Rückblende
Vom optischen zum elektronischen Sucher – Teil 3
2013-03-16 Schon im Jahr 1910 hat sich Anton Mayer aus Leipzig die Mühe gemacht, die Spiegelreflexkamera und ihre Handhabung zu erläutern (Encyklopädie der Photographie - Heft 71, erschienen im Wilhelm Knapp Verlag). Dabei handelt es sich um großformatige Kameras für Planfilm, die durch den Einbau eines unter 45 Grad geneigten Spiegels das vom Objektiv erzeugte Bild auf die obere Mattscheibe projizieren. Kurz vor der Aufnahme wird dann durch Hochschwingen des Spiegels den Lichtstrahlen der Weg zur Aufnahmeplatte freigegeben. Dieses Konstruktionsprinzip wurde schon 1861 in einem britischen Patent beschrieben, aber gebrauchstüchtige Kameras kamen erst ab Mitte der 1880er Jahre in den Verkauf. (Harald Schwarzer)
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In seiner tabellarischen Aufstellung listet Anto Mayer zum damaligen Zeitpunkt 35 Hersteller bzw. Vertriebsfirmen auf, davon 1x Belgien, 15x Deutschland, 14x England, 1x Frankreich, 1x Österreich und 3x USA. Heute werden Spiegelreflexkameras nur noch von einer Handvoll japanischer Hersteller produziert und angeboten.
Einäugige
und zweiäugige Spiegelreflexkameras
Die
wesentlichen Bauteile der ersten Spiegelreflexkameras waren der Spiegel, der
Schlitzverschluss und die Mattscheibe (zur besseren Betrachtung durch einen
aufklappbaren Lichtschacht geschützt). Die Vor- und Nachteile dieser
Kamerakonstruktion sind bis heute unverändert geblieben: einerseits direkte
Kontrolle von Bildausschnitt ohne Parallaxenfehler auf der Mattscheibe und
andererseits erhöhter konstruktiver Aufwand für die Betätigung des
Spiegelschlags und dessen Dämpfung um Verwacklungen bei längeren
Belichtungszeiten zu verhindern - die modernen Spiegelreflex-Kameras mit
Bildfolgen von 8-10 Bildern pro Sekunde sind in dieser Hinsicht sicherlich ein
Wunderwerk der Mechanik.
Mit dem
Aufkommen des Negativformats in Kinofilmgröße (24x36 mm) wurden dafür auch
erste Spiegelreflexkameras entwickelt; ob nun Mitte der 1930er Jahre die
russische GOMZ Sport oder die deutsche Kine Exakta das erste Modell war, ist
schon oft diskutiert worden und soll an dieser Stelle nicht wiederholt werden.
Aber eigentlich sind beide Kameras lediglich eine verkleinerte Variante der von
Anton Mayer beschriebenen Modelle. Mittels des eingebauten Spiegels erlauben
sie dem Fotografen den Blick von oben auf die eingebaute Mattscheibe (bei der
Sport mit festem Lichtschacht, bei der Kine Exakta mit faltbarem Lichtschacht).
Vor der Aufnahme klappt der Spiegel hoch und verbleibt in dieser Position, d.h.
nach der Aufnahme ist der Sucher dunkel. Erst durch erneutes Spannen des
Verschlusses wird er wieder hell. Das war ein großer Nachteil gegenüber den seinerzeit
beliebten Leica, Contax und anderen Sucherkameras, die zudem noch ein
seitenrichtiges Bild anzeigen und keine Dunkelpause haben. Die Herausforderungen
an die Konstrukteure der Spiegelreflexkamera in der Folgezeit waren also die
Entwicklung eines automatischen Rückschwingspiegels und die Integration eines
zusätzlichen optischen Elementes für ein seitenrichtiges Bild im Sucher.
Dass sich -
anders als bei einer Leica oder Contax - der Spiegelreflexsucher beim Abblenden
des Objektivs verdunkelte, war dann eher eine Aufgabenstellung für die
Optikkonstrukteure.
Innovative
Lösungen für die beiden erstgenannten Probleme kamen aus dem Osten; ihre
Markteinführung wurde aber durch den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verzögert.
Meilensteine des Kamerabaus sind z.B. die Praktiflex von 1939 (Prototyp) oder
die ungarische Gamma Duflex von 1947 mit Rückschwingspiegel und die Contax S
von 1949 mit Pentaprisma für ein seitenrichtiges Sucherbild. Insbesondere das
mittig angeordnete und aus der Gehäuseoberseite herausragende Pentaprisma ist
bis heute ein deutlich erkennbares, äußeres Kennzeichen einer
Spiegelreflexkamera. Wie es auch anders geht, wird später in diesem Artikel
beschrieben.
