Porträt- und Makro-Objektiv
Testbericht: Canon RF 85 mm F2 Macro IS STM
Seite 2 von 2, vom 2022-04-16 (Autor: Benjamin Kirchheim)Zur Seite 1 wechseln
Bildqualität
Der optische Aufbau des Canon RF 85 mm F2 Macro IS STM besteht aus zwölf Linsen, die in elf Gruppen angeordnet sind. Gläser mit speziellem Brechungsindex oder asphärisch geschliffene Linsen kommen nicht zum Einsatz, wohl aber die Super-Spectra-Vergütung. Die sorgt in der Praxis auch im direkten Gegenlicht für hohe Kontraste. Zudem halten sich die Blendenreflexe in Grenzen. Die Blende selbst besteht aus neun Lamellen und lässt sich typisch für ein Makroobjektiv sehr weit schließen: bis zu F29 sind möglich. Die Blende ist aber so gut gerundet, dass selbst dann kein Sonnenstern sichtbar wird. Das soll aber auch gar nicht die Paradedisziplin eines Porträtobjektivs sein, sondern das Bokeh. Und das ist richtig gelungen! Details verlaufen in der Unschärfe wunderbar ineinander, die Unschärfescheibchen sind sehr gleichmäßig und ohne störenden hellen Rand, so dass auch Spitzlichter im Hintergrund homogen abgebildet werden. Genau so muss ein Porträtobjektiv "abliefern". Lediglich ganz leichte Farbsäume können bei hohen Kontrasten im Unschärfebereich sichtbar werden.
Doch auch im Testlabor an der 45 Megapixel auflösenden Canon EOS R5 schlägt sich das RF 85 mm F2 Macro IS STM äußerst gut, wenn auch nicht fehlerfrei. Praktisch nicht vorhanden sind Farbsäume in der Schärfeebene. Auch die Randabdunklung hält sich mit maximal 0,3 Blendenstufen sehr in Grenzen, am Verlauf der Messkurven (nicht jedoch am Bildergebnis) kann man aber die aktivierte elektronische Korrektur minimal erkennen. Anders sieht es bei der Verzeichnung aus, denn die ist deutlich sichtbar, und zwar auch mit dem bloßen Auge, jedenfalls sobald zum Bildrand parallel verlaufende Linien im Motiv enthalten sind.
Laut Labormessung beträgt die Verzeichnung 1,2 Prozent (siehe Diagramm aus dem Labortest unten). Das klingt nicht allzu viel, da es sich aber um die für das menschliche Auge unnatürlicher wirkende Kissenform handelt, fällt das schon auf. Wen das stört, der kann die Verzeichnungskorrektur in der Kamera aktivieren oder das in der Raw-Datei eingebettete Korrekturprofil nutzen, sofern der verwendete Rohdatenkonverter das unterstützt. Allzu stark sollten die negativen Auswirkungen der Korrektur auf das Bild nicht sein (es geht etwas Bildinhalt und minimal Auflösung verloren).
Man sieht es dem Canon RF 85 mm F2 Macro IS STM auf den ersten Blick nicht an, aber als Makro besitzt es einen Auszugs-Fokus, bei dem an der Naheinstellgrenze ein Tubus um 2,8 Zentimeter ausfährt. [Foto: MediaNord]
Apropos Auflösung: Diese ist selbst an den 45 Megapixeln der Canon EOS R5 sehr gut. Im Bildzentrum werden bei 50 Prozent Kontrast bereits ab Offenblende knapp 80 Linienpaare pro Millimeter (lp/mm) aufgelöst. Um zwei Stufen abgeblendet (F4) wird das Maximum von 87 lp/mm erreicht, womit das RF 85 mm F2 Macro IS STM anderen, sehr teuren Festbrennweiten praktisch nicht nachsteht. Bis F8 werden über 80 lp/mm aufgelöst, dann macht sich der Auflösungsverlust durch Beugung immer mehr bemerkbar. Bei F11 sind es nur noch 73 lp/mm und bei F16 nur noch 62. Wer für maximale Schärfentiefe bei Makroaufnahmen auf F29 abblendet, erhält nur noch 42 lp/mm. Man sollte sich also gut überlegen, ob derart starkes Abblenden notwendig ist oder man eher eine geringere Schärfentiefe in Kauf nimmt oder aber die Fokus-Bracketing-Funktion der Canon-Kameras nutzt und die Einzelbilder am PC zu einem mit größerem Schärfebereich zusammensetzt, zumal man dann in der Schärfentiefe nicht mehr begrenzt ist. Siehe dazu auch unseren Fototipp in den weiterführenden Links.
Am Bildrand löst das Canon RF 85 mm F2 Macro IS STM nicht ganz so hoch auf, mit 60 lp/mm bei Offenblende ist aber auch die Randauflösung gut. Die maximale Randauflösung wird bei F8 mit 70 lp/mm erreicht, hier sinkt dann auch der relative Randabfall auf deutlich unter 25 Prozent. In der Praxis dürfte der Randabfall bei Porträts keine und bei Makros kaum eine Rolle spielen. Landschafts- und Architekturaufnahmen, bei denen die Randauflösung eine größere Rolle spielt, sind für ein 85 mm eher untypisch, wenn natürlich auch nicht ausgeschlossen. Hier kann man aber gut auf F8 abblenden und erhält damit eine recht gleichmäßige Auflösung über das gesamte Bildfeld.
Fazit
Dem Canon RF 85 mm F2 Macro IS STM gelingt der Spagat zwischen Eignung für Porträt- und Makroaufnahmen sehr gut, was die Festbrennweite zu einem vielseitigen Werkzeug macht. Gekonnt paart das Objektiv eine hohe Auflösung in der Schärfeebene mit einem sehr weichen Bokeh. Bei der Materialanmutung und Robustheit muss man zwar ein paar Abstriche in Kauf nehmen, dafür ist das Objektiv umso besser ausgestattet. Der Bildstabilisator ist im Konkurrenzumfeld sogar einzigartig, womit auch Besitzer einer EOS R oder EOS RP bedenkenlos zugreifen können. Weniger gut eignet sich die Festbrennweite dagegen für Videoaufnahmen, denn das Fokusatmen ist sehr deutlich. Wer einen schnellen Autofokus wünscht, sollte unbedingt vom Fokuslimiter Gebrauch machen. Die größte Schwäche der Bildqualität ist die sichtbar kissenförmige Verzeichnung, die sich jedoch auf Wunsch digital "wegoptimieren" lässt. Andere optische Fehler sind gering und die Auflösung ist in der Bildmitte bereits ab Offenblende sehr gut. Die Randauflösung ist zwar ebenfalls gut, lässt sich aber beim Abblenden noch stärker steigern als im Bildzentrum.
Kurzbewertung
- Hohe Auflösung im Bildzentrum
- Hohe Kontraste auch im Gegenlicht
- Wunderschönes Bokeh
- Gute Makrotauglichkeit
- Kein Spritzwasser- und Staubschutz
- Deutliches Fokusatmen
- Sichtbar kissenförmige Verzeichnung
Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.