Spiegellose Mittelklasse-Systemkamera

Testbericht: Fujifilm X-T20

2017-08-16 Die X-T20 ist Fujifilms Mittelklassemodell, das mit einem guten Preis-Leistungsverhältnis ambitionierte Hobbyfotografen ansprechen soll. Dafür ist die Systemkamera mit viel Technik aus dem größeren Schwestermodell X-T2 ausgestattet, etwa dem 24 Megapixel auflösenden Bildsensor, der auch 4K-Videos aufnehmen kann. Das Retro-Gehäuse mit dem klassischen Bedienkonzept mit manuellem Belichtungszeitenrad erinnert an die "gute alte Zeit", während die Kamera erstklassige, moderne Digitalbilder liefern will. Ob das der X-T20 gelingt, zeigt unser Test.  (Benjamin Kirchheim)

Ergonomie und Verarbeitung

Die Fujifilm X-T20 kommt in einem ähnlichen Retro-Design der 80er-Jahre daher wie ihr größeres Schwestermodell X-T2. Die X-T20 fällt jedoch kompakter aus, sie misst weniger als zwölf Zentimeter in der Breite, ist knapp über acht Zentimeter hoch und gut vier Zentimeter tief. Das Gehäuse der betriebsbereit weniger als 400 Gramm schweren Systemkamera besteht aus einem robust wirkenden und sauber verarbeiteten Metall-Kunststoff-Mix. Sie ist wahlweise in Schwarz oder Silber-Schwarz erhältlich, jedoch im Gegensatz zur X-T2 nicht gegen Staub und Spritzwasser abgedichtet. Deckel- und Bodenplatte, bei unserem Testmodell Silber, bestehen aus einer Leichtmetalllegierung. Das dazwischen befindliche Kunststoffgehäuse ist großzügig mit einem genarbten Gummi beklebt, das sehr rutschfest ausfällt und dem Nutzer so den nötigen Halt gibt. Einen ausgeprägten Handgriff kann die X-T20 hingegen nicht vorweisen, der kleine Griffsteg gibt dem Mittel- sowie dem Ringfinger aber immerhin etwas Halt. Auf der Rückseite sitzt eine Daumenmulde als Gegengewicht. Wem der Handgriff zu dünn ist, der kann ihn übrigens mit dem schon für die X-T10 optional erhältlichen Unterschraubgriff MHG-XT10 vergrößern. Dieser behebt ein weiteres Manko des Gehäuses: Das Stativgewinde auf der Unterseite sitzt weit außerhalb der optischen Achse und zudem viel zu dicht neben dem Akku- und Speicherkartenfach, sodass dieses bei Verwendung einer Stativwechselplatte blockiert wird. Der optionale Griff lässt den Zugang frei und bietet gleichzeitig eine Arca-Swiss-kompatible Stativbefestigung.

Das Bedienkonzept der X-T20 lehnt sich ebenfalls an klassische Vorbilder an. So besitzen fast alle XF-Objektive einen Blendenring, die Belichtungszeit wird über ein Rad oben auf der Kamera eingestellt. Nur ein ISO-Rad fehlt der X-T20. Dank zweier moderner Einstellräder können die Belichtungszeiten auf Wunsch auch feiner eingestellt werden oder man stellt das Belichtungszeitenrad auf T und nutzt nun eines der Einstellräder. Diese decken je nach Modus mehrere Funktionen ab, die Umschaltung erfolgt durch das Drücken des Rades. Genau hier liegt ein kleines ergonomisches Problem: Die Multifunktionsräder für Daumen und Zeigefinger sind nicht besonders griffig und schauen nur leicht aus dem Gehäuse heraus. Je nachdem, wie glatt die Finger gerade sind, hat man zuweilen Probleme, das Rad zu drehen, ohne es dabei zu drücken. Bei unserem Exemplar lief das hintere Rad etwas leichter, wodurch es sich besser bedienen ließ als das vordere Rad.

Für die Belichtungskorrektur steht ein eigenes Rad bereit, das absichtlich sehr schwergängig ist und sich dadurch kaum ungewollt verstellt. Ein weiteres Einstellrad befindet sich links des Blitz-/Sucherbuckels, es steuert den Aufnahmemodus (Einzelbild, Serienbild, Video, Panorama, Belichtungsreihe etc.). Neben den in dieser Klasse (die Kamera kostet ohne Objektiv knapp 900 Euro) ungewöhnlich vielen Bedienrädern gibt es auch sehr viele Tasten. So sind sowohl eine AE-L als auch eine AF-L-Taste vorhanden, aber auch eine Funktionstaste sowie ein in den Funktionen frei belegbares Vierwegekreuz. Insgesamt sieben Tasten sowie das hintere Wahlrad lassen sich in der Funktion individuell programmieren. Dies geschieht dank einer grafischen Anzeige mit Ansicht der aktuellen Funktionsbelegungen sehr übersichtlich. Zudem bietet die X-T20 ein Quick-Menü mit 16 Funktionen, die sich ebenfalls individuell anpassen lassen. Etwas unübersichtlicher geht es hingegen im Kontext-Menü zu. Vor allem im Einstellungsmenü kämpft man sich durch mehrere Ebenen. Zum Glück lassen sich praktisch alle wichtigen Aufnahmefunktionen mit Tasten oder dem Quick-Menü erreichen, zudem kann man sich bevorzugte Menüpunkte in einem eigens programmierbaren Menü zusammenfassen. Außerdem gibt es sieben Benutzerspeicher zum schnellen Abrufen von bevorzugten Aufnahmekonfigurationen.

