APS-C-Spitzenmodell

Testbericht: Sony Alpha 6500

2017-02-17, aktualisiert 2017-02-28 Nur acht Monate nach Vorstellung der Alpha 6300 als schnelles APS-C-Flaggschiff legte Sony mit der Alpha 6500 noch eins drauf. Vor allem den deutlich vergrößerten Pufferspeicher für mehr Serienbilder sowie den erstmalig bei Sonys spiegellosen APS-C-Sytemkameras zur Bildstabilisierung beweglich gelagerten Bildsensor hat die Alpha 6500 ihrer "kleineren" Schwester voraus. Aber auch die Stabilität des Gehäuses, vor allem des Bajonetts, will Sony weiter verbessert haben. Im ausführlichen Test muss die Sony Alpha 6500 nun nicht nur ihre Bildqualität unter Beweis stellen.  (Benjamin Kirchheim)

Ergonomie und Verarbeitung

Die Sony Alpha 6500 ist eine äußerst kompakte, aber auch sehr robuste spiegellose Systemkamera. Trotz ihres Leichtmetallgehäuses aus einer Magnesiumlegierung bringt sie betriebsbereit stattliche 450 Gramm auf die Waage. Das Bajonett wurde von Sony nochmals verstärkt, womit es auch große, schwere Objektive tragen können sollte. Was wir angesichts des Preises von knapp 1.700 Euro nur für das Gehäuse jedoch schmerzlich vermissten, war ein Spritzwasser- und Staubschutz, wie ihn andere Hersteller mehrheitlich in dieser Preisklasse verbauen. Sony tut sich mit diesem Thema erstaunlich schwer.

Kompakt ist das Gehäuse vor allem in der Bauhöhe, sie beträgt weniger als sieben Zentimeter. Das sorgt natürlich dafür, dass der kleine Finger je nach Größe der Hand nicht mehr am Handgriff Platz findet. Mit der zwei Zentimeter tiefen und bis zu 2,5 Zentimeter breiten Auswölbung bietet der Handgriff aber genug Platz, um die Kamera sicher halten zu können. Die großzügige, genarbte Gummierung, die sich bis nach hinten in die Daumenmulde zieht, trägt ihren Teil zum sicheren Halt bei.

Trotz der geringen Bauhöhe und des fehlenden Blitz-Sucherbuckels hat Sony einen vollwertigen, großen elektronischen Sucher verbaut. Gelungen ist dieser Trick aufgrund des Bildschirms, der mit seinem 16:9-Seitenverhältnis bei gleicher Diagonale von 7,5 Zentimetern weniger Höhe beansprucht als ein 3:2-Bildschirm. Da der APS-C-Sensor jedoch ein natives Seitenverhältnis von 3:2 besitzt, werden vom 7,5 Zentimeter großen Bildschirm effektiv nur 6,5 Zentimeter für das Livebild verwendet. Die schwarzen Balken links und rechts nutzt Sony immerhin geschickt für Einblendungen von Aufnahmeeinstellungen, die somit zumindest an den seitlichen Rändern nicht über dem Livebild liegen, oben und unten dagegen schon. Mit 921.000 Bildpunkten löst der Bildschirm ausreichend fein auf, leider lässt sich die Farbdarstellung im Gegensatz zum Sucher nicht anpassen. Der Bildschirm kann um etwas mehr als 90 Grad nach oben sowie um gut 45 Grad nach unten geklappt werden, was bodennahe und Über-Kopf-Aufnahmen vereinfacht. Zudem handelt es sich um einen Touchscreen, wobei Sony die Touch-Bedienung nur sehr spärlich integriert hat. Faktisch wird die Funktion nur zum Setzen des Autofokuspunkts genutzt sowie in der Wiedergabe zum Zoomen (durch Doppeltipp statt Zweifingerzoomgeste) und Verschieben des gezoomten Bildausschnitts. In den Menüs ist keine Touchfunktion aktiv, auch ein Durchblättern der Bilder mittels Wischgeste ist nicht möglich.

Der elektronische Sucher wartet mit einer hohen Auflösung von 2,36 Millionen Bildpunkten auf und bietet mit einer 0,71-fachen Vergrößerung im Kleinbildäquivalent auch ein großes Bild. Aufgrund der kleinen Austrittspupille überblickt man dieses jedoch nur, wenn man sich stark mit dem Auge dem Sucher nähert. Brillenträger haben keine Chance, das Sucherbild zu überblicken. Ihnen bleibt allenfalls die Möglichkeit, die Brille hochzuschieben und die Dioptrienkorrektur von -4 bis +3 dpt zu nutzen. Dank des Näherungssensors wird der Bildschirm automatisch ab- und der Sucher angeschaltet, sobald man die Kamera ans Auge nimmt. Sony hat auch daran gedacht, den Sensor zu deaktivieren, sobald der Bildschirm abgeklappt ist.

