsere Kriterien für eine "Kompaktkamera mit großem Sensor" im Grunde doch auch nicht erfüllt.
  • Die Sony RX0 ist eine Smartphone-Zusatzkamera, wie sie vor einigen Jahren kurzzeitig in Mode kamen, weil sie direkt am Gerät kaum bedienbar ist. Deutlich besser wird es per Smartphone-App. Tatsächlich bedient sie sich über die Sony Play Memories App im Grunde genauso wie damals die Sony "Lens Style" Kameras. Aber sie ist aber auch keine Smartphone-Zusatzkamera, weil ihr zum einen die Befestigungsmöglichkeit am Smartphone fehlt, zum anderen das Killerfeature, warum man diese Kamera als Zusatz am Smartphone betreiben sollte. Der Sensor ist nicht riesig groß und zudem ist das Objektiv sehr lichtschwach. Einen Zoom gibt es nicht. Irgendwie ist so recht nichts dabei, das einen Smartphone-Anwender dazu bringen könnte, statt mit seiner Smartphone-Kamera ausgerechnet mit der vom Smartphone fernbedienten RX0 zu fotografieren.

Wozu also diese Kamera? Wir haben uns wirklich bemüht und wir können zwei bis drei Anwendungsfälle identifizieren:

  • Die Sony RX0 ist eine Spionage-Kamera mit überdurchschnittlicher Bildqualität. Das meinen wir ernst. Durch ihre Bauform lässt sie sich unauffällig montieren. Die Quaderform erleichtert die Montage mit doppelseitigem Klebeband oder Klettband. Zudem kann sie leicht über USB mit Zusatzstrom aus Powerpacks oder einem Steckernetzteil versorgt werden. Sie löst komplett lautlos aus, alle Piepstöne können abgeschaltet werden und Aufnahmekontroll-LEDs, die man bei Actioncams oftmals abschalten kann, hat sie gar nicht erst. Das mittige angeordnete, kleine, lichtschwache Objektiv ist zudem mit kleinen Öffnungen in Taschen, Rucksäcken, Kühlergrills oder Lüftungsschlitze oder kleinen getarnten Öffnungen zufrieden (vielleicht der eigentliche Grund für das lichtschwache Objektiv?). Durch die Anordnung des Objektivs und die völlig plane Front ist sogar das Ankleben der Kamera hinter solchen Öffnungen ein Kinderspiel. Auch die unauffällige Montage der Kamera ist kein Problem, sollte die schwarze Farbe nicht zur Umgebung passen, könnte sie einfach mit passendem wasserlöslichen Lack aus der Spraydose getarnt werden. Das spätere Reinigen der Kamera unter fließend Wasser ist dank Wasserdichtigkeit kein Problem. Und die nötige Funktechnik (WLAN aufs Handy) ist zumindest gleich eingebaut. Zudem dürfte die Bildqualität bei Foto und Video üblichen Mini-Kameras mit Winzig-Sensor überlegen sein, besonders unter nicht optimalen Lichtverhältnissen. Damit ist die Sony RX0 z. B. ideal als "Versteckte Videokamera" bei TV-Produktionen, sofern diese heute noch mit FullHD zufrieden sind und nicht schon 4K als Rohmaterial voraussetzen (bei solcherlei Einsätzen könnte FullHD vielleicht noch durchgehen). Die synchrone Steuerung mehrerer RX0-Kameras kann bei solchen Einsatz-Szenarien ebenfalls hochinteressant sein, denn oftmals muss man mehrere Kameras installieren, da man nicht immer genau vorhersehen kann, aus welchem Blickwinkel das Geschehen am besten aufgenommen wird. Zudem will man in der Nachbearbeitung zwischen verschiedenen Perspektiven wechseln können.
  • Die Sony RX0 kann auch als eine Edel-Dashcam dienen. Zwar besitzt sie zwei dafür eigentlich unerlässliche Features nicht: das automatische Starten der Aufnahme, nachdem eine externe Stromversorgung hergestellt wurde und die sich selbst immer wieder überschreibende Loop-Aufnahmen. Solange die Kamera aber manuell bedient werden kann (idealerweise fernbedient per Smartphone), ist das kein Problem. In einem Zivil-PKW der Polizei dürfte sie auf dem Armaturenbrett kaum auffallen und liefert dann FullHD-Aufnahmen (leider keine höheren Auflösungen) in guter Qualität auch bei weniger Licht. Der Bildwinkel passt für diesen Einsatz ideal. Auch andersherum montiert kann die Kamera gut eingesetzt werden, um den Innenraum eines PKWs zu filmen. Der Bildwinkel könnte dann etwas größer sein, aber die Kamera liefert ein scharfes, unverzerrtes Bild in guter Qualität. Auch hier ist die Multi-Cam-Steuerung von Vorteil. Eine Kamera könnte auf die Straße gerichtet sein, eine oder zwei weitere in den Innenraum.
  • Die Sony RX0 ist eine ganz gute Highspeed-Kamera. Mit den Highspeed-Videomodi sind bis zu 1.000 Bilder pro Sekunde bzw. Frames per Second (fps) möglich. Mit 25 fps wiedergegeben ist das eine 40-fache Zeitlupe. Das ist spektakulär! Aber das können andere Sony-Kameras auch und die sind flexibler einsetzbar. Wer nicht gerade die platzende Wasserbombe aus nächster Nähe filmen will (wozu ja die Wasserdichtigkeit der RX0 äußerst nützlich wäre), könnte einfach eine RX100 IV oder RX100 V benutzen. Mit der könnte er das Geschehen übrigens dank Zoomobjektiv aus sicherer Entfernung ebenfalls einfangen. Aber setzen wir mal voraus, dass der Regisseur dichter ran will und das Wasser auf die Linse spritzen soll. Dann wäre die RX0 quasi alternativlos. Aber solche Aufnahmen dauern immer nur wenige Augenblicke. Erst in der Wiedergabe werden dann etliche Sekunden daraus. Ein kontinuierliches Filmen erlauben diese Highspeed-Aufnahmen nicht. Auch von der Bildqualität sollte man keine Wunder erwarten. Ausgabeseitig wird eine FullHD-Auflösung erzeugt, wenn auch mit verrauschten Bildern. Eingabeseiteig liegt die Anzahl effektiver Pixel aber deutlich niedriger: 1.676 x 942 bis hinunter zu 800 x 270), d. h. je höher die Zeitlupe, desto unschärfer die FullHD-Ausgabe. Vergleichen aber mit z. B. der 1080p240 Zeitlupenaufnahme, die GoPro bei der Vorstellung der neuen Hero6 so in den Vordergrund gestellt hat, schneidet die Sony bei 240/250fps Zeitlupe qualitativ deutlich besser ab. Allerdings, wie gesagt, filmt die Sony nur eine kurze Zeitdauer. Man muss schon im richtigen Moment auslösen. Die GoPro Hero6 filmt hingegen durchgängig.

