Hochlichtstarkes Porträtobjektiv

Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro im Test

2023-02-14 Mit dem AF 75 mm F1.2 Pro zeigt Viltrox Ambitionen, hochwertige Objektive zu einem attraktiven Preis auf den Markt zu bringen. Für nicht einmal 600 Euro verspricht das hochlichtstarke APS-C-Teleobjektiv (ca. 115 mm Kleinbildäquivalent) eine hohe Auflösung kombiniert mit einem schönen Bokeh. Auch beim Metallgehäuse samt Dichtlippe am Bajonett lässt sich der chinesische Hersteller nicht lumpen. Ob das Objektiv aber auch den 40 Megapixeln der Fujifilm X-T5 gewachsen ist, verraten wir im Test.  (Benjamin Kirchheim)

Verarbeitung

Lediglich knapp 600 Euro kostet das Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro. Dafür würde man eigentlich nicht unbedingt eine hochwertige Verarbeitung erwarten. Doch das ist beim Viltrox anders: Die Festbrennweite besteht von außen komplett aus Metall, inklusive des 77 Millimeter großen Filtergewindes. Nur die mitgelieferte Streulichtblende ist aus Kunststoff gefertigt. Sie ist innen geriffelt und mattiert, um keine ungewollten Reflexionen zu erzeugen. Sie misst knapp 4,4 Zentimeter in der Länge und 9,8 Zentimeter im Durchmesser, ist mit rund 43 Gramm aber sehr leicht. Die Streulichtblende lässt sich zum Transport verkehrt herum am Objektiv montieren, deckt dabei fast den kompletten Fokusring ab. Aufgrund der für ein Teleobjektiv ungewöhnlichen Tulpenform kommt man aber im oberen und unteren Bereich noch an den Fokusring.

Doch nicht nur das Metallgehäuse sorgt beim Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro für Robustheit, so ist am Bajonett eine Dichtlippe zu finden. Ob das Objektiv selbst abgedichtet ist, verrät der chinesische Hersteller nicht. Zumindest beim Blendenring fühlt es sich fast so an. Da der Fokus intern arbeitet, wird zudem keinerlei Luft eingesaugt oder rausgedrückt und damit auch keine Feuchtigkeit oder Staub. Zum Schutz beim Transport liegt dem Objektiv zudem eine Tasche bei.

Von den Dimensionen und dem Gewicht ist das Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro ein echter Brocken. Man könnte vermuten, dass es sogar für einen größeren als den APS-C-Bildkreis gerechnet ist. Das käme auf jeden Fall der Bildqualität zugute (mehr dazu unten). Jedenfalls bringt das Viltrox satte 670 Gramm auf die Waage und wiegt damit mehr als die Testkamera Fujifilm X-T5. Betriebsbereit mit Streulichtblende wiegt das Gespann 1,27 Kilogramm. Zudem ist das 75 mm mit einem Durchmesser von 8,6 Zentimeter recht dick und ziemlich genau zehn Zentimeter lang.

Ausstattung und Bedienung

Das Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro besitzt lediglich zwei Metall-Einstellringe. Beim hinteren davon handelt es sich um einen 1,3 Zentimeter breiten Blendenring. Er besitzt eine acht Millimeter breite, griffige Riffelung. Im vorderen Teil des Rings sind die vollen Blendenstufen sowie Markierungen für die Drittelstufen eingraviert und weiß ausgelegt. Zudem gibt es eine rot ausgelegte A-Markierung für die Automatikstellung. Der Einstellweg zwischen A und F16 ist genauso lang wie zwischen allen anderen vollen Blendenstufen, jedoch ohne Zwischenrastung. Damit könnte der Blendenring fast auch an einem Fujifilm-Objektiv sitzen.

Das Einzige, was gegenüber neueren Fujifilm-Blendenringen fehlt, ist die Arretierung in der Automatikstellung oder im manuellen Einstellbereich. Der Bereich von F1,2 bis F16 des Blendenrings ist in Drittelstufen gerastet, wobei sich die hörbare Rastung nicht deaktivieren lässt. Hierbei gibt es jedoch erste Kritik: Beim Drehen des Rings gibt es ein Gummi-Schabgeräusch, auch einen entsprechenden Widerstand kann man spüren. Das liegt möglicherweise an einer Abdichtung. Noch unschöner ist, dass die Skala immer einen halben Strich breit neben der Markierung liegt.

Des Weiteren fällt in der Praxis auf, dass zwischen F11 und F16 nur etwa 1/3 Blendenstufe weniger Licht durchgelassen wird statt der erwarteten vollen Blendenstufe. Zwischen F1,2 und F2 konnten wir hingegen keine Probleme bezüglich Belichtung feststellen, wie sie sonst manchmal bei hochlichtstarken Objektiven auftreten. Die Transmission ist hier sehr gleichmäßig.

