Um manuell fokussieren zu können, muss man einfach nur den Schalter unterhalb des Fokusbegrenzers "umlegen". Dann kann über den hinteren, 1,8 Zentimeter breiten, fein geriffelt gummierten Fokusring manuell fokussiert werden. Der Ring arbeitet elektronisch, die Steuerbefehle werden je nach Drehgeschwindigkeit unterschiedlich stark an den Fokusmotor weitergegeben. Dreht man den Ring schnell, lassen sich große Wege zurücklegen, dreht man ihn langsam, ist eine sehr feine, genaue Fokussierung möglich. Dabei helfen die Einblendungen auf dem Kamerabildschirm (oder im Sucher) wie die Fokusskala, das Fokuspeaking und die Lupenfunktion. Eine zentimetergenaue Entfernungsanzeige gibt es indes nicht.
Die untersten beiden der seitlich angebrachten Schalter kontrollieren den verbauten optischen Bildstabilisator. Er soll bis zu fünf Blendenstufen längere Belichtungszeiten aus der Hand ermöglichen, in Kombination mit dem Sensor-Shift-Bildstabilisator der EOS R5 sogar bis zu sechs Blendenstufen. Das entspricht bei 500 Millimetern Brennweite 1/8 Sekunde. Dabei zeigten sich jedoch leichte Verwackelungsunschärfen, die aber bereits bei 1/16 Sekunde verschwanden. Fünf Blendenstufen sind also gut möglich und für die meisten Anwendungsfälle sicherlich mehr als ausreichend.
Das Canon RF 100-500 mm F4.5-7.1L IS USM besitzt Dual-Nano-Ultraschallmotoren für eine schnelle Fokussierung, was auch bei Sportmotiven und hohen Serienbildgeschwindigkeiten problemlos klappt. [Foto: MediaNord]
Während einer der Schalter den Bildstabilisator an- und ausschaltet, erlaubt der andere die Wahl eines von drei Modi. Der erste eignet sich für normale, statische Motive und gleicht Verwackelungen in allen Richtungen aus. Der zweite und dritte Modus sind für Schwenks beziehungsweise Mitzieher gedacht und gleichen Verwacklungen nur senkrecht zur Bewegungsrichtung aus. Der Unterschied dieser beiden Modi ist, dass sich der zweite für gleichmäßige Schwenks eignet und der dritte für ungleichmäßige, beispielsweise bei wechselnden Geschwindigkeiten oder Richtungsänderungen des zu fotografierenden Motivs, bei denen man mitschwenkt.
Wie alle höherwertigen RF-Objektive besitzt auch das 100-500 einen Einstellring, der jedoch ungewöhnlicherweise hinten statt vorne am Objektiv sitzt. Der Ring klickt sanft beim Drehen. Wer sich daran stört, kann den Ring vom Canon-Service umbauen lassen, damit er stufenlos arbeitet. Der Ring übernimmt je nach Kamerakonfigurationen verschiedene Funktionen, beispielsweise die Einstellung der Blende, der Belichtungskorrektur oder etwa des Weißabgleichs.
Bildqualität
Bevor es ans Eingemachte mit den Fakten aus dem Labortest an der Canon EOS R5 geht, noch ein paar Worte zur subjektiven Bildqualität in der Praxis. Dank moderner Vergütungen ist das Canon RF 100-500 mm F4.5-7.1L IS USM nicht gegenlichtanfällig. Die Kontraste bleiben stets hoch, selbst mit direktem Sonnenlicht im Bildfeld, was man jedoch bei größeren Telebrennweiten vermeiden sollte, um den Bildsensor nicht zu sehr mit der heißen Sonnenstrahlung zu strapazieren. Fotografiert man dagegen beispielsweise einen Sonnenuntergang, ist das aufgrund der starken Filterung der Sonnenstrahlung durch die dann dickeren Luftschichten kein Problem. Blendenreflexe treten dabei kaum auf und wir haben sie nicht als störend empfunden.