Gerade in der Multi-Kamera-Fernsteuer-Technik sieht Sony übrigens viele Anwendungen für die RX0. Die Sache funktioniert grundsätzlich so, dass eine Kamera als Master ("Gruppenbesitzer" bzw. "Group owner" im Sony-Jargon) arbeitet und bis zu vier weitere RX0-Kameras ("Clients") sich mit dieser Haupt-Kamera verbinden und dann gleichgeschaltet werden. Das Verfahren kennt man schon von Sony Actioncams und Sony Camcordern, die auch miteinander ein synchronisiertes Netzwerk bilden können. Insofern ist das bei der RX0 eigentlich nichts besonders. Sony will aber noch einen Schritt weiter gehen und die RX0 Anfang nächsten Jahres kompatibel mit seinem bestehenden Drahtlosblitzauslöser FA-WRC1M machen, mit dem dann bis zu fünfzehn RX0-Kameras gleichzeitig ausgelöst werden können.

Zudem gibt es zahlreiches Spezial-Zubehör zu gesalzenen Preisen. Beispielsweise eine Kamerafront mit 30,5-mm-Filtergewinde für die Kleinigkeit von 199 Euro oder einen massiven Alu-Käfig mit zahlreichen 1/4-Zoll-Befestigungsbohrungen für stolze 299 Euro oder ein Unterwassergehäuse (mit 55mm-Filtergewinde), in dem die RX0 bis zu 100 Meter unter Wasser eingesetzt werden kann für 999 Euro. Somit lassen sich die Einsatzmöglichkeiten noch erheblich erweitern, z. B. für professionelle Videoanwendungen. So lässt sich mit externen HDMI-Rekordern sogar ein verlustfreies 4K-Signal am HDMI-Ausgang der RX0 abgreifen. Aber "klein, robust und wasserdicht" und "Multi-Kamera-Steuerung" bekommen wir nicht zusammen mit "externem HDMI-Recorder". Wer will fünf kleine RX0 irgendwo montieren und daran fünf externe 4K-HDMI-Recorder anschließen, die jeder mindestens nochmal so viel kosten wie eine RX0? Da kann ich doch gleich größere Kameras nehmen, die intern 4K-Videos aufzeichnen? Klar, es gibt Meinungen da draußen, dass nur externe Recorder die ultimative Qualität liefern. Aber hängt man dann eine Sony RX0 mit nicht voll ausgenutztem 1-Zoll-Sensor und einem lichtschwachen Weitwinkelobjektiv davor? Eher unwahrscheinlich.

