Carbon-Reisestativ
Testbericht: Rollei Lion Rock Traveler M
2019-03-18 Rollei ist, trotz des traditionsreichen Namens, eher bekannt für preisgünstige Stative mit guter bis sehr guter Ausstattung und prima Preis-Leistungsverhältnis. Die hochpreisige Stativserie Lion Rock von Fotopro, die exklusiv bei Rollei vertreiben wird, bildet hier jedoch eine Ausnahme. Wir haben das Lion Rock Traveller M getestet und in diesem Testbericht festgehalten, was uns bei dem kompakten Carbon-Reisestativ aufgefallen ist. (Harm-Diercks Gronewold)
Rollei Lion Rock Traveler. [Foto: Rollei]
Dass Rollei keine eigenen Produkte fertigt, ist kein Geheimnis. Dennoch überrascht das in Norderstedt ansässige Unternehmen von Zeit zu Zeit durch exklusive Produkte, die unter anderem von dem in Hong Kong ansässigen Stativ-Hersteller Fotopro konstruiert und gefertigt werden. Die Stativserie Lion Rock umfasst drei Traveller-Stative und drei Stative, die nicht primär für die Reisefotografie konzipiert wurden. Alle Stative sind mit Beinen und einer Mittelsäule aus Carbon ausgestattet und bieten weitere professionelle Ausstattungsmerkmale.
Ob die Stative den Namen "Lion Rock" als Hommage an den 495 Meter hohen "Löwenberg" in der Sonderverwaltungszone in Hong Kong tragen, ist sehr gut möglich. Darauf deutet auch das Logo hin, das auf der mitgelieferten gepolsterten Tasche aufgedruckt ist. Auf den ersten Blick macht das Stativ einen sehr wertigen und soliden Eindruck. Die Farbwahl aus silberner Stativschulter, Beschlagteilen und der Struktur der Carbon-Beine verströmen eine gewisse Eleganz. Dabei hilft auch die offensichtlich eloxierte Oberfläche der Leichtmetallteile.
Dank des Einsatzes der leichten Materialien kommt das Lion Rock Traveler M auf ein Gesamtgewicht von gerade einmal etwa 1.530 Gramm. Setzt man das in Bezug auf die maximale Arbeitshöhe von etwa 1.540 Millimeter (mit ausgefahrener Mittelsäule), dann wiegt das Stativ etwas weniger als ein Gramm pro Millimeter maximaler Arbeitshöhe. Das Traveler M erreicht eine minimale Arbeitshöhe von 45 Zentimetern. Diese gilt aber nur, wenn die ebenfalls aus Carbon bestehende Mittelsäule nicht getrennt wird. Wird die etwa 35 Zentimeter lange und asymmetrisch trennbare Mittelsäule auseinandergeschraubt, dann kann der Fotograf die kurze Mittelsäule für bodennahe Aufnahmen einsetzen. Die Arbeitshöhe beträgt dann nur noch etwa 25 Zentimeter. Das Packmaß des Stativs beträgt etwas mehr als 44 Zentimeter. Wie das Rollei Lion Rock Traveler M das schafft, klären wir im nächsten Absatz.
Die herausnehmbare Mittelsäule kann zum einen geteilt werden und zum anderen umgedreht montiert werden, um überkopf sehr geringe Arbeitshöhen zu ermöglichen. Diese haben allerdings einen geringen Bewegungsspielraum. [Foto: Rollei]
Das Lion Rock M besitzt eine maximale Arbeitshöhe von etwa 1,5 Metern. Die Mittelsäule lässt sich allerdings auch nach unten fahren, so dass der Stativkopf unmittelbar auf der Stativschulter ruht. [Foto: Rollei]
Wie es sich bei Reisestativen gehört, sind die Stativbeine um 180 Grad nach oben klappbar. Dadurch "verschwindet" die Mittelsäule samt Stativkopf zwischen den Stativbeinen und das Stativ wird zu einem handlichen Paket. Zum Umklappen der Stativbeine wird lediglich die Entriegelung für den Beinanstellwinkel etwas nach unten gezogen und gehalten. Dann kann das Bein komplett nach oben geklappt werden. Die Stativbeine können auf drei verschiedenen Positionen verriegelt werden. Damit wird verhindert, dass sich der Anstellwinkel eines Stativbeins versehentlich zu stark verschiebt. Es sind insgesamt drei Anstellwinkel begrenzbar.
