Neues Vollformat-Standardzoom
Testbericht: Nikon AF-S 24-70 mm 1:2,8E ED VR
2016-02-02 Mit dem AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8E ED VR erneuerte Nikon im vergangenen Jahr sein Vollformat-Standardzoom. Dieses besitzt nun nicht nur eine elektronisch gesteuerte Blende anstelle einer mechanischen, sondern auch die optische Konstruktion wurde überarbeitet. So kommt nun eine asphärische ED-Linse zur Korrektur optischer Fehler zum Einsatz. Die Nanokristallvergütung soll die Leistung in Gegenlichtsituationen verbessern, indem Reflexe und Geisterbilder unterdrückt werden. Unser Test im Labor und in der Praxis an der Nikon D800E soll nun klären, was das neue Standardzoom leistet und ob es besser ist als das alte. (Benjamin Kirchheim)
Das neue AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8E ED VR ist deutlich aufwändiger konstruiert als das alte 24-70 mm. So kommen nun 20 Linsen in 16 Gruppen anstelle von 15 Linsen in elf Gruppen zum Einsatz. Einen Teil der "Schuld" daran dürfte der optische Bildstabilisator tragen, den das neue 24-70 mm besitzt. Dieser lässt sich in zwei Stufen, "Normal" und "Active", zuschalten und sorgt für eine effektive Bildstabilisierung des Sucherbilds und der Aufnahme. Das AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8E ED VR ist aber auch einen halben Zentimeter dicker und sogar zwei Zentimeter länger als das Vorgängermodell, es misst fast 16 Zentimeter in der Länge und 8,5 Zentimeter im Durchmesser. Auch das Gewicht liegt um 155 Gramm höher und überschreitet die Kilomarke mit 1.070 Gramm. Die Kombination mit der fast ein Kilo schweren D800E drückt somit über zwei Kilogramm auf die Waage. Die vielen Neuerungen machen sich auch im Preis deutlich bemerkbar. Das neue AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8E ED VR kostet in der UVP (knapp 2.500 Euro) genau 570 Euro mehr, der Straßenpreis liegt sogar fast 900 Euro über dem Vorgängermodell, das neu bereits ab 1.400 Euro zu haben ist. Dieses Mehr an Gewicht und Preis wollen argumentiert werden, in erster Linie mit Ausstattung und Bildqualität.
Das neue Nikon AF-S 24-70 mm 1:2.8E ED VR besitzt nicht nur einen optischen Bildstabilisator (4 EV), sondern auch eine neue optische Konstruktion mit einem asphärischen ED-Element und der Nanokristallvergütung. [Foto: Nikon]
Den Bildstabilisator hat das AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8E ED VR bereits in die Waagschale geworfen. Dass eine vernünftige Tasche sowie die Streulichtblende zum Lieferumfang gehören, ist bei einem 2.500-Euro-Objektiv schon fast eine Selbstverständlichkeit. Die elektronisch gesteuerten Blenden sind sicherlich zukunftsweisend. Besitzer älterer Kameras sollten aber aufpassen, denn erst ab etwa 2007 produzierte Kameras unterstützen die elektronische Blendensteuerung. Das Objektiv wirkt hochwertig und robust konstruiert, auch wenn beim Außentubus Kunststoff zum Einsatz kommt. Dies hat aber beispielweise den Vorteil, dass Stöße besser gedämpft werden und die Energie angeleitet wird. Außerdem erhitzt sich Kunststoff in der Sonne nicht so sehr und fühlt sich bei niedrigen Außentemperaturen nicht so kalt an. Das Bajonett besteht selbstverständlich aus Metall. Der breite, geriffelte und gummierte Zoomring lässt sich sehr gut bedienen. Satt zoomt das Objektiv von 24 auf 70 Millimeter. Bei 24 Millimetern ist der Tubus am weitesten ausgefahren, zieht sich bei 50 Millimetern maximal ins Gehäuse zurück um bis 70 Millimeter wieder leicht hervorzutreten. Die Hinterlinse hingegen wandert von 24 auf 70 Millimeter konstant vom Bajonett weg ins Objektiv hinein. Obwohl bei diesem Vorgang gewisse Luftmengen gepumpt werden, soll das Objektiv spritzwasser- und staubgeschützt sein. Dafür sorgen zahlreiche Dichtungen, unter anderem die Gummilippe am Bajonett.
