Extrem lichtstarkes Portrait-Objektiv für Micro Four Thirds
Testbericht: Panasonic Leica DG Nocticron 42,5 mm 1,2 Asph. Power-OIS
2014-08-27 Mit dem Leica DG Nocticron 42,5 mm 1,2 Asph. Power-OIS bietet Panasonic das aktuell lichtstärkste Porträt-Objektiv für Micro Four Thirds an. Zwar ist es mit seiner hohen Lichtstärke und dem damit einhergehenden Freistellungspotential sowie der kleinbildäquivalenten Brennweite von 85 Millimeter für Porträtaufnahmen prädestiniert, eignet sich aber gleichermaßen für die Available-Light-Fotografie (und Videografie) etwa im Theater oder bei Konzerten. digitalkamera.de hat das Objektiv auf Bildqualität und mehr getestet. (Benjamin Kirchheim)
Das Panasonic Leica DG Nocticron 42,5 mm 1,2 Asph. Power-OIS ist groß und schwer, aber mit seinem Metalltubus auch hervorragend verarbeitet. [Foto: Panasonic]
Das 42,5-mm-Objektiv ist erstaunlich groß und schwer, es übertrifft das Olympus 75 mm 1.8 in Länge, Durchmesser und Gewicht, nutzt aber anders als das Olympus nicht den vollen Tubusdurchmesser für die Frontlinse. Man könnte also mutmaßen, dass Panasonic hier zu Gunsten eines wuchtigeren Erscheinungsbild etwas "Luft" verbaut hat. Das Olympus 75 mm 1.8 soll im Test als Vergleich dienen, da es das Referenzobjektiv von Olympus für Micro Four Thirds ist und abgesehen von adaptierten Four-Thirds-Linsen das bisher höchstauflösende Objektiv an Micro Four Thirds ist. Die Verarbeitung des Nocticron ist tadellos, der Tubus besteht ebenso wie das Bajonett aus Metall. Einzig die fehlende Dichtung gegen Staub und Spritzwasser könnte man dem Nocticron ankreiden. Von der Größe her macht es sich sehr gut an der Panasonic GH4, an der kleineren Olympus OM-D E-M10 hingegen, an der wir das Objektiv auch getestet haben, wirkt es etwas überdimensioniert. So kollidiert das Objektiv mit manchem Stativ beziehungsweise Wechselplattensystem, hier bleibt dem E-M10-Fotografen nichts anderes übrig, als den rund 70 Euro teuren Zusatzgriff ECG-1 zur Kamera zu erwerben, mit dem sich das Handling mit dem Nocticron nebenbei verbessert, auch wenn man das Objektiv auch ohne Zusatzgriff noch gut handhaben kann.
Das Nocticron besitzt einen eingebauten optischen Bildstabilisator, gut hörbar beim Schütteln des Objektivs. Sowohl der Bildstabilisator als auch der Autofokus lassen sich mit gut rastenden Schaltern ein- und ausschalten. Des Weiteren besitzt das Objektiv zwei Einstellringe aus Metall. Mit dem vorderen wird die Blende ein gestellt, allerdings funktioniert das nur an Panasonic-Kameras, an einer Olympus muss die Blende an der Kamera eingestellt werden. Der Ring rastet gut bedienbar in Drittel-Blendenstufen und besitzt darüber hinaus eine Automatikstellung. Diese zeichnet sich zwar durch einen weiten Stellweg aus, bietet jedoch keine Verriegelung, ist also durchaus mit Vorsicht zu genießen. Der Fokusring ist breit und griffig, wird allerdings elektronisch umgesetzt und lässt daher Skalen für die Schärfe und Schärfentiefe vermissen. Flott stellt der Autofokus sowohl an der GH4 als auch an der OM-D scharf, ist aber an der Panasonic noch einen Hauch schneller. Präzise arbeitet er an beiden Kameras, eine manuelle Korrektur ist nicht nötig. Etwas aufpassen muss man beim Fokussieren bei Offenblende, denn beim Abblenden verschiebt sich der Fokus minimal. Sichtbar wird das allerdings in der Praxis nur bei F1,4, bereits bei F2 nimmt die Schärfentiefe in einem Maße zu, dass der bei F1,2 anvisierte Punkt weiterhin im Fokus liegt. Das leicht sonore Klackern der neunlamelligen Blende ist an beiden Kameras in leisen Umgebungen hörbar. Besonders an der GH4 arbeitet auch der C-AF, etwa im Videomodus, sehr zuverlässig.
