Rückblende
Vom optischen zum elektronischen Sucher – Teil 3
Seite 2 von 2, vom 2013-03-16 (Autor: Harald Schwarzer)Zur Seite 1 wechseln
In den
1990er Jahren gehörte der Autofocus zum Standardausstattungsmerkmal und mit der
Zeit wuchs auch die Anzahl der Messfelder; weitere Innovationen kamen von
Canon, z.B. die sogenannte Eye-Control-Funktion, die bewirkte, dass die Kamera
jenes AF-Messfeld aktivierte, auf das der Fotograf im Sucher schaute. Nachdem
man die Kamera zuvor mit seiner eigenen Pupillenbewegung kalibriert hatte,
klappte das in der Regel ganz gut. Durchgesetzt hat sich dieses System
allerdings nicht. Standard dagegen wurde die Anzeige des aktiven AF-Messfeldes
durch eine rote LED. Voraussetzung dafür ist eine entsprechende Gravur in der
Suchermattscheibe.
Zu jener
Zeit kamen auch die ersten digitalen Spiegelreflexkameras auf den Markt - im
professionellen Segment gab es ausschließlich Modelle mit Kodak Sensoren, die
in Nikon oder Canon Kameragehäuse eingebaut wurden. Wegen der kleinen
Sensorgrößen (z.B. Kodak DCS420 mit 13,8 x 9,2 mm CCD) war natürlich auch das
Bildfeld kleiner oder anders ausgedrückt: es gibt einen
Verlängerungs-(Crop)faktor. Dafür wurde kein eigener Sucher eingebaut, sondern
die tatsächliche Bildbegrenzung auf der Suchermattscheibe mit schwarzem
Filzstift markiert. Erst später hat man entsprechende Suchermasken eingebaut,
die das Blickfeld einengen. Und so sprachen die Kameratester bei den ersten
DSLR mit APS-C Sensor gerne vom Tunnelblick, denn der Kamerasucher war klein
und dunkel.
Mit dem Aufkommen der Vollformat Modelle waren dann die „normalen"
Größenverhältnisse wieder hergestellt. Als herausragend gilt der optische
Sucher der Sony alpha 900. So schrieb Benjamin Kirchheim 2008 in seinem
Testbericht:
„Man
merkt, dass Sony der Sucher äußerst wichtig war - schließlich stellt er auch
eines der bedeutsamsten, wenn nicht sogar das wichtigste Merkmal überhaupt
einer Spiegelreflexkamera dar, erst recht, wenn man wie Sony auf eine
LiveView-Funktion verzichtet. Ganz profimäßig ist dann auch die Möglichkeit,
die Suchermattscheibe wechseln zu können, was der Fotograf in Eigenregie
durchführen kann. Neben der Standardmattscheibe gibt es eine mit Gittermuster
und eine, die durch ihre speziell geschliffene Struktur besonders gut für das
manuelle Fokussieren geeignet ist. Ihre Oberfläche ist mit Mikrolinsen übersät,
wodurch sich in der praktischen Anwendung ein sehr deutlicher
"Schärfesprung" ergibt. Außerhalb der Schärfeebene wird das Bild
regelrecht "zerrissen", so dass das manuelle Fokussieren mit der
Alpha 900 und dieser speziellen Mattscheibe - besonders in Kombination mit
lichtstarken Objektiven - viel Spaß macht."
Das
Konstruktionsprinzip einer
Spiegelreflexkamera mit Schwingspiegel und Pentaprisma findet sich auch bei den
sogenannten Kameras für Kassettenfilm oder allgemein als Instamatic Kameras
bezeichnet. Als einziger japanischer Hersteller bracht Ricoh eine derartige
Kamera für den 126-Film auf den Markt - die Ricoh 126C-Flex); und ebenfalls aus
Japan kam die auto 110 von Pentax für das Pocketformat. Beide Kameras haben die
Möglichkeit, Wechselobjektive zu verwenden.
