Kompaktes, lichtstarkes Vollformat-Weitwinkel
Testbericht: Sony FE 35 mm F1.8 (SEL35F18F)
2019-11-07 Mit dem FE 35 mm F1.8 (SEL35F18F) bietet Sony nun endlich auch eine gleichermaßen kompakte wie lichtstarke Weitwinkel-Festbrennweite zu einem halbwegs humanen Preis. Es füllt die Lücke zwischen dem kleinen, aber auch klapprigen und mit F2,8 nicht sonderlich lichtstarken 35er und dem teuren, großen, schweren Zeiss Distagon 35 mm F1.4. An der nagelneuen, mit über 60 Megapixeln äußerst hochauflösenden Alpha 7R IV kann das Sony FE 35 mm F1.8 (SEL35F18F) nun in unserem Test zeigen, welche Qualitäten in ihm stecken. (Benjamin Kirchheim)
Das Gehäuse des Sony FE 35 mm F1.8 (SEL35F18F) besteht aus Metall. Trotzdem ist es mit 280 Gramm angenehm leicht und mit gut sieben Zentimetern Länge auch gut transportabel. [Foto: Sony]
Verarbeitung und Haptik
Wie von Sony gewohnt, ist das FE 35 mm F1.8 sehr modern und geradlinig designt. Mit einer Länge von knapp über sieben und einem Durchmesser von etwas über 6,5 Zentimetern fällt es angenehm schlank aus, das Gewicht liegt bei gerade einmal 280 Gramm. So bleibt das Gewicht selbst mit der 666 Gramm schweren Testkamera Sony Alpha 7R IV unter 950 Gramm. Auch als kompaktes Normalobjektiv für eine APS-C-Kamera der Alpha-6000er-Serie bietet es sich an, die kleinbildäquivalente Brennweite liegt dann bei knapp 53 Millimeter.
Das Gehäuse des FE 35 mm F1.8 besteht fast komplett aus Metall, sogar über einen Spritzwasser- und Staubschutz verfügt ist. Allerdings ist das Bauteil, das innen das 55mm-Filtergewinde und außen das Bajonett für die Streulichtblende beherbergt, aus Kunststoff gefertigt. Man sollte seinen Metallfilter also gerade aufsetzen und nicht mit Gewalt festschrauben. Die kleine Streulichtblende besteht ebenfalls aus Kunststoff, lässt sich zum Transport verkehrt herum montieren und ist innen mattiert.
Stellt man das Objektiv von der Bajonett- auf die Frontseite, dann spürt man innen ein loses Teil "herumklappern". Dabei handelt es sich um die Fokusgruppe, die frei beweglich im Objektiv arbeitet und linear verschoben wird. Das sorgt für einen flotten Autofokus und ist bei modernen Objektiven üblich. Einen Bildstabilisator gibt es hingegen nicht.
Bedienung und Fokussierung
Da es sich um eine Festbrennweite handelt, reicht ein einziger Einstellring. Er misst 2,8 Zentimeter in der Breite und ist mit seiner feinen Riffelung sehr griffig. Er besteht aus Metall und lässt sich gegen einen sanften Widerstand endlos drehen. Eine Fokusskala sucht man vergebens, denn es gibt keinerlei mechanische Kopplung an die Fokusgruppe. Stattdessen wird die Drehbewegung elektronisch gemessen, der Prozessor des Objektivs berechnet daraufhin die Stellwege für den Fokusmotor. Die Umschaltung zwischen manuellem und Autofokus erfolgt ebenfalls über das Objektiv, wofür der seitliche Schiebeschalter dient.
Das Sony FE 35 mm F1.8 besitzt nicht nur einen elektronischen Fokusring, sondern auch einen AF-MF-Schalter sowie eine Funktionstaste, die sich an der Alpha 7R IV mit einer von 100 Funktionen belegen lässt. [Foto: MediaNord]
Entsprechende Fokushilfen wie etwa eine Fokuslupe, eine Fokusskala sowie Fokuspeaking bietet die Kamera, so dass einer präzisen manuellen Fokussierung nichts im Wege steht. Nur eine Schärfentiefe-Skala gibt es leider nicht, immerhin wird die Schärfentiefe aber direkt im Livebild angezeigt, indem die Blende sich entsprechend schließt. Besonders mit Hilfe der Fokuslupe lässt sich dann der Schärfe-Unschärfe-Übergang gut beurteilen.
