Ausstattung
Die Sony Alpha 1 II bietet ungewöhnlicherweise für eine Kamera dieser Preisklasse einen Vollautomatikmodus. Als Notanker ist dieser durchaus praktisch, denn so gut wie alle Funktionen stehen dann auf Automatik. Nicht einmal das Belichtungskorrekturrad entfaltet hier noch seine Wirkung, sodass jedes Kind in diesem Modus korrekt belichtete Fotos aufnehmen kann.
Ihr volles Potenzial entfaltet die Alpha 1 II aber erst, wenn sie in kundigen Händen mit den zum Motiv passenden Einstellungen betrieben wird. Alles lässt sich auf Wunsch manuell steuern, etwa die Belichtung, die Bildfolge, der Fokus, die Bildaufbereitungsparameter und so weiter. Funktionen wie Schwenkpanorama oder HDR mit mehreren Belichtungen gibt es dagegen nicht.
Belichtungsreihen muss man entsprechend manuell anfertigen und am PC zu einem HDR-Bild zusammensetzen. In Schritten von wahlweise 0,3, 0,7 oder 1 EV lassen sich drei, fünf oder neun Fotos aufnehmen, bei 2 und 3 EV Belichtungsabstand sind drei oder fünf Aufnahmen möglich. Auch eine Intervallaufnahmefunktion gibt es, bei der Startzeit, Intervall und Anzahl der Fotos (bis 9999) eingestellt werden können.
Selbstverständlich ist der Bildsensor der Sony Alpha 1 II zur Bildstabilisierung beweglich gelagert. Mit bis zu 8,5 Blendenstufen längeren Belichtungszeiten nach CIPA-Standard wurde er nicht nur deutlich verbessert, sondern ist auch der leistungsfähigste aller bisherigen Alpha-Systemkameras. In der Praxis konnten wir bei 70 mm Brennweite eine Sekunde lang verwacklungsfrei belichten, was 6 1/3 Blendenstufen mehr als ohne Bildstabilisator sind.
Zudem lassen sich mit einer Multishot-Funktion 199 Megapixel auflösende Fotos aufnehmen, allerdings müssen diese am Computer mit einer Software zusammengerechnet werden. Gleiches gilt für die neue Multishot-Rauschreduzierung, die sogar mit Raw-Bildern funktioniert. Eine weitere erwähnenswerte Besonderheit ist der Infrarot-Sensor auf der Kameravorderseite, der für einen besseren Weißabgleich in Kunstlichtsituationen (Leuchtstofflampen- sowie LED-Licht) sorgen soll.
Die Klappen der Schnittstellen der Sony Alpha 1 II für Gigabit-Ethernet, Blitzsynchronbuchse, Micro USB, Mikrofon- und Kopfhöreranschluss, HDMI A und USB-C bestehen aus Gummi und lassen sich dank scharnierähnlicher Anbringung gut öffnen. [Foto: MediaNord]
Dank mitgelieferter, anschraubbarer Kabel-Zugentlastung lassen sich die Schnittstellen der Sony Alpha 1 II vor mechanischen Überbelastungen schützen. [Foto: MediaNord]
Das Autofokussystem der Sony Alpha 1 II gehört dank Verbesserungen gegenüber dem Vorgängermodell wieder mit zu den besten, die man aktuell für Geld kaufen kann. Auf fast der gesamten Sensorfläche sind 759 Phasen-AF-Sensoren integriert, unterstützt werden sie von 425 Kontrast-AF-Feldern. Die Sony Alpha 1 II besitzt einen AI-Prozessor für die Erkennung von Menschen samt Körper, Pose, Kopf, Gesicht und Augen. Auch von Tieren und Vögeln werden die Körper, Köpfe und Augen erkannt. Zudem erkennt der Autofokus Flugzeuge samt Cockpit, Autos und Züge samt Front sowie Insekten samt Kopf. Im Gegensatz zum Vorgängermodell gilt das alles ohne Einschränkungen auch für den Videomodus. Neu ist zudem ein Auto-Modus für die Erkennung, bei dem man aber auch einzelne Motive ausschließen kann.
