Lichtstarke Supertele-Festbrennweite
Testbericht: Olympus 300 mm 4 ED IS Pro
2016-02-10 Auf dieses Objektiv haben Micro-Four-Thirds-Wildlife-Fotografen lange gewartet: Das Olympus M.Zuiko Digital 300 mm 4 ED IS Pro bietet eine kleinbildäquivalente Brennweite vom 600 Millimeter bei einer hohen Lichtstärke von F4,0 und bringt dabei weniger als 1,5 Kilogramm inklusive Stativschelle auf die Waage. Ein Kleinbildobjektiv mit gleichem Bildausschnitt und gleicher Blende wiegt vier bis fünf Kilogramm. Das Olympus 300 mm lässt sich sogar problemlos freihand verwenden. Im digitalkamera.de-Test muss es zeigen, ob auch die optische Qualität auf Profiniveau ist. (Benjamin Kirchheim)
Das Olympus M.Zuiko Digital 300 mm 4 ED IS Pro ist trotz seines spritzwasser- und staubgeschützten Metallgehäuses nicht nur vergleichsweise leicht, sondern mit 22,7 mal 9,3 Zentimetern auch relativ klein. Das Filtergewinde misst lediglich 77 Millimeter. Im Verhältnis zu einer kompakten Micro-Four-Thirds-Kamera, wie etwa der im Test aufgrund ihrer hohen Auflösung verwendeten Pen-F, wirkt aber auch das 300 mm ziemlich wuchtig. Wie gut, dass die Stativschelle zum Lieferumfang gehört, denn dem Bajonett möchte man auf dem Stativ diesen enormen Hebel nicht zumuten. Pfiffig an der Schelle sind vor allem die eingefrästen Nuten, durch die sich das Objektiv direkt auf einen Arca-Swiss-kompatiblen Stativkopf klemmen lässt (siehe Bild unten). Diese Lösung dürfen sich andere Hersteller gerne abgucken. Wer das Objektiv freihand benutzen möchte, kann die 200 Gramm schwere Stativschelle abnehmen und durch den mitgelieferten Zierring ersetzen, der die unschönen Schrauben verdeckt, die das Objektiv normalerweise in der Nut der Stativschelle halten. Bereits beim Test des 40-150 2.8 monierten wir diesen auf die unschönen Schrauben. Nun gibt es sogar für das 40-150 einen entsprechenden Abdeckring als Zubehör.
Das Olympus M.Zuiko Digital ED 300 mm 1:4.0 IS Pro wiegt ein Drittel, ist halb so lang und dick und kostet sogar nur ein Fünftel eines vergleichbaren Kleinbildobjektivs (600 mm F4). [Foto: Olympus]
Pfiffig: Die Stativschelle des Olympus M.Zuiko Digital 300 mm 4 ED IS Pro ist Arca Swiss kompatibel. [Foto: MediaNord]
Doch zurück zum 300 mm 4 Pro: 600 Millimeter Kleinbildäquivalent freihand? Dank des optischen Bildstabilisators, der erste seiner Art in einem Micro-Four-Thirds-Objektiv von Olympus, ist das kein Problem. Der optische Bildstabilisator ermöglicht bis zu vier Blendenstufen längere Belichtungszeiten. Der besondere Clou: Bei drei der Micro-Four-Thirds-Kameras arbeitet der optische Stabilisator perfekt mit dem Sensor-Bildstabilisator zusammen (Pen-F, OM-D E-M5 Mark II und E-M1) und es ist davon auszugehen, dass zukünftig mehr neue Kameras den Hybrid-Stabilisator unterstützen werden. Der Hybridstabilisator soll sechs Blendenstufen längere Belichtungszeiten ermöglichen. Das entspräche 1/10 Sekunde Belichtungszeit beim 600mm-Objektiv (Kleinbild-Äquivalent). Bei dieser langen Verschlusszeit war unsere Ausschussrate allerdings doch sehr hoch, aber bei 1/20 Sekunde waren die meisten Bilder scharf. Welche Belichtungszeiten man letztlich noch aus der Hand halten kann, ist aber ohnehin individuell sehr unterschiedlich. Festzuhalten bleibt, dass man dank des Stabilisators in Belichtungszeitenbereiche vorstößt, bei denen eher die Bewegungen des Motivs als die des Fotografen zum Problem werden können. Der Schalter am Objektiv zur Deaktivierung des Bildstabilisators schaltet praktischerweise den Stabilisator der Kamera gleich mit aus.