Nicht immer
sind einäugige Spiegelreflexkamera an dem charakteristischen Pentaprisma zu
erkennen - entweder ist es deutlich abgeflacht wie der Canonflex RM oder
vollkommen ins Gehäuse integriert wie bei der Nikon auto 35. Das sognannte
Halbformat (18x24mm) populär gemacht, hat Olympus mit seinen PEN Kameras - und
auch in dieser Baureihe gab es ein Spiegelreflexmodell - die PEN F. Dabei ist
der Spiegel um 90 Grad gedreht und schwingt nicht von unten nach oben, sondern
von links nach rechts. Die seitenrichtige Anzeige des Sucherbildes wird nicht
durch ein Pentaprisma erreicht sondern durch weitere Spiegel. Damit entfällt
der „Höcker" auf der Kameraoberseite. Dieses Konstruktionsdetail findet sich
viele Jahre später bei der ersten digitalen Panasonic Spiegelreflexkamera
wieder - die Lumix L1 gab es auch als Leica digilux 3.
Wieder mit
der konventionellen Anordnung des Spiegels aber sonst ganz anders kommt die
Rolleiflex SL2000 bzw. SL3003 daher. Die „kubische" Kamera ist vollkommen
modular aufgebaut und hat serienmäßig zwei unterschiedliche Suchersysteme -
einen Prismensucher auf der Rückseite und einen Lichtschachtsucher auf der
Oberseite.
Rollei ist
dem Kamerasammler wohl einer ein Begriff für zweiäugige Spiegelreflexkameras,
die zwei übereinander angeordnete Objektive haben. Das obere erzeugt, umgelenkt
über einen Spiegel, das Sucherbild auf der Einstellscheibe (zwar aufrecht
stehend, aber seitenverkehrt). Das untere ist mit einem Verschluss und einer
Blende ausgestattet und für die Belichtung auf den Film zuständig.
Beide
Objektive sind auf einer gemeinsamen Standarte montiert und werden zur
Scharfstellung gemeinsam verstellt. Hierdurch erlaubt der Sucher wie bei
einäugigen Spiegelreflexkameras eine genaue Einstellung der Schärfenebene. Sie
weisen gegenüber diesen Konstruktionen sowohl Vor- als auch Nachteile auf. Der
feststehende Spiegel ist einfacher und billiger herzustellen als die aufwändige
Schwingspiegelkonstruktion und erlaubt trotzdem die exakte Beurteilung von
Bildausschnitt und Schärfeverlauf. Das Sucherbild bleibt auch bei der Aufnahme
sichtbar. Nachteilig sind die Sucher-Parallaxe und das seitenverkehrte
Sucherbild. Wechselt man den Lichtschachtsucher gegen eine Prismensucher
entfällt dieser Nachteil. Was im Großen funktioniert, klappt auch im Kleinen,
dachten sich wohl einige Entwickler in den Alpenrepubliken. Die österreichische
Goerz Minicord und die Schweizer Tessina sind lupenreine zweiäugige
Spiegelreflexkameras, eben nur für Kleinstbildfilm.
Schon 1910
schrieb Anton Mayer in seinem o.g. Buch auf Seite 15: „Der komplizierte
Mechanismus einer Reflexkamera bereitet nun schon an und für sich dem
Konstrukteur große Schwierigkeiten, die sich ins Unermeßliche vermehren, sobald
man darangeht, die Kamera zusammenlegbar zu konstruieren." Auf den Folgeseiten zeigt er dann
drei Produkte aus Deutschland (eine Reflexkamera von Kricheldorff &
Steckelmann, eine von Goerz und eine Mentor mit drehbarem Kassettenrahmen von
Goltz & Breutmann). Dazu kommt noch eine Reflexklappkamera von Hougton's aus
England. Die wohl bekannteste Reflexkamera dieser Bauart ist aber die Polaroid
SX70, jenes Modell, das ab 1972 die Polaroidfotografie gesellschaftsfähig
machte und sich in jüngster Zeit steigender Beliebtheit auf Fotobörsen erfreut.