Bei den Menüs ist zu erkennen, dass Sony sich Mühe gibt, sie Generation für Generation etwas übersichtlicher zu gestalten, ohne aber die Grundstruktur und den Wiedererkennungswert aufzugeben. So unterteilt sich das Menü in sechs farblich unterschiedliche Hauptkategorien mit je bis zu 14 Unterseiten. Insgesamt gibt es 35 Unterseiten, wenn man viele Kamera-Apps installiert, sogar noch mehr. Man braucht schon etwas Zeit, um sich im Menü zurechtzufinden. Ein Individualmenü mit häufig genutzten Menüpunkten gibt es leider nicht. Dafür lässt sich das aufrufbare Schnellmenü mit seinen zwölf Einstellungen individuell anpassen. Außerdem hat Sony die Alpha 6500 mit ausreichend Tasten versehen, deren Belegung sich teilweise anpassen lässt. Drei der Tasten sind zudem explizit programmierbar und mit "C1" sowie "C2" (jeweils auf der Kameraoberseite in Auslösernähe) und "C3" (auf der Rückseite, sonst Löschtaste bei der Wiedergabe) beschriftet. Vorbelegt sind sie etwa mit der AF-MF-Umschaltung sowie dem Weißabgleich sinnvoll, für die ISO-Empfindlichkeit wurde eine Taste des Vierwegewählers auf der Kamerarückseite abgestellt. Auch über eine AF-L- sowie AE-L-Funktion verfügt die Alpha 6500. Etwas unglücklich platziert ist hingegen die Videoaufnahmetaste. Sie liegt rechts von der Daumenmulde an einer Stelle, wo man gar keine Taste vermuten würde. Sie zu drücken ist verkrampft und gleichzeitig so unerwartet und exponiert, dass sie bisweilen beim Hantieren mit der Kamera versehentlich betätigt wird, da man an dieser Stelle einfach keine Taste erwartet. Man kann sich aber daran gewöhnen.

Mit Schnittstellen ist die Alpha 6500 nicht allzu reichlich ausgestattet. Hinter einer kleinen Klappe, die vernünftig mit einem Scharnier an der linken Kameraseite angeschlagen ist, verbergen sich drei Anschlüsse. Neben einem 3,5 mm Mikrofoneingang und einer Micro-HDMI-Schnittstelle befindet sich hier eine Micro-USB-Schnittstelle, über die der Kameraakku geladen werden kann. Sony liefert ein 1,5 Ampere Ladegerät mit, jedes normale Smartphone-Ladegerät funktioniert aber genauso. Immerhin ist der Akku damit in gut zweieinhalb Stunden wieder voll. Wer den Sony-Akku extern laden möchte, der Bauform ist Sony seit Jahren treu, muss sich eine entsprechende Ladeschale zulegen. Mit dem Micro-USB-Anschluss ist die Kamera aber auch unterwegs, etwa im Auto oder an einer "Power-Bank", schnell wieder mit Energie versorgt, zumal sie auch im eingeschalteten Zustand geladen wird.

Eine weitere Schnittstelle verbirgt sich fast unsichtbar im Handgriff, denn hier befindet sich ein Infrarotempfänger für eine IR-Fernbedienung, die man als Zubehör erwerben kann. Die Alpha 6500 lässt sich aber auch per WLAN drahtlos auslösen. Das Stativgewinde sitzt auf der Kameraunterseite in der optischen Achse und zudem in respektabler Entfernung zum Akku- und Speicherkartenfach. Dennoch ist die Entnahme der Speicherkarte an der Kameraunterseite in dieser Kameraklasse etwas suboptimal, zumal es nur ein Speicherkartenfach gibt, das wahlweise einen MemoryStick oder eine SD-Karte (SDHC- und SDXC-kompatibel) aufnimmt. Mit 350 Aufnahmen nach CIPA-Standard bietet der Akku eine ausreichende Laufzeit, zumal die prozentgenaue Restkapazitätsanzeige auf dem Bildschirm sehr präzise arbeitet. Wer gerne viel fotografiert, ist trotz mobiler Nachlademöglichkeit per USB mit einem Ersatzakku gut beraten. Neben dem fehlenden Spritzwasser- und Staubschutz sowie der Speicherkartenplatzierung ist auch die fehlende Möglichkeit, einen Akku-Hochformatgriff anzuschließen, für diese Kameraklasse ungewöhnlich.