Die Anfangsöffnung von F4 bei 300 Millimetern Brennweite bedeutet zwar eine doppelt so große Schärfentiefe wie bei einem 600 mm F4 Kleinbildobjektiv, die Schärfentiefe ist jedoch normalerweise gering genug. Entscheidend ist die Anfangsöffnung von F4,0 vor allem für eine möglichst kurze Verschlusszeit, und hier bedeutet F4 dasselbe wie bei einem Kleinbildobjektiv. Wer beim Lieferumfang übrigens die Sonnenblende vermisst, sollte sich das Objektiv genau anschauen: Die Sonnenblende ist fest verbaut und kann einfach nach vorne gezogen werden. Mit einem Dreh wird sie in vorderer Stellung arretiert, sodass man das Objektiv auf der Sonnenblende abstellen kann. Olympus verwendet beim 300 mm übrigens eine gegenüber der Zero-Beschichtung nochmals verbesserte Vergütung, die für noch weniger Reflektionen sorgt. In Gegenlichtsituationen zeichnet das 300 mm damit einen hohen Kontrast und auch Blendenreflexe sind praktisch kein Problem, selbst wenn man die Gegenlichtblende nicht auszieht.
An der Olympus Pen-F wirkt das M.Zuiko Digital 300 mm 4 ED IS Pro, hier mit Zierring statt Stativschelle und ausgezogener Sonnenblende, geradezu monströs. Dennoch lässt sich mit der 1,7 kg leichten Kombination problemlos freihand fotografieren. [Foto: MediaNord]
Fokus
Die Fokussierung erfolgt äußert schnell und flüsterleise. Bereits ab einer Entfernung von 1,4 Metern stellt das M.Zuiko Digital 300 mm 4 ED IS Pro scharf, das sind etwa 1,15 Meter ab Frontlinse. Ein weiterer entscheidender Vorteil gegenüber einem 600 mm Kleinbildobjektiv, dessen Naheinstellgrenze normalerweise bei 4,5 bis 5 Meter liegt. Das Olympus 300 mm erreicht damit einen maximalen Abbildungsmaßstab von 1:4,2. Schaut man sich das kleinste Motiv an, das man mit dem Olympus formatfüllend abbilden kann, wird der Unterschied zum Kleinbild noch deutlicher: 7,3 mal 5,5 Zentimeter sind es beim Olympus, während ein Kleinbildobjektiv wie das Nikon 600 mm 1:4E FL 25,6 mal 17 Zentimeter als kleinstes Motiv formatfüllen abzubilden vermag.
Da das Olympus eine so geringe Naheinstellgrenze besitzt, erlaubt der Fokusbegrenzer die Wahl, ob man den gesamten Fokusbereich, nur den Nahbereich von 1,4 bis vier Metern oder den Bereich von vier Metern bis unendlich nutzen möchte. Auf manuellen Fokus kann ganz einfach mit dem Zurückziehen des Fokusrings umgeschaltet werden. Dann kommt eine Schärfeskala zum Vorschein, der leider Markierungen für die Schärfentiefe fehlen. Jedenfalls kann mit einer Viertel-Umdrehung manuell fokussiert werden, wobei die Steuerbefehle elektronisch an den Fokusmotor weitergegeben werden. Lässt man den Fokusring vorne und schaltet an der Kamera auf manuellen Fokus um, so kann nochmals feiner fokussiert werden, weil langsame Bewegungen des Fokusrings entsprechend feinfühlig übertragen werden. Dank Fokuslupe und Fokus-Peaking der entsprechenden Kamera lässt sich der Schärfepunkt kinderleicht finden.
