Kompaktkamera mit großem Sensor, Kompaktkamera

Testbericht: Ricoh GR

2014-08-05 Die Ricoh GR ist eine ganz besondere Kompaktkamera: Auf ein Zoom-Objektiv verzichtet sie, stattdessen gibt es ein lichtstarkes 28 mm/F2.8. Ungewöhnlich groß ist zudem der Bildsensor im APS-C-Format, der eine Bildqualität weit über Klassendurchschnitt verspricht. Herausgekommen ist dabei eine leichtgewichtige und kompakte Kamera, die auf Motivprogramme verzichtet. Mit dieser Reduktion auf das Wesentliche richtet sich die Ricoh GR klar an ambitionierte Fotografen. Geht dieses Konzept auf? digitalkamera.de hat es in der Praxis und im Labor getestet.  (Martin Vieten)

Ergonomie und Verarbeitung Die erste Überraschung gibt es bereits, wenn man die GR aus dem Karton schält: Die Kamera ist derart leicht (249 Gramm betriebsbereit), dass man fast glaubt, ein Spielzeug in den Händen zu halten. Doch weit gefehlt: Ricoh verwendet für die Kamera eine leichte und dennoch robuste Magnesium-Aluminium-Legierung. Ungewöhnlich aber durchaus gelungen ist die Form der GR. Sie erstreckt sich weit in die Breite, bleibt aber sehr flach. Wird die Kamera abgeschaltet, verschwindet das Objektiv fast komplett im flachen Gehäuse, die GR passt dann durchaus in die Hosentasche. Die breite Form mag ungewöhnlich aussehen, praktisch ist sie auf alle Fälle. Für eine Kompaktkamera bietet die GR einen gut ausgeprägten Handgriff, die Kamera lässt sich auch mit einer Hand sicher halten. Zudem bleibt auf der Rückseite neben dem Display mehr Raum als üblich für Bedienelemente und für den Daumen.

Die Ricoh GR richtet sich eher an erfahrene Fotografen, das machen schon die Funktionen der Bedienelemente klar. So ist zum Beispiel das Programmwählrad mit einer Sicherung versehen – verstellen lässt es sich nur, wenn gleichzeitig der Sicherungsknopf heruntergedrückt wird. Im Gegensatz dazu dreht sich das Frontrad sehr leicht. Auf den ersten Blick offeriert die GR sogar ein Daumenrad, das sich aber schnell als Wippe mit Tastfunktion entpuppt. Darüber greift man fix auf Einstellungen zum Beispiel für ISO-Zahl, Belichtungsmesser, Autofokus und Dateiformat zu. Ebenfalls professionell ist ein Umschalter zwischen Einzelbild-AF und kontinuierlichem AF, sowie eine zweite Wippe nur für die Belichtungskorrektur.

So großzügig wie Ricoh die GR mit Bedienelementen versehen hat, so sehr hat der Hersteller allerdings beim Display gespart. Es löst zwar mit über 1,2 Millionen dots sehr fein auf, ist aber starr an den Kamerarücken angeflanscht. Das stört umso mehr, als die GR auch keinen elektronischen Sucher bietet, lediglich ein optischer Sucher lässt sich nachrüsten. Auch beim Layout der Menüs hätte sich Ricoh gerne etwa mehr Mühe geben dürfen, es gibt nur drei ellenlange Listen, die Schrift ist ziemlich klein geraten. Als kleine Entschädigung dafür gibt es eine elektronische Wasserwage, mit deren Hilfe sich ein schiefer Horizont im Bild gut vermeiden lässt.

An der rechten Seite verbergen sich USB- und HDMI-Schnittstelle unter einer etwas fummeligen Gummiabdeckung, links am Gehäuse hat Ricoh zwei weitere Bedienelemente untergebracht: die Blitzentriegelung und einen Schalter zur Wahl der Bildeffekte. Akku und Speicherkarte teilen sich einen gemeinsamen Schacht, der von unten her zugänglich ist. Direkt neben dem Schacht und weit außerhalb der optischen Achse sitzt das Stativgewinde. Bei angesetzter Schnellwechselplatte wird also das Akku-/Speicherkartenfach blockiert – ein Tribut an die kompakte Bauweise der APS-C-Kamera.