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Der rückwärtige Bildschirm misst gut 7,5 Zentimeter in der Diagonale und löst mit 1,04 Millionen Bildpunkten im 3:2-Seitenverhältnis ausreichend fein auf. Durch den Klappmechanismus um 45 Grad nach unten und 110 Grad nach oben taugt der Bildschirm auch wunderbar für Aufnahmen vor dem Bauch, aus Bodennähe oder über Menschenmengen hinweg. Dank der maximalen Helligkeit von bis zu fast 680 cd/m² kann der Bildschirm selbst bei Sonnenschein passabel abgelesen werden. Es handelt sich sogar um einen Touchscreen, wobei sich die Menüs nicht bedienen lassen. In der Aufnahmefunktion beschränkt sich die Berühungsempfindlichkeit also auf das Verschieben des Autofokusbereichs und auf Wunsch auf das Auslösen. In der Wiedergabe kann mittels Wischens durch die Fotos geblättert werden, mittels der von Smartphones gewohnten Zweifingergeste kann zudem in die Bilder hineingezoomt werden.

Der elektronische Sucher löst mit 2,36 Millionen Bildpunkten sehr fein auf und schaltet sich dank des Näherungssensors automatisch ein, sobald man die Kamera ans Auge nimmt. Für Brillenträger eignet sich der mit einem im Kleinbildäquivalent 0,62-fachen Vergrößerungsfaktor ausreichend große Sucher jedoch weniger gut, denn durch die zu kleine Austrittspupille kann man das Bild nicht komplett überblicken. Die vorhandene Dioptrienkorrektur hilft immerhin denjenigen, die über eine nicht allzu große Fehlsichtigkeit verfügen. Der Sucher zeigt ansonsten dasselbe Bild wie der rückwärtige Bildschirm, also beispielsweise eine Belichtungs- und Weißabgleichsvorschau, eine Schärfentiefevorschau, eine Wasserwaage, ein Livehistogramm und Gitterlinien.

Der Auslöser verfügt über zwei gut fühlbare Druckpunkte. Ganz dem Konzept der klassischen Kamera folgend ist ein Gewinde für einen Drahtauslöser vorhanden. Es kann jedoch genauso gut ein Kabelfernauslöser verwendet werden, der hinter der Schnittstellenklappe auf der linken Seite eingesteckt werden kann. Der 2,5mm-Klinkenanschluss nimmt aber auch wahlweise den Stecker eines Stereomikrofons auf. Des Weiteren sind hier eine Micro-HDMI-Buchse sowie eine Micro-USB-Schnittstelle zu finden. Obwohl sich ein externes Ladegerät für den Lithium-Ionen-Akku im Lieferumfang der Fujifilm X-T20 befindet, kann der Akku auch per USB aufgeladen werden, allerdings nur, wenn die Kamera ausgeschaltet ist. Die Laufzeit des Lithium-Ionen-Akkus ist mit 350 Aufnahmen nach CIPA-Standard nicht gerade üppig, was die USB-Ladefunktion unterwegs umso wertvoller macht, dadurch lässt sich der Akku beispielsweise mit einer Powerbank auftanken. Anstelle des Akkus kann auch ein Dummy mit Kabel für eine externe Stromversorgung angeschlossen werden. Das SD-Kartenfach ist zu SDHC und SDXC sowie UHS I kompatibel, die Schreibrate beträgt knapp über 60 Megabyte pro Sekunde. Man sollte also eine entsprechend schnelle Karte wählen, allein wegen der 4K-Videofunktion, die eine UHS I Speed Class 3 Karte erfordert, die eine minimale Schreibrate von 30 MByte/s garantiert.

Ausstattung

Mit Blendenring und Belichtungszeitenrad richtet sich die X-T20 gezielt an ambitionierte Fotografen, ein Programmwählrad sucht man vergeblich. Zwischen manuellem Modus, Programmautomatik, Blendenautomatik und Zeitautomatik wird einfach gewechselt, indem eines, beide oder keines der Räder auf Automatik steht. Die ISO-Automatik lässt sich unabhängig davon regeln, greift also auch bei manueller Belichtung. Eine Kombination mit der Belichtungskorrektur ist möglich. Dennoch kann man die X-T20 auch ohne Kenntnisse von ISO, Belichtungszeit und Blende verwenden. Man stellt einfach den kleinen Hebel unterhalb des Belichtungszeitenrads auf Auto und schon übernimmt die Kamera alle nötigen Einstellungen und erkennt sogar die Motivsituation automatisch. Über das vordere Einstellrad lassen sich zudem in diesem Modus Motivprogramme gezielt ansteuern. Die praktische Schwenkpanoramafunktion erreicht man hingegen über das Einstellrad links des Suchers.

