Kompakte Vollformat-Tele-Festbrennweite
Sigma 90 mm F2.8 DG DN Contemporary im Test
2022-11-22 Die 2019 eingeführte Edel-Festbrennweiten-Serie I-Series von Sigma umfasst inzwischen sieben Objektive von 20 bis 90 Millimeter Brennweite. Spätestens mit diesen edlen Objektiven war klar: Contemporary steht bei Sigma nicht nur für günstige Objektive, sondern die Verarbeitungsqualität kann sogar teure Art-Objektive ausstechen. Das 90 mm F2.8 DG DN Contemporary ist das langbrennweitigste Objektiv der I-Serie. Ob es den 61 Megapixeln Auflösung der Sigma fp L gewachsen ist, verraten wir im ausführlichen Test. (Benjamin Kirchheim)
Das Sigma 90 mm F2.8 DG DN Contemporary besteht überwiegend aus Glas und Metall – die Verarbeitung und Haptik sind hervorragend. [Foto: Sigma]
Verarbeitung und Zubehör
Gut 600 Euro kostet das Sigma 90 mm F2.8 DG DN Contemporary und ist damit sicher kein Schnäppchen, zumal es noch nicht einmal mit einer besonders hohen Lichtstärke punkten kann, vor allem als Porträt-Objektiv ist es damit nicht mehr optimal geeignet. Immerhin bekommt man ein super edel verarbeitetes Objektiv mit schwarz eloxiertem Aluminiumgehäuse, das den Bildkreis von spiegellosen Vollformat-Kameras abdeckt. Vom Messingbajonett – bei unserem Testgerät ein L-Mount, das Objektiv ist aber auch mit Sony-E-Bajonett erhältlich – bis zum 55 mm Filtergewinde besteht wirklich alles aus Metall. Das drückt natürlich aufs Gewicht: 290 Gramm bringt das 90 mm F2.8 auf die Waage. Das klingt vielleicht nicht allzu viel, aber in Relation zum sechs Zentimeter langen, 6,4 Zentimeter durchmessenden Gehäuse hat man schon ordentlich was in der Hand. So robust das Sigma 90 mm F2.8 DG DN Contemporary auch wirkt, einen vollständigen Spritzwasser- und Staubschutz besitzt es nicht. Immerhin ist aber das Bajonett als Schnittstelle zur Kamera mittels einer Gummilippe abgedichtet.
Sehr hochwertig ist auch das mitgelieferte Zubehör. Die zylindrische Streulichtblende besteht ebenfalls aus Metall, wobei jedoch im Inneren beim Bajonettanschluss Kunststoff zum Einsatz kommt. Die 54 Gramm schwere Blende misst 7,3 Zentimeter im Durchmesser und ist 4,5 Zentimeter lang, wovon angebracht jedoch nur vier Zentimeter über die Objektivfront hinausragen. Zum Transport lässt sie sich verkehrt herum montieren, blockiert dabei jedoch nicht nur den Fokusring, sondern auch den Blendenring zur Hälfte. Ein weiteres Highlight ist der magnetische Objektivdeckel, der beim 90 mm F2.8 zum Lieferumfang gehört. Er lässt sich anstelle des Kunststoff-Schnappdeckels verwenden, der ebenfalls zum Lieferumfang gehört. Als Zubehör bietet Sigma einen Objektivdeckelhalter an, den man am Kameragurt oder am Gurt der Kameratasche befestigen kann, an dem der Deckel ebenfalls magnetisch hält.
Bedienung und Fokus
Die Festbrennweite bietet genau drei Bedienelemente: Einen Fokusring, den dazugehörigen AF-MF-Schalter und einen Blendenring. Die beiden Einstellringe bestehen ebenfalls aus Metall. Die griffige Riffelung des Blendenrings ist für die Blendenskala in gut lesbarer, weißer Schrift ausgespart. Der Ring rastet deutlich spür- und hörbar in Drittelschritten von F2,8 bis F22. Der Klick ist leider nicht abschaltbar. Zudem gibt es eine Automatikstellung, die jedoch außer dem weiten Einstellweg bis F22 und der den Blendenklicks entsprechenden Rastung keinerlei Sicherung besitzt. Ohnehin ist der Begriff Automatikstellung ein wenig übertrieben, denn tatsächlich wechselt man nur zwischen der Blendeneinstellung durch die Kamera und der durch den Ring, was nur in Aufnahmeprogrammen funktioniert, in denen die Blende gesteuert werden kann, also dem manuellen Belichtungsmodus sowie der Zeitautomatik.