Darüber hinaus lassen sich wie üblich die Fokusfelder einzeln anwählen, gruppieren und für die Tracking-Funktion kann festgelegt werden, wie schnell und empfindlich der Fokus auf Veränderungen reagieren soll. Neu sind mehr und vor allem kleinere Größenstufen für das kleinste AF-Feld, um noch präziser auf ein kleines Motivdetail fokussieren zu können, sowie ein in Größe, Breite und Höhe frei definierbares Fokusfeld. Das Tracking funktioniert mit allen Erkennungsfunktionen und auch bei Serienbildaufnahmen unterbrechungsfrei.
Im Testlabor benötigte die Sony Alpha 1 II mit dem FE 28-70 mm F2 GM 0,17 bis 0,23 Sekunden, um von unendlich auf zwei Meter zu fokussieren und auszulösen. Die reine Auslöseverzögerung ohne Fokussierung beträgt 0,03 Sekunden und ist damit nochmal schneller geworden. Der rasante Tracking-Autofokus kommt bei dieser Labormessung allerdings nicht zum Tragen. Dennoch lässt sich festhalten, dass die Sony Alpha 1 II zu den schnellsten Kameras am Markt gehört.
Möchte man manuell fokussieren, ist man dank des Fokuswahlhebels auf der Kameraoberseite nicht auf einen AF-MF-Schalter am Objektiv angewiesen. Hier kann direkt zwischen Einzel-Autofokus, Tracking-Autofokus und manuellem Fokus sowie einer Kombination aus automatischem Fokus mit manueller Korrektur gewählt werden (DMF). Beim manuellen Fokussieren wird man nicht nur vom hochauflösenden Sucher unterstützt, sondern auch einer Lupenfunktion mit wahlweise 4,2- oder 8,5-facher Vergrößerung, die sich über den Fokusjoystick gut steuern lässt, mit dem man die Vergrößerungsstufe und den Vergrößerungsausschnitt wählt.
Zudem lässt sich Fokus-Peaking als farbliche Kennzeichnung der kontrastreichen und damit im Fokus befindlichen Kanten aktivieren. Mit dem Peaking sollte man aber vorsichtig sein, es zeigt unter Umständen einen etwas größeren Bereich scharf an, als auf dem späteren Foto, das heißt, die Lupenfunktion ist für größere Genauigkeit zu bevorzugen, wobei man den Autofokus aber kaum übertreffen kann, weil dieser so unglaublich präzise arbeitet.
Doch nicht nur der Autofokus der Sony Alpha 1 II ist eine Wucht, sondern auch die Serienbildfunktion. Ihr volles Potenzial entfaltet diese allerdings nur mit elektronischem Verschluss. Der mechanische ist dafür einfach trotz dualem Antrieb und einer minimalen Verschlusszeit von 1/8.000 Sekunde zu langsam (max. 10 Bilder/s) und vor allem führt er zu Blackout-Zeiten.
Immerhin ist der Verschluss aber sehr robust und soll mindestens 500.000 Belichtungen aushalten. Sein Geräusch wirkt hingegen subjektiv etwas unemotional. Er gibt ein schlichtes, dumpfes "Klock" von sich. Mit dem schönen Verschlussgeräusch einer alten analogen Kamera hat er so gar nichts gemein. Das ist aber sicherlich Geschmackssache.
In Kombination mit dem Testobjektiv FE 28-70 mm F2 GM dominiert das 918 g schwere Objektiv die 752 Gramm schwere Sony Alpha 1 II, das Gesamtgewicht liegt bei fast 1,7 Kilogramm. [Foto: MediaNord]
Der moderne elektronische Verschluss arbeitet hingegen völlig lautlos sowie unterbrechungsfrei und bietet bis zu 1/32.000 Sekunde kurze Belichtungszeiten. Trotz bis zu 30 Serienbildern pro Sekunde werden der Sucher und Autofokus weiter mit einer höheren Bildwiederholrate versorgt, der Sucher arbeitet völlig unterbrechungsfrei. Normalerweise finden wir elektronische Verschlussgeräusche, insbesondere aus einem schlechten Mono-Lautsprecher einer Kamera, eher störend, aber ohne diese würde man überhaupt nicht merken, dass man fotografiert.
Die Bildwiederholrate des Livebilds ist allerdings von der Belichtungszeit der Serienbildaufnahmen abhängig. Das heißt, dass bei 1/30 Sekunde Belichtungszeit auch nur maximal 30 Bilder pro Sekunde für den Sucher und Autofokus zur Verfügung stehen. Mit Belichtungszeiten von 1/125 Sekunde oder besser 1/250 Sekunde ist man jedoch auf der sicheren Seite.
