2019-04-03, aktualisiert 2023-12-08 Trotz der Vorreiterrolle Canons, was die Verbreitung digitaler Spiegelreflexkameras mit 36x24mm-Vollformatsensoren angeht, hat das japanische Vorzeigeunternehmen bei spiegellosen KB-Vollformatsensor-Systemkameras eine lange Schaffenspause eingelegt. Diese wurde erst Ende 2018 mit der Ankündigung des Canon R-Systems beendet. Dem Topmodell folgte im März 2019 mit der EOS RP ein preisgünstigeres Einsteigermodell. Und genau diese Kamera steht im Mittelpunkt dieses Testberichts, der zeigt, ob die kleine EOS RP nur im Schatten der EOS R steht oder ob sich die Kamera ihren rechtmäßigen Platz bei den spiegellosen Systemkameras mit Vollformatsensoren erkämpfen kann. (Harm-Diercks Gronewold)
Canon EOS RP mit RF 24-105 mm. [Foto: MediaNord]
Ergonomie und Verarbeitung
Frisch aus dem Karton wirkt die EOS RP mit ihren Abmessungen von 132 x 85 x 70 Millimetern recht klein und eher wie eine APS-C-Kamera, wenn da nicht das ziemlich mächtige Bajonett und der 27 Megapixel auflösende, 36 x 24 Millimeter große CMOS-Sensor auf der Vorderseite sichtbar wären. Mit dem filigranen Äußeren hat es sich allerdings sehr schnell erledigt, wenn man das Set-Objektiv 24-105 mm F4 L IS USM montiert. Das Objektiv ist mit etwa 700 Gramm Gesamtgewicht deutlich schwerer als die Kamera, die nur etwa 470 Gramm wiegt und auch die Größe des Objektivs wirkt deutlich massiger als die Kamera selber. Legt man die Kamera zusammen mit dem Objektiv auf einen Tisch, dann ist leicht erkennbar, dass das Objektiv recht weit über den Kameraboden herausragt und so eine Schieflage erzeugt. Das ist grundsätzlich nicht schlimm, schränkt aber den spontanen Einsatz ein, ein Objekt als Stativ zweckzuentfremden. Zudem hat es Canon nicht versäumt, die EOS RP mit Gummidichtungen zu versehen, die die Kamera vor dem Eindringen von Spritzwasser und Staub schützen sollen.
24-105mm-Objektive sind bei Canon traditionell die Set-Objektive für Vollformatkameras und das zu Recht. Sie bieten einen guten Kompromiss für viele Aufnahmesituationen und sind damit ein ideales "immerdrauf”-Objektiv. Zu den Besonderheiten des Objektivs gehört unter anderem ein Verriegelungsschalter, mit dem sich die Brennweite auf 24 mm festsetzen lässt. Eine kleine Gummilippe am Bajonett zeigt zudem an, dass das Objektiv ebenfalls gegen Spritzwasser und Staub abgedichtet ist. Wie sich die optische Leistung des Objektivs an der EOS RP darstellt, ist im Abschnitt "Bildqualität” weiter unten im Test nachzulesen.
Sind Sie auf der Suche nach einer spiegellosen Systemkamera und möchten sich über dieses Kamerasegment informieren? Dann haben wir das passende E-Book!Dieses E-Book hilft Ihnen, die individuell passende Kamera zu finden. Was zeichnet spiegellose Systemkameras aus? Welche Ausstattungsmerkmale gibt es? Worauf sollten Sie beim Kauf achten? Alle 80 aktuellen Modelle werden vorgestellt, mit ihren Highlights, einer kurzen Beschreibung und einer kurzen Einschätzung aus bis zu drei Testberichten. Ein E-Book als PDF mit 226 Seiten für 8,99 €. Kostenlose 16-seitige Leseprobe erhältlich. mehr …
Als wir die Kombination der EOS RP und 24-105 mm erstmals richtig in die Hand genommen haben, überraschte uns das gelungene Anfassgefühl der Kamera. Die Finger finden im ausgeformten Handgriff einen guten Halt und auch die Daumenmulde auf der Rückseite ist recht griffig. Leider fehlt dem Kameragehäuse ein wenig Höhe und so greift die durchschnittliche europäische "Normhand” etwas in Leere. Genauer gesagt, der kleine Finger der rechten Hand greift etwas ins Leere. Abhilfe dafür schafft Canon mit der funktionslosen Griffverlängerung EG-E1. Dieser Griff erweitert die Kamerahöhe um etwa 1,5 Zentimeter und sorgt so für einen verbesserten Halt.