Der Blendenring des Sigma 90 mm F2.8 DG DN Contemporary funktioniert nur in der Zeitautomatik und dem manuellen Modus. Seite satte Rastung lässt sich nicht abschalten. [Foto: MediaNord]
Der AF-MF-Schalter besteht als einziges Bedienelement aus Kunststoff. Der Schalter rastet gut und wenn er auf AF steht, ist eine weiße Hinterlegung zu erkennen, was die Ablesbarkeit verbessert. Unverständlich ist aber, warum bei manchem I-Serie-Objektiv der Schalter nach oben und unten betätigt wird, etwa beim 20 mm, und bei anderen nach vorne und hinten, wie beim 90 mm F2.8. Das macht die Bedienung innerhalb der Serie inkonsistent. Dabei ist davon auszugehen, dass jemand, der sich für solche Festbrennweiten begeistert, mehrere erwirbt.
Der Autofokus des Sigma 90 mm F2.8 DG DN Contemporary arbeitet schnell und präzise, bei seiner Arbeit ist jedoch in ruhigen Umgebungen ein leises Summen vernehmbar. Dank des AF-MF-Schalters kann schnell auf den manuellen Fokus gewechselt werden. Dann kommt der elektronisch arbeitende Fokusring zum Einsatz. Mit seiner zwei Zentimeter breiten Metallriffelung ist er sehr griffig und Sigma hat es geschafft, auch die Haptik des Drehens sehr angenehm zu gestalten. Der Ring läuft butterweich, bietet aber einen angemessenen Widerstand. Die Arbeitsweise kann zwischen linear und nicht-linear gewechselt werden, sofern die Kamera das unterstützt. Wenn sie das nicht tut, arbeitet er nicht-linear, was bedeutet, dass die Geschwindigkeit des Drehens darüber entscheidet, wie weit der Fokus verstellt wird. Dreht man also sehr langsam, kann man mit weiten Verstellwegen sehr präzise fokussieren. Unterstützt wird man von den Kamerafunktionen, etwa einer Vergrößerungslupe und Fokuspeaking.
Die Naheinstellgrenze gibt Sigma mit 50 Zentimeter ab Sensorebene an. Wir konnten sogar bis auf knapp unter 45 Zentimeter an das Motiv heran fokussieren, der Abstand der Objektivfront zum Motiv betrug dabei noch komfortable 37 Zentimeter. Das minimale Bildfeld haben wir mit ca. 15 mal zehn Zentimetern gemessen, was einen maximalen Abbildungsmaßstab von 1:4,2 ergibt. Das ist wesentlich besser als die von Sigma versprochenen 1:5.
Bildqualität
Auch wenn laut Sigma bei der Contemporary-Serie etwas weniger Aufwand beim optischen Aufbau betrieben wird als bei der Art-Serie, kommen beim 90 mm F2.8 DG DN Contemporary elf Linsen in zehn Gruppen zum Einsatz, wobei fünf SLD-Glaselemente, eines davon asphärisch geschliffen, optische Fehler minimieren und die Auflösung bis zum Bildrand maximieren sollen.
An der 61 Megapixel auflösenden Sigma fp L überzeugt das Sigma 90 mm F2.8 DG DN Contemporary mit einer hohen Auflösung ab Offenblende und einem nur minimalen Randabfall. [Foto: MediaNord]
Beim praktischen Test mit der 61 Megapixel auflösenden Sigma fp L zeigt das 90mm-Objektiv im Gegenlicht hohe Kontraste, wobei jedoch sichtbare Blendenflecken bei direktem Gegenlicht nicht ausbleiben. Beim Abblenden zeigt sich praktisch kein Blendenstern, selbst bei F22 nicht. Dank der neun Lamellen ergeben sich im Hintergrund zwar schön runde Unschärfescheibchen, diese zeigen jedoch bei punktuellen Lichtquellen einen minimal helleren Rand. Letztlich ist das Bokeh gut, aber nicht überragend, waschechte Porträtobjektive können das definitiv besser. Immerhin sind die Farblängsfehler gering, es zeigen sich also nur minimale Farbsäume im Unschärfebereich vor und hinter der Fokusebene, auch als Bokeh-CA bekannt.