Die Fokussierung erfolgt hingegen intern im Objektiv. Innerhalb von weniger als einer Viertel Umdrehung des griffig gummierten Fokusrings wird der gesamte Fokusbereich von 38 Zentimetern bis unendlich durchfahren. Für manuelle Fokussierung ist das ein ziemlich kurzer Stellweg. Insbesondere der Weg von zwei Meter auf Unendlich fällt äußerst kurz aus. Das Fokusfenster gibt Auskunft über die eingestellte Entfernung, wobei Nikon sich angesichts der engen Stellwege einen Aufdruck der Schärfentiefe gleich gespart hat. Umgeschaltet wird zwischen manueller und automatischer Fokussierung mittels des Schalters neben dem Fokusfenster. Auch bei automatischer Fokussierung kann jederzeit manuell nachgeregelt werden, ohne den Schalter umlegen zu müssen. Bei der Naheinstellgrenze wird übrigens ein maximaler Abbildungsmaßstab von 1:3,6 erreicht, minimal besser als die 1:3,7 des Vorgängermodells. 13 mal 8,6 Zentimeter kleine Motive lassen sich damit formatfüllend abbilden. Der Ultraschall-Autofokus des AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8E ED VR arbeitet äußerst flott und auch recht leise, macht sich aber durch ein hochfrequentes Fiepsen und die mechanischen Stellgeräusche bemerkbar. Jedenfalls stellt der Autofokus zuverlässig und präzise scharf.
Selbst an der D800E wirkt das neue AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2.8E ED VR sehr groß. Kein Wunder, es ist fast 16 Zentimeter lang und gut zwei Zentimeter länger als das Vorgängermodell. Über zwei Kilogramm bringt die abgebildete Kombi auf die Waage. [Foto: MediaNord]
Bildqualität
Die neue Nanokristallvergütung des AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8E ED VR soll Reflexe und Geisterbilder wirkungsvoll unterdrücken. Dies gelingt tatsächlich äußerst gut. Der Kontrast bleibt auch bei Gegenlicht hoch und selbst bei tiefstehender winterlicher Sonne konnten wir keine Blendenreflexe provozieren. Mit einen Problem des Vorgängermodells muss sich aber auch das AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8E ED VR herumschlagen: Es zeigt deutliche Farbsäume, insbesondere im Randbereich des Bildes. Der Labortest bestätigt dies (siehe Diagramm aus dem Labortest unten). Im Mittel sind die Farbsäume zwar mit unter zwei Pixeln nur leicht sichtbar, die extremen Ausprägungen erreichen jedoch bis über neun Pixel im Weitwinkel, über fünf Pixel bei mittlerer Brennweite und immerhin "nur" drei Pixel in Telestellung. Die neun Blendenlamellen zeichnen insgesamt ein gutes Bokeh, Spitzlichter im Unschärfebereich wirken mit dem sichtbaren Helligkeitsring am Rand der Unschärfescheibe allerdings nicht ganz so harmonisch.
Die Randabdunklung fällt beim neuen AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8E ED VR sogar etwas höher aus als beim Vorgängermodell, ist mit unter einer Blendenstufe aber nicht dramatisch. Um eine Stufe abgeblendet sinkt die Ranbdabdunklung deutlich, spätestens um zwei Stufen abgeblendet spielt sie praktisch keine Rolle mehr. Gegen die recht starke Verzeichnung hilft Abblenden hingegen nicht. Die liegt bei deutlich sichtbaren 3,5 Prozent Tonnenform im Weitwinkel und ebenfalls sichtbaren 1,5 Prozent Kissenform bei mittlerer und langer Brennweite. Damit ist die Verzeichnung im Weitwinkel ähnlich stark wie beim Vorgängermodell, bei langer und insbesondere bei mittlerer Brennweite ist sie aber sogar ein gutes Stückchen höher.
