Lichtstarke AF-Festbrennweite

Sirui AF 56 mm F1.2 im Test

2024-07-15 Ende 2023 stellte der chinesische Hersteller Sirui ein APS-C-Autofokus-Objektiv-Trio mit 23 mm, 33 mm und 56 mm Brennweite und hoher Lichtstärke von F1,2 via Crowdfunding Kampagne vor. Nach der erfolgreichen Kampagne kommt das Trio nach und nach in den Handel. Nachdem wir bereits das 23 mm und das 33 mm getestet haben, steht in diesem Test das Sirui AF 56 mm F1.2 mit E-Mount im Fokus. Wie die beiden anderen Objektive wurde auch das 56 mm an der 26 Megapixel auflösenden Sony Alpha 6700 getestet.  (Harm-Diercks Gronewold)

Die drei APS-C-Objektive Sirui AF sind mit 23, 33 und 56 mm Brennweite erhältlich. Als Farbvarianten stehen Silber, Schwarz oder Weiß zur Verfügung. Die unverbindliche Preisempfehlung liegt bei etwa 390 Euro pro Objektiv. Zudem ist ein 3er Set mit passendem Softcase für etwa 1.100 Euro zu haben. Das Trio ist für Fujifilm XF, Nikon Z und natürlich den E-Mount-Anschluss zu haben.

Im Karton des Sirui AF 56 mm F1.2 sind neben dem Objektiv auch eine becherförmige Streulichtblende, ein 58 Millimeter großer Schnappdeckel sowie ein Bajonettdeckel und ein dünner Transportbeutel enthalten.

Ergonomie und Verarbeitung

Eifrige Leser werden bemerkt haben, dass Sirui das Gehäuse bei allen drei Objektiven identisch gestaltet hat. Lediglich beim Gewicht unterscheiden sich die drei Objektive. Während das 56 mm etwa 420 Gramm auf die Waage bringt, wiegt das 33er etwa 378 Gramm und das 23 Millimeter etwa 370 Gramm.

Das Gehäuse des Sirui AF 56 mm F1.2 besteht aus einem Mix aus Kunststoff und Metall, wobei der Metallanteil, zumindest auf der Außenseite, etwas dominiert. Neben dem Kamera-Bajonett bestehen auch das Bajonett der Streulichtblende und das 58 Millimeter große Filtergewinde aus Metall. Der Fokusring ist ebenfalls aus Metall gefertigt. Statt einer Gummierung sorgt eine Rändelung für mehr Traktion bei der manuellen Fokussierung.

Eine Besonderheit beim Kamerabajonett ist die USB-C-Schnittstelle. Mit dieser lässt sich das Objektiv einfach an einen Computer anschließen, um eine neue Firmware aufzuspielen. Die Verarbeitung und auch das Design sind auch beim Sirui AF 56 mm F1.2 sehr gut gelungen. Die Spaltmaße stimmen und der etwa 20 Millimeter breite Fokusring läuft sehr angenehm.

Fokussierung

Der Fokusring arbeitet elektronisch und die Fokussierung ist nicht-linear. Das bedeutet, dass die Drehgeschwindigkeit darüber entscheidet, wie stark sich die Fokusdistanz verändert und nicht nur der Drehwinkel. Das Sirui AF 56 mm F1.2 hat einen empfindlichen Fokusring, aber er fühlt sich nicht so empfindlich an wie der Ring des 23 oder 33 Millimeter.

Mit einem geringsten Aufnahmeabstand von knapp 58 Zentimeter beträgt der Abbildungsmaßstab etwa 1:9,5. Damit lässt sich ein Bildfeld von knapp 20,8 x 13,8 Zentimeter formatfüllend abbilden. Der Vergrößerungsfaktor entspricht dabei 0,11-fach. Das ist für eine APS-C-Brennweite einem 84 Millimeter Kleinbildäquivalent nicht spektakulär. Von der Frontlinse beträgt der Abstand zum Motiv etwa 47,5 Zentimeter, mehr als ausreichend Platz also, um genug Licht auf das Motiv zu bekommen.

Der Autofokusmotor erledigt seine Arbeit leise und schnell. Auch bei der Präzision gibt es nichts auszusetzen. Die schnellen Autofokus-Erkennungs- und Verfolgungsfunktionen der Sony Alpha 6700 lassen sich problemlos einsetzen und arbeiten, ohne zu murren.

Bildqualität

Bei lichtstarken Objektiven werden vom Hersteller gerne besondere Eigenschaften in Bezug auf die Darstellung des unscharfen Bereichs vor und hinter der Schärfenebene versprochen. Dieses Aussehen ist auch unter der Bezeichnung Bokeh bekannt. Das Bokeh hat keine wissenschaftliche Basis und auch keine standardisierte Beurteilung.

Das Bokeh des Sirui AF 56 mm F1.2 ist sehr weich und homogen. Spitzlichter werden rund und sind fast homogen in der Lichtverteilung. Lediglich ein sehr schmaler heller Ring um die Lichtplättchen stört den Eindruck etwas. Etwas störender sind dagegen Farbsäume bei Blenden bis F2,8, zumindest bei stärkeren Kontrasten.

Wie schon im Inneren des Sirui AF 23 mm F1.2 und 33 mm F1.2 arbeiten auch im AF 56 mm F1.2 zwölf Linsen in elf Gruppen. Man hat auch in diesem Objektiv auf den Einsatz von asphärischen Linsen verzichtet, dafür gibt es immerhin mindestens ein Linsenelement mit anomalen Brecheingenschaften. Die Lichtregulierung übernimmt eine Irisblende mit elf Lamellen, die sich maximal auf F16 abblenden lässt.

