Rückblende
Die Fünfziger von Canon – Entwicklungsgeschichte eines Normalobjektivs (Teil 2)
2011-08-02 Obwohl 1954 Leica mit der M3 das erste Modell seiner bis heute (M9) erfolgreichsten Kamera-Baureihe vorstellte, kündigte sich das Ende der Messsucherkameras an, und die meisten japanischen Hersteller hatten die Zeichen der Zeit erkannt und eingesehen, dass der einäugigen Spiegelreflexkamera die Zukunft gehören würde. Viele Bildjournalisten hatten die Vorteile der SLR (single lens reflex) erkannt und die Fotozeitschriften waren voll von Artikeln über die Vorzüge des Reflexsystems. (Harald Schwarzer)
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Zwar hatte Canon keine der entscheidenden Entwicklungen mitgeprägt, denn das Dachkantprisma für ein aufrechtes und seitenrichtiges Bild kam 1948 mit der Contax S und der Rückschwingspiegel erschien 1954 mit der Asahiflex IIB von Pentax, aber im Frühsommer 1959 kam fast zeitgleich mit der Nikon F die erste Spiegelreflexkamera von Canon auf den Markt. Der Zweikampf um die Profi-Fotografen und die weltweiten Marktanteile hatte begonnen und hält bis heute an. Bei den ersten Modellen gab es einen eindeutigen Sieger - die Nikon F war lange Zeit die Profi-Legende schlechthin. Eigentlich etwas verwunderlich, denn von der technischen und optischen Ausstattung her war die Canonflex durchaus ebenbürtig. Beide Kameras sind sehr robust und hervorragend verarbeitet und bieten die Möglichkeit, den Sucher auszuwechseln. Beide sind mit einem Schnellschalthebel ausgestattet, bei der Nikon F auf der Oberseite, bei der Canonflex auf der Unterseite. Die Wechselobjektive beider Hersteller hatten eine gute Reputation aus der Zeit der Messsucherkameras und waren mit automatischer Springblende ausgestattet.
Canonflex mit Super-Canomatic R 1,8 / 50 mm
Canons R-Bajonett besitzt keine Übertragungselemente, sondern stellt nur eine Verbindung von Objektiv und Kamera dar. Im Gegensatz zu den Konstruktionen anderer Hersteller handelt es sich um ein Außenbajonett, was bedeutet, dass nach dem Ansetzen des Objektivs lediglich ein Überwurf gedreht wird, der das Objektiv an der Kamera festklemmt („breechlock" heißt das bei den englischsprachigen Sammelkollegen). In der Werbung wurde hervorgehoben, dass die für den präzisen Abstand zuständigen Flächen nicht gegeneinander reiben und sich so nicht abnutzen können. Der Überwurfring muss zum Befestigen etwa eine Viertelumdrehung nach rechts bewegt werden. Das Auflagemaß ist mit 42 mm für ein Spiegelreflex-System kurz gehalten (zum Vergleich: Nikon F: 46,5 mm; Praktika M42: 45,5 mm; Minolta SR: 43,5 mm). Das kommt Weitwinkelobjektiven entgegen, bei denen eine möglichst nah an der Filmebene positionierte Rücklinse Vorteile bietet. Der Innendurchmesser fällt mit 48 mm größer aus als z.B. bei der Nikon F mit ihren 44 mm. Das hilft Vignettierungen bei lichtstarken Objektiven zu vermeiden. Zwei Normalobjektive wurden angeboten (1,8 / 50mm und 1,2 / 58mm) und waren mit Super-Canomatic in der Frontlinsenfassung graviert. Die Objektive besitzen zwei Übertragungselemente. Ein Stift drückt während der Aufnahme auf einen kameraseitigen Hebel, der das Objektiv auf den vorgewählten Blendenwert abblendet. Dazu kommt noch ein weiterer Hebel, um den Mechanismus des ersten Stiftes aufzuziehen. Somit erhält man eine automatische Springblende und das war eben „Super". Das Aufziehen geschieht während des Filmtransports. Man kann den Hebel aber auch von Hand bewegen, um ein Objektiv an eine bereits gespannte Kamera anzusetzen.
Canon FX mit FL 1,8 / 50 mm
Die Verkaufszahlen der Canonflex Baureihe dümpelten vor sich hin und so hatte Canon Mitte 1962 für den Vertrieb in den USA die Zusammenarbeit mit Bell&Howell begonnen. Gemeinsam suchte man nach Möglichkeiten, die Verkaufsstückzahlen zu erhöhen. Denn auch die Canonflex RM mit eingebautem Selen-Belichtungsmesser und oben liegendem Schnellschalthebel brachte nicht den gewünschten Erfolg. Zum Beginn des Jahres 1964 lief die Canonflex Baureihe aus und fast unmittelbar danach begann die Produktion der Canon FX. Deren FL-Bajonett war insofern eine Fortführung des R-Bajonetts, als dass nun die Funktionen der zwei Hebel der Super-Canomatic in einem zusammengefasst wurden. Dieser öffnet die Blende, wenn er gegen Federkraft durch einen Hebel in der Kamera betätigt wird und schließt die Blende auf Arbeitsöffnung, wenn der Hebel vor der Belichtung ausgeklinkt wird.