Vielleicht hat Nikon bei der neuen Konstruktion vor allem auf die Auflösung Wert gelegt? Wie beim Vorgängermodell bewegt sie sich mit über 70 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm) bei allen Brennweiten auf sehr hohem Niveau. Die Messung erfolgt in unserem Labor bei 50 Prozent Kontrast, was zwar nicht die Grenzfrequenz (höchste Auflösung) des Objektivs zeigt, aber der MTF50-Wert ist relevanter, da man diese Auflösung viel besser wahrnimmt und sich hier gute von schlechten Objektiven viel mehr unterscheiden. Im Bildzentrum gehört das AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8E ED VR auf jeden Fall zu den guten Objektiven, schon bei Offenblende ist die Auflösung äußerst hoch. Oberhalb von F8 drückt die Beugung die Auflösung zunächst leicht runter, bei F16 werden die Verluste schon deutlicher, aber erst bei F22 wird die Auflösung deutlich unter die Marke von 60 lp/mm gedrückt.
Der Stellweg des Fokusrings des AF-S 24-70 mm 1:2.8E ED VR ist äußerst gering. Den Aufdruck eine Schärfentiefeskala hat Nikon sich gleich ganz gespart. Zum Glück arbeitet der Ultraschall-Autofokus sehr schnell und zuverlässig. [Foto: MediaNord]
Am Bildrand war das alte 24-70 mm vor allem im Weitwinkel alles andere als gut. Das AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8E ED VR ist spürbar besser. Bewegte sich das alte Objektiv hier im Bereich von 20 bis 40 lp/mm, so besitzt das neue immerhin eine Auflösung von gut 40 bis fast 50 lp/mm. Das sind zwar auch keine Rekordwerte, aber immerhin eine Verbesserung. Randscharfe Objektive auf Vollformat zu konstruieren ist eben nicht so einfach wie beispielsweise für APS-C oder Micro-Four-Thirds. Bei mittlerer Brennweite bewegt sich die Randauflösung bei 45 bis knapp über 50 lp/mm, im Telebereich sind 40 bis sogar fast 60 lp/mm.
Fazit
Das AF-S Nikkor 24-70 mm 1:2,8E ED VR ist ein gutes Standardzoom, das jedoch auch seine Schwächen besitzt. Das robuste Gehäuse und der Bildstabilisator sind klare Pluspunkte, insbesondere letzterer fehlt dem Vorgängermodell. Die Nanokristallvergütung leistet bei Gegenlicht hervorragende Dienste. Die Schwächen des 24-70 mm liegen hauptsächlich bei der hohen Verzeichnung und der am Bildrand deutlich schwächeren Auflösung und den vor allem im Weitwinkel starken Farbsäumen. Im Zentrum hingegen ist die Auflösung bereits bei Offenblende sehr hoch, was keine Selbstverständlichkeit für ein Vollformatobjektiv ist. Angesichts des gegenüber dem Vorgängermodell gut 900 Euro höheren Straßenpreises sollte man sich allerdings gut überlegen, ob man den Bildstabilisator, die Nanokristallvergütung und die etwas höhere Randauflösung tatsächlich braucht.
Kurzbewertung
- Sehr hohe Auflösung im Bildzentrum mit allerdings deutlichem Randabfall
- Spritzwasser- und Staubschutz
- Effektiver optischer Bildstabilisator
- Schnelle Innenfokussierung
- Viel zu kurze, grob gestufte Fokusskala
- Hohe Verzeichnung und starke Farbsäume
- Etwas unschöne Unschärfekreise bei Spitzlichtern
- Recht groß und schwer
Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.