Große Probleme mit Streulicht hat das Sirui AF 56 mm F1.2 nicht. Es kommt bei direktem Auftreffen von Licht auf die Linse zu moderatem Kontrastverlust. Trifft das Licht aber in einem bestimmten flachen Winkel partiell auf die Frontlinse, so kommt es außerdem noch zu einer Reflektion in Bogenform. Verwendet man allerdings die Streulichtblende, lassen sich diese ganzen Gefahren fast komplett ausschalten. Erst bei sehr steilem Einfallswinkel kommt es erneut zum Kontrastverlust.

Das Sirui AF 56 mm F1.2 hat sich im digitalkamera.de-Testlabor bei der Auflösung nicht sonderlich gut geschlagen am 26-Megapixel-Sensor der Sony Alpha 6700. Die Auflösung erreicht ihren Höhepunkt bei F4 mit 58 kleinbildäquivalenten Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm) in der Bildmitte bei 50 Prozent Motivkontrast. Am Rand sind davon noch knapp 37 lp/mm übrig und das entspricht einem drastischen Verlust von 37 Prozent. Doch das negative Highlight wird bei F2 mit einem Randverlust von 54 Prozent erreicht. Bei dieser Blende sinkt die Auflösung von schon eher mäßigen 51 lp/mm auf gerade einmal etwa 23 lp/mm ab.

Auch die Auflösung bei offener Blende ist mit 24 lp/mm in der Bildmitte und 19 lp/mm am Bildrand gelinde gesagt mies (siehe auch Diagramm aus dem Labortest unten). Im Sucher stellt sich das als unscharfes Bild dar, egal wie viel man das AF-System oder den manuellen Fokus bemüht.

Auf die Farbsäume sind wir bereits kurz zu sprechen gekommen. Sie machen sich bis F2 mit zwei Pixeln Breite deutlich an starken Kontrasten bemerkbar. Von F1,2 bis F1,4 sind die Farbsäume mit knapp vier Pixeln Breite schon sehr stark sichtbar. Ab F2,8 liegen die hässlichen Farbquerfehler, wie Farbsäume auch genannt werden, unter einem Pixel. An weniger starken Konstrastkanten sind Farbsäume etwas geringer, aber bis F1,4 immerhin noch bei etwa 2,5 Pixeln, was man im Bild sieht. Oberhalb von F1,4 verlieren sich Farbsäume in die “Bedeutungslosigkeit”.

Die Randabdunklung ist beim Sirui AF 56 mm F1.2 mit maximal 0,9 EV bei F1,2 nicht sonderlich dramatisch. Schließt man die Blende, so reduziert sie sich zusehends, so dass bei F2,8 schon die geringste Abdunklung von 0,1 EV erreicht wird. Verzeichnung ist vorhanden, aber “nur” mit etwas mehr als einem Prozent Kissenform. Auch wenn die Kissenform eher auffällt als die Tonnenform, so ist das eine Prozent Verzeichnung noch zu verkraften.

Fazit

Das Sirui AF 56 mm F1.2 könnte mit Sicherheit eine interessante Porträtbrennweite für Available-Light-Fotografie sein, wenn es nicht bei der Auflösung so schlecht performen würde. Auch die Korrektur von Farbsäumen könnte besser sein, selbst wenn sich dieses Problem durch die elektronische Bildbearbeitung recht gut beseitigen lässt. Immerhin muss man nicht mehr viel Verzeichnung beseitigen und erspart der eh schon gebeutelten Randauflösung noch mehr Verlust. Alles in allem liefert das Objektiv mehr oder weniger das, was man für den niedrigen Preis erwarten kann, und mit der richtigen kreativen Herangehensweise lassen sich die Probleme des Objektivs sicherlich als Werkzeuge einsetzen.

Kurzbewertung

  • Hohe Lichtstärke
  • Gute Verarbeitung
  • Schönes Bokeh
  • USB-Schnittstelle im Bajonett
  • Suboptimale Auflösung
  • Farbsäume bis F1,4

Sirui AF 56 mm F1.2 mit Sony Alpha 6700

Auflösung MTF


Alpha 6700

F1,2F1,4F2,0F2,8F4,0F5,6F8,0F11,0F16,0
56 mm23,9 / 18,8 (21 %)37,4 / 19,3 (48 %)50,6 / 23,5 (54 %)55,9 / 27,6 (51 %)58 / 36,7 (37 %)57,3 / 43,8 (24 %)52,6 / 50,3 (4 %)51,9 / 51,6 (1 %)45,6 / 44,9 (2 %)

Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.

Hersteller Sirui
Modell AF 56 mm F1.2
Unverbindliche Preisempfehlung 389,00 €
Bajonettanschluss Fujifilm XF, E-Mount, Nikon Z
Brennweite 56,0 mm
Lichtstärke (größte Blende) F1,2
Kleinste Blendenöffnung F16
KB-Vollformat nein
Linsensystem 12 Linsen in 11 Gruppen
inkl. ED Linse(n)
Anzahl Blendenlamellen 11
Naheinstellgrenze 600 mm
Bildstabilisator vorhanden nein
Autofokus vorhanden ja
Wasser-/Staubschutz nein
Filtergewinde 58 mm
Abmessungen (Durchmesser x Länge) 70 x 92 mm
Objektivgewicht 419 g

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