Verbunden wird der Griff über das in der optischen Achse liegende Stativgewinde. Der Fotograf muss lediglich die Batteriefachklappe mit nur wenig Arbeitsaufwand entfernen, um den "Handgriff” zu montieren. Die so entfernte Klappe findet im Handgriff allerdings keinen Platz. Eine große Einschränkung beim Wechsel des Akkus beziehungsweise der Speicherkarte gibt es beim Einsatz des Handgriffs EG-E1 nicht, denn er bringe eine eigene Zugangsklappe zum Akku- und Speicherkartenfach mit. Haben wir Eingangs erwähnt, dass das Objektiv die Kamera in Schräglage nach hinten bringt, ist es bei montieren Handgriff umgekehrt und die Kamera hat eine Schräglage nach vorne – jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, wo die Störlichtblende des Objektivs montiert wird. Diese zum Lieferumfang gehörende Störlichtblende (EW-83N) besitzt nämlich die perfekten Maße, um die Kamera mit montiertem Griff in die Waagerechte zu bringen, so dass keine Schräglage nach vorne oder hinten entsteht.
Die EOS RP wird von einem Lithiumionen-Akku (LP-E17) mit 7,2 Volt und 1.040 mAh angetrieben. Er lässt sich zwar über die USB-C-Schnittstelle in der Kamera aufladen, aber nur, wenn ein leistungsstarkes USB-C-Netzteil angeschlossen ist. Ansonsten kann der Akku mit dem mitgelieferten externen Ladegerät (LC-E17E) aufgeladen werden. Der Akku hat eine Reichweite von etwa 250 Aufnahmen nach dem CIPA-Testverfahren, was etwas wenig ist. Neben dem Akku ist die Speicherkarte unter der gleichen Abdeckung zu finden. Hier kommt erwartungsgemäß der SD-Formfaktor zum Einsatz, wobei die Kamera sowohl SDHC, als auch SDXC sowie UHS I und sogar II unterstützt. Da die EOS RP 4K Videos aufzeichnen kann, gilt hier das Motto "schneller ist besser”. Auf eine UHS-II-Karte schreibt die EOS RP immerhin mit über 150 MByte/s.
Die Verteilung der Bedienelemente ist – wie bei Canon nicht anders zu erwarten – optimal. Neben zwei gut erreichbaren Drehrädern ist auf der Oberseite der Kamera das typische Moduswahlrad ebenso zu finden wie der Aus- und Einschalter. Damit die Kamera auf der Oberseite nicht zu sehr aufträgt, wurden die horizontalen Drehräder etwas im Gehäuse abgesenkt. Das steht der Kamera ziemlich gut und zerreißt nicht die Linien des Designs. Des weiteren finden sich die beiden Auslöser (Foto und Video) auch auf der Oberseite sowie ein kleiner "Lock”-Schalter, der mit einem sehr befriedigenden Klicken die Funktion des daneben liegenden Drehrades an- oder abschaltet. Der Auslöser besitzt einen sehr weichen, gut kontrollierbaren Druckpunkt und die Drehräder fühlen sich sehr direkt und nicht zu straff an.
