Lichtstarkes Tele
Testbericht: Fujifilm XF 90 mm F2 R LM WR
2016-03-04 Kennern ist das Fujifilm X-System längst ein Begriff für hochwertigste Objektive kombiniert mit hoher Lichtstärke. Das im vergangenen Jahr auf den Mark gekommene, knapp 900 Euro teure Fujifilm XF 90 mm F2 R LM WR will dem in Nichts nachstehen. Die Telebrennweite mit einem Kleinbildäquivalent von 135 Millimetern bietet mit einer maximalen Blendenöffnung von F2 ein großes Freistellpotential und eignet sich beispielsweise für Porträts oder die Fotografie größerer Tiere, auch unter schwierigen Lichtverhältnissen. Im digitalkamera.de-Test muss es zeigen, ob es die hohen Erwartungen an die Bildqualität erfüllen kann. (Benjamin Kirchheim)
Das XF 90 mm F2 R LM WR macht dem XF-System alle Ehre. Über ein halbes Kilo drückt es mit seinem Metallgehäuse auf die Waage. Mit fast acht Zentimetern Durchmesser bei einer Länge von knapp elf Zentimetern wirkt das Objektiv auch nicht gerade zierlich, aber für ein 90 Millimeter durchaus angemessen. Dichtungen schützen vor dem Eindringen von Staub und Spritzwasser, ideal für Besitzer der X-T1 oder der demnächst erhältlichen X-Pro2, an der wir das 90er getestet haben. Zusammen mit der X-Pro2 steigt das Gewicht auf knapp über ein Kilogramm. Leicht ist anders, aber hochwertig wirkt diese Kombination, mit der man vermutlich Nägel in die Wand schlagen könnte, auf jeden Fall. Nur ein kleines Manko stört diesen Eindruck: Im Objektiv bewegt sich etwas, beim Schütteln klappert es sehr laut. Dabei besitzt das XF 90 mm F2 R LM WR leider gar keinen optischen Bildstabilisator. Tatsächlich handelt es sich um die Fokusgruppe, die sozusagen freischwebend bewegt wird. Das sorgt zwar für eine leise und schnelle Fokussierung ohne bremsende Mechanik, aber eben auch für etwas Stirnrunzeln, ob das denn langlebig genug ist und einen ruppigen Alltag übersteht, beispielsweise den Transport am Fahrrad.
Das Fujifilm XF 90 mm F2 R LM WR besitzt ein robustes Metallgehäuse mit Dichtungen zum Schutz vor Staub und Spritzwasser. [Foto: Fujifilm]
Der Fokusring fällt äußerst breit aus und besitzt einen angenehmen Widerstand. Das geriffelte Metall ist griffig. Der Fokusring arbeitet rein elektronisch, die Bewegungen werden äußerst feinfühlig auf den leisen Fokusantrieb, von einem klassischen Motor mag man hier gar nicht sprechen, übertragen. Mangels mechanischer Übertragung oder Simulation, wie Olympus es mit einem festen Einstellbereich bei manchen Objektiven realisiert, besitzt das XF 90 mm keine Fokusskala. Auf dem Bildschirm beziehungsweise im elektronischen Sucher der Kamera wird aber eine Fokusskala eingeblendet, entsprechend eingestellt zeigt die Fujifilm X-Pro2 sogar die Schärfentiefe an. Die automatische Fokussierung erfolgt zügig, stellt aber keine Geschwindigkeitsrekorde auf, zumal der Autofokus der X-Pro2 zuweilen etwas unentschlossen wirkt. Manuell fokussiert stehen neben der Schärfeskala auch noch eine Fokuslupe, Fokuspeaking sowie eine Schnittbildsimulation bereit.
Neben dem Fokusring bietet das Fujifilm XF 90 mm F2 R LM WR einen Blendenring, der in Drittelstufen zwischen F2 und F16 einrastet. Der Ring ist für unseren Geschmack einen Hauch zu schwergängig. Die Automatikstellung bietet dagegen nach wie vor keine Sperre vor versehentlichem Drehen auf F16. Dank der Schwergängigkeit passiert dies wenigstens nicht ganz so leicht. Dennoch könnte Fujifilm den Objektiven gerne eine Sperre spendieren, schließlich muss man bei der X-Pro2 sowohl den ISO-Ring als auch den Belichtungszeitenring, sogar in jeder Stellung, entsprechend entsichern, bevor man den Wert ändern kann.
Dank des 62mm-Filtergewindes lassen sich problemlos optische Filter verwenden, dank der Innenfokussierung ändert sich die Baulänge des Objektivs nicht und selbstverständlich rotiert die Front nicht wie bei uralten, manuellen Konstruktionen. Zum Lieferumfang gehört neben den Objektivdeckeln eine große Kunststoff-Gegenlichtblende, die sich zum Transport verkehrt herum am Objektiv montieren lässt. An die Hochwertigkeit des Objektivs kommt die Kunststoffblende nicht heran, erfüllt aber ihren Dienst. Wer Platz sparen möchte, muss die Blende nicht einmal unbedingt mitnehmen, denn das Objektiv zeigt sich in der Praxis erstaunlich unempfindlich bei Gegenlicht, selbst mit der Sonne direkt im Bild lassen sich kaum Blendenreflexe hervorzaubern. Dank der großen Blendenöffnung von maximal F2 besitzt das XF 90 mm eine geringe Schärfentiefe, zudem zeigt das Tele ein sehr angenehm weiches Bokeh. In der Schärfeebene hingegen wirkt es rattenscharf. Optische Mängel wie Farbsäume oder Randabdunklung konnten wir in der Praxis nicht feststellen.