Auch bei den 30 Serienbildern pro Sekunde gibt es eine Einschränkung. Im JPEG-Format sind diese zwar kein Problem, im Raw-Format werden diese aber nur mit verlustbehafteter Kompression erreicht. Bei verlustfreier Kompression oder unkomprimiert sind maximal 20 Serienbilder pro Sekunde möglich. Zudem macht es deutliche Unterschiede, ob man auf eine schnelle CFexpress Typ A, eine schnelle SD- oder eine langsame SD-Speicherkarte aufnimmt.
In höchster JPEG-Qualität konnten wir 94 Serienbilder am Stück mit 29,9 Bildern pro Sekunde auf eine SDHC-UHS-II-Speicherkarte aufnehmen, danach ging es mit 4,3 Bildern pro Sekunde weiter, bis die Karte voll war. In verlustbehaftet komprimiertem Raw haben wir 30 Serienbilder pro Sekunde für 114 Aufnahmen in Folge erreicht. Danach ging es allerdings mit nur noch 3,8 Bildern pro Sekunde weiter, bis die Speicherkarte voll war.
Es dauert in JPEG rund 21 und in Raw sogar ungefähr 34 Sekunden, den Puffer auf die Speicherkarte zu schreiben. Dabei bleibt die Kamera samt Wiedergabemodus uneingeschränkt betriebsfähig. Anhand der Daueraufnahme ergibt sich eine Datenrate von 230 MB/s, der Puffer dürfte gut 8 GB groß sein. Schneller wird es sicher mit einer CFexpress-Karte gehen, die entsprechende Messung holen wir so bald wie möglich nach. Sony verspricht damit jedenfalls 153 Raw-Aufnahmen am Stück bei 30 Bildern pro Sekunde.
30 Serienbilder pro Sekunde haben aber auch Nachteile, so ist es kein Problem, innerhalb kürzester Zeit viele tausend Fotos auf die Speicherkarte zu bannen, von denen viele nahezu identisch aussehen, was viel Zeit beim Sichten und Sortieren der Fotos bedeutet. Man sollte sich also gut überlegen, die Optionen zum Herunterschalten der Serienbildgeschwindigkeit zu nutzen, zumal es dank der Boost-Funktion jederzeit möglich ist, auf Tastendruck die Serienbildgeschwindigkeit kurzzeitig zu erhöhen – diese Funktion kennt man bereits von der Alpha 9 III. Ebenfalls von dieser übernommen wurde die Pre-Aufnahme, die die Bilder bis zu einer Sekunde lang vor dem Durchdrücken des Auslösers speichert.
Übrigens arbeitet der elektronische Verschluss so schnell, dass trotz zeilenweiser Auslesung des Bildsensors kaum noch Rolling-Shutter-Effekte auftreten. Es kommt aber letztlich auch auf das Motiv an, sodass man in der Praxis ausprobieren muss, ob der elektronische oder vielleicht doch der mechanische Verschluss die bessere Wahl ist.
Das Stativgewinde der Sony Alpha 1 II sitzt in der optischen Achse. Der Akku reicht für 520 Aufnahmen mit Bildschirm. Dank optionalem Akkugriff und USB-C mit Ladefunktion und Stromversorgung lässt sich die Laufzeit verlängern. [Foto: MediaNord]
Des Weiteren beherrscht die Sony Alpha 1 II HEIF (High Efficiency Image File Format). Dabei handelt es sich um ein Bildformat mit 10 Bit Farbtiefe sowie einer viermal effizienteren Komprimierung als das JPEG-Format und es erzeugt dabei auch noch weniger Artefakte. Damit entspricht die Dateigröße bei deutlich besserer Bildqualität in 10 Bit der eines 8-Bit-JPEGs.
Auch wenn es sich dabei um kein Rohdatenformat handelt, lässt es sich wesentlich besser nachbearbeiten und bietet eine feinere Durchzeichnung, was sich vor allem in den Tiefen und Lichtern bemerkbar macht. Das Farbsubsampling lässt sich bei der Aktivierung von HEIF zwischen 4:2:0 und 4:2:2 einstellen. Zur Verarbeitung und Ansicht sind aber auch geeignete Geräte erforderlich, worauf einen die Alpha 1 II beim Umschalten von JPEG auf HEIF hinweist.