Frühe Canon SLR Bajonette: rechts Typ R - links Typ FL
Späte Canon SLR Bajonette: links Typ FL - rechts Typ FD
Zwar kamen nach der FX mit Außenmessung noch zwei Modelle mit Innenmessung (Pellix mit teildurchlässigem Spiegel und FT mit Kondensorlinse über der Einstellscheibe) auf den Markt, aber dennoch veraltete das FL-Bajonett sehr schnell, denn es bot nur Belichtungsmessung bei Arbeitsblende. Beginnend mit der Topcon RE, die ebenfalls 1964 erschien, kamen immer mehr Kameras mit Offenblendmessung heraus. So fanden die Kameras mit dem FL-Bajonett nur eine mäßige Verbreitung.
Canon F-1 mit FD 1,2 / 55 mm
Dies änderte sich erst mit dem nachfolgenden FD-System, das endlich auch einen Blendensimulator am Objektiv hatte. Dabei handelt es sich um einen flachen Metallhebel, der in einem bogenförmigen Schlitz an der Rückseite des Objektivs läuft und mit dem Blendenring gekoppelt ist. Der Startschuss dazu fiel um im Jahr 1971 - welche Kamera nun zuerst auf den Markt kam, ist in Literatur umstritten, aber in jedem Fall begann mit der Amateurkamera FTb und der Profikamera F1 Canons Aufstieg zum Weltmarktführer. Die Kameras mit FD-Objektiven waren sicherlich die bis dahin erfolgreichste Modellpalette von Canon und blieben bis Jahr 1987 im Programm. Meilensteine der einäugigen Spiegelreflexkameras sind z.B. die EF von 1973 mit ihrem elektromechanischen Hybridverschluss, die AE-1 von 1976 als weltweit erste Kleinbildkamera mit elektronisch gesteuertem Verschluss und Blendenautomatik und die T90 von 1986 im Colani Design mit ihrer vielseitigen Belichtungsmessung.
Canon T90 mit FDn 1,8 / 50 mm
Allein dreizehn Normalobjektive mit Chromring (so werden die Optiken der ersten FD-Serie bezeichnet) gab es in dieser Zeit - insbesondere die ersten 1,2er mit asphärischer Linse (AL) sind heute bei Sammlern sehr gesucht. Wie bei anderen Herstellern wurden die von der Kugelform abweichenden asphärischen Linsen von Hand geschliffen und waren entsprechend teuer und selten. Das normale 1:1,2 / 55mm ohne AL blieb aber weiter im Programm, um auch den weniger betuchten Kunden ein lichtstarkes Normalobjektiv anbieten zu können. Wie auch andere hochwertigere Optiken wurden sie nach und nach mit dem Super Spectra Coating (S.S.C) versehen, das nochmals eine Verbesserung der Kontrastleistung mit sich brachte.
Canon FDn Bajonett - kamera- unsd objektivseitig
Drei Jahre nach der Einführung der elektronischen Kameras der A-Serie wurde auch das FD-Bajonett auf den neuesten Stand gebracht - FDn hieß das und bedeutete eine grundsätzliche Änderung beim Anbringen und Abnehmen des Objektivs. Der Chromring entfiel und das ganze Objektiv musste eine Viertelumdrehung nach rechts gedreht werden - neu war auch der Entriegelungsknopf am hinteren Ende. Da der Chromring wegfallen war, lag die Blendenskala nun weiter hinten und konnte in den Sucher eingespiegelt werden. Dass durch den vermehrten Einsatz von Kunststoff die Optiken leichter wurden, gefiel damals vielen Kunden nicht. Und noch heute erzielen die FD-Brennweiten mit Chromring in der Regel höhere Preise auf dem Gebrauchtmarkt, obwohl sie optisch nicht in jedem Fall mit den FDn Modellen mithalten können. Das 1:1,4 / 50mm war quasi der Nullpunkt des gesamten Objektivprogramms - an seiner Leistung orientierten sich die restlichen Wechseloptiken, und zwar nicht nur hinsichtlich Auflösung sondern auch hinsichtlich Farbabstimmung. Denn schließlich wollte der Fotograf beim Wechsel eines Objektivs nicht einen „Farbsprung" in Kauf nehmen.
Fortsetzung auf Seite 2