Ausstattung

Alleine schon preislich richtet sich die Sony Alpha 6500 zwar an ambitionierte Fotografen, wer aber einfach ein robustes Werkzeug mit Bildstabilisator im Gehäuse sucht, sich aber nicht mit fotografischen Grundlagen und Einstellungen auseinandersetzen möchte, wird mit der Alpha 6500 ebenfalls glücklich. So verfügt die Kamera über einen Vollautomatikmodus samt Motiverkennung, eine Reihe von Motivprogrammen, digitale Filtereffekte und auch eine HDR- sowie eine Schwenkpanoramaautomatik, die sogar einen Platz auf dem Programmwählrad spendiert bekommen hat. Ihr volles Potential entfaltet die Kamera jedoch erst bei halbautomatischer oder manueller Bedienung. Sogar bei letzterer ist die ISO-Automatik aktivierbar und auch eine Belichtungskorrektur fehlt bei dieser "manuellen Automatik" nicht. Wer sich nicht auf den automatischen HDR-Modus verlassen möchte, der kann auf eine umfangreiche Belichtungsreihenfunktion zurückgreifen, die drei bis neun Bilder mit auf Wunsch großer Belichtungsspreizung aufnimmt. Nur mit dem Selbstauslöser lässt sich diese leider nicht kombinieren.

Der mechanische Verschluss bietet bis zu 1/4.000 Sekunde kurze Belichtungszeiten und ist wie die Kamera sehr robust gebaut. Sony verspricht eine Lebenserwartung von typischerweise mindestens 200.0000 Auslösungen. Um Erschütterungen durch den Verschluss, die zu leichten Unschärfen im Bild führen können, zu vermindern, lässt sich optional ein elektronischer erster Verschlussvorhang aktivieren, der mechanische Verschluss arbeitet dann nur noch am Ende der Belichtung. Wahlweise kann die Alpha 6500 auch vollelektronisch, also ohne mechanische Teile und damit völlig lautlos auslösen. Hierbei kann jedoch der Rolling-Shutter-Effekt die Bildqualität mindern. Auch rein elektronisch beträgt die kürzeste Verschlusszeit 1/4.000 Sekunde und nicht 1/16.000 oder 1/32.000, wie es manche andere Hersteller anbieten.

In der Alpha 6500 hat Sony es erstmals geschafft, trotz des kompakten Gehäuses beziehungsweise ohne es zu vergrößern, einen zur Bildstabilisierung beweglich gelagerten Bildsensor zu integrieren. Dieser gleicht mit Bewegungen auf drei Achsen (horizontal, vertikal und in der Rotation) Bewegungen auf fünf Achsen aus. Diese fünf Achsen setzen sich aus Kippbewegungen sowie Schwenkbewegungen jeweils in horizontaler und vertikaler Achse sowie der Rotation zusammen. Sony verspricht bis zu fünf Blendenstufen Verwackelungskompensation nach CIPA-Standard. In der Praxis lief das bei uns auf eher 3,5 bis knapp vier Blendenstufen am langen Zoomende des Setobjektivs 16-70 mm (105 mm entsprechend Kleinbild) und sogar nur 2,5 Blendenstufen am kurzen Ende des Objektivs (24 mm entsprechend Kleinbild) hinaus. Der Bildstabilisator verrichtet also zwar gute Dienste, ist unserem Eindruck nach aber nicht so effektiv wie versprochen beziehungsweise wie wir es beispielsweise von Olympus gewohnt sind, die aber unseres Erachtens nach die aktuell besten Sensor-basierten Bildstabilisierungssysteme bauen.

Sony setzt bei der Alpha 6500 neben dem Bionz X Bildprozessor einen so genannten Front-End LSI ein, einen Prozessor mit besonders großem Pufferspeicher (für eine genauere Erklärung siehe weiterführende Links). Mit maximal elf Bildern pro Sekunde, übrigens inklusive Autofokus-Nachführung, ist die Alpha 6500 nämlich nicht grundsätzlich schneller als die Alpha 6300, wohl aber aufgrund des Front-End LSIs mit einer größeren "Kondition" versehen. In JPEG konnten wir 241 Bilder am Stück mit dieser hohen Geschwindigkeit aufnehmen, in Raw immerhin 110 Stück. Sobald der Puffer jedoch voll ist, bricht die Serienaufnahmegeschwindigkeit auf nur noch 1,8 JPEG-Bilder pro Sekunde beziehungsweise 1,3 Raw-Bilder pro Sekunde zusammen. Der Flaschenhals ist das Speicherkarteninterface, das nur UHS I, jedoch nicht UHS II unterstützt. Gerade einmal mit 31,2 MByte pro Sekunde kleckern die Daten auf die Speicherkarte. Das bedeutet bei vollem Puffer fast 100 Sekunden Wartezeit! Zum Vergleich: Die bisher schnellste Kamera mit UHS II, die Olympus OM-D E-M1 Mark II, schreibt die Daten mit 170 MByte pro Sekunde und damit fast sechsmal so schnell wie die Sony Alpha 6500! Hier bekleckert sich Sony wahrlich nicht mit Ruhm. Immerhin können während der Pufferleerung die Aufnahme- und Wiedergabefunktionen genutzt werden, das Menü hingegen ist gesperrt.