Oberhalb des AF-MF-Schalters befindet sich eine Funktionstaste, die bei Sony defaultmäßig mit der Fokus-Stopp-Funktion belegt ist. Aber auch andere Funktionen wie etwa AF-On, ISO, Weißabgleich, Blitzfunktion etc. lassen sich auf diese Taste legen. Bei der Alpha 7R IV umfasst die Auswahl genau 100 Funktionen!
Die Naheinstellgrenze des FE 35 mm F1.8 liegt bei nur 22 Zentimetern, was 13 Zentimeter ab Objektivfrontlinse entspricht. Der größte Abbildungsmaßstab beträgt laut technischen Daten 1:4,2, was für ein solches Weitwinkel wirklich sehr beeindruckend ist. Ein 15 mal zehn Zentimeter kleines Objekt lässt sich damit noch formatfüllend abbilden. Praktisch konnten wir sogar 14 mal 9,3 Zentimeter scharf abbilden, was sogar einem Abbildungsmaßstab von 1:3,9 entspricht.
Bildqualität
Letztlich nützt aber das schönste Objektiv nichts, wenn die Bildqualität nicht stimmt. Hier sind die 60 Megapixel der Sony Alpha 7R IV natürlich eine große Herausforderung. Elf Linsen in neun Gruppen besitzt die optische Konstruktion des Sony FE 35 mm F1.8, wobei ein extrem asphärisches Element Bildfehler minimieren und für eine scharfe Randabbildung sorgen sollen. Neun Blendenlamellen besitzt das Weitwinkel, sie sollen eine runde Öffnung bilden. Das funktioniert sehr gut und gleichmäßig, allerdings ist das Bokeh nicht das schönste. Die Unschärfescheibchen zeigen an punktuellen Lichtquellen deutliche "Onion-Rings", der Rand des Unschärfescheibchens ist also deutlich heller als das Zentrum, was je nach Motiv für einen etwas unruhigen Hintergrund sorgt. Die Kontraste bleiben im Gegenlicht hoch, es können sich aber durchaus je nach Sonnenstand im Bild leichte Blendenreflexe zeigen.
Mit ihren über 60 Megapixeln Auflösung ist die Sony Alpha 7R IV für das FE 35 mm F1.8 (SEL35F18F) durchaus eine gewisse Herausforderung. So kann die eigentlich hohe Randauflösung nicht mit der im Bildzentrum mithalten. [Foto: MediaNord]
Die Randabdunklung beträgt laut Labortest an der Alpha 7R IV maximal 0,9 Blendenstufen, zeigt aber einen sehr sanften Verlauf und fällt damit praktisch nicht auf. Beim Abblenden auf F4 lässt sie sich um knapp die Hälfte auf 0,5 Blendenstufen verringern. Die Verzeichnung ist zwar insgesamt gering, zeigt aber einen ungewöhnlich wellenförmigen Verlauf, was nicht so optimal ist (siehe Diagramm aus dem Labortest unten). Bei etwa 50-60 Prozent radialem Abstand von der Bildmitte ist die Verzeichnung minimal tonnenförmig, nimmt dann bis 75 Prozent Abstand auf Null ab und wird bei weiterem Abstand kissenförmig mit einem Maximum von gut 0,7 Prozent. Dem Betrag nach ist das noch gering, kann aber bei kritischen Motiven mit Linien parallel zum Bildrand durchaus sichtbar werden.
Apropos sichtbar werden: Die Farbsäume sind zwar im Mittel gering, nehmen aber zum Bildrand hin zu, so dass hier durchaus chromatische Aberrationen sichtbar werden. Insbesondere beim Hineinzoomen können sie aufgrund der hohen Sensorauflösung ins Auge stechen, denn sie erreichen bis zu drei Pixel Ausdehnung.