Die Stativbeine sind aus Carbon gefertigt und besitzen vier Segmente, also drei Auszüge. Der Durchmesser der Stativbeine beträgt 25, 22, 19 und 16 Millimeter. Die relativ großen Beindurchmesser bedeuten zwar ein höheres Gewicht, aber gleichzeitig auch eine verbesserte Verwindungssteifigkeit. Gesichert werden die Stativbeine mit schnell fassenden Drehverschlüssen, die richtig schön griffig sind. Bei der Fixierung besitzen die Drehverschlüsse einen fühlbaren "Druckpunkt", wenn sie gelöst werden. Beim Fixieren hingegen ist kein Druckpunkt zu spüren. An jedem der oberen Segmente sind angenehme Gummierungen angebracht. Zwar ist Carbon nicht so anfällig für das Auskühlen im Winter, so dass das Stativ auch an einem "nackten" Rohr angefasst werden kann, ohne dass der Fotograf Gefahr läuft, festzufrieren. Dennoch ist es mit den Gummierungen einfach angenehmer zu tragen.
Die geneigten Spikes sind unter abziehbaren Gummipropfen verborgen. [Foto: Rollei]
Auf den untersten Beinsegmenten sind zwei interessante Ausstattungsmerkmale zu finden. Zum einen gibt es eine Skala mit Markierungen in Fünf-Zentimeter-Abständen. Diese können die Ausrichtung des Stativs vereinfachen. Das zweite Ausstattungsmerkmal sind die Stativfüße. Diese erreichen mit dem steilsten Beinanstellwinkel etwa 90 Grad nach unten und das kann sich positiv auf die Standfestigkeit auswirken. Positiv ist das besonders dann, wenn die Gummipropfen der Füße abgezogen werden und die ebenfalls angewinkelten Spikes zum Vorschein kommen.
Laut Rollei ist das Lion Rock Traveler M bis 15 Kilogramm belastbar und wir haben keinen Anhaltspunkt gefunden, dass diese Angabe nicht zutrifft. Das Stativ steht unter Last stabil, sicher und macht zu keiner Zeit einen fragwürdig wackeligen Eindruck.
Das Rollei Lion Rock Traveler M wird mit einem Kugelkopf ausgeliefert. Dieser wiegt 350 Gramm und ist per Inbus-Madenschrauben auf der Mittelsäule fixierbar. Auf der Unterseite ist eine Grad-Einteilung zu finden, die dem Fotografen das Erstellen von Panoramen erleichtern soll. Zudem können die horizontale Schwenkebene und die Kugel unabhängig voneinander fixiert werden. Bei der Fixierung der Kugel besteht zudem die Möglichkeit, die Friktion in Bezug auf das Kameragewicht so zu justieren, dass nur ganz wenig am gut proportionierten Fixierknebel gedreht werden muss, um eine ausreichende Fixierung zu erreichen.
Mit der Stativschulter hat die Nivellierlibelle die optimale Position am Stativ gefunden. [Foto: Rollei]
Der Entriegelungsknopf an der Schnellwechselplattenschraube verhindert das ungewollte aufschrauben der Schnellwechselplattenfixierschraube. [Foto: Rollei]
Auf der oberen Seite der Kugel befindet sich die Arca-Swiss kompatible Schnellwechseleinrichtung. Leider kommt hier keine automatische Fixierung mit Schnappvorrichtung zum Einsatz, sondern eine herkömmliche Drehfixierung mit einer Besonderheit. Diese besteht aus einem kleinen Sicherungsknopf, der gedrückt werden muss, um die Fixierung der Schnellwechselplatte soweit aufschrauben zu können, damit sie entfernt werden kann. Ein versehentliches Lösen der Platte wird damit verhindert. Unterstützt wird das durch den Aufbau der Schnellwechselplatte. Diese besitzt nämlich zwei hervorstehende Schraubenköpfe, die das seitliche Herausrutschen der Schnellwechselplatte beim Lösen der Schnellwechselplatten-Fixierungsschraube verhindern.