Bildqualität
In der Praxis liefert das Olympus M.Zuiko Digital 300 mm 4 ED IS Pro eine beeindruckende Bildqualität. Knackscharf bis in die Ecken und ohne sichtbare optische Fehler. Zudem besitzt das mit neun Blendenlamellen ausgestattete Teleobjektiv ein schönes Bokeh. Der Labortest bestätigt diese eindrucksvolle Bildqualität. Noch nie hatten wir ein Objektiv im Labortest, das eine so geringe Randabdunklung aufwies. Bei Offenblende sind es 0,1 EV (8 Prozent) Randabdunklung (siehe Diagramm aus dem Labortest unten), bei allen anderen Blenden gibt es überhaupt gar keine Randabdunklung. Auch die Verzeichnung ist mit etwa 0,1 Prozent Tonnenform praktisch nicht vorhanden und chromatischen Aberrationen umfassen messtechnisch selbst im Maximum kaum mehr als einen halben Pixel. Auch die Auflösung ist von Offenblende bis F11 sehr gut, darüber setzt deutlich messbar die Beugung der Auflösung eine Grenze. Die Randauflösung liegt praktisch auf demselben Niveau wie im Bildzentrum (maximal knapp 2 lp/mm darunter). Dass die Auflösung bei 50 Prozent Kontrast dabei mit etwa 50 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm) keine Rekorde aufstellt, liegt eher daran, dass so lange Brennweiten einerseits an die Grenzen unseres kleinen Labors stoßen und das Objektiv andererseits im Nahbereich (etwa acht Meter Abstand vom Testchart) betrieben wird. Leider haben wir auch über eine Woche nach unserer Nachfrage bei Olympus keine Antwort aus Japan erhalten, ob das Objektiv tatsächlich im Nahbereich etwas niedriger auflöst. Die optische Perfektion jedenfalls weist darauf hin, dass die Auflösung bei größeren Motivabständen sicherlich die Marke von 60 lp/mm knacken können sollte.
Die verbesserte Zero-Vergütung des Olympus M.Zuiko Digital 300 mm 1:4 ED IS Pro macht die fest verbaute, ausziehbare Sonnenblende fast überflüssig. [Foto: MediaNord]
Die optisch aufwändige Konstruktion des Olympus M.Zuiko Digital ED 300 mm 1:4.0 IS Pro besteht aus 17 Linsen, die in zehn Gruppen angeordnet sind. Darunter befinden sich ED- und asphärische Glaselemente. [Foto: Olympus]
Fazit
Das Olympus M.Zuiko Digital 300 mm 4 ED IS Pro ist mit 2.600 Euro zwar das bisher teuerste Objektiv im Micro-Four-Thirds-Line-Up, aber es liefert auch die beste optische Qualität und ist hervorragend verarbeitet. Es fokussiert schnell, besitzt eine tolle Naheinstellgrenze für beeindruckende Vergrößerung und überzeugt mit pfiffigen Detaillösungen wie der Umschaltung auf manuellen Fokus mittels Zurückziehen des Schärferings, der Arca-Swiss-kompatiblen Stativschelle oder der ausziehbaren Sonnenblende. Zudem arbeitet der Bildstabilisator, insbesondere in Zusammenarbeit mit bestimmten Kameras, besonders effektiv und erlaubt handgehaltene Belichtungszeiten, die bisher nur vom Stativ aus möglich waren. Der Vergleich mit einem entsprechenden Kleinbildobjektiv relativiert sogar den hohen Anschaffungspreis, denn das Olympus wiegt ein Drittel, ist halb so lang und dick und kostet sogar nur ein Fünftel. In der Praxis lässt es sich jedenfalls hervorragend handhaben und überzeugt mit einer atemberaubenden Bildqualität.
Kurzbewertung
- Optisch über alle Blenden hinweg hervorragende Leistung von der Bildmitte bis zum Bildrand
- Äußerst effektiver Hybrid-Bildstabilisator (nur mit bestimmten Kameras)
- Pfiffige Detaillösungen, etwa die Arca-Swiss-kompatible Stativschelle
- Robuste Verarbeitung mit spritzwassergeschütztem Metallgehäuse
- Eingebaute, ausziehbare Sonnenblende
- Obwohl optisch hervorragend im Labor nicht ganz so gute absolute Auflösung wie erwartet
- Aktuell nur drei Kameras unterstützen den Hybrid-Bildstabilisator
- Bisher teuerstes Micro-Four-Thirds-Objektiv, wenn auch in Relation preiswert
Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.