Ausstattung Die Ricoh GR richtet sich an Fotografen, die wissen, wie man eine Kamera bedient. Einziges Zugeständnis an Novizen ist eine Vollautomatik, die kaum Eingriffe erlaubt. Motivprogramme oder gar Assistenten (etwa für HDR- oder Panoramafotos) sucht man hingegen vergebens. Man wird die GR also bevorzugt als Zeit- oder Blendenautomat betreiben, eine Programmautomatik sowie die Möglichkeit zur manuellen Belichtung bietet sie jedoch ebenfalls. Und noch mehr: im Modus TAv steuert die Ricoh GR die Belichtung bei einer vorgegebenen Zeit-Blendenkombination über die ISO-Empfindlichkeit. Eine Funktion übrigens, die es in dieser Form erstmals bei Kameras von Pentax gab, die ja inzwischen unter das Dach von Ricoh geschlüpft sind.

Dafür verwöhnt die GR mit Funktionen, die bei einer Kompaktkamera längst nicht Gang und Gäbe sind. Etwa mit einer Intervallautomatik, die bis zu 99 Fotos im Abstand von einer Sekunde bis zu einer Stunde aufnimmt. Oder der Möglichkeit zur Mehrfachbelichtung. Ausgefuchst sind auch die Bracketing-Funktionen der GR. Sie nimmt nicht nur die üblichen Belichtungsreihen auf, sondern variiert wahlweise auch den Weißabgleich, den Kontrast oder drei frei wählbare Bildeffekte. Viele Eingriffsmöglichkeiten gibt es ebenso bei der Rauschunterdrückung, sie lässt sich für niedrige, mittlere und hohe ISO-Stufen getrennt konfigurieren. Damit man bei all den vielen Einstellmöglichkeiten nicht so schnell den Überblick verliert, erlaubt es die GR, bis zu drei Kamerakonfigurationen zu speichern, die sich dann schnell via Programmwählrad abrufen lassen.

Eine spezielle Funktion der GR ermöglicht es, den nutzbaren Dynamikumfang zu erweitern. Vereinfacht gesagt, nimmt sie dabei ein knapp belichtetes Foto auf, um die Lichterzeichnung zu verbessern, die Tiefen werden dann aufgehellt. Damit man auch bei hellem Licht möglichst mit Offenblende fotografieren kann, lässt sich bei der GR ein ND-Filter mit -2 EV Dämpfung in den Strahlengang schwenken. Dies ist umso wichtiger, als die kürzeste Belichtungszeit bei Offenblende lediglich 1/2.000 Sekunde beträgt, erst ab F5.6 steuert die GR noch kürzere Belichtungszeiten bis hin zu 1/4.000 Sekunde. Sollten die 28 Millimeter Brennweite der GR einmal zu kurz sein, bietet sie zwei Crop-Modi, die Aufnahmen entsprechend einer Brennweite von 35 oder 48 Millimeter zuschneiden.

So richtig in ihrem Element ist die GR, wenn es ums Scharfstellen geht. Der Autofokus arbeitet äußerst flott, bereits nach 0,16 Sekunden hatte die Kamera im Labor von digitalkamera.de fokussiert und ausgelöst. Wem selbst das noch zu lange dauert, der kann eine Distanz wie 2,5 oder 5 Meter aber auch Unendlich vorgeben, ab der die GR mit dem Fokussieren beginnt, oder mit der sie als Fixfokuskamera funktioniert – eine pfiffige Idee, etwa für schnelle Schnappschüsse oder Landschaftsaufnahmen. Die Naheinstellgrenze liegt standardmäßig bei 30 Zentimeter, lässt sich jedoch im Makro-Modus auf zehn Zentimeter verkürzen. Wer lieber manuell fokussiert, wird von der GR tatkräftig unterstützt. So blendet sie auf Wunsch unter dem aktuellen Fokusfeld eine vergrößerte Darstellung ein, Größe und Vergrößerung dieser Fokuslupe lassen sich anpassen. Was der GR allerdings wirklich fehlt, ist ein Bildstabilisator. Der kleine Bordblitz ist etwas schwach auf der Brust, reicht aber, um den Vordergrund aufzuhellen. Bei Bedarf lässt sich die GR via ISO-Schuh mit einem leistungsstärkeren Blitzgerät ausstatten.

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