Available-Light-Brocken

Testbericht: Sigma 35 mm F1,2 DG DN Art

2021-03-11 Mit dem Sigma 35 mm F1,2 DG DN Art steht ein echter Leckerbissen für die Available-Light-Fotografie im Mittelpunkt des digitalkamera.de-Testberichts. Doch die hohe Lichtstärke ist nicht das einzige, was diesen Objektivbrocken auszeichnet. Wir haben das Objektiv an einer 42 Megapixel auflösenden Sony Alpha 7R III mit KB-Vollformatsensor im digitalkamera.de-Testlabor und der fotografischen Praxis getestet. Was uns dabei aufgefallen ist, erklären wir in diesem Testbericht.  (Harm-Diercks Gronewold)

Das Art-Lineup von Sigma umfasst hochwertige Objektive für Profis und ambitionierte Amateure. Die Objektive zeichnen sich nicht nur durch eine ausgetüftelte optische Konstruktion aus, sondern bestechen auch durch intelligente Ausstattungsmerkmale, saubere Verarbeitung und eine hohe optische Leistung.

Das Sigma 35 mm F1,2 DG DN Art wurde im Juni 2019 mit zwei weiteren Art-Objektiven vorgestellt (siehe weiterführende Links). Mit der Lichtstärke von F1,2 ist das Objektiv die zur Zeit (Stand 02/2021) lichtstärkste Sigma-Festbrennweite.

Das Sigma 35 mm F1,2 DG DN Art trägt mit DG und DN zwei erklärungsbedürftige Kürzel. Während das DG darauf hinweist, dass das Objektiv für Kameras mit 36x24mm-Sensor (Kleinbild) gerechnet wurde, zeigt das DN an, dass es sich bei dem Objektiv um eine Konstruktion für spiegellose Systemkameras handelt. Das Sigma 35 mm F1,2 DG DN Art ist mit Sony E-Mount und Leica L-Mount für etwa 1.530 Euro erhältlich.

Ausstattung

Das etwa 14 Zentimeter lange und knapp neun Zentimeter durchmessende 35 mm F1,2 DG DN Art ist für ein Objektiv mit "nur" 35 Millimetern Brennweite ziemlich groß und mit knappen 1.100 Gramm auch ein ganz schön schweres Vergnügen. Dieser "Brocken" aus Metall, Glas und Silizium ist an der Sony Alpha 7R III sehr kopflastig und eignet sich nur bedingt für die schnelle Fotografie aus der Hüfte.

Am vorderen Ende ist ein unbewegliches 82 Millimeter messendes Kunststoff-Filtergewinde untergebracht. In direkter Nachbarschaft dazu findet sich das ebenfalls unbewegliche und aus Kunststoff bestehende Streulichtblendenbajonett. Die Streulichtblende LH878-02 ist in Form einer Tulpe ausgearbeitet, besitzt eine Sicherungstaste und gehört, wie der Objektivköcher, zum Lieferumfang des 35 mm F1,2 DG DN Art.

Um bei jedem Wetter einsetzbar zu sein, besitzt das 35 mm F1,2 DG DN Art verschiedene interne Dichtungen im Gehäuse und eine Gummilippe am Bajonett. Damit wird zwar keine Wasserdichtigkeit erreicht, aber ein Schutz vor Spritzwasser und Staub.

Wenn es um Bedienelemente geht, dann sind Objektive eher weniger gut damit ausgestattet, zumindest ist das bei den einfacheren Objektiven so. Da das Sigma 35 mm F1,2 DG DN Art allerdings alles andere als Standard ist, besitzt es insgesamt fünf verschiedene Bedienelemente in Form von zwei Ringen, zwei Schaltern und einer Taste.

Wie der geneigte Leser es sicher schon vermutet hat, handelt es sich bei den Ringen um den Fokus- beziehungsweise Blendenring. Beide Ringe haben keine mechanische Kopplung zur Fokus- beziehungsweise Blendeneinheit im Gehäuse. Vielmehr wird die mechanische Drehung in elektrische Signale umgewandelt. Diese Signale werden dann, mit Umweg über die Kamera, vom linearen Schrittmotor beim Fokussieren umgesetzt. Die Steuerung der elf Blendenlamellen übernimmt allerdings kein Motor, sondern eine präzise magnetische Steuerung.