Hier wird auch die Reihenaufnahmefunktion aktiviert, wobei sich gleich zwei entsprechende Positionen auf dem Einstellrad befinden. So hat man schnellen Zugriff auf verschiedene Reihenaufnahmefunktionen. Dabei lässt sich nicht nur die Belichtung variieren, sondern wahlweise auch die Dynamikbereicherweiterungsfunktion, die ISO-Empfindlichkeit, der Filmsimulationsmodus oder der Weißabgleich. Wer gerne in Raw fotografiert, kann aber auf einige der Reihenaufnahmefunktionen verzichten, da sich die entsprechenden Einstellungen auch bei der Rohdatenkonvertierung vornehmen lassen. Was der X-T20 hingegen fehlt, ist eine HDR-Funktion. Nur eine Mehrfachbelichtungsfunktion gibt es und sogar eine Intervallaufnahmefunktion.

Der Verschluss der X-T20 arbeitet wahlweise mechanisch (bis 1/4.000 Sekunde) oder elektronisch (bis 1/32.000 Sekunde) und damit völlig lautlos. Davon abhängig ist die Serienbildgeschwindigkeit. Mit mechanischem Verschluss verspricht Fujifilm maximal acht Serienbilder pro Sekunde, wir erreichten bei der Messung sogar 8,1 Bilder pro Sekunde. Ebenfalls leicht übertroffen wurde die Dauer der Aufnahmeserie, wir erreichten 26 Aufnahmen in Folge im Rodatenformat und sogar 78 in JPEG. Danach geht es mit etwas über vier JPEG-Bildern pro Sekunde weiter oder knapp über zwei Raw-Bildern pro Sekunde, wobei wir die verlustfreie Rohdatenkompression aktiviert hatten. Wer die Bildraten etwas langsamer einstellt, bekommt also deutlich längere bis hin zu unendlich langen Serien. Dann profitiert man auch von einem Livebild, während bei den hohen Serienbildraten nur noch das zuletzt aufgenommene Foto im Sucher beziehungsweise auf dem Bildschirm angezeigt wird. Der Autofokus hingegen wird weiterhin nachgeregelt. Mit elektronischem Verschluss sind sogar bis zu 15 Serienbilder pro Sekunde möglich, allerdings schrumpft dann die Zahl der möglichen Aufnahmen deutlich zusammen.

Der Autofokus arbeitet sowohl mit auf dem Sensor integrierten Phasenmessfeldern als auch auf Kontrastbasis. Ersteres gibt Informationen über Stellrichtung und -weite, Letzteres dient der Feinjustage. Man muss jedoch achtgeben, denn die X-T20 steht werksseitig auf ständig aktiviertem Autofokus und vor allem einer Auslösepriorität, sodass nicht immer eine hundertprozentige Schärfe den Vorrang hat. Stellt man die Kamera auf Schärfepriorität und deaktiviert Vor-Autofokus, so wird der Autofokus langsamer, aber der Stromverbrauch sinkt und der Fokus wird genauer. So eingestellt, wie es unser Standard ist, maßen wir eine Auslöseverzögerung von 0,32 bis 0,36 Sekunden, was zwar flott ist, aber von manch anderer spiegellosen Systemkamera problemlos in den Schatten gestellt wird. Die reine Auslöseverzögerung ohne Fokussierung ist mit 0,05 Sekunden schnell, aber auch nicht rekordverdächtig. Wenn es jedoch um die Verfolgung bewegter Motive geht, schlägt sich der Autofokus deutlich besser, als die Messung suggeriert. Hier kommt das Hybridsystem voll zum Tragen.

Mit der Fujifilm X-T20 manuell zu fokussieren, ist übrigens ein Traum. Man kann nicht nur jederzeit den Autofokus auf Knopfdruck zur Hilfe nehmen, sondern erhält Unterstützung von einer digitalen Schnittbildsimulation, die es nur bei Fujifilm gibt, einer Fokuslupe sowie Fokuspeaking. Hinzu kommt eine Schärfeskala auf dem Bildschirm mit Entfernungsangaben sowie einer blendenabhängigen Schärfentiefeanzeige, die wahlweise zur Filmformat-Basis auch auf Pixel-Basis, die aufgrund der stärkeren Vergrößerung eine wesentlich geringere Schärfentiefe aufweist, arbeitet. Die Skala ist erweist sich als äußerst nützlich, gerade beispielsweise in der Landschaftsfotografie. Während auf Filmformat-Basis bei 18 Millimetern Brennweite und F8 bereits bei weniger als zwei Metern bis unendlich alles scharf abgebildet werden kann, geht dies auf Pixel-Basis erst ab ca. fünf Metern Entfernung.

Fortsetzung auf Seite 2

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