2020-12-14 Das Canon RF 24-70 mm 2.8L IS USM ist die goldene Mitte der sogenannten Trinity-Objektiv-Reihe, zu der noch das Weitwinkelzoom RF 15-35 mm F2.8 L IS USM sowie das Telezoom RF 70-200 mm F2.8L IS USM gehören. Als so genanntes Standardzoom deckt das 24-70 mm bei einer durchgehend hohen Lichtstärke ein breites Spektrum an Motiven von der Landschaftsaufnahme bis hin zum Porträt ab. Ob das Objektiv aber auch allen Aufgabenbereichen gewachsen ist, zeigt unser Test an der mit 45 Megapixeln hochauflösenden Canon EOS R5. (Benjamin Kirchheim)
Das Canon RF 24-70mm F2.8L IS USM besitzt trotz des hohen Preises von über 2.300 Euro nur ein Kunststoffgehäuse, das aber hochwertige verarbeitet und mit einem Spritzwasser- und Staubschutz versehen ist. [Foto: Canon]
Knapp 2.500 Euro ruft Canon als Preis für das RF 24-70 mm 2.8L IS USM auf, im Handel ist es zum Testzeitpunkt (Dezember 2020, etwas mehr als ein Jahr nach der Markteinführung) für gut 2.350 Euro zu haben. Wer für diesen Premium-Preis ein Premium-Metallgehäuse erwartet, ist jedoch an der falschen Adresse. Außer dem Bajonett besteht das Zoom von außen komplett aus Kunststoff, der aber durchaus hochwertig wirkt. Ein Spritzwasser- und Staubschutz ist ebenfalls an Bord, wie unschwer an der Gummilippe zu erkennen ist, die das Bajonett umschließt. Selbst das mit 82 mm schon ziemlich große Filtergewinde besteht aus Kunststoff – beim Anbringen eines Filters sollte man also sorgfältig vorgehen (siehe auch unseren Fototipp in den weiterführenden Links).
Trotzdem bringt das 12,6 Zentimeter lange, 8,9 Zentimeter dicke Zoom stolze 900 Gramm auf die Waage, was nicht zuletzt an den immerhin 21 Linsen liegen dürfte, die in 15 Gruppen angeordnet sind. Das gleich große Nikon Z 24-70 mm F2.8 S ist fast 100 Gramm leichter, hat aber auch vier Linsen weniger. Mit vier Zentimetern Breite fällt der hinten sitzende Zoomring sehr üppig aus, er ist auf drei Zentimetern Breite mit einer grob geriffelten, sehr griffigen Gummierung versehen.
Mit knapp einer viertel Umdrehung zoomt man von 24 auf 70 Millimeter, bei 24, 35, 50 und 70 Millimeter gibt es entsprechende Brennweitenmarkierungen. Die exakte Brennweite wird nur in den EXIF-Daten gespeichert, aber nicht im Livebild der Kamera angezeigt. Das kann Olympus beispielsweise besser, andere Hersteller verbauen eine OLED-Anzeige am Objektiv für eine genaue Brennweitenanzeige. Beim Zoomen auf 70 Millimeter fährt der Tubus um 2,8 Zentimeter heraus. Der Zoomring ist ziemlich leichtgängig, die Objektivfront lässt sich mit mäßigem Kraftaufwand herausziehen und hineinschieben. Deshalb ist der kleine Sperrschalter zur Transportsicherung, der nur bei 24 Millimeter Brennweite greift, sicher eine gute Idee. Er sitzt auf der Handgriffseite des Objektivs, lässt sich aber nur schwer betätigen und gibt ein lautes "Knack" von sich.
Fokus
Knapp vor dem Zoomring sitzt der 1,8 Zentimeter breite Fokusring, der auf einer Breite von 1,6 Zentimetern mit einer feinen Gummiriffelung versehen ist. Der Ring lässt sich gut bedienen und bietet einen angenehmen Widerstand. Er lässt sich endlos drehen und arbeitet rein elektronisch, eine Entfernungsanzeige gibt es nicht am Objektiv. Dafür wird auf dem Bildschirm eine Entfernungsskala eingeblendet, die allerdings keine genauen Zentimeterangaben preisgibt. Mit Hilfe der Fokuslupe und dem Fokuspeaking lässt sich einwandfrei manuell fokussieren. Genial ist eine kleine Fokushilfe, die mit dem Dual-Pixel-Messsystem der Kamera arbeitet. Sie zeigt an, ob man nahe oder weit von der Schärfeebene entfernt ist und sogar, in welcher Richtung diese liegt. Dazu dienen kleine Dreiecke, die sich aufeinander zu oder wegbewegen und mit den Spitzen aufeinander stehen und sich von Weiß auf Grün färben, sobald man die Schärfeebene gefunden hat. Zudem zeigen winzig kleine weiße Dreiecke links und rechts von der Entfernungsskala an, in welche Richtung man den Fokusring drehen muss.