1959
erfolgte der Markteintritt von Canon und Nikon; beide Hersteller hatten sich
mit ihren Sucherkameras und deren ausgezeichneten Wechselobjektiven einen guten
Ruf besonders bei amerikanischen Pressefotografen erworben. Nach dem Erscheinen
der Leica M3 im Jahr 1954 waren sie allerdings technisch in Rückstand geraten
und setzten daher verstärkt auf das aufkommende Segment der einäugigen
Spiegelreflexkamera mit Schlitzverschluss. Nikon brachte seine F und Canon die
Canonflex - beides solide und hochwertige Kameras mit Wechselsucher (Prisma
oder Lichtschacht, wie schon bei der 1950 erscheinenden Exakta Varex).
Offensichtlich hatte der amerikanische Nikon Importeur Ehrenreich die bessere
Marketingstrategie, denn während der Verkauf der Canonflex Modelle vor sich hin
dümpelte, entwickelten sich die Nikon F's zum Verkaufsschlager.
Auch weitere
japanische Hersteller drängten nun auf den Markt - nicht nur Asahi Pentax oder
Minolta, sondern auch eher unbekannte Firmen wie Aires mit der Penta 35 oder
Kuribayashi mit der Petriflex. Irgendwelche Informationen über die eingestellte
Blende oder Belichtungszeit hatten die Sucher dieser Kameras nicht; lediglich
in der Mitte einen Mikroprismenfleck oder einen Schnittbildindikator als Hilfe
für die exakte Fokussierung. Die westdeutschen Hersteller (Kodak, Zeiss Ikon,
Voigtländer) setzten in dieser Zeit hauptsächlich auf die Entwicklung von
Spiegelreflexkameras mit Zentralverschluss. Ob dies aufgrund von mangelnden
technischen Fähigkeiten oder einer zu starken Einflussnahme der
Verschlusshersteller (Gauthier, Deckel) geschah, mag Basis für weitere
Spekulationen sein.
Die nächste
bedeutende technische Verbesserung bei den Spiegelreflexkameras war die
Belichtungsmessung durch das Objektiv - TTL = Through The Lens.
Kameragehäuse mit integriertem Belichtungsmesser gab es ein schon seit ein paar
Jahren, aber die Messzelle (Selen oder CdS) lag neben dem Sucher und das
dazugehörige Ableseinstrument ebenfalls. D.h. zur Bestimmung der richtigen
Zeit-/Blendenkombination musste der Fotograf die Kamera vom Auge nehmen. Auf
den Komfort alle belichtungstechnisch relevanten Informationen im Sucher
verfügbar zu haben, musste er bis zum Jahr 1963 verzichten. Zu diesem Zeitpunkt
nämlich wurde die Topcon RE super vorgestellt - anders als alle bisherigen
Spiegelreflexkameras sind bei dieser japanischen Kamera die Leiterbahnen der
CdS Messzelle auf der Rückseite des Rückschwingspiegels aufgebracht! Dieser ist
durch gezielt angebrachte Schlitze auf der Vorderseite im Mittenbereich
durchlässig. Somit kann ein Teil der durch das Objektiv fallenden Lichtstrahlen
direkt zur Belichtungsmessung genutzt werden. In den USA wurde die Kamera als
Beseler Topcon Super D angeboten. Die Objektive haben das Exakta-Bajonett, aber
mit Offenblendmessung und automatischer Springblende - d.h. das
Verdunkeln des Sucherbildes beim Abblenden gehörte zumindest bei Topcon ab 1963
der Vergangenheit an. Andere Hersteller brauchten viel länger für eine
entsprechende konstruktive Lösung; auch die in der Folgezeit beliebte und in
Millionen Stück produzierte Pentax Spotmatic konnte diesen Komfort erst 1973
seinen Kunden anbieten.
Die
Suchermattscheiben wurden durch ständige Verbesserungen der Oberfläche (z.B.
