Leistbares Vollformat-Telezoom
Testbericht: Nikon AF-P 70-300 mm 4.5-5.6E ED VR
2017-10-13 Das Nikon AF-P 70-300 mm 4.5-5.6E ED VR ist das erste AF-P-Objektiv für das Vollformat. Der AF-P-Autofokusantrieb funktioniert im Live-View besser und präziser als der bisherige AF-S-Antrieb, ohne im Phasen-Betrieb an Geschwindigkeit einzubüßen. Außerdem will das 70-300 mit seinem geringen Gewicht und einem Preis von unter 900 Euro punkten. Ob dafür die Bildqualität stimmt und was das Objektiv sonst noch leistet, verrät unser Test. (Benjamin Kirchheim)
Mit 680 Gramm "Kampfgewicht" fällt das Nikon AF-P 70–300 mm 1:4,5-5,6E ED VR angesichts der Länge von 14,5 und des Durchmessers von acht Zentimetern erstaunlich leicht aus; trotzdem fehlen der Staub- und Spritzwasserschutz nicht. [Foto: Nikon]
Mit weniger als 700 Gramm ist das Nikon AF-P 70-300 mm 4.5-5.6E ED VR in Anbetracht seiner Größe von acht Zentimetern Durchmesser und 14,5 Zentimetern Länge geradezu ein Leichtgewicht. Möglich macht das vor allem das leichte Gehäuse, das aus Kunststoff besteht. Das mag im ersten Moment nicht sehr hochwertig klingen, tatsächlich ist die Verarbeitung aber tadellos. Das Objektiv gibt auch bei Druck nicht nach, Knarzgeräusche sind beim Versuch, es zu verwinden, nicht zu hören. Sogar einen Spritzwasser- und Staubschutz besitzt das ab rund 850 Euro Straßenpreis erhältliche Telezoom. Mit einem Durchmesser von 67 Millimetern ist das Filtergewinde sogar verhältnismäßig klein, was den Preis für optisches Zubehör im Zaum hält. Apropos Zubehör: Zum Lieferumfang gehören eine tulpenförmige, sehr lange Streulichtblende, die sich zum Transport verkehrt herum montieren lässt, sowie ein Transportbeutel aus einem angerauten Mikrofaserstoff, der mit seinem festen Boden einen ausreichenden Transportschutz bietet.
Fokus und Bildstabilisator
Mit dem 70-300 mm 4.5-5.6E ED VR feiert der AF-P-Autofokusantrieb Premiere in einem Vollformatobjektiv. Anstelle eines Ultraschallantriebs und einer festen mechanischen Kopplung zum Fokusring kommt ein Schrittmotor ohne eine solche Kopplung zum Einsatz. Das bietet vor allem im Live-View- und Videobetrieb Vorteile, ohne beim Phasen-Autofokus langsamer zu sein. Der Autofokus packt unhörbar und sehr schnell zu, außerdem arbeitet er sehr präzise. Beim manuellen Betrieb werden die Unterschiede offenkundig: Der Fokusring arbeitet rein elektronisch und ist nicht mehr mechanisch an den Fokusantrieb gekoppelt. Das bietet Vor- und Nachteile: Weniger schön ist das völlige Fehlen einer Fokusskala, was mancher Hersteller mit einem digitalen Display umgangen hat, nicht jedoch Nikon. Auch spürt man beim Fokussieren nun nicht mehr, wann man das Ende des Verstellbereichs erreicht hat. Das Fokussieren selbst geht hingegen sogar besser als mich mechanischem Antrieb. Da der Fokusring auf unterschiedlich schnelle Bewegungen entweder groß oder fein reagieren kann, lässt sich mit einem solchen Fokusring äußerst präzise manuell fokussieren, vorzugsweise unter Verwendung der Fokuslupe im Live-View-Betrieb. Zudem erlaubt der Fokusring wie gewohnt jederzeit einen manuellen Eingriff in die automatische Fokussierung. Auch ein Schalter zur Wahl des Fokusbetriebs fehlt nicht. Die Naheinstellgrenze von 120 Zentimetern mag zunächst etwas lang klingen, ist für ein solches Objektiv aber durchaus gut. Bei 300 mm Zoom wird mit einem maximalen Abbildungsmaßstab von 1:4 eine beachtliche Vergrößerung erreicht.
Das Nikon AF-P 70-300 mm 4.5-5.6E ED VR bietet aufgrund seiner Autofokustechnik keine Entfernungsanzeige mehr. Der elektronische Fokusring erlaubt hingegen eine äußerst präzise manuelle Fokussierung. [Foto: MediaNord]
Die optische Konstruktion des Nikon AF-P 70-300 mm 4.5-5.6E ED VR besteht aus 18 Linsen, die in 14 Gruppen angeordnet sind. Darunter befindet sich ein ED-Glas zur Korrektur optischer Fehler. Wir konnten in der Praxis keine Störungen durch Farbsäume oder Reflektionen feststellen. Eine der Linsengruppen ist zur optischen Bildstabilisierung beweglich gelagert. Bis zu 4,5 Lichtwertstufen längere Belichtungszeiten sollen damit nach CIPA-Standard möglich sein. Das hängt zwar stark von der ruhigen Fotografenhand ab, aber vier Lichtwertstufen waren in der Praxis kein Problem, was eine gute Leistung ist. Zudem lässt sich der Bildstabilisator dank Normal- und Sportmodus an die Aufnahmebedingungen anpassen. Die Blende besteht aus immerhin neun Lamellen und bildet eine nahezu kreisrunde Öffnung. Das sorgt für ein durchaus sehenswertes Bokeh. Die Blendensteuerung erfolgt zudem elektronisch, was für eine hohe Belichtungspräzision sorgt. Dies muss allerdings von der Kamera unterstützt werden, was aber auf die modernen DSLRs wie auch ältere Generationen zutrifft.
