Rekordultraweitwinkelzoom
Testbericht: Canon EF 11-24 mm 4.0 L USM
2016-01-26 Mit einem diagonalen Bildwinkel von 126 Grad ist das Canon EF 11-24 mm 4.0 L USM derzeit einsamer Rekordhalter unter den Weitwinkelobjektiven. Nur Fisheyeobjektive mit entsprechend starker Verzeichnung bieten noch mehr Bildwinkel. Möglich wird das laut Canon durch die Verwendung von UD- und Super-UD-Linsen, also Gläsern mit extrem geringer Dispersion, die trotz des großen Bildwinkels für eine hohe Schärfe bis an den Bildrand sorgen sollen. Im Labortest muss das Ausnahmeobjektiv zeigen, ob es diese Versprechen halten kann. (Benjamin Kirchheim)
Das Canon EF 11-24 mm 4.0 L USM besitzt eine fest verbaute Sonnenblende und liefert einen sensationellen diagonalen Bildwinkel von 126 Grad mit relativ geringer Verzeichnung ab. [Foto: Canon]
Mit fast 1,2 Kilogramm Gewicht und einem maximalen Durchmesser von knapp elf Zentimetern ist das Canon EF 11-24 mm 4.0 L USM ein echter Klopper. Auch die Länge von 13 Zentimetern fällt für ein Ultraweitwinkelzoom nicht gerade zierlich aus. Der enorme Bildwinkel von bis zu 126 Grad diagonal muss bei einem Vollformatobjektiv aber auch irgendwie realisiert werden. Dies bedeutet in erster Linie eine extrem stark nach außen gewölbte Frontlinse, an ein Filtergewinde ist hier nicht zu denken. Allerdings bietet das Objektiv auf der Bajonettseite einen Filterhalter, hier lassen sich also beispielsweise Graufilterfolien verwenden. Die Sonnenblende besteht wie auch Teiles des Objektivtubus' aus robust wirkendem Kunststoff und ist fest verbaut, der riesige Objektivdeckel wird über diese gestülpt.
Das Objektiv verfügt vorne über einen anschlagfreien Schärfering, der mit einer drittel Umdrehung von unendlich bis zur Naheinstellgrenze von 28 Zentimeter fokussiert. Dies sind lediglich zehn Zentimeter ab Frontlinse. Entsprechend lassen sich Motive nahe der Frontlinsen in extrem übertriebenen Dimensionen im Verhältnis zum Hintergrund abbilden. Wirklich gut manuell fokussieren lässt sich aber nur im Bereich von 28 Zentimetern bis etwas über einen Meter Entfernung, darüber werden die Stellwege recht kurz. Die bei steigender Entfernung deutlich größer werdende Schärfetiefe kommt dem Fotografen dabei aber entgegen. Mit der durchgehenden Anfangsöffnung von F4 lassen sich aber bei geringen Motiventfernungen durchaus Hintergrundunschärfen realisieren, insbesondere am langen Brennweitenende von 24 Millimetern.
Beim Zoomen fahren sowohl die Front- als auch die Rücklinse hin und her, die Gesamtlänge des Objektivs ändert sich dabei hingegen nicht. Etwas Luft wird bei diesem Vorgang durchaus gepumpt, dennoch verspricht Canon einen Schutz gegen Staub und Spritzwasser und verspricht, dass auch unter härtesten Wetterbedingungen problemlos fotografiert werden kann. Der Ultraschallautofokus arbeitet nahezu geräuschlos und stellt flott sowie zuverlässig scharf. Der Fokusring erlaubt dabei jederzeit eine manuelle Korrektur. Zusätzlich kann dank des Fokusschalters am Objektiv jederzeit auf manuellen Fokus gewechselt werden.
Selbst an der großen Vollformatkamera Canon EOS 5DS R wirkt das EF 11-24 mm 4.0 L USM noch recht wuchtig. Es drückt alleine schon fast 1,2 Kilogramm auf die Waage, die abgebildete Kombination bringt es gar auf fast 2,1 Kilogramm. [Foto: MediaNord]
Bildqualität
In der Praxis ist der große Bildwinkel einfach enorm und man muss schon aufpassen, ob aus dem Vordergrund etwas unbemerkt ins Bild ragt. Genauso hat man bei Freiluftaufnahmen schneller die Sonne im Bild, als einem lieb sein kann. Zwar sorgt die hochwertige Vergütung auch dann für hohe Kontraste und gute Tiefenzeichnung, Blendenreflexe und Streulichteffekte lassen sich jedoch nicht ganz vermeiden. Hier ist die Kreativität des Fotografen gefragt, um diese bildwirksam einzusetzen.
Am kurzen Brennweitenende ist bei Offenblende die Vignettierung gut sichtbar, sie beträgt 1,2 Blendenstufen. Beim Einzoomen oder Abblenden verschwindet diese jedoch schnell auf kaum noch störende Werte von einer halben Blendenstufe und weniger. Canon verspricht eine extrem geringe Verzeichnung. Dieser Eindruck bestätigt sich zwar im Sucher, zumal der große Bildwinkel einen einfach in den Bann zieht, verzeichnungsfrei ist das Canon EF 11-24 mm 4.0 L USM dennoch nicht. Tatsächlich beträgt die Verzeichnung im Weitwinkel sogar 3,5 Prozent, wie nicht anders zu erwartet in einer Tonnenform. Angesichts des Bildwinkels kann man die Verzeichnung jedoch als gering bezeichnen. Bei 16 und 24 Millimetern liegt die Verzeichnung bei unter einem halben Prozent und ist damit sehr gering. Allerdings zeigt sich bei 16 Millimetern eine unschöne wellenförmige Verzeichnung, erst kissenförmig und dann tonnenförmig. Chromatische Aberrationen hat das 11-24 sogar hervorragend im Griff (siehe Diagramm aus dem Labortest unten). Obwohl die Testkamera Canon EOS 5DS R sehr hoch auflöst, beschränken sich die Farbsäume auf einen Pixel oder weniger.
