Kompaktes, lichtstarkes Telezoom
Canon RF 70-200 mm F2.8L IS USM im Test
Seite 2 von 2, vom 2022-06-02 (Autor: Benjamin Kirchheim)Zur Seite 1 wechseln
Wie die meisten RF-Objektive verfügt auch das Canon RF 70-200 mm F2.8L IS USM über einen zusätzlichen Einstellring, der je nach Kamerakonfiguration verschiedene Parameter einstellen kann, etwa die Blende, ISO-Empfindlichkeit, den Weißabgleich oder die Belichtungskorrektur. Der etwa einen Zentimeter breite Ring besitzt eine feine Rautenriffelung, aber keine Gummierung. Das leise Rasten des Rings lässt sich im Gegensatz zu den Blendenringen manch anderer Hersteller (etwa Sigma oder Sony) nicht per Schalter deaktivieren. Wer keine Rastung wünscht, muss sein Objektiv vom Canon-Service umbauen lassen.
Im ausgeschalteten Zustand lässt sich beim Schütteln ein deutliches Klappern vernehmen. Dabei handelt es sich um den optischen Bildstabilisator. Er soll bis zu fünf Blendenstufen längere Belichtungszeiten aus der Hand ermöglichen, zusammen mit dem Sensor-Shift-Bildstabilisator der Canon EOS R5 und R6 sogar noch mehr. In der Praxis konnten wir derartige Werte jedoch nur teilweise nachvollziehen. Bis fünf Blendenstufen, das entspricht 1/6 Sekunde Belichtungszeit bei 200 Millimetern Brennweite, waren die Fotos noch scharf, bei sechs oder sieben Blendenstufen, das sind 0,3 bis 0,6 Sekunden Belichtungszeit, hatten wir leichte Unschärfen in den Fotos, die man bei weniger starker Vergrößerung aber noch durchgehen lassen konnte. Bei acht Blendenstufen, also 1,3 Sekunden Belichtungszeit, waren die Fotos deutlich verwackelt.
Das Canon RF 70-200 mm F2.8L IS USM zeigt bei Offenblende ein schönes Bokeh. Das Foto wurde in der Dämmerung bei Flutlicht mit der Canon EOS R3 bei 1/1250 Sekunde und ISO 25.600 aufgenommen und rauscht daher etwas (Original-JPEG ohne weitere Bearbeitung). [Foto: Jens Scheppler]
Zwei Schalter an der Objektivseite erlauben die Aktivierung und Deaktivierung des Bildstabilisators sowie die Wahl des Stabilisierungsmodus. Dabei gibt es gleich drei Modi: Der erste eignet sich für normale, statische Motive und gleicht Verwackelungen in allen Richtungen aus. Der zweite und dritte Modus sind für Schwenks beziehungsweise Mitzieher gedacht und gleichen Verwacklungen nur senkrecht zur Bewegungsrichtung aus. Der Unterschied dieser beiden Modi ist, dass sich der zweite für gleichmäßige Schwenks eignet und der dritte für ungleichmäßige, beispielsweise bei wechselnden Geschwindigkeiten oder Richtungsänderungen des zu fotografierenden Motivs, bei denen man mitschwenkt.
Bildqualität
Mit 45 Megapixeln ist die Canon EOS R5 die derzeit höchstauflösende Kamera im R-System und damit die beste Referenz beziehungsweise größte Herausforderung für die Objektive. Von einem Oberklasseobjektiv wie dem Canon RF 70-200 mm F2.8L IS USM zu einem Preis von gut 2.700 Euro kann man auch erwarten, diese Auflösung ausreizen zu können.
Im Praxiseinsatz schlägt sich das Canon RF 70-200 mm F2.8L IS USM hervorragend. Im Gegenlicht behält es hohe Kontraste und zeigt nur minimale Blendenreflexe. Auch das Bokeh ist weich und gleichmäßig. Einen Teil dazu trägt die Blende mit ihren neun abgerundeten Lamellen bei, die für gleichmäßig geformte Unschärfescheibchen sorgt, die zudem eine überwiegend gleichmäßige Helligkeitsverteilung mit einem nur minimal helleren Rand zeigen. Farbsäume im Unschärfebereich treten praktisch nicht auf. Wem Blende F2.8 zum Freistellen reicht, kann damit problemlos Porträts fotografieren, auch der weiter entfernte Hintergrund bei Sportveranstaltungen wirkt damit unaufdringlich. Wer das Objektiv auf F32 abblendet und sich einen schönen Sonnenstern erhofft, wird leider enttäuscht, denn ein solcher ist nur minimal zu sehen.
