Hochlichtstarkes Porträtobjektiv
Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro im Test
Seite 2 von 2, vom 2023-02-14 (Autor: Benjamin Kirchheim)Zur Seite 1 wechseln
Bildqualität
Das Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro besitzt einen aufwendigen optischen Aufbau aus 16 Linsen, die in elf Gruppen angeordnet sind. Drei ED-Linsen sollen Abbildungsfehler minimieren. Asphärische Linsen sind nicht verbaut, was gerade beim Bokeh Vorteile haben kann. Zudem rückt der Lens Modulation Optimizer (kurz LMO) der Fujifilm-Systemkameras defaultmäßig im JPEG-Format bereits kameraintern optischen Abbildungsfehlern und sogar der Beugung zu Leibe. Viel zu tun hat er indes beispielsweise bei der Verzeichnungskorrektur nicht. Auch mit abgeschaltetem LMO oder aus dem Bajonett gedrehtem Objektiv tritt visuell keine Verzeichnung auf, auch die Randabdunklung nimmt nicht signifikant zu. Zum Test der Bildqualität haben wir mit der X-T5 eine der beiden höchstauflösenden APS-C-Systemkameras verwendet. Ihr APS-C-Sensor bringt es auf stolze 40 Megapixel.
Da es sich beim Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro um ein APS-C-Objektiv handelt, entspricht es einem Kleinbildäquivalent von ungefähr 115 Millimetern. Die Schärfentiefe entspricht einem 115mm-Kleinbildobjektiv mit F1,8. Das Freistellen eines Motivs vor unscharfem Hintergrund ist damit überhaupt kein Problem. Elf abgerundete Blendenlamellen sollen beim Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro für eine gleichmäßig runde Blendenöffnung sorgen. Das funktioniert sehr gut. Das Bokeh ist weich und perfekt für Porträtaufnahmen geeignet.
Die Unschärfescheibchen von Spitzlichtern weisen keine Zwiebelringe auf, die typischerweise vor allem bei Objektiven mit (vielen) asphärischen Linsen auftreten. Da das Viltrox keine solchen Linsen hat, gibt es auch keine negativen Auswirkungen auf das Bokeh. Allerdings konnten wir leichte Farbsäume im Unschärfebereich beobachten. Unschärfescheibchen von Spitzlichtern sind ebenfalls von einem Farbsaum umgeben. Beides fällt jedoch nur selten störend auf, zumal man dafür ordentlich in die Vergrößerung gehen muss.
Aufgrund der hohen Lichtstärke ist das Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro schon ein ziemlicher Oschi. Sein Durchmesser beträgt 8,6 cm (77 mm Filtergewinde) und es ist 10 cm lang. Alleine wiegt es über 670 Gramm, zusammen mit der X-T5 sind es 1,23 kg. [Foto: MediaNord]
Die Blende ist dank ihrer elf Lamellen so perfekt rund, dass sich selbst bei F16 kein Blendenstern an hellen, punktuellen Lichtquellen zeigt. Im Gegenlicht zeigt das Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro jedoch kein perfektes Verhalten. Je nach Position der Lichtquelle können deutliche Kontrastverluste und "Lichteinbrüche" auftreten, bei denen auch die Streulichtblende nicht hilft. Blendenreflexe sind hingegen relativ gering.
Im Labortest an der Fujifilm X-T5 zeigt das Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro praktisch keine optischen Fehler. Weder chromatische Aberrationen noch eine Verzeichnung treten auf. Selbst die Randabdunklung ist trotz der hohen Lichtstärke erstaunlich gering. Sie beträgt im Maximum 0,6 Blendenstufen, was etwa einem Drittel Lichtverlust entspricht. Der Verlauf von der Bildmitte zu den Bildrändern und Ecken ist derart sanft, dass das kaum auffällt. Beim Abblenden bis F4 sinkt die Randabdunklung um die Hälfte, danach kaum noch.
Die größte Überraschung war aber die Auflösungsmessung. Die bisher von uns getesteten Fujifilm-Objektive taten sich alle mit dem 40-Megapixel-Sensor mehr oder weniger schwer, egal ob sie von Fujifilm als geeignet für 40 Megapixel eingestuft wurden oder nicht. So kommen das XF 30 mm Macro und das XF 18-55 an der X-T5 bei 50 Prozent Kontrast auf maximal 69 Linienpaare pro Millimeter (lp/mm) im Kleinbildäquivalent. An der X-H2 waren die gemessenen Auflösungen von 74, 77 und 81 lp/mm beim XF 16-80, XF 23 F1.4 und XF 56 F1.2 WR etwas höher, ließen aber noch Luft nach oben vermuten.