In der Praxis zeigt das Objektiv ein absolut cremiges Bokeh und eine exzellente Schärfe selbst bei Offenblende, leicht abgeblendet wird das Objektiv rattenscharf, wobei hier die Bilder der Olympus sichtbar mehr Schärfe und Auflösung aufweisen, was an der anders abgestimmten JPEG-Engine liegt. Die Panasonic arbeitet etwas zurückhaltender, vergleichbar etwa mit einer Nikon, die Bilder eignen sich auch in JPEG gut zur Nachbearbeitung. Die Olympus bereitet die Bilder aggressiver auf, sie eignen sich in JPEG zur direkten Ausbelichtung auch in großen Format bei knackiger Schärfe, wer sein JPEG nachbearbeiten möchte, sollte hingegen die Schärfung etwas zurück nehmen. Das volle Bearbeitungspotential ergibt sich wie gewohnt an beiden Kameras aber erst im Raw-Format. Wie bei so lichtstarken Objektiven üblich muss man bei Gegenlicht aufpassen, in jedem Fall empfiehlt es sich, die mitgelieferte Streulichtblende auch zu verwenden, wenn man in kritischen Situationen fotografiert, um das letzte an Bildqualität aus dem Nocticron heraus zu holen.
Mit dem Panasonic Leica DG Nocticron 42,5 mm 1,2 Asph. Power-OIS wird die Panasonic Lumix DMC-GH4 zur perfekten Porträt- und Available-Light-Maschine für Fotos und Videos. [Foto: MediaNord]
Im Labortest kann das Objektiv fast auf ganzer Linie überzeugen. Die Schärfe auf einem 20 x 30 Zentimeter großen Print ist sowohl an der GH4 als auch an der E-M10 bei allen Blenden von der Bildmitte bis zum Bildrand hervorragend, wobei die E-M10 hier die schon erwähnte Überschärfung zeigt. Mit unter 0,2 Prozent tonnenförmiger Verzeichnung ist das Nocticron praktisch verzeichnungsfrei, auch chromatische Aberrationen spielen an keiner der beiden Kameras in der Praxis eine Rolle, weder in der Bildmitte, noch am Bildrand, wo Farbsäume normalerweise etwas stärker ausfallen. An der Olympus sind die Farbsäume sogar etwas geringer als an der Panasonic, diese Unterschiede sind aber eher akademischer Natur. Für ein elektronisch auskorrigiertes Objektiv fällt die Randabdunklung für ein Micro-Four-Thirds-Objektiv, die Korrektur von Verzeichnung und Randabdunklung gehören zum Standard, erstaunlich hoch aus. Normalerweise liegt die Randabdunklung bei höchstens 30 Prozent Helligkeitsverlust, was etwa einer halben Blendenstufe entspricht. Beim Nocticron hingegen sind es bei F1,2 und F1,4 etwa 50 Prozent, was einer ganzen Blendenstufe entspricht. Dies ist auch mit dem bloßen Auge gut erkennbar. Ab F2 sinkt die Randabdunklung auf übliches Niveau von 30 Prozent mit sanftem Verlauf, so dass es kaum mehr auffällt. An der Olympus ist die Randabdunklung sogar einen Hauch stärker als an der Panasonic.
Bei der Messung der Auflösung bei 50 Prozent Kantenkontrast läuft das Nocticron wieder zur Höchstform auf. Selbst an der Panasonic GH4, die eine eher zurückhaltende Bildaufbereitung besitzt, schrammt das Objektiv nur ganz knapp an der Marke von 50 Linienpaaren pro Millimeter (lp/mm) vorbei. Offen ist es mit rund 38 lp/mm noch etwas weicher, aber dennoch für die GH4 schon recht hochauflösend. Bei F2 legt das Objektiv mächtig zu, im Bildzentrum wird bereits bei F2,8 das Maximum erreicht, der Bildrand legt bis F5,6 noch zu, wo er knapp 43 lp/mm erreicht, das Zentrum liegt hier bei gut 47 lp/mm, der Auflösungsverlust zum Bildrand ist ab F5,6 gering. Mit der Ausnahme von F2 liegt der Auflösungsverlust zum Bildrand bei 20 Prozent und weniger, ab F5,6 bei weniger als zehn Prozent. Nur bei F2 sinkt die Auflösung zum Bildrand um 30 Prozent.