Beim Labortest an der Sigma fp L zeigt sich trotz nicht deaktivierbarer Verzeichnungskorrektur durch die Kamera eine leicht kissenförmige Verzeichnung. In Wirklichkeit ist die Kissenform sogar noch viel stärker und wirkt ohne Korrektur störend, mit Korrektur fällt sie dagegen kaum auf. Bei der Korrektur von Farbsäumen in der Schärfeebene, also den Farbquerfehlern, zeigt sich die Kamera-Objektiv-Kombination ebenfalls nicht ganz perfekt. Zwar sind die Farbsäume im Durchschnitt gering, im Maximum an hohen Kontrastkanten können sich jedoch vor allem am Bildrand bis zu einen Pixel breite Farbsäume zeigen, was spätestens bei einer Vergrößerung sichtbar wird. Die Randabdunklung ist dagegen weniger problematisch. Nur bei Offenblende ist sie mit einer Blendenstufen Helligkeitsabfall bis in die Bildecken etwas stärker, fällt aber dank des sehr sanften, natürlichen Verlaufs kaum auf. Ab F5,6 beträgt die Randabdunklung sogar nur noch maximal eine drittel Blendenstufe.
Besonders spannend war die Messung der Auflösung. Immerhin sind die 61 Megapixel der Sigma fp L durchaus eine Herausforderung für ein Objektiv, erst recht dieser Preisklasse. Tatsächlich zeigt das Sigma 90 mm F2.8 DG DN Contemporary bereits ab Offenblende eine sehr hohe Auflösung bei 50 Prozent Kontrast (siehe Diagramm aus dem Labortest unten). Gut 86 Linienpaare pro Millimeter (lp/mm) sind es im Bildzentrum, der Randabfall ist mit zwei Prozent auf 84 lp/mm kaum der Rede wert. Beim Abblenden lässt sich die sehr gute Auflösung sogar noch leicht steigern: Breits bei F4 wird das Maximum mit gut 89 lp/mm im Bildzentrum erreicht, am Bildrand sind es mit knapp 86 lp/mm nur vier Prozent weniger. Damit ist das 90 mm F2.8 über einen großen Blendenbereich verwendbar und es zeigt nicht nur eine hohe Auflösung, sondern auch ein sehr geringer Randabfall. Bei F8 fällt die Auflösung bereits beugungsbedingt leicht unter den Wert bei Offenblende, aber auch bei F11 wird noch eine brauchbare Auflösungen von rund 75 lp/mm erreicht.
Fazit
Das Sigma 90 mm F2.8 DG DN Contemporary ist ein würdiger Vertreter der I-Serie. Es ist wie seine sechs Schwestermodelle ein wahrer Schatz und macht schon beim Anfassen Spaß. Die Verarbeitung ist auf absolutem Top-Niveau, einzig den fast fehlenden Spritzwasserschutz, der nur am Bajonett besteht, könnte man kritisieren. Auch der Autofokus und die Bedienung sind einwandfrei. Die Bildqualität ist zwar nicht perfekt, bewegt sich aber bereits ab Offenblende auf einem hohen Niveau. Das Bokeh ist insgesamt schön, auch wenn es nicht ganz an das reinrassiger Porträtobjektive herankommt. Die optischen Fehler halten sich in Grenzen und die Auflösung fällt zum Bildrand fast gar nicht ab.
Kurzbewertung
- Hochwertiges Metallgehäuse
- Schneller, leiser Autofokus
- Angenehm laufender Fokusring
- Hohe Bildqualität ab Offenblende, perfekt bei F4
- Auch am Bildrand sehr hohe Auflösung
- Blendenring ohne De-Click-Funktion und Automatik-Sicherung
- Kein vollständiger Spritzwasser- und Staubschutz
Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.