Die Bildqualität des Fujifilm XF 90 mm F2 R LM WR ist tadellos. Rattenscharf schon bei Offenblende im Zentrum und am Bildrand zeigt es zudem keine optischen Fehler und besitzt ein schönes Bokeh. [Foto: MediaNord]
Der Blendenring des Fujifilm XF 90 mm F2 R LM WR ist etwas zu schwergängig, besitzt jedoch keine spezielle Sicherung in Automatikstellung. [Foto: MediaNord]
Bildqualität
Im Labortest bestätigen sich die Eindrücke aus der Praxis. Einen Schärfeabfall konnten wir weder zum Bildrand noch beim Abblenden feststellen. Der Lens Modulation Optimizer, der physikalische Schwächen des Objektivs wie Beugungsunschärfe, Randunschärfe, Vignettierung sowie Verzeichnung und Farbsäume minimieren soll, liefert nahezu perfekte Ergebnisse ab. Dabei scheint das Objektiv aber auch optisch eine sehr gute Basis zu bieten, denn die Schärfeartefakte, die eine hohe Kompensation von Auflösungsschwächen offenbaren würden, fallen ziemlich gleichmäßig aus. Weder die Messungen der Verzeichnung noch der Vignettierung oder Farbsäume zeigen nennenswerte Schwächen des Objektivs. Der Bildrand ist mit maximal 0,3 Blendenstufen minimal dunkler, die Verzeichnung liegt bei etwa 0,2 bis 0,3 Prozent Kissenform und Farbsäume spielen sich im Bereich von unter 0,2 Pixeln ab.
Wirklich exzellent schneidet das Fujifilm XF 90 mm F2 R LM WR bei der Auflösungsmessung ab (siehe Diagramm aus dem Labortest unten). Schon bei Offenblende F2,0 erreicht es im Bildzentrum fast 60 Linienpaare pro Millimeter (lp/mm) bei 50 Prozent Kontrast an der 24 Megapixel auflösenden Fujifilm X-Pro2. Das sind 30 Prozent mehr als die höchste Auflösung, die wir an der X-Pro1 gemessen hatten und immerhin noch 13 Prozent mehr der Höchstwert eines Objektivs an der X-T1. Beide Kameras lösen 16 Megapixel auf, die X-Pro2 münzt also die 50 Prozent mehr Pixel auch in eine tatsächlich messbare höhere Auflösung um. Die Auflösung beträgt bei Offenblende am Bildrand 55 lp/mm, es ist also kein nennenswerter Randabfall messbar. Beim Abblenden legt die Auflösung weder im Zentrum noch am Bildrand nennenswert zu, was für das Objektiv spricht, zeigt es doch eine sehr gute Offenblendtauglichkeit, die man nur bei wenigen anderen Objektiven in anderen Systemen findet. Dass selbst bei F16 kein Auflösungsverlust durch Beugung feststellbar ist, spricht für den inzwischen sehr ausgereiften Lens Modulation Optimizer, der die Beugungsunschärfe digital beseitigt, ohne zu erhöhten Schärfeartefakten zu führen. Hut ab, Fujifilm.
Fazit
Das Fujifilm XF 90 mm F2 R LM WR wird selbst den sehr hohen Erwartungen gerecht, die Fujifilm durch das hohe Niveau der bisherigen XF-Festbrennweiten geschürt hat. Die Verarbeitung mit Metallgehäuse und Abdichtung ist tadellos, höchstens die klappernde Fokusgruppe könnte man kritisieren. Das Objektiv fokussiert nicht nur flott automatisch, sondern dank des breiten Fokusrings auch sehr gut manuell. Der Blendenring ist vielleicht etwas schwergängig und lässt eine Sicherung der Automatikstellung vermissen, aber das ist Kritik an Kleinigkeiten. Vor allem aber die exzellente Bildqualität weiß zu überzeugen. Das XF 90 mm F2 R LM WR ist bei allen Blenden von der Bildmitte bis zum Bildrand rattenscharf und zeigt praktisch keine optischen Fehler bei zudem sehr schönem Bokeh und sehr guter Gegenlichtresistenz. Wer also ein 135 mm (Kleinbildäquivalent) für die Porträtfotografie oder zum Fotografieren größerer Tiere, auch in der Dämmerung, braucht, sollte zuschlagen. Das Fujifilm XF 90 mm F2 R LM WR ist jeden einzelnen der knapp 900 Euro wert.
Kurzbewertung
- Hochwertige Verarbeitung mit Metallgehäuse und Spritzwasser-/Staubschutz
- Sehr hohe Auflösung bei allen Blenden im Zentrum und am Bildrand
- Angenehm weiches Bokeh
- Frei von optischen Fehlern
- Blendenring etwas schwergängig
- Keine Sicherung der Automatikstellung des Blendenrings
- Fokusgruppe klappert laut im Objektiv
- Kein optischer Bildstabilisator