Bewegt wird die interne Fokusgruppe von einem Nano-USM. Der Ultraschallmotor arbeitet lautlos sowie äußerst schnell und präzise. Die Umschaltung zwischen manuellem und automatischem Fokus erfolgt mit einem links am Objektiv sitzenden Schiebeschalter, der sich angenehm und recht leise umlegen lässt. Die minimale Fokusdistanz steigt mit zunehmender Brennweite von 21 auf 38 Zentimeter. Tatsächlich konnten wir auf 20,3 bis 36,3 Zentimeter ab Sensorebene beziehungsweise 5,5 bis 18,7 Zentimeter ab Objektivfront fokussieren.
Das Canon RF 24-70mm F2.8L IS USM bietet nicht nur drei Einstellringe (Steuerring, Fokusring und Zoomring), sondern auch zwei Schalter (Fokus und Bildstabilisator) sowie einen Zoom-Lock-Schalter (hier nicht zu sehen). [Foto: MediaNord]
Der größte Abbildungsmaßstab von 1:3,3 wird laut Canon jedoch bei einer Brennweite von 32 Millimeter erreicht – hier ist die fehlende Anzeige der Brennweite ein echtes Manko. Nur durch Try-and-Error (Zoomring verstellen, fotografieren, Brennweite in der Wiedergabeansicht ablesen) lässt sich die Brennweite von 32 Millimetern exakt einstellen. Etwas besser geht es, wenn man das Objektiv bei 24 Millimeter auf die Naheinstellgrenze fokussiert und dann beim Drehen des Zoomrings die Entfernungsskala im Auge behält. Sobald die Naheinstellgrenze sich vergrößert, hat man weit genug gedreht und liegt bei 31-32 Millimeter Brennweite. Hier beträgt die Naheinstellgrenze ebenfalls gemessene 20,3 Zentimeter ab Sensorebene. Wir haben dabei ein minimales Bildfeld von 11,8 mal 7,9 Zentimeter ermittelt, was einem maximalen Abbildungsmaßstab von 1:3,3 entspricht (0,3-fache Vergrößerung). Die Werksangabe ist also sehr genau.
Weitere Ausstattung
Wie alle hochwertigen RF-Objektive besitzt auch das Canon RF 24-70 mm 2.8L IS USM einen zusätzlichen Steuerring, der ganz vorne am Objektivtubus sitzt. Er ist einen Zentimeter breit und mit einer feinen Plastikriffelung versehen. Der Ring lässt sich mit ähnlichem Widerstand wie der Fokusring drehen, verfügt aber über gut hör- und fühlbare Rastungen. Diese lassen sich im Gegensatz zu den Blendenringen manch anderer Hersteller (etwa Sigma oder Sony) nicht per Schalter deaktivieren. Wer keine Rastung wünscht, muss sein Objektiv vom Canon-Service umbauen lassen. Dieser Steuerring kann verschiedene Funktionen übernehmen. Welche das konkret ist, stellt man an der Kamera ein. Neben der Blende stehen auch beispielsweise der Weißabgleich, die Belichtungskorrektur oder die ISO-Empfindlichkeit zur Verfügung.
Unterhalb des AF-MF-Schalters sitzt ein zweiter Schalter, der den verbauten optischen Bildstabilisator an- und abschaltet. Dieser dürfte auch der Grund sein, warum das Canon-Objektiv mehr Linsen hat als das Nikon-Pendant und entsprechend auch etwas schwerer ist. Bis zu fünf Blendenstufen längere Belichtungszeiten nach CIPA-Standard verspricht Canon. In Kombination mit dem Sensor-Shift-Bildstabilisator der EOS R5, die wir zum Test verwendet haben, soll es sogar noch mehr sein. Rein praktisch gesehen lassen sich diese aber nur schwer nutzen, da man selbst bei 70 Millimeter Brennweite so lange Belichtungszeiten erreicht, dass das entsprechend lange dunkle Sucherbild ein zuverlässiges "Zielen" verhindert.
Dennoch konnten wir bei bis zu 0,4 Sekunden Belichtungszeit einige unverwackelte Fotos aufnehmen, auch wenn ein paar verwackelte dabei waren. Bei längeren Belichtungszeiten wurde der Ausschuss aber zu groß. Das entspricht einer Stabilisierungsleistung von etwa fünf Blendenstufen. Teilt man die Brennweite durch 20 und nimmt den Kehrwert davon, hat man eine gute Orientierung, welche Belichtungszeit sich noch recht zuverlässig halten lässt (etwa 1/3 bis 1/4 Sekunde bei 70 Millimeter Brennweite). Das entspricht etwas mehr als vier Blendenstufen.