Auch beim Autofokus verspricht Sony viel: Auf dem Sensor sind 425 Phasensensoren (Liniensensoren) integriert, die die Bewegungsrichtung beziehungsweise Entfernung der Kamera zum Motiv erfassen sollen. Für die Feineinstellung stehen zudem 169 Kontrastsensoren zur Verfügung. Die große Zahl an Messsensoren verteilt sich über einen großen Bereich des Bildsensors und kann gerade bewegte Motive sehr gut erfassen und verfolgen. Die Alpha 6500 bietet entsprechende Einstellungen im Menü, um den Autofokus optimal auf das Motiv abzustimmen. Beim Einzel-Autofokus stellt die Sony hingegen keine Rekorde auf. Es dauert knapp über eine viertel Sekunde vom Drücken des Auslösers bis die Kamera von unendlich auf zweit Meter fokussiert und ausgelöst hat. Die reine Auslöseverzögerung ist dabei mit 20 bis 30 Millisekunden erfreulich kurz.

Die Videoauflösung erreicht maximal 4K (3.840 mal 2.160 Pixel) bei 25 Bildern pro Sekunde in PAL. Dabei wird auf das Super 35 mm Format gecroppt. Nimmt man Filme in Full-HD-Auflösung auf, steht hingegen die gesamte Bildsensorfläche (abgesehen vom Beschnitt von 3:2 auf 16:9) zur Verfügung. Stellt man die Kamera auf NTSC um, woraufhin diese neu startet und gegebenenfalls die Speicherkarte formatiert werden muss, kann man in 4K auch 30p ohne Super 35 mm Format (aber dennoch mit Crop) oder 24p wählen. Warum Sony die Umschaltung so kompliziert gestaltet hat, wissen wohl nur die Ingenieure selbst. Die maximale Datenrate beträgt in jedem Fall 100 Mbit pro Sekunde, was zwar eine gute Qualität ist, aber auch hier bietet manch anderer Hersteller mehr. Bei den Aufnahmeformaten zeigt die Alpha 6500 mit MP4, AVCHD und XAVC S wieder eine gute Bandbreite. Auch die Videooptionen sind vielfältig, so gibt es etwa eine Tonpegelanzeige, man kann den Autofokus anpassen und selbstverständlich die Belichtung nach eigenem Wunsch einstellen. Zudem gibt es eine Zeitlupen- und Zeitrafferfunktionen mit feinen Bildrateneinstellungen. Der Bildstabilisator arbeitet übrigens auch während Videoaufnahmen, allerdings stellt sich auch hier kein "Aha"-Effekt ein. Unserm Eindruck nach kommt Sony in diesem Punkt ebenfalls bei weitem nicht an Olympus heran, wo der Bildstabilisator im Video praktisch ein Steady-Cam-System überflüssig macht.

Spartanisch zeigt sich die Sony Alpha 6500 bei den Nachbearbeitungsmöglichkeiten von Fotos, nicht einmal eine Raw-Entwicklungsfunktion ist an Bord. Stattdessen setzt Sony auf Play Memories Camera Apps, die teilweise kostenlos und teilweise kostenpflichtig erhältlich sind. Sie stellen neben Bildbearbeitungsfunktionen auch spezielle Aufnahmeprogramme zur Verfügung, erfordern aber eine vorherige Registrierung und natürlich ein Herunterladen der Apps, was beispielsweise in einem WLAN möglich ist. Auch die WLAN-Kamerafernbedienung ist in eine solche App ausgelagert, die man sich erst in aktueller Version herunterladen muss, um den vollen Funktionsumfang nutzen zu können. Details zur App sind unserem Fototipp in den weiterführenden Links zu entnehmen. Neu in der Alpha 6500 ist Bluetooth, das die Nutzung des Smartphones als GPS-Empfänger ermöglichen soll. Leider ist es uns mit unserem Testmodell der Alpha 6500 nicht gelungen, die App via Bluetooth mit der Kamera zu koppeln. Zwar konnte das Smartphone (übrigens ein Sony Xperia XZ) eine Bluetooth-Verbindung herstellen, die Kamera konnte aber nicht von der App gefunden werden. Bei einem Besuch der Sony-Händler-Roadshow in Hamburg am 27. Februar gelang uns jedoch problemlos die Verbindung des Sony Xperia XZ mit einer Alpha 6500, die bei den folgenden Aufnahmen sofort den Standort in die EXIF-Daten schrieb.

Fortsetzung auf Seite 2

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