Trotz der geringen Lichtstärke hat das Canon RF 100-500 mm F4.5-7.1L IS USM eine kleine Schärfentiefe, was wiederum an der langen Brennweite liegt. Hier überrascht das Telezoom sogar mit einem ausgesprochen weichen Bokeh für diese Objektivklasse. Die neun Blendenlamellen formen eine gleichmäßige Öffnung und auch unscharfe Spitzlichter verschmelzen harmonisch mit dem Hintergrund. Dank des schönen Bokehs lassen sich auch Actionmotive, beispielsweise in einem Stadion, gut freistellen, so dass der Hintergrund nicht vom Motiv ablenkt, es aber schön in seine Szenerie einbettet. Farbsäume konnten wir übrigens im Bokeh nicht entdecken.
Das Canon RF 100-500 mm F4.5-7.1L IS USM zeigt kaum optische Fehler und löst bereits ab Offenblende hoch auf, wobei jedoch die Auflösung beim Zoomen kontinuierlich fällt. [Foto: MediaNord]
Optische Fehler zeigte das Canon RF 100-500 mm F4.5-7.1L IS USM im Labortest an der EOS R5 kaum. Die Randabdunklung ist gut auskorrigiert, Farbsäume gibt es praktisch keine. Die Verzeichnung ist am kurzen Brennweitenende ebenfalls nicht vorhanden, beim Zoomen zeigt sich aber bei den gemessenen Brennweiten 223 und 500 Millimeter eine leicht kissenförmige Verzeichnung von einem Prozent.
Die Auflösung bei 50 Prozent Kontrast ist bereits ab Offenblende hoch – zumindest im Bildzentrum. Dabei fällt aber auf, dass sie mit zunehmender Brennweite abnimmt (siehe Diagramm aus dem Labortest unten). Während sie bei 100 mm Brennweite 79 Linienpaare pro Millimeter (lp/mm) bei F5,6 beträgt, sind es bei 223 mm nur 72 lp/mm. Noch stärker fällt der Unterschieb bei 500 mm bei F8 auf. Bei 100 mm beträgt die Auflösung 78 lp/mm, bei 223 mm 72 lp/mm und bei 500 mm nur noch 62 lp/mm. Beim weiteren Abblenden nähern sich die Auflösungen deutlich an, bei F16 liegen sie fast gleichauf und bewegen sich nur noch zwischen 62 und 56 lp/mm. Weiter sollte man für gute Bildresultate nicht abblenden. Bei mittlerer Brennweite würden wir sogar eher maximal F11 empfehlen und bei kurzer Brennweite maximal F8, um die jeweils höhere Auflösung der kürzeren Brennweiten auf den Bildsensor bringen zu können.
Der Auflösungs-Randabfall hält sich bei 100 mm mit unter 20 Prozent in Grenzen, bei 223 mm sind es sogar nur gut zehn Prozent, was gute bis sehr gute Werte für ein Zoomobjektiv sind. Das gilt bereits ab Offenblende, man muss für eine hohe Randauflösung also nicht unbedingt abblenden, auch wenn diese bis F8 leicht steigt. Bei maximaler Brennweite ist der Auflösungs-Randabfall mit knapp über 25 Prozent etwas höher, aber nicht dramatisch, sondern eher im erwartbaren Rahmen für ein Zoomobjektiv. Bei Abblenden auf F11 bis F16 lässt sich die Randauflösung leicht steigern, falls das nötig ist.
Fazit
Für das etwas lichtschwache, dafür aber zoomstarke Canon RF 100-500 mm F4.5-7.1L IS USM muss man mit über 3.000 Euro eine Stange Geld in die Hand nehmen. Dafür bekommt man ein trotz viel Kunststoff insgesamt gut verarbeitetes, gegen Umwelteinflüsse geschütztes Objektiv mit einer reichhaltigen Ausstattung, einem wirksamen Bildstabilisator und einem sporttauglichen Autofokus. Die Bildqualität kann man als sehr solide bezeichnen. Angesichts des Preises brilliert das Objektiv zwar nur in wenigen Bereichen, etwa dem sehr schönen Bokeh, leistet sich aber auch keine groben Patzer. Dennoch muss man damit leben, dass die Auflösung zwar ab Offenblende hoch und der Randabfall gering bis tolerierbar ist, aber beim Zoomen doch etwas nachlässt, vor allem bei längster Brennweite. Wer ein schnell fokussierendes Telezoom mit sehr flexibler Brennweite und einem schönes Bokeh beispielsweise für die Tier- und Naturfotografie sowie Sportfotografie sucht, macht mit dem Canon RF 100-500 mm F4.5-7.1L IS USM aber sicher nichts verkehrt.