Fresnellinsen) immer heller. Das Sucherbild hatte mit Einführung der
TTL-Belichtungsmessung nun einige interne Anzeigen. Da ist zunächst einmal der
Belichtungsmesser selbst, meist in Gestalt einer Nadel, die durch Verstellen
von Zeit oder Blende mit einem Kreis zur Deckung gebracht werden muss
(Nachführprinzip). Dann gibt es noch je nach Hersteller eine Anzeige der
eingestellten Zeit und/oder der eingestellten Blende. Immer befinden sich diese
Anzeigen innerhalb des Bildfeldes; ihre Anordnung (rechts, links, oben oder
unten) folgt keiner bestimmten Regel und so ist sie bei jeder Kamera anders.
Diese Anzeigen brauchen eine Beleuchtung von außen - das ist in der Regel das
Tageslicht; aber wie soll man diese bei Dunkelheit ablesen? Darüber macht man
sich heute keine Gedanken mehr, denn längst sind alle Sucherzeigen
elektronisch. Zwei ganz unterschiedliche Lösungen gab es von Nikon und Leitz.
Der „finder illuminator" kann als Zubehör auf dem Photomic Sucher der Nikon F2
befestigt werden und beleuchtet nach dem Einschalten die Belichtungsmesseranzeige.
Das macht den ohnehin unschönen Photomic m.E. noch hässlicher; aber ein
Profifotograf ist halt auch nachts im Einsatz. Wesentlich eleganter lösten die
Entwickler von Leica das Problem an der R6, die als erste Kamera der R-Serie
nicht aus der Zusammenarbeit mit Minolta stammt. Kaum auffällig ist der kleine
Wulst unterhalb des Objektivbajonetts, der den Schalter für das Einschalten der
Sucherbeleuchtung enthält; die Sucheranzeigen werden dann durch eine rote LED
beleuchtet.
Elektronische
Bauteile brachten den Spiegelreflexkameras ab den 1980er Jahren immer mehr
Automatikfunktionen bei; da waren zunächst die Zeit-, Blenden-, und/oder
Programmautomatik, die dem Fotografen die Ermittlung der richtigen
Zeit/Blendenkombination abnahm. Später kam noch die TTL-Blitzbelichtungsmessung
hinzu, die auch den Einfluss eines externen Blitzgerätes auf die Belichtung
berücksichtigt. Zwar war die Messnadel in vielen Kameras inzwischen durch eine
oder mehrere LED's abgelöst worden, aber eine Belichtungszeit von 1/320 sec
oder eine Blende von F9,0 konnte damit nicht angezeigt werden. Die Canon A1
hatte als erste Kamera keine Skala mehr, deren Einstellpositionen mit LED's
angezeigt wurden, sondern eine richtige LED Segmentanzeige wie man sie von
frühen Taschenrechnern oder Digitaluhren kennt. Und ihre Position lag unterhalb
des Sucherbildes, das somit komplett sichtbar ist. Nikon gebührt der Ruhm, die
Übersichtlichkeit des Suchereinblicks verbessert zu haben. Die F3 konnte man -
gegen Aufpreis - mit einem HP = High EyePoint Sucher bestellen. Dabei
ist die Austrittspupille etwas nach hinten verlagert, so dass der Augenabstand
zum Sucher größer wird. Auch Brillenträger können somit das komplette
Sucherbild überblicken. Diese technische Lösung wurde schnell zum Standard.
Nahezu
vollkommen umdenken musste man, als dann ein paar Jahre später die ersten
Spiegelreflexkameras mit automatischer Scharfstellung auf den Markt kamen. Das
gewohnte Drehen am Objektivring zur Fokussierung entfiel und die Kamera
fokussierte selbstständig auf das Objekt, das sich im Autofokusmessfeld befand.
Und wenn der Kontrast zu gering war, fokussierte sie eben gar nicht! Manuelles
Eingreifen war bei den ersten Autofokusobjektiven noch nicht möglich. Canon war
zwar nicht der Pionier auf diesem Gebiet, aber hatte mit der letzten Kamera der
A-Serie seine Kunden schon mal auf die kommende Fokus-Revolution vorbereitet.
Die AL-1 ist eine ganz normale Kamera mit Zeitautomatik für FD-Objektive und
auf der Vorderseite mit QF = Quick Focus gekennzeichnet. Im
Sucher gibt es dann unten eine Anzeige mit drei LED's - in der Mitte eine grüne
wenn scharfgestellt ist, und rechts und links je einen roten Pfeil, der angibt
in welche Richtung der Entfernungsring zu drehen ist. Als Messfeld dient genau
wie bei den späteren EOS AF-Kameras ein kleines schwarz umrandetes Rechteck in
der Suchermitte.
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