Bedienung

Bevor wir zur Bildqualität kommen, noch ein detaillierter Blick auf die Bedienung. Einiges davon haben wir oben schon angesprochen, diesen Test haben wir ja mal anders aufgebaut als sonst auf digitalkamera.de üblich. Da klang oben ja schon die Kritik durch, dass die Kamera schwer bedienbar sei. Sony hat sich entschieden, der RX0 die üblichen Menüs zu spendieren, die auch alle anderen Sony-Kameras haben. Das ist einerseits gut, denn ein Sony-Kenner fühlt sich in den Menüs sofort zuhause. Allerdings muss er sie erstmal entziffern können! Die Sony-Bildschirmmenüs gehen von heute normalen LCD-Monitoren einer Größe von ungefähr 3 Zoll aus. Die kleine RX0 hat aber nur einen winzigen 1,5-Zoll-Monitor (3,6 cm Bilddiagonale), das ist eine 3,0 x 2,3 cm winzige Fläche. Ein Viertel von der eines 3-Zoll-Displays. Und darauf erscheinen die üblichen Sony-Menüs. Nur alles ist eben ein Viertel so groß. Übrigens auch die Anzeigen, die über das Live-View-Bild geblendet werden. Einfach alles ist winzig.

Hinzu kommt, dass die RX0 nur die allernötigsten Bedienelemente hat. Oder besser gesagt: Nicht einmal die allernötigsten Bedienelemente. Oben sitzen Ein/Aus-Taster und Auslöser. Auf der Monitor-Seite hat Sony eine normale 4-Wege-Wippe mit Mittentaster in je eine links/rechts- und eine oben/unten-Wippe und einen einzelnen Enter-Knopf auseinandergebaut und unter und neben dem Monitor angeordnet. Um die Menüs aufzurufen oder wieder zu verlassen gibt es noch eine Menütaste. Im Vergleich zu einer Actioncam sind das Bedienelemente in Hülle und Fülle, könnte man meinen. Actioncams kommen mitunter mit einem einzigen Knopf und einem Touchscreen aus. Oder ohne Touchscreen mit drei Knöpfen. Solche Actioncams verfolgen mit ihren kleinen Gehäusen und ihren wenigen Tasten aber auch eine völlig andere Bedienphilosophie. Solange kein Touchscreen im Spiel ist, kann das auch krampfig sein. Eine perfekte Touchscreen-Steuerung hingegen kann ein Vergnügen sein. Da vermisst man dann keine Hardware-Tasten mehr (unter den massentauglichen Fotokamera-Herstellern hat übrigens keiner etwas, was in unseren Augen auch nur in die Nähe einer perfekten Touchscreen-Steuerung kommt, allenfalls die Leica T/T2 überzeugt in dieser Hinsicht).

Ein Touchscreen wäre auch für die kleine RX0 eine feine Sache gewesen, aber dann hätte Sony ein völlig neues Touchscreen-optimiertes Menü entwerfen müssen. Den Aufwand wollten die Entwickler wohl nicht machen. Hätte Sony wenigstens die Anschlüsse wie üblich an die linke Seite gelegt und nicht auf die Rückseite, dann hätte bei gleicher Gehäusegröße durchaus ein 1,8-Zoll oder 2-Zoll-Monitor verbaut werden können, auch ohne Touch-Screen und bei Erhalt der kleinen Tasten (mit Touchscreen sogar 2,2 Zoll, wie die Yi 4K Actioncam zeigt). Nun mag mancher einwenden, 1,5-Zoll oder 2,0-Zoll mache den Kohl nicht fett. Aber der Unterschied in der Fläche ist eben doch erheblich. Um das zu sehen, muss man nur eine GoPro Hero5 oder Hero6 neben die RX0 stellen. So bleibt die RX0 eigentlich nur für Leute mit Adleraugen einigermaßen bedienbar. Alle anderen sollten eine gute Gleitsichtbrille besitzen, denn beim Fotografieren oder Filmen und Bedienen der RX0 braucht man ja beides: Das Motiv in einigem Abstand und den briefmarkengroßen Kameramonitor direkt vorm Auge.

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Aber das Bedienkonzept lässt auch die elementarsten Bedienelemente vermissen. Nicht einmal eine separate Videoaufnahmetaste hat der Hersteller spendiert. Um ein Video aufzunehmen, muss der Betriebsmodus gewechselt werden. Aber auch dazu fehlt ein Bedienelement. Statt dessen muss man sich mit den bestehenden Tasten und dem Monitor durchklicken. Von Foto-Programmautomatik zu Video-Programmautomatik sind es insgesamt sieben Tastendrücke auf drei verschiedenen Tasten. Danach darf dann die Videoaufnahme gestartet werden. Zurück zur Fotoaufnahme geht es danach genauso. Fernbedient übers Smartphone geht das alles theoretisch leichter. Aber erstmal muss man ja ins Kameramenü, um die Verbindung zum Smartphone herzustellen. Und wer dann mit der Smartphone-App von Sony arbeitet, wird schnell feststellen, dass sich lange nicht alles damit einstellen lässt, was über die komplexen, seitenlangen Kameramenüs konfiguriert werden kann. Die RX0 bleibt mit diesem Konzept eine Kamera für Spezialanwendungen.

Fortsetzung auf Seite 2

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