Das Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro steckt alle diese Objektive spielend in die Tasche: 91 lp/mm beträgt das Auflösungsmaximum und entspricht damit dem, was wir potenziell von einem 40-Megapixel-Sensor erwarten würden. An einer 42 Megapixel auflösenden Sony Alpha 7R III beispielsweise bringen es diverse Objektive auf über 90 lp/mm im Maximum.
Das Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro zeigt bei Offenblende ein herrliches Bokeh. Von den vielen Zweiges des Gebüschs im Hintergrund ist nichts zu erkennen. [Foto: MediaNord]
Tatsächlich erreicht das Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro sogar bereits bei Offenblende mit 84 lp/mm eine höhere Auflösung als alle bisher von uns gemessenen Fujifilm-Objektive – und das bei einem günstigen Preis von nur 600 Euro! Beim Abblenden bis F2,8 lässt sich die Auflösung, sofern man bei F2 neu fokussiert, auf 91 lp/mm steigern (siehe Diagramm aus dem Labortest unten). Bis F5,6 bleibt die Auflösung bei über 80 lp/mm. Die Beugung setzt damit erwartbar früh ein, schließlich ist die Pixeldichte sehr hoch. Aber selbst bei F16 liegt die Auflösung nur knapp unter 70 lp/mm.
Der Auflösungs-Randabfall ist je nach Blende mäßig bis gering. Die Randauflösung erreicht bereits bei Offenblende einen guten Wert von 67 lp/mm, das Maximum wird sogar erst bei F8 mit knapp 76 lp/mm erreicht. Wer bei genügend Licht eine knackscharfe Aufnahme bis zum Bildrand wünscht, fährt also mit dieser Blende am besten. Beim Spiel mit der Schärfe und Unschärfe, was zwar bei F1,2 am besten klappt, aber auch auf F2,8 abgeblendet noch gut funktioniert, spielt die Randauflösung in der Praxis normalerweise ohnehin eine untergeordnete Rolle.
Fazit
Mit nur 600 Euro ist das Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro angesichts des hochwertigen Gehäuses und der hervorragenden Bildqualität fast schon ein Schnäppchen. Der Autofokus arbeitet präzise, wenn auch nicht besonders schnell. Die Auflösung ist bereits ab Offenblende sehr hoch und zeigt kaum Randabfall. Optische Fehler sind so gut wie nicht vorhanden. Zudem ist das Bokeh wunderschön. Einige kleinere Kompromisse muss man aber eingehen: Der Blendenring läuft nicht ganz sauber, zwischen F1,4 und F2 gibt es einen Fokussprung (am besten erst die Blende einstellen und dann fokussieren) und im Gegenlicht zeigen sich sichtbare Kontrastverluste.
Kurzbewertung
- Vollmetallgehäuse mit Dichtlippe am Bajonett
- Sehr schönes Bokeh
- Praktisch keine optischen Fehler
- Hervorragende Auflösung ab Offenblende
- Nicht besonders schneller, aber leiser Autofokus
- Teilweise deutliche Kontrastverluste im Gegenlicht
- Minimale Farbsäume im Bokeh
- Deutlicher Fokus-Shift zwischen F1,4 und F2
Im digitalkamera.de-Testlabor werden mit Hilfe der Software Analyzer von DXOMARK verschiedene Bildqualitätsparameter gemessen. Der Labortest mit klar gestalteten und leicht verständlichen Diagrammen, Erklärungstexten in Form einer ausführlichen PDF-Datei zum Download kostet je nach Umfang 0,49 bis 1,49 EUR im Einzelabruf für eine Kamera und 0,49 bis 0,69 EUR für ein Objektiv. Flatrates, die den Zugriff auf das gesamte Labortest-Archiv erlauben, sind ab 2,08 EUR pro Monat buchbar. Eine Flatrate hat keine automatische Verlängerung und wird im Voraus für einen festen Zeitraum gebucht und bezahlt.