An der Olympus OM-D E-M10 wirkt das Panasonic Leica DG Nocticron 42,5 mm F1.2 schon fast überdimensioniert, liefert aber eine nochmals höhere Auflösung als an der GH4 und schlägt sogar das Olympus 75 mm F1.8. [Foto: MediaNord]
Eine noch bessere Figur macht das Nocticron an der Olympus OM-D E-M10 (siehe Diagramm aus dem Labortest unten). Auch hier wird bei F2,8 das Maximum an Auflösung erreicht, sie liegt im Bildzentrum bei 56 lp/mm, am Bildrand bei 48 lp/mm. Bereits bei Offenblende werden die 50 lp/mm fast geknackt, der Bildrand liegt mit 44 lp/mm auch sehr gut, der Verlust beträgt nur 15 Prozent. Da beim Abblenden auf F2 die Bildmitte stark an Auflösung zulegt und der Bildrand sogar minimal verliert (das ist höchstwahrscheinlich eine Folge der minimalen Fokusverschiebung beim Abblenden), ist hier der Auflösungsverlust zum Bildrand auch an der Olympus am größten, beträgt aber absolut mit 23 Prozent etwas weniger als die knapp 31 Prozent an der GH4. Bei F4 beträgt der Auflösungsverlust zum Bildrand nur noch gut 6 Prozent, ist also vernachlässigbar und wird beim weiteren Abblenden noch geringer. Während bei F11 in der Bildmitte und am Bildrand noch 45 lp/mm erreicht werden, bricht die Auflösung bei der kleinsten einstellbaren Blende F16 auf 35 lp/mm ein, das reicht zwar noch für 20 x 30 Zentimeter oder ein bisschen größer, aber mehr auch nicht.
An dieser Stelle wollen wir auf das Olympus 75 mm 1.8 zurück kommen, das bisher auflösungsstärkste MFT-Objektiv, das wir im Labor hatten. Dieses Objektiv hatten wir ebenfalls an der E-M10 im Test (siehe weiterführende Links), doch das Nocticron legt bei der Auflösung nochmal eine Schippe drauf, sowohl bei der Offenblendtauglichkeit als auch bei der Maximalauflösung. Man könnte also sagen, dass das Olympus 75 mm 1.8 seinen Meister gefunden hat und es bleibt zu hoffen, dass dies Ansporn für Olympus ist, das Nocticron mit einem neuen Objektiv zu übertrumpfen. Immerhin kostet das Nocticron aber auch gut 500 Euro mehr als das Olympus, das sind gut 50 Prozent Aufpreis, wovon man natürlich auch die höhere Bildqualität erwarten kann. Weiterhin gilt aber, dass einige Four-Thirds-Objektive, etwa das Olympus 50 mm F2 Makro, eine noch bessere Bildqualität in Punkto Auflösung bieten und spätestens seit der E-M1 auch beim Autofokus sehr gute Unterstützung erfahren. Das ohnehin nicht so schnelle Makro schlägt sich aber selbst an einer E-M10 verhältnismäßig gut. Native MFT-Objektive haben dennoch beim Autofokus klare Vorteile.
Fazit Bleibt festzuhalten, dass das Panasonic Leica DG Nocticron 42,5 mm 1,2 Asph. Power-OIS die Messlatte für die Bildqualität bei Micro Four Thirds höher legt und als neues Referenzobjektiv bezeichnet werden kann. Es ist nicht nur hervorragend verarbeitet und besitzt einen schnellen Autofokus, sondern überzeugt auch bei der Bildqualität. Dies trifft nicht nur für die reinen Laborwerte zu, sondern auch für die Praxis, wo das Objektiv eine knackige Schärfe mit einem sahnigen Bokeh vereint. Bei Offenblende mag es für den einen oder anderen Porträtfotografen vielleicht sogar schon zu scharf sein. Als einziges Manko, wenn man es denn so bezeichnen kann, könnte man die etwas stärkere Randabdunklung bei Offenblende aufführen, die aber bei den meisten Alltagssituationen beziehungsweise Motiven, für die man das Objektiv offen einsetzt, nicht relevant sein dürfte. Allerdings hat die hervorragende Qualität des Nocticron auch seinen, zugegebenermaßen angemessenen, Preis.
Kurzbewertung
- Sehr solide Verarbeitung
- Eingebauter Bildstabilisator
- Konkurrenzlos hohe Lichtstärke
- Tadellose Bildqualität mit sehr hoher Auflösung
- Groß und schwer
- Blendenring funktioniert nur an Panasonic-Bodies
- Automatikfunktion des Blendenrings ohne feste Sperre
- Bei F1,2 und F1,4 leicht sichtbare Randabdunklung
Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.