Kompaktkamera nicht nur für Vlogger

Testbericht: Sony ZV-1

2020-07-20 Die Sony ZV-1 ist ein auf Vlogging spezialisierter Ableger der erfolgreichen RX100er-Kompaktkamerareihe des japanischen Elektronikriesen. Doch auch wenn die ZV-1 mit einem Drei-Kapsel-Mikrofon, unbegrenzter Videoaufnahmelänge, dreh- und schwenkbaren Bildschirm sowie speziellen Videomodi – etwa für Produktpräsentationen – aufwarten kann, steckt in ihr doch immer noch eine Fotokamera, die gegenüber der ihr am ähnlichsten RX100 VA mit einem Handgriff sowie einem Multi-Interface-Zubehörschuh (gab es vorher nur in der RX100 II) aufwarten kann. Unser Test verrät, was die Kamera für Foto- und Videografen taugt und wie es um ihre Bildqualität bestellt ist.  (Benjamin Kirchheim)

Sony ZV-1 Testbericht als Premium-VersionDiesen Kameratest gibt es auch als E-Book mit erweitertem Informationsumfang. Das PDF zum Herunterladen enthält gegenüber dieser Online-Version zusätzlich eine übersichtliche Tabelle mit detaillierten Einzelbewertungen sowie zwei Diagramme, in denen die Stärken und Schwächen der Kamera gut vergleichbar visualisiert werden. Zudem stellen wir drei andere Kameras als mögliche Alternativen vor und erklären welche Vor- und Nachteile diese gegenüber der Sony ZV-1 haben. mehr …

Inhaltsverzeichnis

  1. Ergonomie und Verarbeitung
  2. Ausstattung
  3. Bildqualität
  4. Fazit und Kurzbewertung
  5. Messwerte (Premium)
  6. Bewertungstabelle (Premium)
  7. Bewertungsdiagramme (Premium)
  8. Technische Daten
  9. Alternativen (Premium)

Ergonomie und Verarbeitung

Trotz ihres, jedenfalls für eine Kompaktkamera, relativ großen 1"-Sensors (13,2 mal 8,8 Millimeter) lichtstarken Objektivs fällt die Sony ZV-1 geradezu winzig aus. Das Gehäuse misst lediglich 10,6 mal sechs mal 2,9 Zentimeter; hinzu kommt der um 1,4 Zentimeter aus dem Gehäuse ragende Objektivtubus. Beim Einschalten fährt das Objektiv um weitere fast vier Zentimeter heraus, wird beim Zoomen von 24 auf 70 Millimeter (Kleinbildäquivalent) jedoch wieder kürzer.

Das Gehäuse ist modern und schlicht gestaltet, besteht aber im Gegensatz zur RX100-Serie komplett aus Kunststoff und fasst sich entsprechend nicht ganz so hochwertig an, ist aber sauber verarbeitet. Mit fast 300 Gramm ist die ZV-1 wahrlich kein Leichtgewicht. Angesichts ihrer geringen Größe wirkt sie fast schwerer als sie ist, was aber den hochwertigen Eindruck unterstreicht. Fast 800 Euro (UVP) verlangt Sony für die Kompaktkamera, das sind immerhin 250 Euro weniger, als die RX100 VA bei ihrer Markteinführung kostete. Zwar ist der Straßenpreis inzwischen gesunken, liegt aber immer noch über 800 Euro. Insofern mutet die ZV-1 schon fast als Schnäppchen an, was sie natürlich absolut gesehen nicht ist, man bezahlt viel für die Kompaktheit der Kamera.

So schön das kleine Gehäuse auch gestaltet ist und so wenig Platz die Kamera in der Tasche wegnimmt, sodass man sie fast immer dabeihaben kann: Der Ergonomie tut dieser Minimalismus nicht unbedingt gut. Immerhin verfügt die ZV-1 gegenüber den RX100er-Modellen über einen kleinen Handgriff, so dass man sie etwas besser greifen und sicherer halten kann. Als Gegenstück verfügt sie auf der Rückseite über eine kleine gummierte Daumenmulde.

Dennoch liegt die ZV-1 gerade mit größeren Händen etwas verkrampft in der Hand. Auch die linke Hand sucht verzweifelt nach Halt, reicht das Display doch fast bis an den rechten Rand. Auch das Objektiv ist zu schmal zum Festhalten. Am ehesten kann man die Kamera ganz links außen oben und unten zwischen Zeigefinger und Daumen nehmen, um sie besser zu stabilisieren.