Bildqualität
Im Testlabor musste das AF-P Nikkor 70-300 mm 4.5-5.6E ED VR seine Bildqualität an der nagelneuen Nikon D850 unter Beweis stellen, die aufgrund ihrer hohen Auflösung äußerst hohe Anforderungen an die Objektive stellt. Obwohl das 70-300 VR alles andere als ein Profiobjektiv ist, hat es den Test mit Bravour bestanden. So konnten wir im Labor nur minimale Farbsäume nachweisen, die in der Praxis keine Rolle spielen. Die Randabdunklung ist am kurzen Brennweitenende am geringsten und nimmt beim Zoomen erst etwas zu und dann wieder leicht ab. Der Verlauf ist jedoch sanft und die Maximalabdunklung mit höchstens 0,8 EV beziehungsweise 40 Prozent Lichtverlust gering. Schon leichtes Abblenden lässt die Randabdunklung nahezu verschwinden. Eine Verzeichnung konnten wir dem AF-P 70-300 im Testlabor nur bei kurzer Brennweite nachweisen (siehe Diagramm aus dem Labortest unten). Sie liegt bei knapp unter 1,5 Prozent Tonnenform, was nicht dramatisch, aber leicht sichtbar ist. Bei mittlerer und langer Brennweite hingegen ist das Objektiv verzeichnungsfrei.
Selbst an der Nikon D850 überrascht das AF-P Nikkor 70-300 mm 4.5-5.6E ED VR mit einer erstaunlich hohen Bildqualität, die im Gegensatz zu manch anderem Telezoom am langen Brennweitenende kaum nachlässt. [Foto: MediaNord]
Die Auflösungsmesslatte der Nikon D850 liegt in unserem Labor bei 86 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm), aufgestellt vom AF-S 28 mm 1:1.4E ED (siehe Test in den weiterführenden Links). Diesen Wert erreicht das AF-P Nikkor 70-300 mm 4.5-5.6E ED VR zwar nicht ganz, liegt jedoch mit maximal 80 lp/mm weniger als zehn Prozent dahinter. Erreicht wird diese Auflösung um ein bis zwei Stufen abgeblendet sowohl bei 70, als auch bei 145 mm Brennweite. Bei 300 Millimetern liegt die Maximalauflösung mit 73 lp/mm kaum zehn Prozent darunter. Das ist für ein Telezoom ein ziemlich guter Wert, denn oft lassen diese im Telebereich kräftiger nach. Ein Auflösungsabfall zum Bildrand hingegen tritt bei Telezooms oft in weit geringerem Maße auf als bei Weitwinkelobjektiven. Das 70-300mm stellt keine Ausnahme dar. Bei 70 mm ist der Auflösungsabfall mit 25 Prozent zwar nicht gerade gering, aber auch nicht dramatisch. Bei mittlerer und langer Brennweite sind es knapp unter beziehungsweise knapp über zehn Prozent und damit vernachlässigbar. Bei mittlerer Brennweite ist die Randauflösung mit über 70 lp/mm im Blendenbereich von F5 bis F16 sehr hoch, bei kurzer und langer Brennweite sind es zwar keine 70, aber gut über 60 lp/mm.
Fazit
Zwar ist das Nikon AF-P Nikkor 70-300 mm 4.5-5.6E ED VR gut 25 Prozent teurer als das Vorgängermodell, aber mit knapp 850 Euro durchaus noch eines der günstigeren Vollformat-Telezooms von Nikon. Zudem stimmt das Preis-Leistungsverhältnis. Zwar besteht das Objektiv aus Kunststoff, ist jedoch dafür leicht und vor allem tadellos verarbeitet, sogar einen Spritzwasser- und Staubschutz bietet es. Der Fokus packt schnell zu und eignet sich dank AF-P-Antrieb auch für Videos und den Live-View-Betrieb. Auch der optische Bildstabilisator kann überzeugen. Vor allem aber die Bildqualität des AF-P Nikkor 70-300 mm 4.5-5.6E ED VR kann sich sehen lassen. Die Auflösung ist sehr hoch und nimmt beim Zoomen im Gegensatz zu manch anderem Telezoom nur leicht ab. Der Randabfall der Auflösung ist vor allem etwas gezoomt nahezu vernachlässigbar.
Kurzbewertung
- Verhältnismäßig geringes Gewicht
- Gute Verarbeitung und Spritzwasser/Staubschutz
- Schneller und leiser Autofokus
- Hohe Auflösung, auch am Bildrand
- Gutes Preis-Leistungsverhältnis trotz Preissteigerung zum Vorgängermodell
- Leicht tonnenförmige Verzeichnung im Weitwinkel
- Keine Fokusentfernungsanzeige
- Das Gehäuse besteht lediglich aus Kunststoff
Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.