Die Sony Alpha 1 II ist aber nicht nur eine hervorragende Foto-Kamera, sondern auch eine moderne Videokamera, die vielen professionellen Ansprüchen genügt. Dazu gehört etwa die hohe 8K-Auflösung (7.680 x 4.096 Pixel) bei 30 Bildern pro Sekunde, die intern mit bis zu 400 Mbit/s und H.265-Komprimierung sowie extern sogar im Raw-Format aufgezeichnet werden können. Dabei arbeitet sie mit 8,6K-Oversampling. In 4K-Auflösung (3.840 x 2.160) sind sogar schnelle 120 Bilder pro Sekunde für bis zu 5-fache Zeitlupeneffekte möglich (bei einer Wiedergabe mit 24 Bildern pro Sekunde). Dabei gibt es einen 10-prozentigen Crop, 4K60 hingegen kann man ohne Crop aufnehmen.
Dank einer guten Hitzeabfuhr können 8K30- und 4K60-Videos bei normalen Umgebungstemperaturen für mindestens 30 Minuten am Stück aufgezeichnet werden. Der Real-Time-Autofokus arbeitet im Gegensatz zum Vorgängermodell ohne Einschränkungen auch bei Videoaufnahmen.
Der elektronische Bildstabilisator wurde nochmals verbessert und es gibt neue Funktionen wie eine Focus Map, einen Soft-Skin-Effekt und Auto-Framing. Letzteres hält beispielsweise eine sich im Bildfeld bewegende Person konstant (gezoomt) im Bildausschnitt. Gespeichert werden die Videos mit MPEG-H-Komprimierung (H.265) in 10 Bit 4:2:2, auf Wunsch auch mit All-Intra. S-Log3, HLG (HDR) und BT.2020 werden ebenfalls unterstützt. Neu ist die Möglichkeit, 16 LUTs in der Kamera für individuelle Looks zu speichern. Über den HDMI-Anschluss (große Typ A Buchse) sind wie gehabt Raw-Videoaufnahmen mit 16 Bit Farbtiefe möglich.
Dank WLAN und Bluetooth lässt sich die Sony Alpha 1 II mit einem Smartphone oder WLAN-Netzwerk verbinden. Sowohl über Ethernet als auch WLAN können Fotos per FTP-Protokoll (verschlüsseltes SFPT) übertragen werden. Per Bluetooth kann eine dauerhafte, stromsparende Verbindung zu einem Smartphone aufgebaut werden, was eine Positionsübertragung vom Smartphone ermöglicht, sodass diese Informationen direkt bei der Aufnahme automatisch in den Fotos gespeichert werden können.
Des Weiteren lässt sich die Sony Alpha 1 II vom Smartphone aus inklusive vieler Aufnahmeparameter und Livebildübertragung fernsteuern (selbstverständlich funktioniert das auch von einem "normalen" Computer aus). Mit bestimmten Sony-Smartphones ist es sogar möglich, noch weitergehende Fernsteuer- und Übertragungsfunktionen direkt via Mobilfunknetz zu nutzen, dazu gehört nicht nur das Sony Xperia Pro, das Dank HDMI-Eingang sogar eine Monitor-Funktion bietet, sondern auch (Stand November 2024) das Xperia 1 II bis VI sowie das Xperia 5 II bis V. Genauer zeigen wir das in einem Fototipp, der über die weiterführenden Links aufgerufen werden kann.
Das Herzstück der Sony Alpha 1 II ist ihr 50 Megapixel auflösender Kleinbildsensor. Der CMOS-Sensor ist in rückwärtig belichteter (BSI) Technik aufgebaut und besitzt zudem mehrere Schichten (Stacked-Sensor) mit AD-Wandlern und DRAM als Zwischenspeicher. [Foto: MediaNord]
Die Wiedergabefunktionen der Sony Alpha 1 II sind immer noch recht beschränkt. So gibt es außer einer Crop-Funktion und einer Drehfunktion keine Bildbearbeitungsmöglichkeiten, auch ein integrierter Raw-Konverter fehlt. Immerhin lassen sich Bilder bewerten und mit bis zu 60 Sekunden langen Sprachnotizen versehen, was dank des neuen, zusätzlichen Mikrofons an der Kamerarückseite (rechts unten neben dem Monitor) nun in besser verständlicher Tonqualität gelingt.