Durch die stark gewölbte Frontlinse des Canon EF 11-24 mm 4.0 L USM lassen sich keine Schraubfilter verwenden. Dafür bietet das Objektiv auf der Bajonettseite einen Filterhalter. [Foto: MediaNord]
Äußerst spannend bei so extremem Bildwinkel ist natürlich die Auflösung, haben Ultraweitwinkel doch oft mit extremen Randunschärfen zu kämpfen. Gemessen wird die Auflösung in unserem Labor bei 50 Prozent Kantenkontrast, da dies eine gut sichtbare Auflösung darstellt und sich hier oft schlechte von guten Objektiven viel stärker unterscheiden als bei der Grenzauflösung bei geringen Kontrasten von beispielsweise zehn Prozent. Bei 11 Millimetern liegt die Auflösung in der Bildmitte bereits bei Offenblende bei 60 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm) und steigert sich bis F8 auf ein Maximum von 73 lp/mm, bevor die Beugung für einen Rückgang sorgt. Selbst bei F16 wird aber noch dieselbe Auflösung wie bei Offenblende erreicht. Am Bildrand liegt die Auflösung um ein gutes Drittel unter der Zentrumsauflösung. 40 lp/mm bei F4, das Maximum beträgt 57 lp/mm bei F11. Für den enormen Bildwinkel sind das recht gute Werte, auch wenn sie einen nicht vom Hocker hauen.
Bei 16 Millimetern besitzt das Canon EF 11-24 mm 4.0 L USM eine enorme Auflösung von 83 lp/mm bereits bei Offenblende, das Maximum wird schon bei F5,6 mit 88 lp/mm erreicht. Bereits bei F8 sinkt die Auflösung um fast zehn Prozent auf knapp 80 lp/mm. Bis F16 kann man aber durchaus noch von einer guten Auflösung sprechen, 60 lp/mm sind es in etwa. Am Bildrand liegt der Auflösungsverlust bei 16 Millimetern mit gut 25 Prozent etwas niedriger als am ganz kurzen Brennweitenende. Von 62 lp/mm bei Offenblende angefangen steigert sich die Randauflösung auf bis zu 67 lp/mm bei F8. Auch am langen Brennweitenende übersteigt die Auflösungskurve die Marke von 80 lp/mm. Bei Offenblende hingegen gibt es erstmal nur 65 lp/mm. Bei F5,6 und F8 sind es knapp über und knapp unter 80 lp/mm. Auch hier bleibt bei F16 trotz Beugung noch eine ausreichende Auflösung von 63 lp/mm übrig. Bei 24 Millimetern ist der höchste Randabfall zu beklagen, der bis zu 50 Prozent beträgt. Von F4 bis F8 pendelt die Auflösung nur bei rund 40 lp/mm, erst bei F11 springt sie auf 54 lp/mm nach oben.
Der große Objektivdeckel für das Canon EF 11-24 mm 4.0 L USM wird vorne über die fest verbaute Sonnenblende gestülpt. [Foto: MediaNord]
Fazit
Das Canon EF 11-24 mm 4.0 L USM ist in mehrfacher Hinsicht eine "Wucht". Einerseits ist das Gewicht nicht ohne, dazu passen aber auch die wuchtigen Abmessungen. Zwar ist das 11-24 mm nicht frei von Schwächen, aber für einen so großen Bildwinkel liefert es eine wirklich gute Bildqualität selbst an so hoch auflösenden Vollformat-Boliden wie der EOS 5DS R ab. Die Verzeichnung ist verhältnismäßig moderat bis gering, bei Gegenlicht liefert das Ultraweitwinkel hohe Kontraste mit allerdings leichten Blendenflecken ab. Farbsäume kennt es praktisch nicht und die Auflösung ist, insbesondere bei mittlerer Brennweite, sehr hoch. Aber auch am kurzen Brennweitenende liefert es viele Details und ist am Bildrand "noch gut". Ein gewisser Auflösungsverlust zum Bildrand lässt sich nicht leugnen, aber dieser ist vor allem am langen Brennweitenende etwas ausgeprägter. Wie sagt man so schön: Dieses Objektiv ist "alternativlos". Mit 3.000 Euro hat es allerdings auch einen entsprechend stolzen Preis.
Kurzbewertung
- Spritzwasser- und Staubschutz
- Optisch praktisch fehlerfrei
- Sehr hohe Bildauflösung im Zentrum
- Sehr schnelle und leise Fokussierung
- Relativ geringe Naheinstellgrenze für guten Abbildungsmaßstab
- Wuchtiges Erscheinungsbild
- Verformbarer Kunststofftubus eines 2000-Euro-Objektivs nicht würdig
- Geringe Randauflösung bei offener und leicht geschlossener Blende
Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.