Der Fokusring ist vier Zentimeter breit und gummiert. Die Drehbewegung ist leichtgängig und stellt den Fokus nicht linear ein. Das bedeutet, dass die Drehgeschwindigkeit darüber entscheidet, wie groß der Fokusabstand ist. Wird der Ring langsam gedreht, so ändert sich der Abstand nur wenig. Wird die gleiche Drehung dagegen schnell ausgeführt, ist der Fokusabstand deutlich größer. Für die schnelle Fotografie ist diese Art der manuellen Fokussierung optimal. Für das anspruchsvolle Filmen hingegen nicht. Zumindest dann nicht, wenn feste Fokuspunkte schnell eingestellt werden müssen.

Oftmals tritt eine Brennweitenänderung durch das Fokussieren auf, dies wird auch als Focus-Breathing ("Fokusatmung") bezeichnet. Das Sigma 35 mm F1,2 DG DN Art bleibt von diesem Effekt aber verschont und diese Eigenschaft ist für das anspruchsvolle Filmen sehr wichtig.

Mit knapp 1,5 Zentimetern ist der Blendenring deutlich schmaler und ungummiert, dank Riffelung aber sehr griffig. Die Markierungen auf dem Ring sind in 1/3-Stufen von F2 bis F16 eingeteilt. Der Bereich von F1,2 bis F2 ist hingegen in 1/4-Blendenschritten einstellbar. Zudem ist eine "A" Markierung vorhanden. Diese ist in Kombination mit der Sony Alpha 7R III aber nicht sonderlich aufregend. Denn die Kamera übernimmt in der Programm- und Blendenautomatik auf jeden Fall die Kontrolle über die Blende, egal auf was der Blendenring eingestellt wird. Wird die "A"-Position in der Zeitautomatik gewählt, so muss der Fotograf die Blende über die Kamera steuern, aber wer will die Blende fummelig über ein Drehrad einstellen, wenn der Blendenring so viel angenehmer in seinem Einsatz ist?

Um die Blendeneinstellung für das Filmen angenehmer zu machen, kann das "Klicken" der Blende deaktiviert werden. Dazu muss lediglich einer der beiden Schalter am Objektiv betätigt werden. Der zweite Schalter am Objektiv aktiviert beziehungsweise deaktiviert den Autofokus. Das letzte Bedienelement ist eine kleine Taste. Mit dieser kann der Fokuspunkt gespeichert werden (Fokus-Lock), zumindest in der Basiskonfiguration. Die Funktion der Taste kann außerdem geändert werden. Mit welchen Funktionen, ist abhängig von der eingesetzten Kamera.

Sigma gibt die Naheinstellgrenze des 35 mm F1,2 DG DN Art mit 30 Zentimetern an und dabei erreicht es einen maximalen Abbildungsmaßstab von 1:5,3. Wir haben den Mindestabstand von der Sensorebene mit 28 Zentimetern ermittelt. Das Bildfeld entspricht dabei etwa 16,6 x 11,1 Zentimeter und das resultiert in einen Abbildungsmaßstab von 1:4,6. Von der Frontlinse des Objektivs sind es etwa 12,5 Zentimeter bis zum Objekt. Das kann bei der Objektivgröße und bei ungünstiger Position der Lichtquelle durchaus zu Abschattungen am Motiv führen.

Im Inneren des 35 mm F1,2 DG DN Art fährt Sigma mit 17 Linsen in zwölf Gruppen das volle Programm auf. Neben drei asphärisch geschliffenen Linsen sind auch drei SLD-Linsen mit von der Partie. Während die asphärischen Linsen durch ihre Form für eine Verbesserung der Randschärfe und eine Reduktion der Farbsäume sorgen, kommen die Spezialglaslinsen (SLD) zum Einsatz, um Farbsäume zu reduzieren und die Auflösung im Randbereich zu verbessern.

Viele Linsen in einem Objektiv bedeuten ein hohes Potential für Innenreflektionen, die sich in starker Kontrastreduktion und Blendenflecken (Lensflares) bemerkbar machen und bei starkem Streu- und Gegenlicht auftreten können – zumindest dann, wenn der Hersteller seine Hausaufgaben nicht gemacht hat oder am falschen Ende der Konstruktion gespart hat. Sigma hat in diesem Bereich weder das eine noch das andere getan und ganze Arbeit geleistet. Dank hochwertiger Vergütung und Maßnahmen zur Reduktion der Innenreflektionen zeigt sich auch bei direktem Gegenlicht nur eine geringe Kontrastreduktion. Blendenflecke treten auf, sind aber wenig störend und können von der Streulichtblende eliminiert werden. Dank der elf Blendenlamellen erzeugt das Objektiv einen Sonnenstern mit sehr vielen Strahlen.

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