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Da die ZV-1 auf der Oberseite über ein großes Drei-Kapsel-Mikrofon sowie einen seitlich daneben liegenden Multi-Interface-Schuh verfügt, war weder für einen Pop-Up-Blitz, noch den charakteristischen Pop-Up-Sucher der neueren RX100er-Modelle Platz. Fotografen hätten statt des eingebauten "Super"-Mikrofons vermutlich lieber eine Kombination aus Multi-Interface-Schuh mit Aufsteckmikrofon und links angebrachten Pop-Up-Sucher bevorzugt. Für die von Sony avisierte Zielgruppe ist die in der ZV-1 gewählte Kombination ohne Sucher und Blitz aber sicherlich die bessere Wahl, denn die ZV-1 ist nun einmal für Vlogger gedacht, die mehr filmen als fotografieren und daher eher ein tolles Mikrofon als einen elektronischen Sucher benötigen.

Muss man bei der Ergonomie noch Kompromisse eingehen, so glänzt die ZV-1 mit ihrem Display und der Anzahl an Knöpfen, die teilweise programmierbar sind. Der Bildschirm bietet mit 7,5 Zentimetern eine große Diagonale, vor allem in Anbetracht der Kameragröße, seine Auflösung beträgt übliche 921.600 Bildpunkte. Die Helligkeit geht mit 680 cd/m² im sonnigen Modus in Ordnung, den man allerdings manuell über das Menü aktivieren muss. Darüber hinaus handelt es sich um einen schwenk- und drehbaren Touchscreen. Während nur spezielle Funktionen von der Berühungsempfindlichkeit Gebrauch machen, das Menü etwa wird konventionell mit den Tasten bedient, kommt die volle Schwenk- und Drehbarkeit erstmals bei einer Sony dieser Größe zum Einsatz.

In der RX100er-Reihe klappte der Bildschirm lediglich nach oben und unten. Auch mit der Technik waren Selfies möglich, aber mit dem Zubehör, das man auf die ZV-1 stecken kann, wäre ein nach oben klappbarer Bildschirm verdeckt worden. Als netten Nebeneffekt kann man den Bildschirm zum Schutz verkehrt herum an die Kamera klappen. Damit lässt sich die Kamera sogar ein- und ausschalten. Apropos ein- und ausschalten: Der Power-Knopf auf der Oberseite liegt etwas ungünstig. Einerseits besteht Verwechslungsgefahr mit der daneben liegenden, exakt gleichgroßen Mode-Taste und andererseits wird der Knopf beim Anbringen des mitgelieferten Mikrofon-Puschels verdeckt, so dass man ihn "blind" ertasten muss. Der Puschel selbst wird wie eine Art Socke über eine Plastikhalterung geschoben (dort kann er auch dauerhaft verbleiben), die wiederum mitsamt dem Puschel in den Blitzschuh gesteckt wird und den Puschel damit seitlich über dem Mikrofon (und eben auch dem Einschaltknopf) platziert. Der Puschel ist nicht nur nach oben flauschig, sondern auch nach unten Richtung darunter liegendem Mikrofon. Der Blitzschuh kann damit nicht mehr für eine Videoleuchte verwendet werden.

Etwas ungewöhnlich für eine Kamera dieser Klasse ist der Verzicht auf ein Programmwählrad, stattdessen kommt der bereits erwähnte Modusknopf zum Einsatz. Sobald er gedrückt wurde, kann man das Aufnahmeprogramm einstellen. Dies geschieht teilweise in zwei Stufen, um die vielen Modi erreichen zu können (beispielsweise erst den Videomodus, dann das Videobelichtungsprogramm oder erst den Motivprogrammmodus und dann das gewünschte Motivprogramm). Das ist vielleicht etwas ungewohnt, geht aber gut von der Hand.

Zwar musste Sony ob der geringen Gehäusegröße sparsam mit Bedienelementen umgehen, aber die ZV-1 bietet selbst für ambitionierte Fotografen das Nötigste. Leider wurde der für Fotografen so praktische Bedienring am Objektiv eingespart, der Vlogger nun wirklich nicht gestört hätte (vielleicht wäre er zum Anfahren von definierten Zoompositionen sogar nützlich gewesen). Immerhin befindet sich ein Daumenrad auf der Rückseite, mit dem sich in Kombination mit einer Taste Blende und Belichtungszeit steuern lassen. Das manuelle Fokussieren ist ohne Objektivring hingegen sehr unergonomisch.

Das Zoomobjektiv wird mit der um den Auslöser angeordneten Zoomwippe gesteuert, dabei zeigt die Kamera die kleinbildäquivalente Brennweite auf dem Bildschirm an, wobei Sony die Brennweite etwas großzügig rundet. Physikalisch handelt es sich um ein 2,7-fach-Zoom von 9,4 bis 25,7 Millimeter Brennweite, was aufgrund des gegenüber dem Kleinbild um den Faktor 2,7 kleineren Bildsensors eigentlich einer kleinbildäquivalenten Brennweite von 25,4 bis 69,4 Millimetern entspricht. Sony rundet das auf 24 bis 70 Millimeter (also ein 2,9-fach-Zoom) auf, in Wahrheit hat man eigentlich rund sechs Prozent weniger Weitwinkel, als Sony einem vorgaukelt.