Die Auflösung bei 50 Prozent Kontrast beträgt bereits bei Offenblende über 80 Linienpaare pro Millimeter (lp/mm) im Bildzentrum. Beim Abblenden steigert sich die Auflösung bis auf ein Maximum von 101,6 lp/mm, das bei F4 im Bildzentrum erreicht wird. Der 50 Megapxiel auflösenden Canon EOS 5DS R muss sich die nominell höher auflösende Sony Alpha 7R IV damit vorerst geschlagen geben, aber das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen, wenn das Sony FE 35 mm F1.8 kann man, auch aufgrund des Preises von unter 700 Euro, eher als Mittelklasseobjektiv einordnen. Bei einem teuren Spitzenobjektiv sollten nochmal gut zehn Prozent mehr Auflösung möglich sein. Als Beispiel sei hier das Sony FE 135 mm F1.8 GM (SEL135F18GM) genannt, das bei uns im Test (siehe weiterführende Links) bisher den Rekord im E-System vom Sony mit 95 lp/mm hielt; an einer immerhin "nur" 42 Megapixel auflösenden Sony Alpha 7R III.
Jenseits von F4 nimmt die Bildauflösung des Sony FE 35 mm F1.8 wieder leicht ab, bei F11 wird etwa die Zentrumsauflösung wie bei F1,8 erreicht. Am Bildrand kann das 35er nicht solche Spitzenwerte erreichen, schlägt sich mit durchgehend knapp unter oder etwas über 60 lp/mm aber wacker. Die Höchste Randauflösung wird bei F8 mit 66 lp/mm erreicht. Der relative Randabfall der Auflösung beträgt damit knapp unter 30 bis etwas über 40 Prozent. Das ist für eine Festbrennweite nicht besonders wenig, aber die 60 Megapixel der Alpha 7R IV stellen natürlich eine ganz andere Herausforderung dar als beispielsweise die 42 Megapixel eine Alpha 7R III oder die 24 Megapixel einer Alpha 7 III. Auch das von uns eigentlich gelobte 24-105 mm von Sony muss an der Alpha 7R IV ganz schön federn lassen. Mehr zum Thema Auflösung wird in unserem bald erscheinenden Kameratest der Alpha 7R IV zu lesen sein. Zudem werden wir künftige Objektiv-Neuerscheinungen bevorzugt mit einer Alpha 7R IV testen.
Fazit
Das Sony FE 35 mm F1.8 ist ein gundsolides, gut verarbeitetes, schlankes Mittelklasseobjektiv und eine wunderbare Ergänzung für das spiegellose Alpha-Universum von Sony. Es ist mit knapp unter 700 Euro sicher nicht ganz günstig, aber seinen Preis durchaus wert. Man muss nirgends in Maßen Abstriche machen, die den Preis ungerechtfertigt erscheinen ließen. Der Autofokus etwa arbeitet sehr schnell und auch die manuelle Fokussierung gelingt problemlos und präzise. Überraschend gering fällt die Naheinstellgrenze aus, was in einen guten Abbildungsmaßstab mündet. Die Bildqualität ist zwar nicht perfekt, aber gut, wobei hier die Alpha 7R IV mit ihren 60 Megapixeln eine große Herausforderung darstellt. So verwundert es nicht, dass die hohe Randauflösung im Vergleich zur noch viel höher auflösenden Bildmitte etwas federn lassen muss. Penible Naturen wird vielleicht die leicht wellenförmige Verzeichnung stören oder etwa das nicht ganz so schöne Bokeh. Insbesondere für letzteres hat Sony definitiv bessere Objektive mit F1,4er Lichtstärke im üppigen Programm.
Kurzbewertung
- Spritzwassergeschütztes Metallgehäuse
- Dank geringem Gewicht und kleinen Abmessungen leicht zu transportieren
- Rasanter Autofokus mit sehr geringer Naheinstellgrenze und gutem Abbildungsmaßstab
- Insgesamt geringe optische Fehler und sehr hohe Auflösung im Bildzentrum
- An der Sony Alpha 7R IV nicht unerheblicher relativer Randabfall der Auflösung
- Das Filtergewinde besteht lediglich aus Kunststoff
- Durch "Onion-Rings" nicht ganz so schönes Bokeh
- Leicht wellenförmige Verzeichnung und am Bildrand sichtbare chromatische Aberrationen
Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.