Zum Ausrichten des Stativs stehen eine Nivellierlibelle an der Stativschulter eine direkt neben der Schnellwechselplatte zur Verfügung. Zudem ist ein 3/8-Zoll-Gewinde in der Stativschulter zu finden, an das sich Zubehörprodukte wie beispielsweise ein Schwanenhals montieren lassen. Bei genauerer Betrachtung fallen überall Firmenschriftzüge und das Lion-Rock-Logo auf. Sogar eine Seriennummer ist auf der Stativschulter sichtbar. Auch die Anfangs erwähnte gepolsterte Tasche macht einen sehr guten Eindruck. Sie bietet neben dem Platz für das Stativ auch eine kleine Zubehörtasche, in der die Inbus-Schlüssel zum Nachziehen der Beinscharniere und zum Fixieren der Madenschrauben an der Mittelsäule zu finden sind. Außerdem kann hier die zweite mitgelieferte Schnellwechselplatte ein Zuhause finden, wenn sie nicht gerade an einer Kamera montiert ist.
Bislang haben wir uns in diesem Testbericht vor der Nennung der unverbindlichen Preisempfehlung ein wenig herumgedrückt. Doch im letzten Absatz vor dem Fazit des Tests geht es nicht mehr anders. Das Rollei Lion Rock Traveler M besitzt eine nicht gerade günstige Preisempfehlung von etwa 900 Euro. Das Rollei Lion Rock Traveler ist übrigens in den zwei weiteren Größen S und L erhältlich. Die genauen Daten dieser beiden Stative sind den Datenblättern am Ende dieses Testberichts zu entnehmen.
Der Lieferumfang des Rollei Lion Rock Traveller M in der Gesamtübersicht. [Foto: Rollei]
Fazit
Mit dem Lion Rock Traveler M hat Rollei ein zweifellos qualitativ hochwertiges Stativ auf den Markt gebracht. Aufgrund des Preises von etwa 900 Euro muss man die Ausstattungsmerkmale aber mit gleichwertigen Gitzo- und Manfrotto-Stativen direkt vergleichen und hier liegt der Teufel im Detail. Eines dieser Details ist beispielsweise die Schnellwechseleinrichtung des Kopfes. Während andere Hersteller schon seit Jahren mit Schnappverschlüssen arbeiten, muss beim Lion Rock Traveler M mit einer Drehschraube vorlieb genommen werden – und das ist einfach unbequem. Auch die abziehbaren Gummipropfen für die Stativspikes sind eher anachronistisch. In weiser Voraussicht liefert der Hersteller gleich drei Ersatzpropfen mit.
Allerdings macht das Lion Rock Traveler M einiges richtig. Die Beindurchmesser sind groß und sorgen für viel Stabilität. Die drei Gummierungen an den Stativbeinen sind zwar nicht notwendig, dafür aber sehr bequem. Die Schnellspannvorrichtungen der Beine sind schön breit und fixieren zudem sehr schnell. Ob der Preis nun zu hoch angesetzt ist, muss der Fotograf für sich selber entscheiden. Das Rollei Lion Rock Traveler M wird in jedem Fall seinem Outdoor- und Reisefotografieanspruch mehr als nur gerecht.
Kurzbewertung
- Gut proportionierte Stativbeine
- Griffige Schnellverschlüsse
- Angewinkelte Stativspikes
- Gummierte obere Stativsegmente
- Gut ausgestatteter Stativkopf
- Spikes unter abziehbaren Gummipropfen (statt schraubbaren Füßen)
- Umständliches Schnellwechselplatten-System
- Recht hoher Preis