Auf der Rückseite sind weitere Funktionstasten und das Steuerkreuz untergebracht. Die Anordnung der Tasten ist sinnvoll und bequem. [Foto: MediaNord]
Auf der Kamerarückseite gibt es zwar keine Drehräder, dafür aber jede Menge Knöpfe und ein Steuerkreuz. Auch hier liegen die relevanten Bedienelemente in unmittelbarer Nähe zum bedienenden Finger beziehungsweise Daumen. Weniger wichtige Funktionen wie die Wiedergabefunktion sind dagegen weiter entfernt. Direkt in die Bedienung mit einbezogen ist der 3”-Touchscreen. Er löst mit knapp einer Million Bildpunkten auf und hat einer beachtlichen maximale Helligkeit von etwa 880 Candela pro Quatratmeter. Letzteres macht den Monitor auch bei starkem Umgebungslicht problemlos einsetzbar. Die Bedienung ist präzise und sehr komfortabel, was aber auch durch die saubere Menüstruktur unterstützt wird. Die Touchfunktion erkennt Gesten wie das Wischen und auch "Pinch in/out" zum hinein- und herauszoomen aus Bildern. Der Monitor ist zu allem Überfluss auch noch dreh- und klappbar. Er lässt sich dadurch auch komplett in Richtung Kamera drehen, um besser geschützt zu sein.
Wenn der Monitor umgeklappt ist, was soll der Fotograf dann als Sucher nutzen? Exzellente Frage mit einfacher Antwort. Den Sucher natürlich! Der Videosucher ist auch für Brillenträger gut, wenn auch nicht perfekt einsetzbar und besitzt für Menschen ohne große Fehlsichtigkeit einen Dioptrienausgleich. Die Auflösung des Suchers beträgt etwa 2,3 Millionen Dots und er hat eine hohe Bildwechselfrequenz, mit der schnell bewegende Objekte flüssig angezeigt werden können. Da das allerdings auf den Stromverbrauch schlägt, kann man den Sucher auch "verlangsamen". Dennoch sollte man nicht vergessen, dass eine hohe Bildwechselfrequenz durchaus angenehmer für die Augen sein kann. Die Umschaltung zwischen Monitor und Sucher wird über einen abschaltbaren Augensensor mit unangenehm großem Sensorbereich geregelt. Dieses Sensor reagiert schon bei Objekten, die etwa vier Zentimeter entfernt sind. Da reicht also schon das Bedienen des Touchscreens, um eine ungewollte Umschaltung vom Monitor auf den elektronischen Sensor zu verursachen.
Seit der Digitalisierung der Fotografie spielt sich die Bedienung der Kameras nicht mehr nur auf der oberen Ebene an den Bedienelementen ab, sondern zum großen Teil auch in Menüs, die im Sucher beziehungsweise auf dem Monitor dargestellt werden. Gerade bei umfangreich ausgestatteten Kameras wie der EOS RP ist diese Menü-Ebene nicht wegzudenken. Da Canon auf diesem Gebiet viel Erfahrung hat, ist es nicht verwunderlich, dass eben diese fotografischen Menüs einfach zu verstehen und zu bedienen sind. Um beispielsweise das Schnellmenü aufzurufen, braucht der Fotograf lediglich den Q-Knopf in der Mitte des Steuerkreuzes zu drücken und schon ist er im umfangreichen Fotomenü angekommen. Dort kann der Fotograf dann mit dem Steuerkreuz durch die verschiedenen Funktionen Navigieren. Diese sind links und rechts an den Bildrändern zu finden. Um die Funktion zu ändern kann der Fotograf einfach mit dem Steuerkreuz nach links oder rechts drücken und schon ist eine andere Option ausgewählt. Das Bestätigen mit einer zusätzlichen Taste entfällt.
In der Draufsicht zeigen sich die optimal angeordneten Drehräder der EOS RP. [Foto: MediaNord]
Alternativ können zum Durchschalten der Optionen auch die Drehräder an der Kamera genutzt werden. Am bequemsten lassen sich die Menüs allerdings mit dem Touchscreen navigieren. Besonders gut hat uns dabei die grafische Markierung der Funktionen gefallen, deren Parameter geändert werden können. Diese Markierung besteht aus einem dünnen Rahmen mit einer leicht grauen Füllung. So behält man jederzeit den Überblick über das was gerade geändert werden kann und über was nicht.