Der hervorragende Praxiseindruck setzt sich im Labortest fort. Weder eine Randabdunklung noch Farbsäume treten nennenswert auf. Einzig die mäßige Verzeichnung (siehe Diagramm aus dem Labortest unten) kann je nach Motiv etwas stören. Während sie bei 70 Millimetern Brennweite mit 1,3 Prozent Tonnenform subjektiv kaum störend ist, fällt die Kissenform bei mittlerer Brennweite mit knapp unter einem und bei maximaler Brennweite mit knapp über einem Prozent etwas unangenehmer auf. Die Kamera bietet jedoch eine optionale interne Verzeichnungskorrektur an, alternativ lassen sich auch die Raws mit entsprechenden Konvertern "begradigen". Da sich die Verzeichnung nur im geringen Prozentbereich äußert, bedeutet eine Korrektur auch kaum Einbußen der Auflösung am Bildrand.
An der EOS R5 liefert das Canon RF 70-200 mm F2.8L IS USM eine hervorragende Bildqualität mit fast keinen optischen Fehlern und einer sehr hohen Auflösung. [Foto: MediaNord]
Apropos Auflösung: Die ist bei allen Blenden und Brennweiten in der Bildmitte und am Bildrand sehr gut bis hervorragend. Für beste Auflösung, vor allem am Bildrand, sollte man aber je nach Brennweite doch etwas abblenden. Bei 70 und ca. 120 Millimetern erreicht die Auflösung im Bildzentrum bereits deutlich über 80 Linienpaare pro Millimeter (lp/mm) bei 50 Prozent Kontrast. Bei längster Brennweite sind es dagegen "nur" 75 lp/mm, ab F4 aber auch deutlich über 80 lp/mm. Dafür ist die Randauflösung bei längster Brennweite bereits ab Offenblende hoch, während man bei kurzer und mittlerer Brennweite erst ab F5,6 die höchste Randauflösung erhält. Diese ist dem Betrag nach mit über 60 lp/mm aber auch bei Offenblende schon sehr gut.
Vergleicht man das Canon RF 70-200 mm F2.8L IS USM mit seinem kleinen Bruder, dem RF 70-200 mm F4L IS USM, das wir für seine gleichmäßige Auflösung im Test sehr gelobt haben, so zeigt das F2,8 eine etwas ungleichmäßigere Auflösung. Das liegt jedoch nicht an einer partiell schlechteren Auflösung, sondern an einer partiell besseren. Das F2,8er-Zoom löst vor allem in der Bildmitte nochmal fünf bis zehn Prozent höher auf und ist am Bildrand nicht schlechter als das F4er-Zoom.
Fazit
Das Canon RF 70-200 mm F2.8L IS USM ist derzeit das wohl kompakteste F2,8-Vollformat-Telezoom am Markt. Sein Preis von gut 2.700 Euro ist allerdings nicht gerade günstig. Die Verarbeitung ist trotz des Kunststoffgehäuses gut, auch ein Wetterschutz ist vorhanden. Die Ausstattung ist reichhaltig, auch wenn der Funktionsring leider nur beim Canon-Service vom Click befreit werden kann und der Bildstabilisator bei unserem Test nicht ganz so wirksam arbeitete wie versprochen. Die Fokussierung ist jedoch äußerst schnell sowie treffsicher und eignet sich damit auch für Sport- und Actionaufnahmen. Bei der Bildqualität begeistert das Objektiv mit einer hervorragenden Auflösung bis an den Bildrand bei allen Brennweiten und fast allen Blenden. Als Bildfehler wird höchstens die leichte Verzeichnung sichtbar. Das Objektiv zeigt eine gute Gegenlichtfestigkeit und ein schönes Bokeh.
Kurzbewertung
- Leichtes, kompaktes, gut verarbeitetes Gehäuse
- Hervorragend hohe Auflösung bei allen Blenden und Brennweiten
- Keine Farbsäume
- Schönes Bokeh
- Hohe Kontraste auch im Gegenlicht
- Rastung des Funktionsrings nur vom Service deaktivierbar
- Kunststoff-Filtergewinde
- Dual-Bildstabilisator weniger effektiv als versprochen
Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.