Über einen optischen Bildstabilisator verfügt das Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro nicht. Angesichts der hohen Lichtstärke ist das aber zu verschmerzen. Zudem gibt es inzwischen einige Fujifilm-Systemkameras mit integriertem Sensor-Shift-Bildstabilisator, etwa die Fujifilm X-S10, die X-H1, die X-H2S und die X-H2 sowie die X-T4 und die Testkamera X-T5. Fujifilm verspricht bis zu sieben Blendenstufen längere Belichtungszeiten. Das wäre beim 75 mm rund eine Sekunde Belichtungszeit, da waren unsere Aufnahmen jedoch deutlich verwackelt. Bei 1/15 Sekunde Belichtungszeit konnten wir zuverlässig unverwackelte Fotos aufnehmen, was aber auch nur drei Blendenstufen entspricht.

Fokus

Der mit 2,3 Zentimetern angenehm breite Fokusring besteht ebenfalls aus Metall und ist praktisch auf der vollen Breite sehr fein geriffelt. Dadurch setzt sich sehr gerne Dreck bis hin zu kleinen Staubkörnern fest und der Ring wirkt fast schon wieder etwas rutschig. Gerne könnte die Riffelung etwas gröber sein. Der Ring lässt sich gegen einen leichten, angenehm weichen Widerstand mit leisen Schabgeräuschen endlos drehen. Der Fokusring arbeitet elektronisch und defaultmäßig nicht-linear. In diesem Modus bestimmt die Drehgeschwindigkeit, wie weit der Fokus verstellt wird. Dreht man den Ring langsam, lässt sich der Fokus in allerfeinsten Schritten sehr präzise einstellen. Dreht man schnell am Fokusring, werden schnell sehr weite Verstellwege zurückgelegt. Per Menü lässt sich dieses Verhalten jedoch auf linear umschalten, dann bestimmt allein der Drehwinkel des Fokusrings, wie weit die Entfernungseinstellung verändert wird.

Der Fokus selbst wird von einem kaum hörbaren Schrittmotor eingestellt. Die Geschwindigkeit ist nicht besonders hoch. Dafür arbeitet der Fokus aber sehr präzise. Dabei fiel uns jedoch auf, dass bei F1,2 oder F1,4 fokussierte Motive bei F2 deutlich an Auflösung verloren. Umgekehrt ist es genauso: wenn man bei F2 fokussiert und dann aufblendet, werden die Fotos mehr als erwartbar unschärfer. Dieser Fokussprung lässt sich auch sehr gut auf der Fokusskala der Kamera beobachten. Am besten sollte man also bei Arbeitsblende fokussieren beziehungsweise zumindest darauf achten, bei Blenden F2 und kleiner nicht bei größeren Blendenöffnungen als F2 zu fokussieren und umgekehrt.

Auf manuellen Fokus umgeschaltet wird über den seitlichen Schalter am Objektiv. Dieser muss zwingend verwendet werden. Mit der Kamera auf MF und dem Objektiv auf AF funktioniert der manuelle Fokusring nicht, der Auslöser-AF aber auch nicht. Nur die AF-On-Taste funktioniert dann noch. Mit Objektiv auf MF lässt sich die AF-On-Taste nicht mehr verwenden, hier gibt es also ein leicht anderes Verhalten als von Fujifilm-Objektiven gewohnt.

Dabei bietet die X-T5, wie bei Fujifilm üblich, eine Fokus-Peaking-Funktion, aber auch eine Fokuslupe lässt sich aktivieren, die besonders bei manueller Fokussierung hilfreich ist. Je nach Kameramodell lässt sich zudem beispielsweise ein digitaler Schnittbildindikator aktivieren. Ebenfalls praktisch ist die Entfernungsanzeige in einem Balkendiagramm, sogar die Schärfentiefe wird farbig markiert.

Das Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro hat laut Deutschlandvertrieb Rollei eine Naheinstellgrenze von 88 Zentimetern. Gemessen haben wir dagegen 90 Zentimeter ab Sensorebene. Der Motivabstand von der Objektivfront beträgt dabei 78,2 Zentimeter. Das minimale Bildfeld haben wir mit 23,4 x 15,6 Zentimeter gemessen, was einem Abbildungsmaßstab von 1:9,9 entspricht (Rollei gibt gar keinen Abbildungsmaßstab an). Das ist wenig spektakulär und zeigt, dass das Objektiv gar nicht erst für den Nahbereich gebaut wurde, sondern für Porträt- und Teleaufnahmen.

Eine Besonderheit des Viltrox AF 75 mm F1.2 Pro ist die USB-C-Schnittstelle, die sich am Bajonett verbirgt und somit angesetzt an der Kamera oder mit Rückdeckel gut geschützt ist. Sie dient dazu, Firmwareupdates auf das Objektiv zu spielen. Es wäre sogar denkbar, dass der von uns im Test beobachtete Fokussprung zwischen F1,4 und F2, sofern es sich nicht sowieso um einen Einzelfall handelt, noch durch ein Update behoben wird.

Fortsetzung auf Seite 2

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