Die Individualfunktionen der EOS RP sind recht umfassend. Zwar gibt es keine Möglichkeit, den Fokus- und Belichtungsspeicher auf ein Taste zu legen, aber dank der umfangreichen individuellen Konfigurierungsmöglichkeiten der Tastenbelegungen können beide Funktionen auf zwei Tasten nebeneinander gelegt werden, so dass das Speichern der Fokus- und Belichtungsdaten sehr schnell von der Hand geht. Neben der vorbildlichen Konfigurationsmöglichkeit der EOS RP in Sachen Tastenbelegung kann der Fotograf sich auch sein eigenes Menü zusammenstellen, so dass alle für individuell relevanten Funktionen schnell erreichbar sind.
Prädestinierter Anwärter auf einen Platz in diesem Menü ist die umfangreiche Belichtungskorrektur (AEB). Zwar hat die "kleine” Belichtungskorrektur schon einen Platz auf dem Touchscreen beziehungsweise eine eigene Taste am Gehäuse, aber mit diesen beiden Iterationen lässt sich nicht die äußerst durchdachte Belichtungsreihen-Funktion einstellen. Um an die Belichtungsreihenfunktion zu kommen, muss der Fotograf ins Belichtungsmenü navigieren und die Funktion auswählen. Das ist für einen schnellen Arbeitseinsatz natürlich etwas kontraproduktiv. Aus diesem Grund ist die Speicherung in das individuelle Menü einfach und schneller. Dank dreier Direktspeicher auf dem Moduswahlrad kann der Fotograf komplexe Individuelle Kamerakonfigurationen speichern und per Moduswahlrad schnell auswählen. Die EOS RP zeigt sich hier also sehr umfangreich konfigurierbar, ganz anders, als man es von einer echten Einsteigerkamera erwarten würde.
Das RF 24-105 mm Set-Objektiv wirkt auch in der direkten Frontansicht ziemlich mächtig. [Foto: MediaNord]
Allerdings gibt es auch Grenzen und diese sind dann unverständlich. Als hervorragendes Beispiel dient hier die oben erwähnte AEB-Funktion. Im Grundsatz ist die Funktion hervorragend bedienbar. Mit dem hinteren Drehrad lässt sich die Belichtungskorrektur einstellen und mit dem vorderen wird der Belichtunsgsabstand der Aufnahmen eingestellt, und das mit einer leicht verständlichen grafischen Repräsentation. Allerdings gibt es an diesem Punkt keine Möglichkeit, die Anzahl der Aufnahmen einzustellen, die gemacht werden sollen. Zu finden ist diese Option nicht in dem entsprechenden Aufnahmemenü, sondern im Individualisierungsmenü (C.Fn I Seite 5). Die C.Fn-Menüs sind die tiefsten Konfigurationsoptionen, die es bei Canon-Kameras gibt und hier eine gebräuchliche Option unterzubringen, ist verwunderlich.
Die linke Seite der Kamera beherbergt das Interface-Terminal und da ist einiges los. Alle Anschlüsse der Kamera sind mit halbweichen Kunststoffdeckeln geschützt, die sich leicht anheben und zur Seite drehen lassen. Der größte Anschluss ist die HDMI-Mini-Buchse (Typ C), die maximal 4K-Aufnahmen übertragen kann. Gleich daneben ist der USB-C-Anschluss zu finden. Dieser überträgt Bild- und Videodaten allerdings nur mit USB-2.0-Hi-Speed. Wieso Canon hier keine schnelle USB-3.0- oder USB-3.1-Schnittstelle spendiert hat, ist unverständlich. Weitere Anschlüsse umfassen zwei 3,5 mm Klinken-Buchsen. Damit lassen sich externe Mikrofone und Kopfhörer an die Kamera anschließen. Mit letzteren ist es einfacher, den Ton einer Videoaufzeichnung bei der Aufnahme zu beurteilen. Darüber hinaus ist eine Klinkenbuchse für den Canon-Kabelfernauslöser RS-60E3 vorhanden. Unsichtbar im Inneren der Kamera verstecken sich darüber hinaus noch eine WLAN- und eine Bluetooth-Funktion. Doch dazu weiter unten. Zwar besitzt die EOS RP keinen eingebauten Blitz, dafür ist jedoch ein Systemblitz-Anschluss auf der Oberseite zu finden, der die Montage von Systemblitzen erlaubt, die mit dem Canon E-TTL I und E-TTL-2 Blitzprotokoll kompatibel sind.