Die Lichtstärke von F1,8 bis F2,8 kann sich hingegen sehen lassen, zumal sie sich dank des einschwenkbaren Graufilters (drei Blendenstufen) auch in helleren Umgebungen zur Freistellung nutzen lässt. Selbstverständlich erreicht die Sony nicht annähernd das Freistellpotential eines Kleinbildsensors mit lichtstarkem Objektiv, aber je nach Aufnahmeabstand, Blende und Brennweite erhält man durchaus eine gewisse Hintergrundunschärfe, die beispielsweise Smartphones in diesem Maße nur mit digitalen Tricks erreichen können.

Bei der Menüstruktur erwarten Sony-Kenner keine Überraschungen, Neueinsteiger müssen sich angesichts des großen Funktionsumfangs indes auf eine gewisse Einarbeitungszeit einstellen. Die Struktur besteht aus sechs Hauptkategorien mit nummerierten sowie mit Überschriften versehen Unterkategorien, vertikales Scrollen entfällt. Beim seitenweisen Durchblättern erkennt man dank der Überschriften schnell, was auf der jeweiligen Menüseite eingestellt wird (beispielsweise Blitz, Belichtung, Film etc.). Bis zu sechs Menüpunkte finden sich auf bis zu zwölf Menükarten, die in einer der sechs Hauptkategorien zu finden sind.

Eine dieser sechs Kategorien ist ein "Mein Menü", das bis zu 30 Menüpunkte verteilt auf fünf Seiten aufnimmt. Leider kann man nicht im normalen Menü per Tastendruck den aktuellen Menüpunkt ins Mein Menü speichern, sondern muss das über die Verwaltungsseite des Mein Menüs erledigen, wo alle Menüpunkte auf 29 Seiten zu finden sind. Bei der Ersteinrichtung muss man sich also etwas Zeit nehmen, bekommt dann aber schnelleren Zugriff auf bevorzugte Menüpunkte in individueller Sortierung.

Mit insgesamt drei Schnittstellen ist das kleine Gehäuse der ZV-1 ausgestattet. Sie sitzen allesamt auf der Handgriffseite und stören somit den Bildschirm nicht beim Schwenken und Drehen. Es gibt neben einer Micro-HDMI- (mit Clean-Ausgang zur externen Aufzeichnung oder für einen größeren Kontrollmonitor) auch eine Micro-USB-Schnittstelle. Letztere dient auch zum Aufladen des wechselbaren Lithium-Ionen-Akkus, der für gut 260 Fotos Saft liefert.

Die USB-Schnittstelle ist nicht wählerisch. Ob die Energie nun aus dem Originalnetzteil oder einem Fremdgerät, etwa einem Smartphoneladegerät, stammt, ist egal. Sogar bei eingeschalteter Kamera läuft die Stromversorgung weiter, was bei Kameras im Gegensatz zu Smartphones noch längst keine Selbstverständlichkeit ist. An eine externe USB-Stromversorgung angeschlossen lassen sich auch mit relativ leerem Akku lange Videos aufzeichnen.

Der dritte Anschluss ist eine 3,5mm-Klinkenbuchse, in die ein Stereomikrofon beziehungsweise das entsprechende Kabel gesteckt werden kann. Das Mikrofon selbst kann man auf dem Zubehörschuh befestigen. Hier lässt sich aber genauso gut ein Original-Mikrofon von Sony anschließen, das dank der Multi-Interface-Kontakte sogar von der Kamera mit Strom versorgt werden kann. Auch ein Systemblitz oder etwa eine Videoleuchte lässt sich hier direkt auf die Kamera aufstecken.

Auf der Gehäuseunterseite sitzt das Stativgewinde leider außerhalb der optischen Achse und zudem direkt neben dem Akku- und Speicherkartenfach, so dass dieses selbst von kleinsten Schnellwechselplatten blockiert wird. Um die 4K-Videofunktionen nutzen zu können, ist eine entsprechend schnelle Speicherkarte nötig, die am besten die UHS-Speed-Class 3 beziehungsweise Video Speed Class V30 erfüllt. Viel schneller muss die Karte allerdings auch nicht sein, das Speicherinterface schafft nämlich maximal lediglich 40 Megabyte pro Sekunde, was gerade bei Serienbildaufnahmen zu längeren Speicherzeiten führt (dazu weiter unten mehr). Es handelt sich nämlich um einen speziellen Sony-Kartenschacht, der zusätzlich zu SD/SDHC/SDXC UHS I lieber zu MemorySticks statt zum schnelleren UHS II kompatibel ist.

Fortsetzung auf Seite 2

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